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Ottendorfer Zeitung : 17.06.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190606173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060617
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060617
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-06
- Tag 1906-06-17
-
Monat
1906-06
-
Jahr
1906
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hoben worden. Zu gleicher Zeit ist Graf b. Beck durch eine Kabinettsorder unsres Kaisers zum Chef des Preuß. Infanterie-Regiments von Courbiöre <2. Posener) Nr. 19 ernannt worden, eine Ehre, die noch niemals einem ausländischen Offizier zuteil wurde. Eine große Feuersbrunst vernichtete in Dietesheim bei Hanau in den Basaltwerken der Gebr. Rouselle das Menagehaus, in dem 4g - - - " ' ' wohner von der Krankheit befallen sein. Die Regierung Hai energische Maßnahmen angeordnet, um einer Weiterverbreitung der Krankheit zu steuern. (Die Frieselkrankheit ist eine selten auf tretende eigenartige Hautkrankheit, die eine Ver wandtschaft mit den Blattern aufweist.) eb Im Zimmer ertrunken. Während eines der heftigen Gewitter der letzten Woche überflutete der Mühlbach in Greemsland die Wohnung einer Frau Dubois in der Nähe des zerstörten Dammes. Das Wasser stieg im Zimmer immer höher, Frau Dubois wollte sich aber von ihrem Eigentum nicht trennen. Als das Wasser fast die Decke erreicht hatte, wollte die Unglückliche sich retten, aber nun war es zu spät, sie kam in den Fluten um. ob Der König von Italien «nd die Musik. König Viktor Emanuel III. ist der erste König aus dem Hause Savoyen, der ein Freund der Musik ist uird sie mit allen Mitteln fördert. Sein Großvater, Viktor Emanuel II., erklärte offen heraus, daß er von der Musik gar nichts halte, und als in der Schlacht bei Solferino die Kanonen brüllten, sagte er: „Das ist die einzige Musik, die ich liebe und zu schätzen weiß!" Und sein Sohn, König Hunr- bert, war genau derselben Ansicht. Ein Aufsehen erregender Diebstahl. Prinz Andreas von Griechenland wurde in einem römischen Hotel eines kostbaren Brillant schmuckes beraubt. Dieser ist ein Geschenk der Königin Ena von Spanien für die Gattin des Prinzen Andreas, Prinzessin Alice von Batten berg. Der Prinz befindet sich auf der Heimreise von Madrid. Die Kamorra. In Neapel wurde ein halbes Dutzend Mitglieder der „hohen Kamorra", die vor einigen Tagen ein doppeltes Todes urteil beschloß und ausführen ließ, verhaftet. Einer der Verhafteten ist Direktor einer Elementar schule. Bei den Verhafteten wurden viele Briefe neapolitanischer Abgeordneter gefunden. Die Hingerichteten sind ein Ehepaar besserer Stände, die Verrat an der Kamorra begangen. Der Vor gang erweckt sensationelles Aufsehen. ek. Köuig Alfons über das Attentat. Englische Zeitungen sind in der Lage, die Er zählung wiederzugeben, die König Alfons von dem Attentat machte. Das englische Blatt meldet, der König habe an der Plaza de la Bellovilla der Königin gesagt, daß von oort zum Palast die öffentlichen Gebäude an der linken » Ein Fürst als Forschungsrcisender. Am 26. Juni wird der Fürst von Monaco auf seiner Jacht „Prinzessin Alice" zu einer wissen schaftlichen Expedition nach Spitzbergen auf brechen. Es sollen in dieser Gegend allgemeine ozeanographische Untersuchungen angestellt werden. Besonders interessant wird auch die Verwendung des