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Ottendorfer Zeitung : 27.05.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190605273
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060527
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060527
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-05
- Tag 1906-05-27
-
Monat
1906-05
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 27.05.1906
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porMlebe K.unÄsckau. De«tsch!a»d. * Der Kaiser ist zu kutzcm Jagdaufent- halt in Prökelwitz kingeirofscn. * Der Kaiser wird am 8. September dem Grasen Pückler in Rogau einen Besuch ab- flatten, am S. das durch das preußische Heer- laaer von 1761 bekannte Torf Bunzelwitz be sichtigen und am 10. nach Liegnitz reisen. In Liegnitz wird der Kaiser die Piastengruft sowie die Kaiser Friedrich-GedächtniSkirche in Augen schein nehmen. Nach Beendigung der Manöver besucht der Kaiser den Fürsten Solms in Klitzschdorf. *Jm Bundesrat wurden die AuS- schußantrSge bett, die zweite Ergänzung zum Reichshaushaltsetat und die Ergänzung zu dem Entwürfe des Haushalts etats iür die Schutzgebiete auf daS Rechnungs jahr 1966, angenommen. * Der Staatssekretär des Reichs schatzamts Frhr. v. Stengel ist er krankt. Das Leiden Stengels, das man anfänglich für eine Erkältung hielt, scheint nervöser Natur zu sein, was ja aus den mannig fachen Aufregungen erklärlich wird, die die Be ratung der RetchSfinanzrrform mit sich ge bracht hat. * Die Annahme der SchuIvorlage im Preuß. Abgeordnetenhause erscheint infolge Einbringung eines nationalliberalen DermittelungSantrageS zur Frage der Anstellung der Rektoren als gesichert. * Dis evangelischen Kirchen regierungen Deutschlands werden am 14. Juni zu achttägiger Konferenz in Eisenach zusammentreten. * Der ReichStagS-Abgeordnete Graf Reventlow (Wirtschaft!. Vgg.), Ver- treter des Wahlkreises Rintelr-HofgeiSmar, ist in der Nacht zum Dienstag im städtischen Kranken hause zu Wiesbaden gestorben. Öfterreich-Ungar«. * Ein neuer Streit ist zwischen Österreich und Ungarn wegen des Zolltarifes ausge- brachen und droht eine sehr ernste Wendung anzunehmen. Die ungarische Regierung ver tritt den Standpunkt, daß der Inhalt des Zoll- tarifes dadurch, daß ihm seitens UngamS der Charakter eines Vertrages gegeben wird, keinerlei Änderung erleide; die Besorgnisse des österreichischen Ministerpräsidenten Prinzen Hohenlohe seien nur dadurch verursacht, daß der Zolltarif vom österreichischen ReichSrate bereits als gemeinsamer Zolltarif angenommen worden sei und daß er als solcher auch die Grundlage für die auswärtigen Handelsverträge gebildet habe. Wenn nicht in den nächsten Tagen ein Einverständnis erzielt wird, dann kann es, je nach der Entscheidung deS Kaisers, entweder zu einer ungarischen oder zu einer österreichischen Ministerkrise kommen. (Es ist also noch alles beim alten, obwohl Kaiser Franz Joseph in Budapest, wohin er sich zur Eröffnung des Reichsrats begab, mit ungeheurem Jubel empfangen wurde.) *Der Chef des russischen General stabes wird am 19. Juni in Wien eintreffen, UM die Einrichtungen der österreichischen Armee näher kennen zu lernen. Mali««. * Da eme lange Besprechung desKönigs mitGioli 1 ti vermuten läßt, daß dieser, dem seine Parteigenoffen unermüdlich zureden, der kommende Mann sei, werden gerüchtweise seine Kollegen bereits genannt. Es heißt, Giolitti, als Parteigänger deS VriveteisenbahnbekiebeS, werde sich