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Ottendorfer Zeitung : 17.06.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190606173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060617
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060617
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-06
- Tag 1906-06-17
-
Monat
1906-06
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 17.06.1906
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Polililcke K,unäfckau. Deutschland. * Der Kaiser hat der aktiven Sch lacht flotte einen neuen Schießpreis verliehen. Es ist dies der dritte Schießpreis, den der Monarch der aktiven Schlachtflotte ver liehen hat. Der erste wurde am 24. Juni 1894 und der zweite am 11. Juni 1904 gestiftet. Ilm diese beiden Preise schießen in diesem Jahre die Linienschiffe der beiden Geschwader und um den neuen Schießpreis die Aufklärungsschiffe. * Betreffs der Funkentelegraphie ist zwischen Deutschland und Norwegen ein Ab-kommen getroffen worden, das bis zur endgültigen Aufstellung von Grundsätzen für die Benutzung der Funkentelegraphie durch eine allgemeine Wettkonferenz in Geltung bleiben soll. Alle Funkentelegraphen-Stationen an der Küste und an Bord von Schiffen sind verpflichtet, tele graphische Mitteilungen ohne Rücksicht aus das zur Verwendung kommende System und den Eigentümer der Anlage auszuwechseln. * Die e-uropäische Fahrplankon ferenz trat in Bremen zur Beratung der Winterfahrpkäne zusammen. * JnderZ weiten badischen Kammer, erklärte Staatsmimster v. Dusch auf eine An träge wegen Zulassung vonM ä n n e r k l ö st e r n, daß die oberste Kirchenbehörde einen Standpunkt einnehme, Her eine Verständigung ausschließe. *Jn derwürttembergischen Ab geordnetenkammer wurde aufs neue die Verfassungsreform beraten. Die Kammer beschloß nut 75 gegen 5 Stimmen aus der vom Herrenhaus abgelehnten Zusatzwahl von 17 Abgeordneten durch Verhältniswahl .zu be harren. Der Ministerpräsid ent Breit ling erklärte endlich, daß die Regierung, wenn auch schweren Herzens, grundsätzlich dem Beschlusse der Kammer zustimme. * Nachdem man kaum eine beruhigend lautende Nachricht aus Deutsch-Ostafrika vernommen hat, folgt schon wieder eine Hiobs post auf dem Fuße. In der Landschaft Jraku am Kilimandscharo sind neue Unruhen ausge brochen. Ein treuer Häuptling wurde verjagt und der Ansiedler Uffert von 500 bis 1000 Auf- ttändischen aufgehalten und bedroht. Truppen zur'Herstellung der Ordnung sind im Anzuge. Österreich-Ungarn. * Die Wiener Straßenkund gebungen gegen die ungarischen Abgeord neten bildeten den Gegenstand einer eingehenden Besprechung im österreichischen Abge ordnetenhause. Auf eine Anfrage von rschechischen Abgeordneten, ob der Präsident bereit sei, der ungarischen Regierung und dem ungarischen Volk sein Bedauern über die Kund gebungen auszusprechen, erklärte der Präsident des Abgeordnetenhauses, er müsse eine solche Zumutung ablehnen. Das ist um so merk würdiger, als sich die Regierung nach Möglich keit bemüht, den peinlichen Vorgang vergessen zu machen. *Jm ungarischen Delegations- a u s schuß für auswärtige Angelegenheiten sagte GM G o l u chowski die Ausgabe eines R o t- bnches über den serbischen Zollkonflikt, die türkische und die Marokkofrage zu. Frankreich. * Mit einem überaus inhaltreichen Arbeits- Programm ist das radikale Ministerium Sarrien vor die neugewählte Kammer ge- rreten.^ Soviel über die einzelnen Teile der Regierungserklärung auch in den letzten Tagen bereits durchgesickert war, so wartet sie doch auf ioziglpolitischem Gebiet nut einigen Überraschungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung auf. Die gesetzliche Festlegung der Arbeitszeit 'oll über den Kreis der Arbeiter hinaus erstreckt und im Bergbauwesen für neue Unter nehmungen die Gewinnbeteiligung der Arbeiter oorgeschrieben werden. i England. *Jm Unterhause erklärte in Beant wortung einer Anfrage bezüglich der Einfuhr von Koyserven der Präsident des Lokal- verwalttumsamts Bur n s, was in dieser