Ballons zur Untersuchung der meteorolo gischen Bedingungen in den höheren Schichten der Atmosphäre sein. Der Fürst hat im letzten Jahre umfassende Experimente mit einem solchen Ballon vorgenommen, und er glaubt, gerade in nördlichen Breiten wichtige Resultate damit erzielen zu können. Auch Landreisen zur Er forschung des Innern von Spitzbergen sollen unter nommen werden. W. S. Bruce, der Führer der schottischen Südpolarexpeditton auf der- „Scotia", begleitet die Expedition. Die beleidigten Sänger. Der Gesangs- Wettstreit, der in den Pfingsttagen in Bonn statt- gesunden hat, wird ein besonderes Nachspiel haben. Ein Aachener Gesangverein, der sich durch den Zusatz im Festbuch, daß er sich aus nichtigen Gründen von der Konkurrenz zurück gezogen habe, verletzt sühlt, hat die Beleidigungs klage gegen die Bonner Liedertafel, die den Gesangswettstreit veranstaltet hatte, angestrengt. Kampf zwischen Po lizisten und Rowdics. An: Sonntag früh wurden zwei Polizisten in München-Gladbach von einer Rotte junger skan- dalierender Leute, die zur Ruhe ermahnt worden waren, mit Ziegelsteinen und Gerüsthölzern an gegriffen. Als einer jener neun Burschen einem Beamten sogar mehrere Messerstiche versetzte, zogen diese blank, schlugen mit der Waffe auf ihre Angreifer ein und jagten ihnen mehrere Nevolverschüsse nach, als sie zu entfliehen ver suchten. Inzwischen war Unterstützung einge troffen, worauf man energisch die Verfolgung der Exzedenten aufnahm, von denen acht ver haftet wurden. Bei einem Kriegerfest in der Ortschaft Memsen bei Hann.-Münden tötete im Streit der Arbeiter Busch den Vereinsvorstand Bohne durch «neu Messerstich ins Herz. Der Täter wurde verhaftet. Baron v. Beck. Baron b. Beck, der Chef des österreichischen Generalstabes, ist vom Kaiser von Österreich aus Anlaß des 25 jährigen Jubiläums seiner Tätigkeit waren. Die Italiener konnten kaum das nackte Leben retten. Der größte Teil ihrer Habselig keiten ist verbrannt. X Ein „Amerika"-Deserteur wurde in der Person des jetzt 46 jährigen Schmieds Lang W Rottweiler bei Bitsch in Elsaß-Lothringen fest genommen. Lang hatte seinerzeit nach seiner Musterung dem Gnberufungsbefehl zum Militär keine Folge geleistet und war nach Amerika desertiert. Dort verheiratete er sich nnd ist Vater von sieben Kinder. Vermutlich die Sehnsucht nach der alten Heimat führte ihn dieser Tage nach Nvttweiler zurück; er wurde dort erkannt und von den Gendarmen festgenommen und sieht nun feiner Verurteilung wegen Fahnenflucht vor dein ^Kriegsgericht entgegen. /V Eine Petroleumquclle iu Frank reich. Eine starke Petroleumquelle ist bei Baur in der Nähe von Belley im südöstlichen Frankreich entdeckt worden. Mehrere Arbeiter waren beschäftigt, ein Bohrloch auf Kohlen niederzubringen, als sie in einer Tiefe von 450 Fuß auf eine starke Quelle stießen, die sich mit großer Kraft ergoß und nach Petroleum roch. Die Arbeiter benachrichtigten sofort die Ingenieure, die die Quelle untersuchen ließen, wobei sich herausstellte, daß es eine sehr gute Petroleum- guelle sei, die in der Stunde mehrere hundert Liter Petroleum liefert. Am andern Abend betrat ein Kind mit einer brennenden Lampe das Gerätehaus oberhalb des Bohrschachtes. Gleich darauf hörte man eine heftige Explosion und fand das Kind schwer verbrannt. Die Gase des Petroleums hatten sich an der Flamme entzündet und die Explosion verursacht. Eine