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Ottendorfer Zeitung : 15.07.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190607156
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060715
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060715
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-07
- Tag 1906-07-15
-
Monat
1906-07
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 15.07.1906
- Autor
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Ein bayrischer Leutnant aus einer kleinen Garnison, der Spiel- und Schwindel schulden bis zum Betrage von 100 000 Mk. und darüber gemacht hat, ist verhaftet worden. Unfall eines Artisten. In dem Münchener Varias-Theater Kolosseum hat der Jongleur Acosta durch eine während des Jonglierens auf ihn herabfallende schwere Metallkugel so schwere Verletzungen erlitten, daß er von der Sanitäts- kolonne sofort ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Ein gefährlicher Gast. In Oberkorn, in der Nähe von Trier, erschoß ein italienischer Arbeiter wegen eines geringfügigen Streichs seinen Gastgeber und verletzte dessen Frau lebensgefährlich. Selbstmordversuch. Ein angeblich aus Berlin zugereistes, 24jähriges Mädchen drang in Metz in ein Haus und verschloß sich in ein Zimmer. Nach gewaltsamer Öffnung durch die Polizei wurde sie mit ausgeschnittener Pulsader aufgefunden und schwer verletzt in das Hospital gebracht. Uugliilksfall in den Alpen. Zwei Ober- gymnasiasten aus Innsbruck, Bucher und Norz, machten eine schon im Vorjahr ohne Führer unternommene Tour vom Brandjoch auf den Solstein. Am Hinterbrandjoch stürzte Norz infolge Ausbrechens eines Griffs über die steilen Platten, sich mehrmals überschlagend, in die Tiefe. Bucher, der das Aufprallen des Körpers Hötte, erhielt auf sein Rufen keine Antwort. Beim Suchen nach der Unglücksstelle ver irrte er sich. Nachtsgingen dann drei Rettungs- Expedittonen von Frauhiktattel, Hinterbrand joch und Christental ab, obgleich Norz zweifel los tot ist. Arbeitertumulte in Ungarn. In vielen Städten Ungarns ereignen sich seit Wochen mehr oder minder umfangreiche Arbeitertumulte. 3n Neusatz haben bei der Verhaftung des Arbeiterführers Lang Exzesse stattgefunden. Die Arbeiter versammelten sich vor dem Stadthaus und forderten stürmisch die Freilassung des Ver hafteten. Das Gebäude wurde mit Steinen beworfen, dann wurden Revolverschüsse abge geben und die Fenster eingeworfen. Die Polizisten hieben mit gezogenem Säbel auf die Menge ein. Uber 50 Personen wurden ver wundet. Lang wurde dann per Schub weiter befördert. Die Arbeiter versuchten vergebens, ihren Führer zu befreien. Bier Soldateu ertrunken. Beim Bau eiqer Pontonbrücke über die Jsöre bei Grenoble (Frankreich) sind 14 Geniesoldaten in den Fluß gestürzt, von. .denen, vier ertranken. Der Streik der Strastcnbahnangestellten i» Rom. Zwei Drittel des Personals er hielten bisher für den Arbeitstag weniger als drei Lira. Jetzt verlangt das gesamte Personal Aufbesserung. Die Regierung verhält sich in dem Streik neutral. Die Hauptlinien werden von Stadtpolizisten bedient. Eine von 3000 Personen besuchte Volksversammlung nahm zu dem Streik Stellung, indem sie die Stadt gemeinde aufforderte, für die Wiederherstellung des