ernsten Angelegenheit auf dem Wege von Verwaltungs ¬ maßnahmen getan werden könne, geschehe. An das Auswärtige Amt seien Vorstellungen ge richtet worden hinsichtlich einer wirksamen Unter suchung der Nahrungsmittel in dem Lande, aus welchem jetzt die größte Zufuhr komme. Falls diese Maßnahmen unzureichend sein sollten, werde er (Burns) vom Unterhause weitgehende Voll machten für das Lokalverwaltungsamt erbitten. Jedenfalls werdet: amerikanische Fleischkonserven einer überaus scharfen Kontrolle unterzogen. Schweiz. * Das eidgenösstsche Lebens mittelgesetz wurde in der Volksab stimmung in Bern mit rund 238 000 gegen 145 000 Stimmen angenommen. Italien. * Die Kammer erteilte dem neuen Mini sterium Giolitti mit 262 gegen 98 Stimmen Generalleutnant v. Marchthalcr, der neue württcmbcrgische Kriegsminister. ein Vertrauensvotum, nachdem der Minister präsident in längerer Rede das Programm der Regierung verlesen und insbesondere die dem verflossenen Kabinett mißglückten Reformen zu vermehren und durchzuführen versprochen hatte. Falls die Regierung bei Einführung bezw. Durch- ührung der Reformen eine glückliche Hand haben ollte, so dürfte der frühere Ministerpräsident nicht obald wieder Herr der politischen Lage werden. Norwegen. * Der Staatsrat nahm folgende im Storthing einzubringende Gesetzentwürfe an, durch die die Verfassung geändert werden soll: einen Gesetzentwurf betr. das Recht zur Storthingsauflösung, einen andern betr. Ab schaffung der Herbstsession des Storthings, und einen dritten betr. die Wählbarkeit der gegen wärtigen Mitglieder des Staatsrats. Spanien. * Das neue Kabinett, in dem nur ge ringfügige Veränderungen vorgenommen wurden, leistete dem König den Eid. Rustland. * Die Agrardebatten in der Duma nehmen eine immer ernstere Form an. In der letzten Sitzung gelang es besonders dem Bauern- Abgeordneten Aladin mit'seiner derben Rede weise, die Zuhörer zu fesseln; zumal mit seiner Drohung, die lokalen politischen Organisationen Würden nötigenfalls die Arbeiten der Duma fortzusetzen verstehen^ entfesselte er Beifallsstürme auf der Linken. Die Negierung hat sich ange sichts der Unmöglichkeit einer Ver ständigung mit oer Volksvertretung, wieder einmal auf ihre staatliche Macht besonnen. Da nämlich einige Dumamitglieder sich mit ihren Wählern wegen der Fruchtlosigkeit der bisherigen Verhandlungen in Verbindung gesetzt und diese aufgefordert hasten, dem Lande in Volksver sammlungen mitzuteilen, daß die Regierung sich völlig ablehnend gegen die Forderungen der Duma verhalte, sollen 14 Ab geordnete wegen Herausforderung zum offenen Widerstande vor Gericht gestellt werden. (Das ist echt russisch, da es sich mit der vom Zaren verkündeten Un verletzlichkeit und Meinungsfreiheit der Parla mentsmitglieder verträgt!) Amerika. *Der amerikanische Fleischskan dal, an dem die ganze Welt interessiert ist, kommt immer noch nicht zum Schweigen. Präsident Roosevelt ließ einen zweiten Be richt über die Schlachthäuser ausarbeiten, der dem Kongreß bald zugehen soll, falls die An nahme der Fleischbeschau-Vorlage verzögert wird. Seit Wochen sammelten zwei Geheimdienst beamte auf Anweisung Roosevelts Stoff über die Chicagoer Schlachthöfe bezüglich des Ge brauchs von Aufbewahrungs - Mitteln. Die Schlachthausbesitzer erklären, Roosevelt habe ihnen schon so viel wie nur möglich geschadet; weitere Enthüllungen würden die Vieh züchter schwerer als sie schädigen. * Die argentinische Deputierten kammer sprach sich für die Amnestierung der Teilnehmer an der Revolution vom Februar 1905 aus mit der Maßgabe, daß die Militär personen unter denselben nicht wieder ins Heer eingestellt werden sollen. Afrika. * Das. Kap-Parlament hat das zwischen den südafrikanischen Kolonien abge schlossene Z'ollvereinsabkommen end gültig angenommen. Asien. * Die Lage in S üd korea ist nach Meldungen aus Tokio wenig befriedigend. Die Aufständischen haben Tamiang genommen und versuchen, Naydschu zu besetzen. Aus Chyandschu, das weiter nordwärts liegt, wird gleichfalls