Fricfel-Epidemic im Departe- Ment Eharentc. Dem ,Temps' zufolge ist wi Departement Charente eine Friesel-Epidemie nusgebrocheu, an der etwa 2000 Personen er krankt und auch mehrere gestorben sein sollen; n einigen Dörfern soll über die Hälfte derEin in dem an der Spitze des Generalstabes und zum 60 jährigen Italiener mit Frauen und Kindern einlogiert' hJubiläum seiner Zugehörigkeit zum österreichisch- ' - ^ungarischen Heere in den erblichen Grafenstand er- Seite lägen. Dorthin habe sich die Königin gewendet, und dadurch sei sie vom rechten Wagen fenster weiter fortgerückt. Da auch die größere Volksmenge an der linken Seite stand, habe die Königin ihre dankenden Handbewegungen zum linken Wagenfenster hinaus gemacht und auf diese Weise ihr Leben gerettet. Als die Ex plosion vorüber war, sei der König besonders um das Schicksal seiner jungen Gemahlin sehr besorgt gewesen. Er habe ihren Kopf in seine Hände genommen, sie geküßt und gefragt: „Bist du verwundet?" Die Königin habe ihren Ge mahl sofort angesehen und dann gesagt: „Nein, nein, ich bin nicht verletzt, ich schwöre es!" Wir müssen dem sonst gut unterrichteten englischen Blatt die Verantwortung für seine Mitteilungen überlasten. Von einer Räuberbande wurden inSos- nowice der Kassierer mit vier Beamten der Flora- grube und Cassimirgrube der Österreichischen Länderbank auf offener Straße überfallen, mit Revolvern bedroht und ihnen 25 000 Rubel ab genommen. Die Beamten hatten das Geld zur Lohnzahlung von der Sosnowicer Handelsbank erhoben. Die maskierten Räuber hatten vorher alle Telegraphendrähte zerschnitten. An den Chicagoer Theaterbrand, der bisher der gewaltigste Theaterbrand war, er innert eine Nachricht, die aus New Jork kommt. Die Erben der Opfer bei der furchtbaren Kata strophe des Jroquois-Theaters, die, wie er innerlich, im Dezember 1903 stattfand, und mehr als 600 Personen das Leben kostete, hatten gegen die Theatergesellschaft Prozesse wegen Schadenersatzes angestrengt, bei denen es sich insgesamt um eine Summe von 8 Millionen Mark handelte. Der Prozeß, der nun schon drei Jahre schwebte, ist auf unerwartete Weise zu Ende gegangen: die beklagte Gesellschaft hat sich bankrott erklärt. Die armen Leute er halten also nichts und werden außerdem noch die hohen Prozeßkosten zu wagen haben. ek. Eine Junggesellen-Steuer. Ralph Wellt, ein San Franciscoer Kaufmann, Millionär und Philanthrop, wird in der nächsten Woche zunächst 50 und dann nach und nach insgesamt 5000 bedürftige Frauen mit vollkommener Klei dung ausrüsten. Weilt ist Junggeselle und ver tritt die Anschauung, daß unverheiratete Männer besteuert werden müssen. Da es ein entsprechen des Gesetz noch nicht gebe, habe er sich selbst zu einer solchen Steuer eingeschätzt. „Wenn 5000 Frauen von mir vollständig ausgestattet werden," sagte er, „so glaube ich bestimmt, daß ich meine Pflichten gegenüber dem andern Geschlecht erfüllt habe!" oll. Im Gerichtssaal ermordet. Der Gerichtshof in Elmilia in Algier war in der vergangenen Woche der Schauplatz eines Ver brechens. Zwei Lairdleute, Badeche und Djeudi führten einen Prozeß wegen eines Landsweifens, und ein hinzugezogener Sachverständiger gab sein Zeugnis zugunsten Badeches ab. Am andern Tage sollte das Urteil verkündet werden. Schon vorher war es zwischen den Prozeß gegnern zu harten Worten gekommen, im Gerichts saal aber zog Djeudi