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Ottendorfer Zeitung : 15.07.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190607156
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060715
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060715
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-07
- Tag 1906-07-15
-
Monat
1906-07
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 15.07.1906
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politilcke kunälebau. Deutschland. * Der Kaiser ist auf seiner Nordlandsreise in Tromsö eingetroffen. *Wie in zuständigen Kreisen verlautet, ist in dem zwischen Italien, Frankreich und Eng land vereinbarten Abkommen über Abessinien nichts enthalten, was den wirt- schaftlichön Interessen Deutschlands entgegen steht. Was insbesondere die Regelung der Eisenbahnfrage betrifft, so wird man daran festhalten können, daß dem deutschen Handel sein Anteil an der Erschließung Abessiniens wie andern Ländern gewahrt bleiben wird. *Bei der Reichstaas-Stichwahl in Altena-Iserlohn siegte der sozia listische Kandidat Haberland mit etwa 1700 Stimmen Mehrheit über den Zentrums kandidaten Klocke. *Jn der Budgetkommission des bayrischen Abgeordnetenhauses erklärte der Berkehrsminister, daß die vom Reichstage für das Gebiet der Reichspost be schlossene Porto-Erhöhung vom 1. August auch in Bayern eintreten wird. Vsterreich-Ungarn. * Der Budgetausschuß des österreichi schen Abgeordnetenhauses nahm die Regierungsvorlage betr. dieTriesterHafen - bauten an, wobei der Krebst von 46'/- Mil lionen Kronen auf 41 Millionen herabgesetzt wurde. Ferner gelangte eine Reihe von Be schlußfassungen, die das Subkomitee vorbe schlagen hatte, zur Annahme; in ihnen wird ausgesprochen, daß die Vergebung der Triester Hafenbauten ohne vorherige parlamentarische Bewilligung mit dem verfassungsmäßigen Bud getrechte und der parlamentarischen Staats schuldenkontrolle unvereinbar sei. *Jn Brünn kam es zu einem heftigen Zusammenstoß zwischen Tschechen und der Polizeiwache. Nach einer im slawischen Vereinshaus abgehaltenen tschechischen Versamm lung zogen die Teilnehmer unter Schmähreden gegen die Gemeindevertretung durch die innere Stadt. Es wurden Fenster eingeschlagen, Laternen zertrümmert, mit Steinen nach der Wache geworfen. Beim Zusammenstoß wurden zwei Wachleute verletzt und einem zufällig ins Gedränge gekommenen deutschen Postbeamten das Nasenbein eingeschlagen. Ein tschechischer Bankdiener gab im Gedränge einen Revolver schuß ab. Erst nachdem Truppen herbeigerufen worden waren, konnte die Ruhe wieder herge stellt werden. Frankreich. *Der gesamte Entwurf des Amnestie gesetzes wurde von der Kammer mit einem Nachtrag zugunsten der Beamten, die sich am Streik beteiligt hatten, angenommen. * Die Kammer hat das Gesetz betreffend die Verpflichtung zur Gewährung eines wöchent lichen Ruhetages, das vom Senat bereits genehmigt ist, endgültig angenommen. *Jn der Nähe von Pans fand zwischen dem Oberstleutnant Picquart und dem General Gonse ein Pistolenduell statt, das aber unblutig verlief. (Picquart hatte gelegent lich der neuen Dreyfusverhandlung erklärt, Gonse habe in der Dreyfusangelegenheit schon so ost mündlich und schrifüich die Wahrheit gefälscht, daß sein Wort keinen Glauben mehr habe. Darauf erfolgte die Forderung Gönses.) England. *Das