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polinscbe ^un^scbau. Deutschland. *Ka-iser Wilhelm wurde bei seiner Ankunft in Wien von einer nach vielen Tausenden zählenden Menge stürmisch begrüßt. Di« Begegnung des deutschen Kaisers mit dem alten Kaiser Franz Joseph war eine überaus herzliche. *Der Kaiser wird am 25. September zur Teilnahme an den Festlichkeiten anläßlich der gold enen Ho chzeit des großherzog lichen Paares in Karlsruhe eintreffen. * Prinz Heinrich von Preußen wird im Herbst Chef der aktiven Schlacht flotte an Stelle des aus dem Dienste scheidenden Großadmirals v. KSster. * Nachdem zunächst die Handelsbe ziehungen zwischen Deutschland und Holland eine erfreuliche Besserung erfahren haben, wünschen die beiden Nachbarländer auch militärisch einander näher zu treten. Es ver lautet, daß zwischen deutschen und holländischen Offizierkorps demnächst Besuche ausgetauscht werden sollen. Gegen Ende dieses Monats wird das Offizierkorps des Krefelder Husaren- reqtments dem inVenloo garnisonierenden zweiten holländischen Husarenrrgtment zn Pferde einen kameradschaftlichen Besuch abstatten, der im Laufe des Monats Juli von den holländischen Offizieren erwidert werden wird. "Der Landtag deS Fürstentums Lippe ist zur Beramng einer neuen Kali- Vorlage zum 13. Juni einberufen worden. Den Abgeordneten ist der neue Vertragsent wurf, der im Interesse des Landes schärfere Bestimmungen über daS Schürfen und eventuelle Anlage von Bergwerken enthält, bereits zuge gangen. Öft»rreiH-U«gar«. *Bei der Vereidigung der neuen Minister bezeichnete Kaiser Franz Joseph dem Minister Pacak gegenüber den Eintritt der Vertreter des tschechischen Volkes in das Kabinett als eine patriotische Tat, wofür er ihnen Dank wisse. Der Kaiser versicherte, daß er dem tschechischen Volke in Gnaden ge wogen bleibe, und erklärte auf das bestimmteste, daß er im Herbst nach Prag kommen werde, wo er längere Zeit verbleiben zu können hoffe. Gelegentlich seiner Reise nach Reichenberg gedenke er sich auch in Kuttenberg aufznhalten, um die wieder hergestellten Baudenkmäler zu besichtigen. Dem Minister Prade gegenüber sprach der Kaiser den Wunsch aus, daß es baldigst zu einer Verständigung zwischen den Nationalitäten Böhmens kommen möge. *Ministerpräsident Beck hat durch daS Auswärtige Amt wieder die Aufnahme der Handelsvertrags-Verhandlungen mit Serbien eingeleitet. Frankreich. *Jm Ministerrat entwickelte Finanz minister Poincar« in großen Zügen den Entwurf seiner Einkommensteuer gesetzes. Die Einkommensteuer ist als Er satzsteuer für andre in Fortfall kommende Steuern gedacht und steht u. a. vor, daß Steuerpflichtige, die sich zu hoch eingeschätzt glauben, eine Steuererklärung abgeben können. Marineminister Thomson machte im selben Minift-rrat Mitteilung, daß zwei Kreuzer, die sich zurzeit in Oran befinden, den Befehl er halten haben, nach Tanger zu gehen, um den Forderungen Frankreichs in bezug auf die Ermordung des Franzosen Charbonnier Nach druck zu verleihen. S«gka«d. * Der Internationale Berg arbeiterkongreß, zu dem Vertreter aus Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Osterreich-Ungarn und den Der. Staaten er schienen find, wurde am 5. d. in London eröffnet. ES wmde eine Beschlußfassung an genommen, die eine Verbesserung der Berg- gesetzgebungen in der Richtung verlangt, daß Leben und Gesundheit der Arbeiter unter Tage besser gesichert werden. Schweiz. *Bei der am 11. Juni beginnenden inter ¬ nationalen Konferenz zur Revision der Genfer Konvention werden 27 Staaten vertreten sein. *Jm Berner Nationalrate sprach der Abgeordnete Gobat den Wunsch aus, der Bundesrat möchte sich dafür bemühen, daß die Abrüstungsfrage auf daS Programm der zweiten Haager Friedenskon ferenz gesetzt werde. Der Bundes- Präsident Forer widersetzte sich dieser An regung, da die Schweiz keine stehende Armee habe und augenblicklich der Zusammentritt der Konferenz noch