die Ansammlung einer starken Auf rührerschaar gemeldet. Die aufständische Be wegung richtet sich durchweg gegen die Ja paner. * So unerilletzlich die Überschwem mung e n im Süden Chinas sind, so furchtbar ist die Dürre im Norden und es läßt sich für weite Länderteile eine schreckliche Miß ernte Voraussagen, die leicht Veranlassung zu Hungerrevolten und feindlichen Kundgebungen in den Provinzen gegen die Fremden geben kann. Damit scheinen auch die fremden Ge sandten zu rechnen, und es ist bezeichnend für die augenblickliche L a g e, daß die Gesandten anfangen, sich, wie gewöhnlich in der heißen Zeit, in Landhäuser zu begeben, die entweder an der See oder in der Nähe der Berge liegen, auf alle Fälle aber bereit sind, im Notfall nach Peking zurückzukehren. Wirtschaftliches aus Zü-amerika. Der ,Schl. Ztg.' schreibt ein ehemaliger Landsmann, der seit langem in Bolivia lebt: Bolivien befand sich bis zum Jahre 1904 in kommerzieller Beziehung von den Küstenstaaten Chile und Peru abhängig. Die Einfuhrhäfen, die für das Land als Brnnenstaat in Betracht, kommen, sind Antofagafta und Arica in Chile und Mollendo in Peru. Laut den Bolivien aufgezwungenen Handelsverträgen nach dem un glücklichen Kriege von 1879 gingen die Haupt produkte dieser beiden Länder, als Mehl, Reis, Weine, Alkohol, Konserven usw. zollfrei nach Bolivien ein, wogegen Bolivien seine Produste, hauptsächlich Erze, zollfrei ausführte oder besser gesagt ourchführte, da sie nicht daselbst verhüttet werden, sondern in England und Deutschland. Diesem für die Finanzen höchst nachteiligen Zustand machte die bolivianische Regierung ein Ende, nachdem sie sich mit Brasilien über die Abtretung des Äcregebiets geeinigt hatte. Als Entschädigung für dieses reiche Gebiet erhielt sie zwei Millionen Pfund (40 Mill. Mk.), die in Europa deponiert sind und den Grundstock für dgs zu bauende Eisenbahnnetz bilden, ohne daß Brasilien das "Recht einer Intervention hätte, welche Linien zu erbauen wären. Über die Konzessidn der zu erbauenden Linien schweben zurzeit Verhandlungen mit bedeutenden Finanz gruppen und ist zu hoffen, daß auch deutsches- Kapital dabei seine.Rechnung finden, wird, wie denn überhaupt der Einfuhrhandel Deutschlands seit Jahren der bedeutendste ist. Einmal mit Brasilien verständigt, tat Bolivien die nötigen Schritte, um mit Chile Frieden zu schließen, mit welchem seit 1884 nur Waffen stillstand herrschte. Der einsichtsvollen Regierung des früheren Präsidenten Pando gelang es, einen Frieden zustande zu bringen, laut welchem Bolivien auf das „Litoral", die Provinzen Antofagafta und -Cobija, die schon längst tai- sächlich in: Besitz Chiles waren, definitiv ver zichtete. Als Gegenleistung baut Chile eine Bahn von Arica nach La Paz im seine Rech nung, übernimmt die äußere Schuld Boliviens und subventioniert die von Bolivien zu erbauenden Bahnen mit einem Maximalbettag von 100 000 Pfund jährlich. Wenn auch Bolivien .mit der chilenischen Küste durch die Bahn von Oruro nach Antofagasta, mit Mollendo (Peru) über den Titicacasee Verbindungen besitzt, so ist die Linie von Arica nach La Paz doch von ganz bedeutendem Einfluß für Bolivien, da sie die kürzeste und somit die billigste sein wird. Der Bau der Linie wird einem chilenischen Syndikat übertragen, dem die deutsch-überseeische Bank in Valparaiso dazu 3 000 000 Pfund zur Ver fügung stellte. Eine weitere Bedingung des Friedensöertrages war die, daß die zollfreie Einfuhr der chilenischen Produkte mit dem 1. Juli d. aufhört, so daß Chile von diesem Zeitpunkte an nur in die Rechte einer meist begünstigten Nation eintritt, eine Maßregel, die den Finanzen Boliviens sehr zugute kommen wird. Es blieb eine Verständigung mit Peru übrig, das die gleichen Zollfreiheiten wie Chile genoß. Notgedrungen mußte es sich darauf verstehen, auf die alten Prärogaüve zu verzichten und ebenfalls in' die Rechte einer meistbegünstigten Natton einzutreten, so daß auch seine Produkte vom 1. Juli d. an den üblichen Zoll erlegen müssen. Durch diese