für den Rückkauf der Südbahn nicht erhitzen, gegen den auch die Gesellschaft Gleich gültigkeit bekundet. Andre Berichte besagen, der König habe schon tatsächlich Giolitti mit der Kabinettsbildung beauftragt. Und dieser wieder habe Tittoni, dem jetzigen Bot- ichafter in London, das Portefeuille des Äußeren ongedoten. Bei der allgemeinen Un sicherheit der parlamentarischen Lage läßt sich aber die Zusammensetzung deS kommeudeu Kabinetts schwer übersehen. * Das Befindendes Papstes bessert sich mehr und mehr. Das Fieber ist gänzlich bis auf weiteres verschwunden. Der Leibarzt Prozessor Lapponi riet jedoch dem Papst, noch vorsichtshalber das Bett zu hüten. Doch empfing der Papst schon den Kardinal Merry del Val in Audienz. Rußland. * Weite Kreise der russischen Gesellschaft find infolge des unerwarteten Schicksals, das der ZarderDuma - Adressehat zu teil werden lassen, recht niedergeschlagen. Mit Ausnahme der Gemäßigten erblicken alle Abgeordneten in der Ablehnung der Adresse durch den Zaren eine vorsätzliche und schwere Beleidigung der neuen Volksvertretung. Obwohl die Mit glieder der Duma jetzt schon wissen, daß die Auflösung des jungen Parlamentes unvermrrmeidlich geworden ist, so wünschen fi« doch, daß der endgültige Bruck mit Krone und Regierung auf Grund der Agrar reform erfolge, damit bei den Neuwahlen die gesamte Bauernschaft für die Parteien der Linken stimme. Gerüchtweise verlautet, General Trepow habe geäußert, die Regierung werde die Duma nicht auslösen, aber fie werde solche Verhältnisse schaffen, daß die Abgeordneten von selbst auseinandergehen würden. (Das sieht dem Lenker des Knutenregiments ähnlich.) * Die Agrarkommis sion der Kadetten beschloß, einen von 30 Abgeordneten urtrr- zeichneten Antrag über unverzügliche Beratung der Agrarfrage durch d e Duma einzubringen. Die Frage soll einer 33Mdngen Kommission übergeben werden. Ferner wurde beschlossen, im ReichSrate eine Fraktion der Kadetten zu bilden. * Auf eine Anfrage über Mißstände im russischen Polizeidepartement ließ der Minister des Innern in der Duma erklären, daß er innerhalb der gesetzlichen Frist von vier Wochen antworten werde. (Ob dann das Parlament noch im Taurischen Palast tagt?) * In Batum wurde der amerika nische Vizekonsul Stuart, von Geburt Engländer, in einer Villa ermordet ausge- funden. Der Mörder entkam. Balkanftaate«. * Zum griechischen Kammerprä sidenten wurde Vnsfidcs (Anhänger der Regierungspartei) mit 106 gegen 41 Stimmen gewählt. Amerika. "Den Revolutionären auf San Domingo geht nun die amerikanische Regie- rung mit allem Nachdruck näher zu Leibe. BiL jetzt haben vier kriegsmäßig ausgerüstete Kanonenboote die Fahrt nach San Domingo angetreten. Afrika. * Ein marokkanischer Seeräuber Valiente griff, wie Londoner Blätter melden, daS in Gibraltar beheimatete Segelschiff „Con- suela" südlich Von Ceuta auf. Drei Mann der Besatzung wurden gefangen genommen. Der Eigentümer der „Consuelo* erhob bei der Regierung energische Vorstellungen und ver langte sofortige Hilfe und Schutz. Die See räuber binden sich augenscheinlich absolut nicht an die Beschlüsse von Algeciras und benutzen eifrig die ihnen bis zum Amtsantritt der neuen Polizeitruppe noch verbleibende Zeit. Aste«. * In gm unterrichten Kreisen Tokios wird lebhaft besprochen, daß es zwischen Japan und Rußland zu einem neuen Zwischenfall bezüglich Korea gekommen ist. Rußland soll weder den zwischen Japan und Korea geschlossenen Vertrag, noch dir Ober- ferrschast