Straßenbahndienstes Sorge zu tragen oder aber die den Dienst verrichtenden Polizisten zurückzuziehen und die Neutralität aufrechtzu erhalten. Sollte die Gemeindevertretung hierauf nicht eingehen, so werde man sich den Beschluß über ein weiteres Vorgehen Vorbehalten. eb. Ein gutgcluugener Schwindel. In Madrid besuchte vor einigen Tagen eine hoch elegant gekleidete Dame einen bekannten Nerven arzt und sagte ihm, daß ihr Mann von religiösem Wahnsinn befallen sei. Nachdem die Dame alle Einzelheiten des Falles erklärt hatte, wurde vereinbart, daß sie ihren Mann zur Untersuchung bringen solle. Die Dame ging, aber zu einem Juwelier in einem andern Teste der Stadt, wo sie für 20000 Mark Juwelen auswählte und bat, diese in ihre Wohnung mitzugeben, damit auch ihr Mann sich mit dem Kauf einverstanden erklären könne. Ein Verkäufer wurde mit gesandt, und mit diesem fuhr die Dame zu dem Nervenarzt. Im Vorzimmer nahm sie die Juwelen und sagte dem Begleiter, daß sie die Steine ihrem Mann zeigen wolle. Sie ging ft in das Sprechzimmer und benachrichtigte den Arzt, daß ihr Mann draußen Watte. Als der Doktor an den Verkäufer seine üblichen Fragen Achtete, klärte sich der Schwindel auf, die „Dame" aber war durch einen Nebenausgang verschwunden und hatte ihren Raub in Sicher heit gebracht. Präsident Roosevelt in de« Ferien. Präsident Roosevelt verbringt seine Sommer fetten, wie die ,Frs. Ztg/ schreibt, mit seiner Familie auf seinem alten Wohnsitz zu Oyster Bai in Long Island. Eine allzugroße Muße ist freilich dem vielbeschäftigten Präsidenten auch hier nicht vergönnt; seine Sekretäre, Steno graphen und Telegraphisten begleiten ihn auch hierher, denn die Regierungsgeschäfte dulden keinen Aufschub. Eine ungeheuer ausgedehnte den Schanktisch, warf die hier stehenden Gläser, Tassen und Flaschen herunter und verursachte auf diese Weise einen Höllenlärm. Ein auf der Straße patrouillierender Schutzmann Hötte den Spektakel, glaubte, Diebe seien in das Lass ein gedrungen, und verschaffte sich mit Gewalt Ein gang in die Räume. Auf diesen Augenblick hatte der Hund gewartet. Kaum wurde die Tür geöffnet, so entfloh er auf die Straße und machte sich im Galopp auf und davon. Gerick tskalle. Nürnberg. Vor dem Schöffengericht wurde eine Beleidigungsklage des Zahnarztes Weidenslaufer gegen seinen frühere» Prinzipal Zahnarzt Dr. Bock Oie äeutlcb-bökmikke Ausstellung in Keickenberg. Die deutsch-böhmische Ausstellung in Reichenberg gibt ein glänzendes Bild von der gesamten Arbeit der Deutschen in Böhmen. Die Ausstellung wurde auch von Kaiser Franz Joseph besucht. Durch streift man dis Ausstellungen und Sonderaus stellungen der verschiedenen Städte, so erhält man den Eindruck, daß hier ein fleißiges, reichbe gabtes und sympathisches Volk das vollendete Bild seines historischen, künstlerischen, industriellen und landwirtschaftlichen Wirkens entwirft. Die Deutschen Böhmens sind ernster und schaffens freudiger gestimmt als ihre übrigen Stammes brüder in Österreich, sie nehmen lebhaften Anteil an der gewerblichen und kulturellen Entwickelung des Nachdarreiches, sie schauen sich fleißig iu der Welt um und suchen das Erfreuliche, das sie in der Fremde finden, in ihre Heimat zu verpflanzen. Der Massenbesuch aus dem Deutschen