ganz unbestimmt sei. Italien. *Der unheimliche Bombenfund in Ancona gewinnt dadurch besondere Bedeu- Der neu« österreichische Ministerpriistdent Frhr. v. «eck. die Ungeduld der Duma wird angesichts der bisherigen Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen zur Durchsetzung radikaler Reformen auf poli tischem und wirtschaftlichem Gebiet immer größer. Die Regierung läßt sich aber durch keine noch so drohenden Reden außer Fassung bringen, und gerade diese unerwartete Ruhe ist es, waS ein gewisser Teil der Abgeordneten anscheinend sm wenigsten ertragen kann. Übrigens wird das Verhalten der Regierung von allen Ab geordneten einstimmig verurteilt. Die Ver stimmung der Parteiführer geht so weit, daß Graf Heyden, der Sprecher der Rechten, in der letzten Dumafitzung erklärte, man solle endlich das „Ministerium im Stiche lassen und an die Arbeit schreiten; denn mit diesem Mini sterium, das an sich selbst zugrunde gehen werde, lasse sich dych nicht arbeiten.* * Infolge der großen Zahl von Ver haftungen unter den Bauern, die am Bauernbund teilnahmen, herrscht in den Dörfern furchtbare Not. Die mittellos in den Dörfern Zurückgebliebenen find nicht imstande, die Familien der Verhafteten zu unterhalten. Des halb find Gemeindeversammlungen abgehalten worden, von denen Bittgesuche an die Behörden zwecks Befreiung der Inhaftierten abgesandt worden find. Balkanstaaten. * In der g r i e ch i s che n Deputierten kammer wurde ein Weißbuch über den Streit mit Rumänien verteilt. Minister deS Äußern SkuzeS erklärte, es seien Ereignisse eingeinten, die ihn zu dem Anttage zwingen, die Debatte über den Gegenstand noch einige Tage hinauszuschieben. tung, daß der König von Italien der genannten Hafenstadt in diesen Tagen einen Besuch ab zustatten gedachte. Vor einer Untersuchungs- Kommission unter dem Vorsitz der' Oberst leutnants der Artillerie Gardini wurde eine der in Ancona beschlagnahmten dre! Bomben ge öffnet. Diese Arbeit nahm drei Stunden in Anspruch. Der äußere Mantel der Bombe bestand auS schnell bindendem Zement, der hart wie Stein war und den man nur sehr langsam durchschneiden konnte. Im Innern sand man 40 Hufnägel und 250 Gramm Bleistücke sowie auch die Sprcngmasse, eine Verbindung aus Chlor und Schwefel. An der Bombe war ein Zünder befestigt. Auf kurze Entfernungen hin hätte daS Mordinstrument eine furcht bare Wirkung auSüben können. Svante«. *Das spanische Königspaar hat infolge deS Madrider Bombenanschlages seine beabsichtigte Reise nach Aranjuez aufgegeben, obgleich sich die Gerüchte vom Aufenthalt eng lischer Anarchisten in Aranjuez nicht bewahr heitet haben. * Der Urheber des schauerlichen Bomben anschlages in Madrid scheint seinen Mordbubenstreich allein ausgeführt zu haben, ohne die Hilfe andrer Verbrecher. Die Über zeugung wenigstens hegt der Gouverneur von Madrid. Die Untersuchung der Leiche deS Ver brechers hat ergeben, daß sein Gehirn voll kommen normal ausgebildet ist. Von hohem Interesse ist ferner die Feststellung der Polizei in Barcelona, daß Mateo Morales auch der Urheber des vor einem Jahre gegen den König von Spanien und den damaligen» Präsidenten Loubet in der Rue de Rohan in Paris verübten Bombenanschlages gewesen ist. St«stla«d. * Der Ministerrat beschäftigt sich an- f geblich augenblicklich mit der Ausarbeitung' eines Planes, der die Erweiterung des Wahl- systems und der Befugnisse der Reichsduma vorfieht. Hoffentlich meint es die Regierung mit der Erwägung dieses Planes ernst; denn * Die Behörden find den serbisch-bul- garischen Bandenkämpsen gegenüber völlig machtlos. Bei Spancewo, Wilajet Usküb, find wieder 13 Bulgaren überfallen, gefesselt und dann getötet worden. Der die Untersuchung führende Bezirkshanptmann ver mutet, daß eS sich um einen Racheakt einer serbischen Bande handelt. Amerika * DaS Repräsentantenhaus in Washington hat eine Vorlage angenommen, durch die eine Rechtsprechung durch einen amerikanischen DistMsrichter in China ge schaffen wird; eS sollen alljährlich Gerichts sitzungen in Schanghai, Hankau, Tientsin und Kanton abgehalten werden. Afrika. *Jn Natal hat Oberst Mackenzie bei Nkhandla einen Zusammenstoß mit den Auf ständischen gehabt. 