Volltext Seite (XML)
PoMlcbe L^unclscbau. Deutschland. ^Kronprinzessin Cecilie, die am 4. d. von einem gesunden Prinzen glücklich entbunden wurde, befindet sich, wie die aus gegebenen Berichte melden, andauernd den Um ständen nach wohl. Das frohe Ereignis hat nicht nur im Kronprinzenhause und in der kaiMichen Familie, sondern allenthalben große Freude ausgelöst. Die Kaiserin weilte den ganzen Tag' über bei der hohen Patientin und teilte sich mit den Schwestern der Frau Kron prinzessin in die Pflege der Wöchnerin. Wie verlautet, hat der Kai s e r schon vor Antritt seiner Nordlandfahrt den Termin für die Taufe seines neugeborenen Enkels auf den 12. August festgesetzt. Der Monarch soll ferner bestimmt haben, daß der junge Prinz den Rufnamen Wilhelm erhalte. *Der Kaiser, der auf dem Dampfer „Hamburg" am 3. d. seine Nordlandsreise an getreten hat, ist in oen nordischen Gewässern angelangt. * Kaiser Wilhelm wird am 6. September in Breslau zu mehrtägigem Aufenthalt eintreffen. *Zu den amtlichen Untersuchungen über die Mißstände in der Kolo nialv erw al- tung wird in eingeweihten Kreisen versichert, daß Erbprinz zu Hohenlohe in seinem Bestreben, das ihm unterstellte Amt von un brauchbaren Elementen zu säubern, amReichs- kanzler einen starken Rückhalt besitze. Fürst v. Bülow bekunde ein großes Interesse daran, unsrer Kolonialverwaltung allmählich das volle Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen, und er sei daher fest entschloßen, jede Un gehörigkeit innerhalb des Kolonialbeamtenkörpers unnachsichtlich untersuchen zu lasten und zu be strafen. *Das Preuß. Herrenhaus hat die Schulvorlage angenommen. Sie geht nun zur nochmaligen Beschlußfassung an das Abgeordnetenhaus zurück. * Der Rangierbahnhof inVenden- heim (Elsaß), Deutschlands größte derartige Anlage, die mit einem Aufwand von 30 Mill. Mark erbaut worden ist, ebenso der neue Bahn hof in Neudorf bei Straßburg, durch den die Neudorfer Bahnübergänge fallen, die den Reichstag lebhaft beschäftigten, sind dem Verkehr übergeben worden. * In der Zweiten badischen Kammer brachten die liberalen Fraktionen eine Anfrage ein, in der die Negierung um Auskunft über die Einführung von Schiffahrtsabgaben auf den natürlichen Wasserstraßen ersucht wird. Lsterreich-Ungarn. *Zur Abrüstungsfrage äußerte der österreichische Ministerpräsident Graf Goluchowstt in der Delegation: Die Sache sei an sich gewiß außerordentlich verlockend, die Regierung stelle sich ihr sympathisch gegenüber, doch dürfte sie längere Zeit noch ein frommer Wunsch bleiben, der augenblicklich gar keinen praktischen Nutzen habe, jedenfalls müßten, wie der Reichskriegsminister auseinander gesetzt habe, die andern Staaten in dieser Frage voran gehen. Frankreich. *Der General st aatsanwalt beim Pariser Kassationshof beantragt, da die Schuld losigkeit des ehemaligen Hauptmanns Dreyfus zweifelsfrei sestgestellt ist, die Aufhebung des Urtells gegen Dreyfus ohne Verweisung vor ein neues Kriegsgericht. England. * Im Oberhaus wurde gelegentlich einer Besprechung der vorgeschlagenen Erhöhung der türkischen Zölle aus die Möglichkeit hin gewiesen, daß die hierdurch verfügbar werdenden Summen dazu verwendet werden könnten, um die Gewährung der Kilometergarantie an die Bagdad-Eisenbahn zu