englische Geschwader, das für die Fahrt nach der Ostsee bestimmt ist und russische und deutsche Häfen (u. a. Lübeck) an laufen wird, besteht aus je sieben Schlachtschiffen und Kreuzern. *Jm Oberhaus veranlaßte Lord Roberts eine längere Debatte über mili tärische Angelegenheiten, indem er darlegte, die Nation sei für einen Krieg nicht vorbereitet, und die militärische Erziehung der Natton müsse so weit verstärk werden, daß jeder Bürger an der Verteidigung des Landes Anteil nehmen könne. *Die Mederaufnahme der diplomatischen Beziehungen Englands zu Serbien scheint nicht von allen Anhängern der gegen wärtigen Regierung gebilligt zu werden. Im Unterhause wurde der Staatssekretär des Auswärtigen befragt, ob ihm bekannt fei, daß nach amtlicher Bekanntgabe der neue englische Gesandte in Belgrad bei seiner Ankunft dort von einer Eskorte nach dem Palast be gleitet werden soll, in der sich die am meisten in den Vordergrund getretenen Königs mörder befinden, und ob er infolgedessen die Abreise des Gesandten nicht bis zum Eingang weitster Aufklärungen verschieben wolle. Sir Edward Grey erwiderte: Die Regierung weiß nichts davon, daß eine solche amtliche An kündigung in Belgrad erfolgt ist oder eine solche Absicht besteht, die offenbar dem Geiste, in dem Der freigesprochene Admiral Roschdjestwenöky. die diplomatischen Beziehungen erneuert worden sind, ganz entgegengesetzt wäre. Schweiz. * Der französische Botschafter in Bern überreichte dort die fran zö s i s ch e An tw or 1 auf die letzten Vorschläge der Schweiz; sie ist so wenig entgegenkommend, daß an der Lage der Handelsvertrags-Unterhand lungen nichts geändert wird. Es scheint also auch zwischen der Schweiz und Frankreich zu einem Zollkrieg zu kommen. Italien. * Die Regierung hat den Schutz - mächten Kretas den Wunsch kundgegeben, bei Gelegenheit der gewünschten Reformen durch geeignete Maßnahmen es zu ermöglichen, die italienischen Offiziere, Unteroffiziere und Mann schaften zurückzuziehen, die gegenwärtig in der kretischen Gendarmerie Dienst tun. Norwegen. * Die Regierung hat die Nachricht er halten, daß Ende Juli d. ein großes deutsches Geschwader von 16 Schlachtschiffen, 9 Kreuzern und 13 Torpedobooten die Küstenplätze Nor wegens besuchen werde. Rustland. *Jn Kronstadt sprach das Marine gericht den wegen Übergabe des „Bedowy" angeklagten Admiral Roschdjestwensky frei, weil er schwerverwundet und in besinnungs losem Zustande den Befehl zur Übergabe erteilt habe. Dagegen verurteilte es die Kapitäne ersten Ranges de Colongue und Filippow, ferner den Kapitän zweiten Ranges Baranow sowie Leutnant Leontjew, da sie den Kampf mit den Japanern nicht aufnahmen, sondern beschlossen, den „Bedowy" einfach zu über geben, zum Tode durch Erschießen. Auch dieses Urteil soll jedoch im Gnadenwege durch den Zaren gemildert werden mit Rücksicht auf die schweren Nervenerschütterungen, die die Offiziere während des voraufgehenden Kampfes bereits erlitten hatten. *Auf den Oberkommandierenden der Schwarzmeer-Flotte Admiral Tschuk- nin, der erst am 9. Februar d. Gegenstand eines Mordanschlages war (ein junges Mädchen hatte aus unbekannten Gründen damals auf den Admiral vier Schüsse abgegeben und ihn an Schulter und Beinen unerheblich verletzt, während das Mädchen auf der Flucht von der Schildwache niedergeschossen wurde), ist aber mals ein