Reich spricht denn auch für das hohe Interesse, das man bei uns dem bedeutsamen Wett der Böhmen entgegenbringt. Unser Bild zeigt uns das Ausstellungsgelände mit dem Talsperrensee, der sich als ganz besonders groß artiger Teil präsentiert. Die Ausstellung wird sicherlich dazu dienen, daß sie trotz ihres streng nationalen Charakters ein Bindeglied zwischen den einzelnen Völkern Österreichs wird. Korrespondenz ist zu erledigen, und „Teddy" arbeitet so in seinen Fetten mehr, als manch andrer in seiner wichtigsten Geschäftszeit. Der Präsident füllt die wenigen Stunden, die ihm auch hier nur vergönnt sind, mit Reiten aus, spielt mit seinen Söhnen Tennis, hackt zu Nutz und Frommen seiner Gesundheit Holz und ver bringt auch gelegentlich eine Nacht im Walde unter einem Leinewandzelt, der Mode des so beliebten „Lagerlebens" sich anschließend. Alle seine Söhne rudern und schießen und der Vater unterrichtet sie selbst im Gebrauch der Büchse. Die jüngere Tochter Roosevelts, Miß Ethel, die jetzt die Stelle der Mrs. Longworth einnimmt, hat sich zu einer richtigen Dame entwickelt, der man schon überall große Aufmerksamkeit ent gegenbringt und die ihrer Mutter bei denkleinen Empfängen der sommerlichen Saison bereits Hilfe leistet. Wie sich ei« emgeschlofsener Hund zu helfen wußte. Eine amüsante Hundegeschichte wird dem ,B. L.-A.' aus New Jork gemeldet. In ein Cafs in der Kanalstraße hatte sich un bemerkt ein Hund eingeschlichen, der, als das Lokal geschlossen wurde, in die Restaurations- räume eingespertt wurde. Eine Welle ließ sich das Tier die unfreiwillige Haft gefallen, dann aber versuchte es die Freiheit wiederzuerlangen und sich auf alle mögliche Weise bemerkbar zu machen. Zunächst kletterte er auf das Fenster brett und heulte die wenigen Passanten an, die um diese Zeit an dem Cafs vorbeieilten. Da sich niemand um den Eingeschlossenen kümmerte, verfiel er auf einen neuen Trick, um die Auf merksamkeit auf sich zu lenken. Er sprang..auf verhandelt. Der Klüger war früher Assistent bei Dr. Bock und hatte sein Ehrenwort geben müssen, vor Ilblanf von 5 Jahren keine eigene Praxis aus zuüben. Verschiedene Umstände bestimmten ihn je doch, von diesem Versprechen zurückzutreten. Dr. Bock rächte sich, indem er Weidenslaufer die Aufnahme m die Gesellschaft „Museum" unmöglich machte. Dieser glaubte sich im Rechte und klagte. Es kam nun folgender Vergleich zu stände: „Der Privat- beklagte versichert, daß ihm jede Beleidigung des Privatklägers fern gelegen ist, daß er anerkennen müsse, daß der Privatklüger sich durch seine Aus stellungen in seiner Ehre angegriffen fühlen mußte, daß er bedaure, hierzu Anlaß gegeben zu haben und deshalb die Beleidigung als solche mit Bedauern zurücknimmt und insbesondere dm Vorwurf des Ehrenwortbruches und Treubruches nicht mehr auf- stcllen werde." Posen. Eine tote schwatze Katze war in einem Faß der Posener Molkerei, das 400 Liter Butter milch enthielt, entdeckt worden. Der Obermeier Röske gab Anordnung, diese Buttermilch in Quark zu verarbeiten, was auch geschah. Das Schöffen gericht verurteilte den Oberquarkmeier zu 300 Mk. Geldstrafe. Sm Gespräch mit äem l^eibarLt äes Papstes teilt ein Mitarbeiter des ,Giornale d'Jtaüa' mit. Der Leibarzt Prof. Lappom, der auch