erleichtern. Die Aussicht auf eine Eisenbahn vom Bosporus nach Bagdad ganz unter deutscher Kontrolle und auf eine andre Linie nach Mekka teilweise unter deutscher Kontrolle wäre eine Möglichkeit die England nicht mit völliger Gleichgültigkeit be trachten könnte. Die Regierung erklärte jedoch, daß sie sich in keinem Falle aus den angege benen Gründen der türkischen Zollerhöhung widersetzen könne, wenn sie nicht in den Verdacht der Mißgunst kommen wolle. (Deutschland wird diese immerhin überraschende Regierungs erklärung wohl zu schätzen wissen.) Schweiz. *Die Bundesversammlung hatte im Dezember v. ein neues Gesetz mit verschärften Strafen namentlich gegen die anarchistischen Umtriebe beschlossen. Um das Gesetz nicht zur Ausführung kommen zu lasten, wurde von der sozialdemokratischen Partei eine Denkschrift und die Sammlung der dafür nötigen 30 OM Unterschriften beschlossen. Infolge der anarchisti- Jn Berlin ist der Präsident des Reichsversiche rungsamtes Otto Gäbel nach kurzer Krankheit, er erlag einer Blinddarmentzündung, verstorben. Der Dahingeschiedene hat ein Alter von 69 Jahren erreicht. schen Vorgänge der letzten Zeit ist aber die Er bitterung in den Volksmassen gegen die aus ländischen Anarchisten so gewachsen, daß bis zum Ablauf der Frist zur Sammlung der Unter schriften nur 28 MO zusammenkamen und somit nun das neue Bundesgesetz in Kraft tritt. * Auf der ihrem Abschluß entgegensetzenden Konferenz zur Revision der Genfer Kon vention hat Rußland einen Antrag auf Einfügung einer Schiedsgerichtsklausel gestellt, der einen Depeschenwechsel zwischen den Delegierten und ihren Regierungen veranlaßte. Die Konferenz übertrug einem kleinen, aus Pro fessor v. Martens, dem deutschen Delegierten Gesandten v. Bülow, dem französischen Vertreter Regnault und dem portugiesischen van de Beer zusammengesetzten Ausschuß die Aufgabe, eine Redaktion des russischen Antrages vorzunehmen. Ruhland. *Nach den stürmischen Szenen, die sich in der Reichsduma abgespielt haben, ist die Frage, ob das Kabinett Goremykin bleiben oder abtreten wird, wieder aufgeworfen wurden. Vorläufig scheint jedoch die Regie rung mit der Abwehr der überall sich wieder verstärkt regenden revolutionären Bewegung so beschäftigt zu sein, daß sie für parlamentarische Fragen und Erwägungen keine Zeit hat. Ins besondere hat die Nachricht in Petersburger Regierungskreisen große Unruhe hervorgerufen, nach der in England große Posten Dynamit und Munition bestellt worden seien. * Eine Regierungs-Kundgebung besagt, die Regierung habe in Ausführung eines Allerhöchsten Befehls bei der Reichsduma einen Antrag eingebracht betr. Hebung und Mehrung desbäuerlichenLandbesitzes und Besserung der bäuerlichen Agrarverhältnisse. Die Regierung beabsichtigt, den Bauern unter für sie vorteilhaften Bedingungen alle be bauungsfähigen Kronländereien zu übergeben und bei der Unzulänglichkeit dieser die fell gebotenen Privatgüter für Kronrechnung anzu kaufen und sie zu mäßigen Preisen an die Bauern zu verkaufen. * Der Verkehrsminister hat dem Reichsrate einen Entwurf betr. Herstellung eines zweiten Gleises der sibirischen Bahn vorgelegt. Ferner wird geplant, die transkaspische mit der sibirischen Bahn zu ver binden. * Die Schreckensherrschaft der