Japans über diese Halbinsel aner kennen wollen. Rußland stützt sich daraus, daß >er Verirag von Portsmouth die Unabhängigkeit koreas anerkenne. Deutschland und Eng land unterstützen angeblichdenjapanischenStand- )urkt, während Frankreich und die Ver. Staaten weder für die eine noch für die andre Partei sich entscheiden. Auch in der' Mandschurei gestaltet sich die Lage von Tag zu' Tag ernster; den vor einigen Tagen angekün-1 digten diesbezüglichen Notenkrieg hat die russische Regierung nunmehr begonnen. * Der englische Geschäftsträger überreichte dem Waiwupu (Auswärtigen Amt) eine zweite Protestnote gegen die Neugestaltung deS Zollamts. Die französische Botschas ist angewiesen, die englische Regierung auch diesmal zu unterstützen. Auch die deutsche Bot schaft erhielt nunmehr die Weisung, den chine sischen Erlaß zu bekämpfen. * Der Schah von Persien ist völlig wieder hergestellt. Deutscher Aeickstsg. Am 22. d. wurde zunächst eine Reihe von Rechnungssachen nach den ausführlichen Be richten der Referenten ohne Debatte erledigt. Auf.Antrag des Abg. Erzberger (Zentr.), der von allen Parteien unterstützt wirb, tritt daS HauS zunächst in die zweite Beratung de» PensionSgesetzeS für die Unterklassen de» ReichSheereS ein. Abg. Südekum (soz.): DaS vorgelegte Gesetz bringt manche Verbesserungen für die Zukunft, doch bleiben viele Wünsche unerfüllt. Vor allem steht die Sorge für die Unteroffiziere und Mannschaften in gar keinem Verhältnis zu der für die Offiziere. E» erweckt den Anschein, als ob das Gesetz für die unteren Klassen nur eingebracht ist, um daS für die Offiziere durchzubringen. Besonders kratz tritt der Unterschied der beiden Gesetze bet den Verüümwe- lungSzulagsn hervor, bei den Offizieren 900 bis 1800 Mark, bei den Mannschaften 27 bi» 54 Mark. Wir haben vergeben» versucht, die Renten aus reichend zu gestalten und haben nur einige kleine Verbesserungen durchsetzen können. Trotzdem werden wir für das Gesetz stimmen, wenn dar Plenum keine Verschlechterungen hineinbringt. Kriegkminister v. Einem bemerkt aus eine Äußerung de» Vorredners, daß wegen schwerer Mißhandlungen bestrafte Unteroffiziere gar nicht in die Lage kommen, den ZibilversorgungSschein zu erlangen. Die Soldaten und diejenigen Leute, die sonst systematisch mißhandeln, werden derartig be straft, z. B. mit Degradation, mit mehrmonatlicher Gefängnisstrafe usw., daß die Folge davon ist, daß kein Vorgesetzter mit diesen Leuten mehr kapituliert. Sobald ihre Kapitulationsperiode abgelaufen ist, gehen fie jede» Anspruchs auf Versorgung verlustig. Dies wollte ich hier nur konfiatieren. Abg. Graf Oriola (nat.-lib.): Selbst der Abg. Südekum, dem es sonst nahe liegt, eine scharfe Kritik zu üben, hat anerkennen müssen, daß in der Vor lage eine große Zahl von Verbesserungen enthalten find. Da» System der Abstufung nach der Erwerbs fähigkeit verdient einen wesentlichen Vorzug vor dem alten Schema. Ich bedaure er, gerade mit bezug auf die Höhe der VerstümmelungSzulage der Offi ziere, die Verstümmelungszulage für Mannschaften nur in der Höhe derjenigen Zulage gewährt wird, die birher den Kriegsinvaliden zufiel. Abg. Erzberger (Ztr.) fetzt auseinander, daß die Kommission keine besseren Beschlüsse hätte fassen können, als fie gefaßt hat. Anträge wurden der Abmachung gemäß im Plenum nicht gestellt. Die verschiedenen Redner, die zu Worte kamen, bedauerten, daß nicht noch mehr Härten durch da» Gesetz beseitigt würden. Sie erklärten sich