schon der Arzt Leos XII l. gewesen ist, sprach sich im Gegensatz zu den falschen Gerüchten, die im Umlauf sind, sehr befriedigt über den Ge sundheitszustand seines hohen Patienten aus. „Seine Heiligkeit", so sagte er, „befindet sich sehr wohl. Der jüngste Anfqll von Gicht hat seinen Gesundheitszustand durchaus nicht ver ändert. Es war der erste Gichtansall fest vier zehn Monaten, und wenn man bedenkt, daß der Patient 71 Jqhre alt ist, so ist kein Grund, dadurch beunruhigt zu sein. Man sagt auch, daß bei dem Papst Symptome von Ver kalkung der Arterien auftreten. Wer bei wem zeigten sich nicht nach dem fünfzigsten Jahre solche Symptome? Bei dem Papst sind diese Anzeichen sehr gering und völlig ungefährlich. Leo XIU. hat mehr als einmal die Be merkung gemacht, dich der unterbrochene Aufent halt im Vatikan ein gutes Mittel wäre, um das Leben der Päpste zu verlängern, da sie so vor den offiziellen öffentlichen Zeremonien mehr bewahrt wurden, die außerordentlich er schöpfend seien. So ist auch eine Luftverände rung für den Papst durchaus nicht vonnöten. Er spricht Wohl selbst manchmal davon und hat z. B. zu dem Provinzial von Monte Cassino gesagt: „Wer weiß, ob wir uns nicht früher oder später da unten einmal treffen?" Auch wenn jemand von seinem geliebten Venedig spricht, dann erfüllt das das Herz des Papstes mit Sehnsucht, und er träumt davon, noch einmal in einer Gondel durch die leuchtenden Wasser der Lagunenstadt fahren zu können. Wer daß er daran denke, eine Tradition, die nun schon - 36 Jahre hindurch andanett, zu unterbrechen, ist völlig falsch. Jedenfalls bin ich-jetzt mit der Gesundheit des Papstes sehr zufrieden. Wenn Seine Helligkeit, wie ich es von ganzem Herzen wünsche, neunzig Jahre all werden sollte, so würde er doch keine Luftveränderung nötig haben. Selbst in diesen heißen Sommermonaten zeigt Pius X. eine so gute Laune und so Mches: Wohlbehagen, daß von einer Schwäche oder Krankheit nichts zu spüren ist." Gemeinnütziges. Vorzügliches Rezept gegen Huste«. Man legt eine Zitrone in den heißen Bratofe« und läßt sie dort so lange liegen, bis sie äußerlich ganz glatt und bräunlich wird. Als dann preßt man den Saft dieser gebackenen Zittone über zwei gehäufte Eßlöffel braunen Kandiszucker. Der Zucker schmilzt von diesem heißen Zittonensast, und durch mehrmaliges Rühren entsteht eine sirupähnliche Masse. Man nimmt mehrmals am Tage hiervon einen Tee löffel voll. Besonders für Kinder ist dieses schmackhafte, wirksame Mittel sehr zu empfehlen. Gegen Bleichsucht. Ein sehr natürliches Hellmittel hierfür sind gedörrte Langbirnen in rotem Wein weichgekocht; ebenso empfehlens wert ist folgendes Mittel: Man zerklopfe ein Ei recht schaumig mit einem Teelöffel Zucker, gieße ein Glas guten Rotwein daran und ge nieße täglich in Zwischenräumen ein Glas so präparierten Weines. Man wird die gute Wirkung bald verspüren. Zum Reiuigcu von Kupfergeschirr eignet sich sehr gut ein Brei aus Kleie, dem man nach dem Auskühlen etwas Schwefelsäure zusetzt, die man in dem Brei gut verteilt. Auf 1 Liter Kleie nimmt man 1 Eßlöffel, Schwefel säure. Mit diesem sauren Brei werden die be treffenden Gegenstände tüchtig gerieben, bis die schöne kupferrote Faxbe des Geschirrs einttttt, nachher wird letzteres