Revolutionsmänner in Warschau nimmt ihren Fortgang. Nachdem in den letzten fünf Tagen sechs Polizisten auf offener Straße erschossen worden sind, wurden abermals am lichten Tage zwei Oberschutzleute auf offener Straße erschossen, ohne daß man auch nur eine Spur von den Tätern aufzufinden vermochte. Wie verlautet, waren die Polizisten^ die der Hinrichtung eines Revolutionärs beiwohnten, von den Revolutionären aufgefordert worden, aus dem Amte zu scheiden, widrigenfalls sie erschossen werden würden. Ms darauf mehrere Ober schutzleute ihre Entlassung verlangten, wurden sie verhaftet und sollen unter Anklage gestellt werden. Gegen die übrigen haben nun die Revolutionäre ein wahres Kesseltreiben ver anstaltet. Sie drohen, die gesamte Polizei nach und nach zu vernichten. Der Gouverneur be schloß angesichts der Aufregung, die sich der Be völkerung bemächtigt hat, außergewöhn liche Maßnahmen zu treffen. Ballanstaaten. * Die serbische Regierung erklärt sich in ihrer Antwort auf die Note Österreich-Ungarns bereit, die vorgeschlagene Grundlage für ein Handelsprovisorium anzunehmen, und drückt dabei den Wunsch aus, daß ein solches bis Ende 1906 bezw. bis zum Abschluß eines endgültigen Handelsvertrages in Kraft bleibe. Die serbische Regierung hält ihre Zusage auf recht, bei der Industrie Österreich-Ungarns Staatsbestellungen im Betrage von 26 Mill. Frank zu machen, gegebenenfalls auch von mehr, wenn das serbische Eisenbahnnetz weiter aus gebaut wird. Nur für die Beschaffung von Artillerie-Material will die serbische Regierung freie Hand behalten. * Der armenischePatri arch Ormanian ist infolge der fortwährenden Verfolgungen der Armenier in der Provinz z.urü ckg etr e ten. Afrika. * Zwei Vertreter des Sultans von Marokko werden dem französischen Ge sandten in Gegenwart des Admirals Champion die Errichtung eines Denkmals an der Stelle, wo Charbonnier ermordet worden, ankündigen und zugleich die Entschädigung von 1M M0 Frank entrichten. Damit ist endlich der franzö sisch-marokkanische Streiffall erledigt. * Die englischenTruppen dringen in Natal seit einigen Tagen siegreich vor. Nach dem alle Unterhandlungen mit den Rebellen führern nutzlos geblieben sind, gehen die Sol daten mit größter Rücksichtslosigkeit vor. Rings stehen die Hütten der Eingeborenen in Flammen. Betrugsprozetz v. Zander. Der Angeklagte, Major v. Zander, der sich bisher mit großer Lebhaftigkeit verteidigt hatte, ist offen bar erschöpft. Am 14. Verhandlungstage kam es zum erstenmal zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Präsidenten und dem Angeklagten, da dieser trotz aller Ermahnungen immer wieder die ungerechtfertigtsten Anklagen gegen den Untersuchungs richter erhebt. Die ganze Nachmittagssitzung wird mit Verlesung aus Tagebuchnotizeu des Angeklagten ausgefüllt, aus denen unzweifelhaft hervorgeht, daß Zander lange vor dem öffentlichen Zusammen bruch seine mißliche und später unhaltbare Lage ge kannt hat. Das beweisen Aufzeichnungen wie etwa folgende: 11. Februar. Jetzt habe ich wirklich den Abschied genommen und kann machen, was ich will. Ich fürchte, es wird zu spät sein. 12. Februar. Wenn der Verkauf von Schmögerle nicht zustande kommt, ist die Subhastation nicht zu vermeiden. 