aber sämtlich für die Annahme der Vorlage. Von jVab unä fern. X Der Kaiser i« der Schützenlinie. In wie hohem Maße sich der Kaiser auch mit den kleinsten Details der militärischen Einzel ausbildung befaßt, bewies der Monarch, wie nachträglich bekannt wird, gelegentlich der Ge- fech sübung des Königsregiments auf dem großen Exerzierplätze FreSkaty unweit Metz. Der Kaiser legte sich hinter die auf dem Boden liegenden Schützenlinien und sah nach, ob die Mannschaften die Division richtig gestellt hatten. Hierbei bemerkte der Monarch, wie aus zuver lässiger Quelle gemeldet wird, daß einer der Schützen zum Schuß milsgtc, ohne daS Visier, dem Befehle gemäß, sorgfältig eingestellt zu haben. Da tönt plötzlich neben ihm aus dem Munde seines Allerhöchsten Kriegsherrn: „Du, das kostet mindestens drei Tage, wenn'S ein andrer sieht!" Zur Besserung der englisch deutscheu Beziehung«« werden nach Meldungen eng- litcher Blätter seitens eines Londoner Vereins Vorbereitungen für den Besuch von etwa 30 Verlegern und Redakteuren deutscher Zeitungen in der Zeit vom 20. bis 27. Juni d. getwK»- Reiches BermSchtuis. Der verstorbene Ingenieur Johann Ahl hat der Stadt Düssel dorf eine Million Mark testamentarisch p Studienunterstützungszwecken vermacht. . Die BZrguug de* Torpedoboot«* „8 LS«-- ist nach unendlicher Mühe nunmehr gelungert. Die Fahrzeuge deS Nordische« BergnngSvereinS find mit dem Torpedobock i« der Kieler Außenföhrde eingelaufen. Dat Wrack wird zunächst auf den flachen Strand gesetzt und später in der Kaiserwerft eingedockt. x Eine teuer« Brosche. Nach einer Be kanntmachung deS Aachener Polizeipräsident« ist einer Dame auf der Reise von Monte Earl» über Frankfurt, Köln nach Aachen, oder tu dieser Stadt eine kleeblattförmige.Brosche mit drei großen Brillanten in Verlust geraten. Der Wert deS Schmuckstücks wird auf etwa 20066 Mark angegeben. Die Brillanten haben di« Größe eines Fünfpfennigstücks. Die Brosch« befand sich in einem gelblich-weißen Waschleder» Etui mit Druckknopf. Siu «eueS Waiseuhaus i« Lahr. D« Jntendantursekretär Hauptmann Thäder auS Halle a. S. vermachte dem ReichLwaisenhaus« zu Lahr 583 000 Mk., wovon ein neues Reich-- Waisenhaus am Berge Altvater für 50 Waisen» Mädchen erbaut werden soll. Durch «i«e Beuziuexplofio« in da Schuhfabrik Heß in Erfurt find zwei Arbeiter getötet, drei Frauen und ein Arbeiter lebens gefährlich verbrannt worden. Betd« Auge« »erbraust. In Strecke« bei Halle schlug der Blitz in die elektrisch« Leitung der Grube „Emma", an der Arbeiter beschäftigt waren. Den Ärmsten wurden di« Augen vollständig ausgebrannt, so daß st« völlig erblindeten. x Ei« schwerer Automobil«« fall er eignete sich gelegentlich der vom Norddeutschen Automobilklub in Hamburg veranstalteten Zu- verläsfigkeitSsahrtHamburg-EllerSburg-Sonders- bürg und zurück. Kurz vor Flensburg brach an einem vierfitzigen Motorwagen eine Achse, infolgedessen der Wagen mit voller Wucht gegen einen Baum anfuhr und die Insassen heraus geschleudert wurden. Hierbei erlitt ein Oberleutnant schwere Verletzungen, während ein« mitfahrende Dame mit leichten Konlufionen davonkam. « Diebische Rückwanderer. Um 2080 Mk. Gestohlen wurde auf dem Bahnhofe in der Lippellftraße in Hamburg ein Rückwanderer. Dieser war mit einem Farmarbeiter aus Bloomington im Staate Illinois, in dessen Begleitung sich noch ein zweiter Mann befand, oeben mit dem Dampfer „Pretoria" in Haa» bürg eingetroffen. Die beiden Männer lockten nun den