Attentat ausgeübt worden, wie es scheint, mit größerem Erfolge als vor fünf Monaten. Der Mordanschlag wurde von einem Matrosen verübt. Dieser lauerte dem Admiral in einem Gebüsch auf, als er sich im Garten seiner Villa erging, und schoß auf ihn. Der Urheber des Anschlages ist entkommen. Man ist darüber im Zweifel, ob es sich bei dem Attentat um politische Dinge oder um einen persönlichen Racheakt handelt. * Nächst der russischen Garde galten die Kosakentruppen von jeher als ein unbe dingt zuverlässiges Werkzeug jeder Regierung des Zaren. Der jahrelange Polizeidienst jedoch, zu dem sie unter Nichtachtung ihrer eigenen häuslichen und wirtschaftlichen Ver hältnisse in allen Teilen des Reiches unausgesetzt gebraucht werden, hat auch dieses Soldaten material nachgerade mürbe gemacht. Aus allen Testen des Reiches kommen Nachrichten, daß die Kosaken mit den revoltierenden Arbeitem ge meinsame Sache machen. Mehrere ganze Kosaken- Regimenter beschlossen, die Reichsduma zu ersuchen, sie möge darauf hinwirken, daß die mobilisierten Kosaken-Regimenter wieder entlassen würden. * Fürst Urussow will die Belege für seine Behauptung, daß die Juden Hetzen von geheimen, über der Regierung stehenden Gewalten organisiert würden, bis zum 18. d. der Duma vorlegen. Inzwischen hat die Duma einen Beschluß gefaßt, wonach Reden über die Vorkommnisse in Bialystok nun im Parlament nicht mehr gehalten werden sollen. * Das weste Rußland steht wieder einmal im Zeichen des Streiks. In Odessa streiken die Hafenarbeiter mrd Bäcker. In Lodz streiken alle Fuhrleute, so daß jedweder Verkehr verhindert wird. Balkanstaaten. * In den Verhandlungen über die drei- prozentige Zollerhöhungin der Türkei ist eine Stockung eingetreten, da der englische Bot schafter in Konstantinopel die Weisung erhalten hat, die von seinenKollegen geplante Kollektiv note nicht zu unterzeichnen. Die Änderung in der Haltung Englands wird auf die wegen der ägyptischen Vorfälle der Türkei unfreundliche öffentliche Meinung in England zurückgeführt. Ägypten. * Zwischen den ägyptisch-türkischen Grenzkommissaren ist wegen der Grenz regulierung auf der Halbinsel Sinai eine neue Schwierigkeit entstanden; Einzelheiten über den neuen Streitpunkt werden an beteiligter Stelle geheim gehalten. Vettugsprozeß v. Zander. Der Riesenprozeß nähert sich nun seinem Ende. Seit 20 Tagen sitzen Richter und Geschworene von früh morgens bis in die späte Nachmittagsstunde, um in die verwickelten Geschäfte des Majors Licht zu bringen. Mehr als einmal kam es dabei zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen dem Vor sitzenden und dem Angeklagten, dem Staatsanwalt und der Verteidigung. Major v. Zander und sein Rechtsbeistand erhoben dabei schwere Angriffe gegen den Landgerichtsrat Firle, der die Untersuchung ge leitet hat. Es wird behauptet, daß Landgerichtsrat Firle seine Befugnisse als untersuchender Richter weit überschritten und daß er Herrn v. Zander so wie der Verteidigung keine ausgiebige Gelegenheit geboten habe, das Entlastungsmaterial zusammen zutragen. Als eine der letzten Zeuginnen wird Frau Hedwig Kubtelak vernommen, dieeinen anonymen Brief an die Staatsanwaltschaft gerichtet hat, daß Frau v. Zander total verrückt sei. Zeugin war drei Monate lang Wirtschafterin auf Schmögerle. Sie erklärt, daß Frau v. Zander regelmäßig ohne den