plötzlich ein ahleförmiges Instrument und stach es dem unglücklichen Badeche mit großer Wucht in die Brust. Der Schwerverletzte gab nach wenigen Minuten seinen Geist auf, der Mörder wurde sofort ver haftet. Gericktskalle. Freiburg i. Br. Aalschleim als Mittel gegen die Trunksucht Vortrieb der Kaufmann Theodor Heintz von Leopoldshöhe, Basel usw. aus. Er ließ sich 10 Mk. für das Mittel geben, das ihn 20 bis 25 Pf. kostete. Als man ihn festnahm, hatte er bereits 5470 Mk. eingenommen und über 3000 M. waren noch einzukassieren. Die Strafkammer ver- uÄeilte ihn jetzt wegen Betrugs zu einem Jahr Gefängnis, wovon drei Monat für erlittene Unter suchungshaft äbgehen. Wiesbaden. Wegen Entwendung einer scharfen Patrone wurde der Musketier Reinert von der 12. Kompanie des 87. Infanterieregiments vom Gouvernementsgericht zu drei Wochen Mittelarrest verurteilt. Nach seiner Angabe wollte er die Patrone als Andenken an feine Militärdienstzeit behalten und sie später an seiner Uhrkette befestigen. ob. Wiltschien. Vor dem hiesigen Gerichts hof hatte sich am Donnerstag der frühere Soldat Capper wegen Bigamie zu verantworten. Er war seiner ersten Frau überdrüssig geworden und hatte nach und nach noch fünf Frauen geheiratet, die noch alle, ebenso wie seine wirkliche Frau, ani Leben sind. Die Strafe lautete auf 10 Jahr Zwangs arbeit. Der Erste Staatsanwalt erklärte, dies sei der schwerste Fall von Bigamie, der ihm bisher bekannt geworden sein. Der Ztierkamps bei -er spanischen. " Uönigchochzell wird von englischen Korrespondenten in langen Telegrammen geschildert; doch ist ihre enthu siastische Tonart durch das Widrige deS Anblicks ein wenig gedämpft, der die tierfreundlichen Söhne Albions besonders abstößt. Der Prinz und die Prinzessin von Wales sowie die eng lische Gesaitdtschaft haben auch an dem Schau- spiel nicht tellgenommen. Die Spanier freilich wurden in ihrer Festesfreude dadurch nicht ge hindert. Ganz Madrid war auf den Beinen und eine zahllose Menge von Wagen erfüllte alle Straßen. Das Gebäude, in dem der Slier- kampf stattfand, ist ein gewaltiger kreisrunder Bau, der sich hoch in die Lüfte erhebt und 13 000 Menschen sassen soll. Er war diesmal von mindestens 15 000 Personen besetzt. Die Sonne lag auf dem Hellen Sande der Arena, auf dem die dunklen Schatten der hohen Mauern sich abheben, und wob einen goldigen Glanz um die phantastischen maurischen Ornamente, die die schwere Architektur bekrönen. In dieser heißen spanischen Sonne breitete sich nun das farben prächtige Bild der Zuschauermassen aus, die die hohen Ränge anfüllten. Damen in weißen, hellblauen und rosa Kleidern, mit den Weißen Mantillen auf dem Kopf, bewegten unaufhörlich ihre Fächer und verschanzten sich hinter Sonnen schirmen ; dazwischen leuchteten die weißen Stroh hüte der Männer. Dunkel und goldstarrend hoben sich davon die Reihen der Hofgesellschaft ab, die in kostbaren Kostümen erschienen waren. Girlanden von Blumen und flatternde Fahnen schmückten den weiten Raum. Als das Königs paar eintrat, erscholl allgemeiner Jubel. Die Königin, die ein Weißes Kleid trug, eine weiße Mantille und rote und gelbe Blumen, die Nationalfarben, im Haar und an der Korsage, zeigte keine Spur von Müdigkeit oder Nervosität, als sie freundlich nach allen Seiten grüßte, lächelte und das Taschentuch schwenkte. Der Verlauf des Stierkampfes war der allgemein be