Rückwanderer, von dem fie wußten, daß er ein kleines Vermögen bei sich trug, nach v-m genannten Bahnhof und stahlen ihm dort 500 Mk. Bargeld und drei auf dem Namen „Wilhelm Brücksl" lautende Sparkassenbücher n Höhe von je 180, 550 und 850 Mk. Bald nach erstatteter Anzeige gelang eS der HaM- mrger Polizei, den Farmarbeiter zu verhaften, ein Komplice aber war inzwischen mit d«r 8euie entkommen. Eine Dynamttexvlofio« ereignete sich in Rotthausen auf der Zeche Dahlbusch Schacht zwei und fünf. Dort war vor einiger Zeit von einigen Arbeitern mit Dynamit geschosst« worden. Nan bohrten die Unvorsichtigen ao »erselben Stelle wieder an, wobei ein fitz««» gebliebener Schuß loSging, der die Leck« nehrere Meter zurückwarf und fie teilweis« chwer verletzte. An dem Aufkommen zweier, >er Bergleute Drittelsührer und Florczak, di« n daS neue KnappschaftSkrankenhauS «ach 1-ckendorf gebracht wurden, wird gezweifelt. Für einen dritten, Tischer, hegt man Hoffnung auf Erhaltung deS Lebens, ein vierter, Kowalsky, ist leicht verwundet. Spielerei mit de» Gewehr. In Lobs- darf bei Glauchau erschoß der zwölfjährig« Sohn deS Gutsbesitzers Müller seine Schwester, auf die er im Scherz ein Gewehr angelegt hatte. O Vie Mage äer Gerechtigkeit. 11j Roman von Maximilian Brytt. (Fortsetzung.) 6. Der Staatsanwalt Doktor Brehme trat mit Doktor Sonnenburg, einem bejahrten SanitäiL- rat, der der medizinische Sachverständige der GenchtSkommisfion war, in eine kurze Unter redung wegen deS Befundes ein. ES war ein seltsames Bild, die Männer in Hut und Paletot, unter die sich die Uniformen der Polizisten mischten, den im Frack steckenden inzwischen vollkommen erstarrten Leichnam des unglücklichen Kalwoda umkreisen zu sehen. .Verdächtig ist mir die Tckstelle an sich!" sagte der Staatsanwalt. „Es steht sich so an, als habe er gerade daS Zimmer verlassen wollen, nicht wahr? Die Füße liegen noch auf der Schwelle. In solcher Stellung zwischen Tür und Angel einen Selbstmord zu begehen, ist unwahrscheinlich. Daß es ferner zwischen den beiden Männern zu einem Streite gekommen sein muß, steht für mich außer Frage. Soviel ich den Schilderungen der Berwandten ent nehme, ist Kalwoda schon stark gereizt herauf gekommen. Wie ich gehört habe, ist Struck ein bei großen Erregungen außergewöhnlich leidenschastlicher Mersch — der mag also heftig erwidert haben. Rede folgte auf Rede. Schließ lich stürzte Struck davon . . ." „Sie meinen Kalwoda?" .Nein, umgekehrt. Ick denke mir's so: der Ingenieur hatte die Absicht, hinunterzueilen und der Braut irgend eine Mitteilung zu machen, die, aus dem soeben ftattgesundenen Gespräch heraus, ihm für eine letzte Annäherung besonders geeignet erschien. Kalwoda stürzte ihm nach, suchte ihn zu halten und rief ihm in der Perzweiflung deS Augenblicks vielleicht ein Wort zu, daS dem andern vollends die Besinnung raubte. Struck wandte sich um, zog den bis jetzt versteckt gehaltenen Revolver und schoß in blinder Wut zweimal hintereinander auf den Nebenbuhler ein. AIS der Unglückliche dann zusammenbrach, verließ er in wilder Flucht daS Haus." „Möglich, daß sich daS Drama so abgespielt hat," versetzte der SanitätSrat, „unklar bliebe eS dann aber noch immer, Ms welche Weise und zu welchem Zweck der Ingenieur sich in den Besitz der Waffe gesetzt hat." „Sache deS Untersuchungsrichters, das zu ergründen. Jedenfalls scheint eS mir geraten, den Ingenieur an seiner geplanten Flucht zu verhindern." „Sie wollen einen VerhaftSbefehl