geringsten Grund furchtbare Skandale heraufbeschwor, die Hausmädchen ohrfeigte und überhaupt das Dienst personal auf jede Weise schikanierte. Von früh bis spät abend habe sie unaufhörlich Wein getrunken, (Heiterkeit.) Sie sei selbst dann nicht mehr nüchtern gewesen, wenn sie V28 Uhr morgens in die Küche heruntergekommen sei. Sie habe Frau v. Zander überhaupt immer nur mit der Flasche gesehen. ! Am Mittwoch kamen als letzte Sprecher die Sachverständigen zum Wort. Aus den Aussagen geht hervor, daß bei Frau v. Zander mindestens eine sehr abnorme Veranlagung in Bestacht kommt, die vielfach die freie Selbstbestimmung ausschlicßt, während bei Major v. Zander wohl eine erbliche Belastung festgestellt wird, nicht aber ein Zustand, der ihn für seine Handlungen unverantwortlich er scheinen läßt. Mit den Aussagen der Sachverständigen wurde die Beweisaufnahme in dem Prozeß, der überall das größte Interesse hervorgerufen hat, ge schloffen. Es ist interessant, daß alle vier Sachver ständigen Frau v. Zander als nicht völlig zu rechnungsfähig bezeichnen und sich dennoch nicht klar über die strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit zu äußern vermögen. Infolgedessen befragte auch ein Geschworener den Sachverständigen Professor Lesser: Wie fassen Sie Ihr Urteil über die straf rechtliche Zurechnungsfähigkeit der Frau v. Zander zusammen? — Sachverü.: Frau v. Zander ist wegen ihrer seelischen Abnormität minder zurech nungsfähig, möglicherweise zu gewissen Zeiten völlig unzurechnungsfähig gewesen. Es erscheint mir aber unmöglich, diese Zeiten zu umgrenzen. Mehr kann ich nicht sagen. Dies ist einer der schwierigsten Fälle, die mir vorgekommen sind. Es besteht die Möglichkeit, daß Frau von Zander in Momenten besonderer Aufregung unzurechnungsfähig war. — Es wird nun ein Ruhetag eintreten, um dem Staats anwalt und der Verteidigung Zeit zu geben, sich auf die Plaidohers vorzubereiten. Von unä fern. Eine schöne Stiftung ist der Stadt Köln zugeflossen. Der verstorbene Fabrikbesitzer Joseph Eoblenz hat der Stadt 300 000 Mk. zur Errichtung eines Asyls für altersschwache Per sonen, ferner meh eren Wohlsahrtsanstalten 36 000 Mark vermacht. Reiche Heringsfänge. Nach den von den Heringsfangplätzen eingetroffenen ersten Meldungen gestalten sich die Fänge in diesem Jahre, ganz im Gegensatz zum vorigen Jahre, äußerst günstig, doch beginnen neuerdings auf fallend viele Haifische auf den Heringsgründen einzutreffen. Die ersten deutschen Herings logger rüsten bereits zur ersten Heimfahrt. Sie haben Fänge von 500—600 Kantjes an Bord, was ein außergewöhnlich günstiges Fangresultat darstellt. Die deutsche Herings flotte führt im Laufe des Sommers durchweg 3—4 Fangreisen aus, je nachdem, wie sich die Fänge gestalten. Der Raubmörder Hennig betreibt das Wiederaufnahmeverfahren. Er hat durch seinen Rechtsanwalt an die Potsdamer Justizbehörden eine Menge Eingaben gerichtet, die nach seiner Auffassung neue Tatsachen enthalten sollen. Die Strafvollstreckung verzögert sich dadurch um mehrere Monate. Sie wird, wie üblich, in Plötzensee bei Berlin stattfinden. Dampferzusammenstoh. Der englische Dampfer „Cumbrian", auf der Reise von Flens burg nach Finnland, stieß mit dem holzbeladenen norwegischen Dampfer „Fram" Zusammen. „Cumbrian" ist gesunken. Die Mannschaft wurde auf den „Fram" gerettet, der