14. Februar. Marie nannte mich einen Bummler und unzuverlässigen Mann. Das eigene Gewissen wirst mir Schlimmeres vor. 16. Februar. Es war wieder viel zu großartig, drei Gänge. Ach, wie ich das hasse, wenn man seine Schulden nicht bezahlen kann! 24. Februar. Abends war Marit total betrunken. Sie sagte mir Dinge, die mehr alS stark find. In der weiteren Verhandlung kommen immer neue Betrugsfälle zur Sprache. Der Angeklagte sucht sich zum Teil dadurch zu entlasten, daß er s.Zt. beim Fall vom Pferde eine schwere Gehirnerschütte rung erlitten habe, die ihn Monate verhinderte, seinen Angelegenheiten die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. Interessant wird der 15. VerhandlungS- tag, als der Zeuge Schöpke, aus dessen Anzeige hm v. Zander verhaftet wurde, aufgerufen wird. Der, Zeuge wird vom Verteidiger des Angeklagte«! Justizrat Mamroth befragt, ob er seinerzeit der Paket fahrtgesellschaft, die dem Angeklagten einen Umzug zu besorgen hatte, riet, dem Major v. Zander keinen Kredit zu geben. — Zeuge: Nein, durchaus nicht. — Der Angeklagte v. Zander hat sich er hoben und droht dem Zeugen warnend mit dem! Finger. Dann schreit er plötzlich triumphierend:! Das habe ich schriftlich von der Paketfabrtgesellschast I. Jetzt hat er wieder einen Meineid geschworen I Vors.: Aber Herr v. Zander, machen Sie nür doch die Leitung der Verhandlung nicht allzuschwer. Der Angekl. v. Zander ist erschöpft aus die Bank zurück gesunken. Durch vielfaches Befragen seitens der Geschworenen, des Verteidigers und des Vorsitzende« wird dieser Hauptbelastungszeuge so in die Enge getrieben, daß er schließlich nur immer antwortet: „Das weiß ich nicht!" Von unä fern. Ein Segelboot mit sechs Persone« vermisst. Ani 1. d. ist von Wilhelmshaven nach Wangeroog ein mit sechs Personen besetztes Segelboot absegangen. Uber dessen Verbleib liegt bisher keine Nachricht vor. ob. Die Ratte als Diebin. Die Frau eines Gastwirtes aus Altona befindet sich zur Zeit auf Sommerfrische in einem Ausflugsort bei Hamburg. Vor einigen Tagen vermißte sie ihren wertvollen Brillantring, den sie am Abend vorher auf die Kommode gelegt hatte. Nach längerem Suchen entdeckte sie den Ring hinter dem Sofa oberhalb der Randleiste. Als am andern Morgen das Stubenmädchen im Zimmer beschäftigt war, entdeckte es auf der Kommode plötzlich eine Ratte, die an dem wieder dott liegenden Diamantring zerrte und mit ihm ver schwand. Die herbeigerufene Besitzerin fand dann den Ning an derselben Stelle wie am Tage vorher, ein Zeichen, daß die Ratte ihre Gelüste nach Brillanten trotz des ersten Mißerfolges nicht zähmen konnte. Vom Blitz erschlagen worden sind bei dem letzten Unwetter in der Provinz Hannover insgesamt 16 Personen. In den Flute« ertrunken. Bei Treucht lingen ist bei der Überfahrt über die AltmM ein mit vier Heuarbeitern besetzter Kahn umge kippt, wobei ein Knecht und ein Dienstmädchen ertrunken sind. X Ein schwerer militärischer Unfall ereignete sich gelegentlich einer Übung dB j Lothringischen Feldartillerie-Regiments Nr. 33 in Metz, indem beim Galoppfahren die Lafette eines Geschützes in eine Erdmulde stürzte. Hierbei wurde einem Kanonier der Schädel vollständig zertrümmert, sodaß der Tod auf der StAle' eintrat. Außerdem wurden noch zwei wettere Leute der Bedienungsmannschaft