erlassen?" Der Staatsanwalt bejahte. „Wie gedenken Sie über den Leichnam zu versügen?" fragte der Sanitätsrat weiter „Er muß bi« zur Beendigung der Obduktion beschlagnahmt bleiben. Die Überführung nach dem Sektionssaal mag der Landrichter Haus hofer veranlassen, den ich mit der Führung der Untersuchungsgeschäkte betrauen werde." „Dann kann die Wegsckaffung des Leich nams also noch heute nacht erfolgen? Ich halte das für sehr empfehlenswert — schon der unglücklichen Hinterbliebenen wegen." Doktor Brehme hob die Schultern. „Diese junge Braut ist mir ein Rälsel. Gewiß, der plötzliche gewaltsame Tod KalwodaS hat fie erschüttert, aber doch nicht in dem Maße, daß fie die Besinnung nicht mehr besäße, ihre Aus sagen daraufhin abzuwägen, ob sie auch nicht den Freund zu belasten geeignet find." Sonnenburg wog bedächtig sein Haupt. Dann w'nkte er den Portier heran und er teilte ihm den Auftrag, Waffer, Bürste, Karbol und Handtücher zur Stelle zu schaffen. Kurz vor Mitternacht traf dann schon der Untersuchungsrichter Haushofer an der Tat stelle ein. Haushofer hatte nichts von der preußischen Schneidigkeit Brehmes. Er war von Geburt Bayer und wegen feiner vortrefflichen Charakter eigenschaften allgemein beliebt. Da das vorliegende Material, daS das erste Verhör deS Polizeileutnants und des Staats anwalts zutage gefördert, ihm vorläufig ge nügte, so verzichtete er darauf, die beiden er schöpften Damen noch einmal zu vernehmen. Er ließ ihnen durch den Portier anempfehlev, fick zur Ruhe zu begeben; andern Tages werde er fie dann um die weiter noch erforderlichen Angaben bitten. Nur Stephanies Bruder Ben jamin, als den männlichen Repräsentanten deS Hauses, ersuchte er, als Beistand sich ihm zur Verfügung zu stellen. Die traurigen Geschäfte, die dem jähen Tod Kolwodas noch in dieser Nacht folgen mußten, wurden mit einer Ruhe abqew'ckelt, die nie- mand im Hause darüber ausklärte, was geschah. Stephanie war endlich den Mahnungen der Tante gefolgt und hatte sich in ihrem Schlaf-1 zimmer zur Ruhe hingeftreckt. Sie lag aber nock stundenlang da, ohne — trotz der be greiflichen Erschöpfung — Schlaf finden z« können. Atemlos lauschte fie auf jeder S«" räusch im Hause. Aber HauShofer hatte di« Leute so strenge zur Lärmenthaltung ange wiesen, daß fie nicht einmal den Transport des entseelten Körpers auS dem Hause wahrnahck Erst als sich auf der Straße langsam «i« schwerfälliges Gefährt in Bewegung setzte, gi«S eine Ahnung durch ihre Seele, daß in diesem Augenblick die irdischen Überreste des arm/« Entschlafenen ihre Nähe verließen. Unwillkür lich falteten sich da ihre Hände zum Gebet, Mw Tränen traten ihr in die Augen. Was fie für Kalwoda empfunden hatte, o« daS doch etwas wie Liebe gewesen war — ck vermochte sich eS in dieser Stunde nicht zu antworten. Sie wußte nm, daß ein unend liches Mitleid mit ihm und seinem tragisch«« Geschick ihre Brust erfüllte. Ader größer noch war die Seelenpein ihrer Ungewißheit darüber, ob der von den Beamte« und sogar von den eignen Berwandten ausge sprochene Verdacht, daß Arnold der Täter s«y begründet war. Vom Grübeln, vom Bangen, vom Weine« erschöpft, schlief fie endlich, lange nach Mitter nacht, ein. Inzwischen hatte der Untersuchungsrichter sich im ganzen Hanse orientiert. Stadelmann hatte nicht zu Bett gehen dürfen. Er mußt« auf Arorvnung Haushofers die Heimkehr der Familie Behr abwarten, um ihn davon soM in Kenntnis zu setzen.
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