Wmachungen ist Bolivien somit endlich in kommerzieller Hinsicht unabhängig ge worden und man darf wohl mit Recht annehmen, daß es einer gedeihlichen Entwickelung entgegen geht und seine bedeutenden Naturreichttimer all mählich erschlossen werden. Die in Südamerika ansässigen Banken haben die Wichtigkeit, welche Bolivien in einiger Zeit auf dem Weltmarkt besitzen wird, erkannt und seit einigen Monaten dort Filialen errichtet, so die Deutsche Bank als „Banco Aleman Trans- aüanttco" in La Paz und Oruro, und die Dis kontogesellschaft als „Banco de Chile y Memania" in denselben Städten. Von Mb unä fern. Dr. Phil. Heinrich Hart -st. Ein kritischer Vorkämpfer der modernen Dichtung ist am Alon tag nach langem Leiden zu Tecklenburg gestorben. Er war der ältere der beiden Brüder, deren Namen mit der literarischen Entwickelung der letzten Jahrzehnte dauernd verknüpft bleibt. Als Redakteur war er in verschiedenen Städten, vor allem an der .Täglichen Rundschau' und zuletzt am .Tag' in Berlin tätig. Heinrich Hart hat sich nicht nur als Kritiker, sondern auch als Lyriker und als Novellist betätigt. Sein großes Epos „Lied der Menschheit" ist leider unvoll endet geblieben. Mit seinem Bruder Julius und mit. andern Freunden begründete er vor etwa fünf Jahren in Berlin' eine „Neue Gemein schaft", die „den Sinn, Wert und Zweck unsres menschlichen Daseins durch eine auf das Ganze der Natur gerichtete Weltanschauung zu ergreifen trachtete und das Leben den höchsten Erkennt nissen gemäß gestalten wollte". Die deutsche Heringsfiotte läuft dieser Tage von den verschiedenen Küstenplätzen in einer Stärke von 216 Fahrzeugen, gegen 186 im Vorjahre, aus. Holland entsendet eine Herings flotte von 858 Fahrzeugen. Ein nichtswürdiger Bubenstreich ist in dem neuerbauten städtischen Museum zu Braun schweig verübt worden. Von unbekannter Hand wurde einem Bruststück einer italienischen Gitarre spielerin des Berliner Malers Hellwig mit ein« Nadel die Augen ausgestochen. Der Schaden, den das Museum erleidet, ist beträchtlich. Unter schwerem Verdacht. In Düssel dorf wurde der Polizeisergeant Döhmen wegen Verleitung zum Meineid verhaftet. O VieMsge äer Gerechtigkeit. 19s Roman von Maximilian Brytt. lFottsehung.) Ausführlich stellte der Uniersuchungsnchter in einer Art Kreuzverhör alle Momente noch einmal test, namentlich die Zeitfolge der Ereignisse am Polterabend. Den Ausführungen Stephanies über ihre Zusammenkunft mit Arnold in Pegli hörte er zwar auch wieder aufmerksam zu — aber den Folgerungen, die Stephanie daran knüpfte, maß er keine Berechtigung bei. Die Unglückliche rief schließlich ganz ver zweifelt: „Aber warum sollte es nicht doch möglich sein, daß Arnold das Haus längst verlassen hatte, als das Unheil geschah? So grausam die Vorstellung ist, muß man nicht endlich daran glauben, daß mein unglücklicher Bräutigam selbst Hand an sich gelegt hat?" Der Untersuchungsrichter nickw ein paarmal gedankenvoll mit dem Kopfe. „Ich weiß, daß man's darauf angelegt hatte, diesen Anschein zu erwecken. Aber ich will Ihnen verraten, daß die Annahme eines Selbstmordes nach den neuerdings aufgenommenen Nachforschungen ganz und gar ausgeschlossen ist I* .Ausgeschlossen d Wie will man das fest stellen, heute, nach fast zwei Monaten, und ohne daß sich ein Zeuge einstellt, der mit eigenen Augen den Vorfall gesehen hat?* .Die Wissenschaft ist der Kriminalistik zu Hilse gckommen, Frau Kalwoda!* sagte Haus hofer ernst, indem er sich aus dem Akten matenal, das sich am Platze des Schreibers befand, mehrere Foüobvgen aussuchte. .Wissen Sie, was des ist, was ich hier in Händen halte? . . . Es ist der amtliche Bericht über den Sektionsfund. Beim Vergleich dieses Berichtes mit dem über den Zustand der Leiche im Moment der Auffindung und mit der sofort aufgenommenen Zeichnung, die noch heute ein klares Bild von der Lags des Körpers in jenem Augenblick gibt, hat sich dem Untersuchungsgericht die Überzeugung auf drängen müssen, daß es Ihrem Gatten ganz und gar unmöglich gewesen ist, die beiden Schüsse sich selbst beizubringen!