kannte. Das vorbereitende, spielerisch aufreizende Spiel der Pikadoren, die geschickt den Angriffen des wütenden Stieres entgehen, deren alte blinde Schindmähren aber auch bisweilen von den Hörnern des Tieres aufgespießt werden, leitet ihn ein. Das ermüdete und erschöpfte Tier wird dann endlich von dem Schwert des Toreados abgefangen. Farbenprächtig war der Aufzug der drei Staatskutschen, der berittenen Matadors, aller der Mtkämpfenden in den bunten spanischen Kleidern und der würdevollen Grandezza. Unter Trompetengeschmetter betraten sie die Arena, unter dem Gedröhn der Fanfaren tat der Toreador den Todesstreich. Aber die englischen Korrespondenten können doch nicht ver gessen, daß es im Grunde ein sehr kläglicher Sport war und ein Bild, das mehr an die traurige Grausamkeit einer Abdeckerei, denn an ein Nationalschauspiel gemahnte. Die drei ersten Süere, die getötet wurden, waren von den be rittenen Matadoren, die ihnen lange Spieße in den Nacken stießen, bereits so ermüdet und ent kräftet, worden, daß sie keine Wut zeigten, sondern schwach und stumpf gegen die Mauer lehnten und dann schwer und mhig zusammen brachen wie wehrlose, dem Tode geweihte Opfer. Kuntes Allerlei. Gemütlich. Stammgast (mit dem Finger auf dem staubigen Deckel seines Glases schreibend): „Da schauen Sie einmal her!" — Wirt: „Za, langmächtig waren S' net da!" c.Mcgg.) ell. Seine Auffassung. Autler (der vor der geschlossenen Eisenbahnschranke warten muß): „Na, kommt denn das Verkehrshindernis bald!?" men an ein Fräulein Plügge, Haldeubergstraße Nummer 42, erste Etage. „Das ist meine Nichte!" rief Fräulein von Reck sofort. Sie sagen, der Brief komme aus Genua?" „Er war nach Pegli bei Genua adressiert — Villa Bonziani." Die alte Dame ward immer gespannter. „Steht ein Absender darauf?" „Nein. In Genua hat man die Berliner Adresse deS Fräulein Plügge auf daS Kuvert geschrieben. — Die Dame hält sich nun also bet Ihnen auf?" „Das nicht, aber . . . aber ich kann ihn ja selbst an seine Adresse besorgen." „Nein, es muß alles seine Ordnung haben. Die Weiterbeförderung besorgt die Post." „Wozu denn die Umstände ?" fragte die alte Dame mürrisch. „Das Postamt besitzt ja die Adresse meiner Nichte. Sie ist da freilich mit ihrem Frauennamen bezeichnet worden — Frau Kalwoda." „Frau Kalwoda — um die handelt fich's?" Hastig steckte der Postbote den Brief, den er in den Türspalt gehalten hatte, wieder in die Tasche. „O, dann darf ich ihn keinem andern geben." „Aber mir doch, der Tantel" rief das alte Fräulein erregt. „Ich sah an der Hand schrift, daß daS Schreiben von meinem Neffen stammt l" „Tut mir leid, Fräulein. Der Brief muß nach Moabit — muß dem Herrn Gefängnis- direktor ausgeliefert werden!" „Mein Himmel," stöhnte Fräulein v. Reck, Handlung gegen die des Mordes angeklagte »rau Stephanie Kalwoda stattfinden sollte. _ Fräulein von Reck ging es während dieser «eit ganz miserabel. Der Aufenthalt in dem Mlückshause hätte ihr so wie so nicht länger Ahagt; sie besaß aber, als fie sich von Hause ^getrieben sah, keinerlei Freunde oder Ver- "andie, bei denen fie einstweilen Aufnahme Pfunden hätte. ES rächte sich nun bitter, daß zeitlebens andre für sich hatte sorgen lassen. «n einem bescheidenen Chambre garnie in der «rinenstadt mietete sie sich ein. . Ihre letzte Hoffnung war die, daß Benjamin, A sicherlich die Verfolgung deS nach ihrer Mcht an dem Morde allein schuldigen Arnold .