mit reinem Wasser abge spült und getrocknet. Suntes Allerlei. H Eine Sehenswürdigkeit. Ein Schuh machergeselle hustete bei Tische gewaltig. „Was ist dir denn?" rief der Meister. „Mir ist etwas in den unrechten Schlund gekommen," antwortete der Geselle. — „Das fehlte mir noch gerade," erwiderte der Meister, „einen Kerl mit zwei Schlünden kann ich nicht gebrauchen." Angenehmer Traum. Hans: „In der letzten Nacht habe ich von dir gekäumt." Max: „Hoffentlich doch etwas Angenehmes/ — Hans : „O ja, etwas, sehr Angenehmes, wenn es nur in Erfüllung ginge. Mir träumte nämlich, du hättest mir die hundert Mark be zahlt, die du mir schuldest." erkannt, daß er innerhalb fünf Jahren überall vergessen wurde. Leute, die ihn einst gekannt, kannten ihn nicht mehr. Selbst das Hotel, in dem er abzusteigen pflegte, war, wie so viele Häuser seiner einstigen Freunde, m andre Hände übergegangen. Einst kannten sie ihn alle, der Direktor, die Kellner, und grüßten ihn ehr- erbietig als Herm Doktor, jetzt ist er ein Fremder unter Fremden, und er kommt sich selbst fremd vor. Die Leute in Berlin haben sich ver ändert. So eilt et wieder nach dem Bahnhof und löst eine Fahrkatte nach dem entlegenen thüringer Dorf, wo er noch hofft, einen Mann und eine Frau zu finden, wie er sie verlassen hatte. Als er auf der Station ankommt, macht sie den gleichen Eindruck noch wie früher; aber auch der Stationsmeister und der einzige Pottier kennen ihn nicht und bemühen sich nicht um den einsamen Reisenden. Nachdem er seine Reiseeffetten mühsam zusammengesucht hat, entdeckt er natürlich, daß ihn kein Wagen erwartet. So ist er genötigt, den Rest der Reise in einem muffigen Wägelchen, das ihm ein Eisenbahnarbeiter bestellt hat, auf holprigen Landwegen zurückzulegen. Am Ziel angekommen, erkennt er aus dem höflichen Erstaunen des ihn empfangenden Dieners, daß er auf Lindeichorst nicht nur unerwartet, sondern auch unerkannt eintrifst. Erst nach einigen Minuten, als ihn der Diener in das Arbeitszimmer semeS Herm führt und Georg ihm mit herzlichem Willkommen die Hand drückt, beginnt dieses Gefühl des Fremd- sen" > verschwinden. Denn Georg Baumbach wenigstens hat sich nicht verändert: ein wenig sonnengebräunter, ein wenig breitschultriger, mit- einigen wenigen weißen Härchen im blonden Batt, sonst aber ist er noch derselbe — so herzlich, jovial und laut lachend wie früher — ein Mann, an welchem fünf Jahre spurlos vorübergegangen sind. „Bruno — so unerwartet! Warum tele graphierst du nicht? Ich hätte dich abholen taffen. Wir glaubten, du würdest erst nächste Woche kommen." Und wie er seinem Freund ins Gesicht blickt, bemerkt er, daß dort die Zeit sichtbarere Spuren hinterlassen hat als in seinem eigenen. Denn Bruno ist mager, feint Teint schimmert etwas ins Gelbliche, und sein dunkles Haar ist mit Grau durchzogen; er sieht um vieles älter aus. Bruno bemerkt die Überraschung im ehrlichen blauen Auge seines Freundes und spricht fröstelnd wie der Mann, der an ein warmes Klima gewöhnt: „Ich wollte euch überraschen. Und jetzt kommt mir's fast vor, als hätte ich mich geirrt. Wer schicke mich ruhig fort, wenn du keinen Platz für mich mehr hast." Er wirft seinen Pelzmantel ab und läßt sich in einen der großen Lehnsessel nieder und