nach Stock holm weiterging. Unter der Beschuldigung, die Michaelis- kirche in Brand gesteckt zu haben, stellte sich in Hamburg ein arbeitsloser Droguist S. der Polizei. Er schilderte sein Vorgehen in glühen den Farben. Bald merkte man jedoch, daß man es mit einem Geisteskranken zu tun hatte. Er hat sich schon im April d. selbst bezichtigt, ein Dienstmädchen ermordet zu haben. Eine Feuersbrunst vernichtete das Ma schinenhaus und die Erzmühle der Mineralöl werke von Albrecht u. Komp, am Billhörner- damm in Hamburg. Ei« Groftfeuer legte in Bistorf bei Land kirchen auf der Insel Fehmarn neun Gebäude in Asche. Dabei sind 60—70 Ferkel nebst den Säuen verbrannt. Gerettet wurde nur ein Teil des Mobiliars. Der Schaden ist zum größten Teil durch Versicherungen gedeckt. Die Eut- stehungsursache ist unbekannt. Ein entsetzliches Unglück hat sich in Neumünster ereignet. Dort wurde in der Holz- bearbeftungsfabrik von Fehrmann der Arbeiter Karnal von einer Kreissäge der Länge nach mitten durchgeschnitten. 4. Einige Tage später reist er mit dem Schnell zuge nach dem einladenden Landhaus in Thüringen, und in der Abendzeitung, die er in der Hand hält, findet sich die Mitteilung, daß Dr. Bruno Stauffer zum Konsul in Atami in Japan er nannt worden sei. Mehrere Tage lang weilt er in der Gesell schaft fieber Freunde; und als er endlich ab ressen muß, trifft es sich, daß Bruno und Gertrud allein im Wohnzimmer sind, da Georg nach dem Stalle geeilt ist, um für den Wagen zu sorgen, der ihn nach der Bahnstatton führen soll. Während des Besuches im gastlichen Hause war er sich immer bewußt, als hätte sich zwischen ihm und dem Mädchen eine Scheidewand er hoben. Gewiß war Gertrud so Hefter, unge zwungen und lebhaft wie immer; aber selten oder fast nie hatte sie sich allein mit ihm be- funden, oder auch nur mit bedauernden Worten auf seine baldige Abreise nach dem femen Osten hingewiesen. Das Gefühl aber, daß er sie auf lange verlassen wird, belebt in ihm plötzlich alle zärtlichen Empfindungen für Getrud. Er hat sie gern, und in diesem letzten Augenblick vergißt er all der guten Vorsätze, er tritt auf sie zu, streckt ihr die Hand entgegen und sagt mit leiser Stimme: „Mr müssen scheiden, Gertrud — ein langer, langer Abschied." Er steht wohl, daß sie ein wenig zittert. Aber sie schaut ihm mutig ins Gesicht und er widert einfach: „Adieu I" Ihre kleine, kalte Hand Legt in der seinen, O 6m frauenleben. ö) Erzählung von Fritz Reutter. (ForUHung.) In diesen Worten liegt jene äußerste Trost losigkeit, die Stauffer ins Herz schneidet. Aber er verrät seinen Schmerz nicht. Er blickt Frau Forster nicht einmal an. Er hat alles getan, was er kann, um ihr Vertrauen zu gewinnen, und da ihm dies mißlungen, so muß sie ihre Verlassenheit zu tragen suchen, wie er sein Leiden. Während der letzten Worte ist sie der Tür zugeschritten, wie um das Gespräch zu enden. Er weiß, er wird sie verlieren, vielleicht für immer verlieren. „Jedenfalls," spricht er, ihr einen Schritt nach gehend, „werden Sie nichts untemehmen, ohne mich zu benachrichtigen. Wollen Sie das ver sprechen ?" Ihre Hand faßte die Türklinke, aber sie hat sich umgewandt und antwortet mit aufleuchtendem Auge: „Weshalb sollte ich das? Mr müssen unsre Wege gehen — und diese sind verschieden. Sie sind geehrt, ich bin entehrt. Sie sind glücklich, ich bm