^buck ausgenommen hatte, eines TageS die Me Botschaft hieher gelangen lassen werde, Ab er den Flüchtling dingsesi gemacht und krisn Transport hierher veranlaßt habe. . Da versetzte fie eines Tages das Eintreffen Ms Briefes aus dem Auslande in eine fieber- ^!te Erregung. W war am frühen Morgen — fie befand U erst bei der Toilette -, als der Brief- Mer st, persönlich zu sprechen verlangte. Die Mim kam, um fie davon zu benachrichtigen. Fräulein von Reck sich mit ungebranntem nicht sehen lassen wollte, so fand die ^erredung zwischen ihr und dem Postboten die angelehnte Tür statt. »Haben Sie nicht früher in der Hardenberg- Wut Nummer 42 gewohnt?" fragte der Die alte Dame bejahte. »ES ist da ein Brief aus Genua angekom „der Brief enthält vielleicht wichtige Mit teilungen von meinem Neffen!" „Dann erst recht, Fräulein! Tut mir leid, aber. . . Adieu, Fräulein!" Er ging nach der Treppe. Das alte Fräu lein stürmte, der unvollendeten Toilette jetzt nicht mehr achtend, hinter ihm drein. Der Beamte zeigte sich aber unerbittlich. In größter Aufregung kehrte Fräulein von Reck in ihr Zimmer zurück. Ein Brief von Benjamin! WaS mochte er enthalten? Brachte er endlich, endlich Licht in daS fürchterliche Dunkel? Sie hatte aus der Unzahl von Stempeln und Postvermerken, die den Umschlag deS Schreibens bedeckten, beim flüchtigen Hin schauen nur den einen erkennen tönnen, der die ausländischen Marken entwertet hatte, er lautete Bombay. Wie war Benjamin dahin gelangt? Hatte er den Flüchtling dort eingeholt und dingfest gemacht? Hastig kleidete fie sich an, um den Weg nach Moabit zum Untersuchungsrichter anzutreten. * * * Seit drei Stunden lag Stephanie schloflos auf dem Lager in ihrer dunkeln Zelle. Da rasselte plötzlich ein Schlüsselbund am Tür schloß, die Tür sprang auf, und der blendende Lichtschein einer Laterne drang in den engen Raum. Stephanie fuhr empor. In mürrischem Tone befahl ihr die Wärterin, sich hastig anzuklsiden und ihr zu folgen. Mechanisch kam Stephanie dem Gebot nach. In den Gängen war eS totenstill. Die Schritte der beiden hallten unheimlich von den Wänden wider. Am Ausgang der Station für weibliche Untersuchungsgefangene wurde Stephanie von zwei Kriminalschutzleuten in Empfang genommen, die fie nach dem Hof brachten. A Eine geschloffene Droschke stand hier. Sie wurde aufgesordert, drinnen Platz zu nehmen, und fie tat dies, ohne eine Frage an ihre Be gleiter zu richten. Sie ahnte nicht, wohin die Fahrt gehen sollte. Der Kutscher schien instruiert zu sein, nur wenig belebte Gegenden zu kreuzen; denn die Straßen, durch die das Gefährt kam, waren spärlich erleuchtet. Später ging eS auch durch fast finstere Parkalleen. AIS der Wagen schließlich dennoch in eine hell erleuchtete Fahrstraße einbog, zeigten sich ihre durch den Aufenthalt in dem auch tags über dämmrigen Licht ihrer Gefängniszelle scheu und trüb gewordenen Augen unfähig, die an den Wagenfenstern vorüberfliegende Gegend zu unterscheiden. Mit einem kurzen Ruck hielt der Wagen endlich. Rasch hob man die Gefangene her aus und führte fie in ein dunkles Portal. Stephanie stieg eine teppichbelegte Treppe empor. Ihre Füße hätten den Dienst ver sagt, wenn ihr nicht von beiden Seiten von ihren Führern Unterstützung zuteil geworden wäre. « r» Kortsetzrmg folgte
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