verletzt; einer von ihnen erlitt einen schweren Beinbruch, der andre eine Schädelverletzung. Der Getötete diente nn ersten Jahre. Die Untersuchung ist eingeleitet. Ein schweres Verbrechen wurde in Bühlertal bei Achern in Baden verübt. Die 18 jährige Elift Kauffer wurde von dem 20 jährigen Holzhacker Albert Stolz aus Ober bühlertal auf dem Heimwege vom Bahnhofe er schossen. Ms das junge Mädchen gegen 10 Uhr mit der 16 jährigen Tochter ihres Onkels eise ' nach Baden-Baden reisende befreundete Dame zu Bahnhof begleitet hatte, belästigte Stolz die beiden Mädchen mit Redensatten. Plötzlich zog der Bursche auf offener Straße einen Revolver und feuerte mehrere Schüsse aus Fräulein K. ab, die, von den Kugeln in die Brust getroffen, tödlich verletzt zusammenbrach und bald darauf verschied. Der Täter wurde noch in derselben Nacht verhaftet und gefesselt in das Gerichts- gefäugnis in Bühl eingeliefert. K bin frauenleben. LH Erzählung von Fritz Reutter. (SorUetzung.j 2. Es ist Georg Baumbach, der zuerst wieder das Wort ergreift. „Mir scheint," sagt er nach denklich, „als gebe es viele geheimnisvolle Todesfälle, um die sich kein Mensch kümmert. Dieser allerdings kommt mir als einer der ge heimnisvollsten vor, und ich bin so verwirrt durch die Verhandlungen geworden, daß ich nicht mehr weiß, wo Recht und Umecht ist. Allerdings bin ich ja kein scharfsinniger, gewiegter Menschenkenner. Ich wünschte nur, du würdest mir den Fall auseinandersetzen. Ganz vom Anfang an. Wer war denn dieser Karl Forster, dessen Tod so viel Aufsehen erregt?" Es ist gewiß eine der schwierigsten Proben echter Freundschaft, zu verlangen, einem das ABC eines Prozesses mit all seinen Ver wickelungen auseinanderzusetzen; aber ein andrer Blick auf die Uhr überzeugt Stauffer, daß er seinen Freund vor einer halben Stunde, der Abfahrtszeit des letzten Zuges, nicht los werden würde. Möglich auch, daß wenn er versuchte, den Fall einem weniger scharfblickenden Intellekt auseinanderzusetzen, er vielleicht selbst auf einen oder den andern Punkt stoßen möchte, der ihm bis jetzt entgangen. Denn er kennt seinen Freund als einen Mann von gesundem Menschen verstände und geradem Urteil. Tatsächlich würde ihm ein Ausruf: „Ich hatte sie für unschuldig I" nur Freude bereiten. Deshalb beginnt er, wie ihm befohlen, ganz am Anfang und sucht die Hauptpunkte des Prozesses hervorzuheben, alle nebensächlichen Einzelheiten beiseite zu lassen. „Karl Forster war zurzeit, als ich ihn kannte — vor etwa drei Jahren, ein lieber, guter junger Mann, dem es weder an Geld noch an guten Verbindungen mangelte. Er hatte nur eine Eigentümlichkeit, eine tiefe Ab neigung gegen Frauengesellschaft, und besonders gegen Frauen seines eigenen Standes, und eine Leidenschaft — das Spiel. Setten sah man ihn auf einem Ball oder auf einer Soiree, immer aber auf dem grünen Rasen, im Tingel tangel oder in den Klubs, wo hoch gespielt wurde. Die Frauen kannten ihn kaum, bei Männern war er immer beliebt. „Hm, hm," brummt Baumbach mit der Zigarre zwischen dm Zähnen vor sich hin, „das spricht nicht gerade zu seinen Gunsten." „Ms er dreiundzwanzig Jahre all war," fährt Stauffer fort, „es ist jetzt zwei Jahre her — lernte er seine Frau kennen." „Und sie war " „Sie studierte, um auf die Bühne