blickt im behaglichen Zimmer umher und fühlt sich wieder zu Hause. „Es tut einem gut," spricht er mit einem zufriedenen Seufzer nach den ersten Motten der Begrüßung, „nach fünf Jahren der Verbannung sich eines gemütlichen, luxuriös ausgestatteten Heims wieder erfreuen zu dürfen. Erst dann lernt man die Heimat recht schätzen. Du allein scheinst dich nicht verändert zu haben; hier ist alles noch so, wie ich es verließ." Georg Baumbach blickt etwas verlegen, leise lächelnd vor sich hin. „Ich fürchte fast," versetzt er, „daß du unser Haus auch nicht mehr ganz so ruhig und füll wie früher finden möchtest. Wenn wir gewußt hätten, daß du kommst . . . aber, ja, du kannst es ja nicht wissen: seit Gertrud in Berlin in die Gesellschaft eingefühtt worden, liebt sie es, das Haus voll Gäste zu haben. Sie findet ihre Unterhaltung dabei, und ich habe nichts dagegen. Doch hatten wir im Sinne, sie alle fottzuschicken, ehe —" Er hält inne in seiner aufrichtigen Art. die Bruno so familiär anspricht und an alte Zeiten gemahnt. „Gertrud — eine Dame der Gesellschaft!" wiederholt Bruno ebenso überrascht wie un- angenehmt berührt. „Eine Weltdame! Ich glaubte, ich wäre gegen alle Veränderungen nun gefeit; diese aber kann ich mir nur schwer vorstellen." „Versteh'" versetzt Georg langsam, „du warst ünf Jahre lang fort. Bec deiner Abreise war ie achtzehn — sie ist jetzt dreiundzwanzig. Sie ist hübsch, und man hält sie für reich. Sie war in der Hauptstadt, und die Bekannten dort führten sie überall hin und verhätschelten sie. Sw fand an dem gesellschaftlichen Treiben Ge fallen und hat es auch hier fortgesetzt, so gut es geht." Dieses nette Bild, das ihm hier von Gertrud gezeichnet wird, erfreut ihn nur halb. „Ich kann mir denken," spricht Bruno fast unwillig, obgleich er sich dieses Gefühl selbst nicht erklären noch rechtfettigen kann, „daß sie viele Anbeter hat." „Ja," antwortet Baumbach voll Ernst, „und viele Heiratsanträge. Bloß scheint sie schwer zu befriedigen. Bis jetzt scheint ihr keiner gefallen zu haben." Bruno vernimmt diese Mitteilung füll- . schweigend; aber die Idee eines Nebenbuhler- verleiht der Situation einen neuen Reiz für ibn. Sinnend blickt er vor sich hin und denkt an die letzten Augenblicke seines Abschieds von ihr. „Wir müssen nun auch die andern auf suchen," beginnt Georg etwas zögernd. „Sw Winken eben Tee in Gertruds Zimmer; ich schloß mich hier ein, um meine Korrespondenz zu erledigen. Doch bevor wir gehen, hätte — möchte — ich — dir — noch etwas — sagen." ! Diese zögernde Einleitung erweckt Bruno- Aufmerksamkeil. „So? Was gibt's?" fragt er und bereitet > sich vor, weitere Enthüllungen hören zu müssen. „Ich habe — ich habe mich nämlich," spricht Georg zögernd und errötend, — „ich bin verlobt." Beide schweigen. Endlich beginnt Stauffer laut aufzulachen. „Was? Du heiraten! Soll denn alles anders werden? Mein lieber Freund! Aber entschuldige, denn ich sah in dir immer nur den unverbesserlichen Hagestolz." „Mag sein, obgleich ich nicht einsehe, wes halb," antwortet Georg fast beleidigt. „Ich weiß absolut keinen Grund, weshalb ich nicht heiraten sollte. Im Gegenteil, alles spricht in mir fürs Heiraten." SF » (Fortsetzung folgt.)
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