unglücklich. Unsre Pfade kennen sich. Für das, was Sie für mich getan, danke ich Ihnen von ganzem Herzen . . . adieu." Die Türe hat sich geschlossen, er ist allein. Wenige Mnuten später steht er draußen auf der Straße und wandert durch die dunkle, feuchte Nacht heimwärts. „Unsre Pfade kennen sich — adieu!" „Adieu!" DaS Echo ihrer traurigen Stimme klingt für immer in seinen Ohren. Adieu l und erfühlt, daß der Abschied für sie mehr be deutet als für ihn. Voll tiefem Bedauern blickt er sie an; eine Zärtlichkeit, die der Liebe nahe, beschleicht ihn, aber seine Augen verraten viel leicht mehr von seinen Gedanken als ihm eigent lich lieb ist. Und Gertud Baumbach versteht darin zu lesen. „Ich werde bald wieder zurückkommen," sagt er eilig. „Ich habe auch nicht die Absicht, lange im Auslands zu bleiben — und wenn ich zurück kehre, werde ich dich hier finden?" „Wo denn sonst?" sagt sie und versucht zu lächeln. In diesem Augenblick vemahmen sie das Ge räusch der Wagenräder vor dem Hause, und Georg ruft Bruno lustig herbei. „Zu allererst werde ich hierher kommen — zu dk," sagt Bruno und weiß kaum, was er spricht. „Und du wirst mich erwarten — willst du auf mich warten?" Sie antwortet nicht — in der Tat erwartet er auch keine Antwort mehr. Er drückt ihr eilig die Hand und springt auf den Wagen; sie selbst steht unter der Tür und blickt ihm nach mit trüben Augen, bis der Wagen aus ihrem Ge sichtskreis verschwindet. Sobald er nach Berlin zurückgekehrt ist, findet er vor Arbeit und Eile keine Zeit, an dieses Abschiednehmen zu denken. Hier in der Großstadt war er ein amüsanter Gesell und bei Frauen und Männem gleichermaßen beliebt. Abendessen, Gesellschaften, Abschiedsschmause aller Art nehmen die Zeit in Anspruch, die er von der Regelung seiner Geschäfte noch erübrigen kann. Und unter all der Fröhlichkeit und Hast findet er auch keinen Augenblick, Frau Forst« noch einmal aufzusuchen, trotzdem, daß er sie nicht vergessen. Nur eines Tages kommt di« Erinnerung an sie plötzlich mit Allgewalt üb« ihn, und sich von einer Abschiedsgesellschaft los reißend, macht er sich noch einmal auf den Weg nach der kleinen Villa im Westend. Me er näher kommt, beschleicht ihn ein sonder bares Frösteln. Mrgends ist Ächt im Hause, die Tür öffnet sich erst nach wiederholtem Klingeln. „Frau Forster ist vor vierzehn Tagen ver reist," sagte ihm ein Weib, daS er nie zuvor ge sehen, „wohin, weiß ich nicht. Die Möbel wurden verkauft. Die Villa ist zu vermieten." So endet ein M im Drama seines Lebens. Einige Wochen später melden die Zei tungen, daß Dr. Bruno Stauffer nach Atami abgesegelt sei. 5. Fünf Jahre später sitzt Bruno Stauffer wieder im Schnellzug, der ihn um halb fünf Uhr wieder nach der kleinen Bahnstatton Lindenhorst bringen soll. Niemand in Lindenhorst, dem Gut, woher die Station ihren Namen erhalten, wußte von seinem Eintreffen. Auch die Zei tungen, die er während seiner Resse gelesen, verkünden seine Ankunft nicht,, wie sie vor fünf Jahren einst seine Abfahrt gemeldet. Nirgends steht zu lesen, daß der Advokat und liebens würdige Gesellschafter wieder heimatliche Lust atme. Zwei ganze Tage lang war er in der Hauptstadt geblieben und sich seiner eigenen Un bedeutendheit wohl bewußt geworden. Er ist gewiß kein eingebildeter Mann, aber « hat doch
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