zu gehen, und allgemein erwartete man, daß ihr Debüt Sensation erregen würde. Bereits war sie auch für die Rolle eines neuen Stückes gewonnen worden, als sie ihr Engagement aufgab und ihn heiratete." „Und welches war ihr Vorleben?" „Sie war die Tochter eines gebildeten Mannes, der sich Doktor nannte, aber tatsäch lich nichts als ein vielgereister Wüstling und Spieler, wenn nicht gar ein Schwindler war. Bei seinem Tode, zwei Jahre vor dies«: Heirat, hatte er seine Tochter gänzlich ver mögenslos zurückgelassen. Während dieser zwei Jahre hatte das Mädchen unter dem Schutze einer allen Dame, die sich eine Freundin ihres Vaters nannte, ihre Theaterftudien begonnen." In diesem Zusammenhang erfaßt Georg Baumbach sofort einen Punkt, der dem Scharf bücke des gegnerischen Advokaten nicht ent gangen war. „Und wenn fie keinen Pfennig besaß, wo von lebte sie dann während dieser zwei Jahre?" Die Frage macht dem Scharfblick des Fra genden alle Ehre, und das Verhallen seines Freundes beweist chm auch, daß er dm Punkt getroffen, der diesem selbst soviel Nachdenken ver ursachte. So antwortet dieser nur langsam und mit Überlegung: „Tatsächlich haben diese zwei Jahre in ihrem Leben mit dem Prozeß ganz und gar nichts zu tun. Da die gegnerische Pattei aber irgend eines Beweises ermangelte, so wurden ihr viele Fragen gestellt, die sich alle um ihr vergangenes Leben drehten, die aber auch nichts ans Tageslicht brachten, als daß sie mit der alten Dame lebte, die bald nach der Heirat starb, daß sie sehr ruhig zusammen lebten und daß sie sich — Frau Forster — eifrig mit ihrem Studium beschäftigte." Und dann?" fragt Georg nach einigem Nachdenken. „Dann kreuzte Karl Forster ihren Lebens weg. Er verliebte sich bis über die Ohren in sie und überredete sie, ihn zu heiraten. Seine weigwte sich, an den Spielabendes und endlich —" zu erscheinen, hohen Spielsummen und den frühen Morgen stunden und machten leise Andeutungen — du kennst sie ja — über die hübsche Frau, die dem spielenden Gatten als Lockvogel dienen müßre. Es kam zu Zank und Streit zwischen den: Gatten. Sie weigerte sich, an den Spielabendes „Ja?" „Und endlich," sähst Stauffer bewegt fort, Verwandten verweigerten die Zustimmung Ms dieser Ehe, weigerten sich auch, seine Frass zu empfange», und das junge Paar zog nach der Schweiz. Obgleich Forster seine Frass aufrichtig liebte, so gelang es doch dieser Liebe: nicht, seine alle Leidenschaft zu entwurzeln. Er war ein geborener Spieler; überall, wo hin er sich begab, spielte er hoch und trotz sein« reichen Mittel befand er sich öfters in Geldvec» legmheit. „Arme Seele," brummt Baumbach, „ich be mitleide fie." „Dann brachte er fie nach Berlin zurück," fährt Stauffer energisch fort. „Draußen io» Westende mietete er eine Villa, möblierte s«, ohne auf die Kosten zu sehen, und versammelte ' bald wieder seine alten Bekanten um sich, die' willig herbeiströmten, um in ihm die des Rupfens wette Gans zu finden." „Und sie — beteiligte fie sich dabei?" „Wie es scheint, anfänglich. Sie hatte sich an oas Leben gewöhnt und besaß wohl kein all zu feines Gewissen. Zuletzt aber scheint sie sich geweigert zu haben. Es zirkulierten allerlei Geschichten über das Haus; die geschwätzigen Wochenblätter redeten von der Villa und den