* „Aber so erklären Sie mir doch . . .* Haushofer zeigte der totenbleich Lauschenden die Zeichnungen des Kriminalkommissars und deS medizinischen Sachverständigen, in ruhigem, ernsten Ton die Annahme begründend. „Wenn ein Selbstmord überhaupt möglich gewesen wäre, so hätte er von Kalwoda nur durch Abfeuern des Revolvers mit der rechten Hand ausgeführt werden können. Das war schon damals aus der Lage der Waffe und der beiden Hände zu entnehmen; die Linke hielt in jener Sekunde das Augenglas des Toten fest, das im Fall zerschmettert worden war: also kann fir nicht gleichzeitig den Revolver gehalten haben. Mit der rechten Hand hätte dem Revolver aber nicht die Lage gegeben werden können, durch die allein ein derartiger Schußkanal zu entstehen vermochte, wie ihn die medizinische Untersuchung feststellte.* Er reichte ihr ein paar Blätter, die in der Hand der gequälten Unglücklichen zitterten, und schloß: „Hier sehen Sie das Bild: von der linken Schläfenwand des Schädels hat das Geschoß emcn Kanal durch den ganzen Kopf bis zum rechten Gehörknochen gebohrt. Um den Rrvolverlauf in eine solche Lage bringen zu können, hätte ein Selbstmörder die linke Hand gebrauchen müssen." Die Ausführungen Haushofers waren von so zwingender Klarheit, daß Stephanie schließ lich selbst davon überzeugt sein mußte: ein Selbstmord lag nicht vor. Aber wenn der Untersuchungsrichter ge glaubt hatte, Stephanie durch seine erschöpfend genaue Darlegung von der Unglaubwürdigkeit ihrer Annahme zu einem umfassenden Ge ständnis zu bewegen, so hatte er sich geirrt. Die Unglückliche war nur noch verzweifelter, fassungsloser. Haushofer mußte das lange und eingehende Verhör, daS die geheimnisvolle Sache noch um keinen Schritt näher zur Auf klärung gebracht hatte, schließlich aufgeben, weil die Angeklagte in ihrem bejammernswerten Gemütszustände nicht imstande war, ihm noch länger zu folgen. 10. Die rrichShauptftädtischen Tageszeitungen hatten sich inzwischen deS sensationellen Stoffes von neuem bemächtigt. Da inzwischen Ver schiedene Gwßstadttragödien das Interesse der Berliner in Anspruch genommen hatten, so war eS zunächst notwendig, den damals in der Presse so sang- und klanglos untergegangeven „Fall Kalwoda* durch eingehende Berichte über die geheimnisvolle U flat wieder ansleben zu lassen. Aus dem Fall Kalwoda war aber inzwischen ein Fall Plügge geworden. Gleich nach Stephanies Einlieferung illß Untersuchungsgefängnis zu Moabit war in eins«' Blatte eine Notiz über die rätselhaften Um-' stände bei KalwodaL Tode erschienen, an die die aufsehenerregende Mitteilung geknüpft war, daß der Jugendfreund deS Fräulein Plügge, der nunmehrigen verwitweten Frau Kalwoda, im Augenblick der Verhaftung seiner Geliebten ins Ausland geflüchtet sei; wie es hieß, nicht nur von den jetzt sehr energisch auftrctevden Behörden verfolgt, sondern auch von de« Bruder deS Angeklagten. Ein ganzer Rattenkönig von Mutmaßungen tauchte nun auf. Die Affäre jenes Polter abends in der Villa der Hardenbergstraße war die meist besprochene in ganz Berlin. Man brachte in fast allen Zriiungen täglich eine Notiz über den Fortgang der Untersuchung. Das eine Blatt druckse einen Artikel über die Angeklagte selbst ab, deren Haltung im Unter suchungsgefängnis haarklein beschrieben wurde ; ein andres veröffentlichte eine Unterredung mu verschiedenen Festgästen des in Rede stehende» Abends. Eckenbrecher, der aus diese Weise auÄ in die Zeitung kam, reiste gar nicht mehr erst nach Hause zurück, sondern blieb gleich ganz in Berlin, um nach seinen Kräften zur Klärung der Angelegenheit beizutragen. Auch der junge Behr, dessen Zweiradrevolver eine so erschreckende Berühmtheit erlangt hatte, ward, wohin er auch immer kam, mit unfehlbarer Sicherheit über da» Drama seines Hauses ausgefragt. Die Verhöre mehrten sich, je näher die !üc den Monat Januar allberaumte Schwurgericht- Periode heranrückte, innerhalb deren die Ver-
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