60 Aufständische und 4 Soldaten find gefallen, 7 Soldaten wurden verwundet. Der Feind hat sich in wilder Flucht ins Innere gewandt. Aste«. «Die Öffnung der Mandschurei hat nunmehr begonnen. Die Öffnung Mukdens für den internationalen Handel hat in feierlicher Weise stattgesunden. Die Behörden in Tokio entwerfen bereits Verordnungen für den Hafen in Dalny. Nach Beendigung derselben wird der Hafen ebenfalls amtlich als frei erklärt werden. "Die chinesische Regierung er klärte, nachdem alle Mächte fich an Englands Einspruch beteiligt haben, daß fie keine Ver änderung des geltenden Zollverwaltung S- system 8 plane, solange aus den Zöllen noch irgendwelche Verbindlichkeiten zu bezahlen find. *Die Unruhen in der chinesischen Provinz Kiangsi wegen der hohen Nahrungsmittelpreise find unterdrückt worden. Hierbei wurden zehn Aufrührer ge tötet. Ausländer wurden nicht in Mitleiden schaft gezogen. *Der Schah von Persien hat nach Meldungen aus Teheran einen erneuten Gicht- an fall erlitten und muß infolgedessen daS Zimmer hüten. Von und fern. Der erste weibliche Apotheker Deutsch land-. Frau Magdalena Neff, geb. Meub, in Karlsruhe hat an der dortigen Hochschule das pharmazeutische Staatsexamen mit der Note 1 (sehr gut) bestanden. Die junge Dame, die sich im Laufe des dritten Semesters mit dem Apotheker Neff in Langenbrücken verheiratete, erhielt nunmehr als erste Frau in Deutschland die pharmazeutische Approbation; fie ist dem nach zur selbständigen Führung einer Apotheke berechtigt. Gin alldeutsches Kü«stlerfest. Ein all- gemeines deutsches Künstlerfest in Hamburg wird vom Hamburger Kknstlervercin anläßlich seines 75 jährigen Bestehens im Jahre 1907 vorbereitet, und zwar soll dazu die gesamte deutsche Künstlerschast eingeladen werden. Schon jetzt hat fich ein Ausschuß gebildet, um die Vorarbeiten in die Hand zu nehmen. Eine Ausstellung der Werke aller einstigen und aller jetzigen Mitglieder soll veranstaltet werden. Verhafteter Betrüger. Der von der Hamburger Polizei seit dem 6. November v. wegen Unterschlagungen verfolgte Kaufmann Paul Moritz Dillemann auS Reinfelden ist in Neapel in einem Hotel verhaftet worden. Er hatte dort mit einer Spanierin Patricia Gomez unter dem Namen Pierre May auS Frankreich Wohnung genommen. Es wurde ein Guthaben Dillemanns von 18 000 Lira beim Credito Jtaliano beschlagnahmt. Dillemann hatte Hamburger Firmen um 200 000 Mk. geschädiqt und seine Betrugsmanöver mit großem Glück auch in Barcelona fortgesetzt, bis er im Mai nach Neapel ging. I« eine« Steinbruch gerate«. Vier junge Leute auS Bonn, die eine Pfingsttour nach dem Olberg bei Königswinter machten, gerieten in einen der zahlreichen Steinbrüche des Siebengebirges. Der vorderste stürzte plötzlich eine steile Steinwand herab, vermochte jedoch während des Falles seine Kameraden zu warnen. Die Leiche wurde zerschmettert auf gefunden. Zu wüste« AitSschreitu*gr« kam es in dem tm Aachener Walde gelegenen VergnügungS- lokal Luftkurort Ronheide. Sie waren veranlaßt durch eine Anzahl angetrunkener Burschen, die zahlreiche Gäste jenes Luftkurortes mit Stühlen, Fußbänken, Biergläsern, Flaschen usw. bewarfen. Viele Personen wurden teils schwer, teils leicht verletzt. Die auS Aachen telegraphisch herbei gerufene Polizei verhaftete mehrere der Ruhe störer. Aus Ärger gelötet. Während eines häuslichen Zwistes griff eine in Köln wohnende junge Frau zur Lysolflasche und leerte fie, bevor der bestürzte Ehemann eS verhindern konnte. Der Tod trat alsbald ein. Verunglückte» Automobil. Auf der Chaussee Brechten - Lünen überschlug fich ein Automobil, in dem fich sechs Personen be fanden. Der Chauffeur und zwei Insassen wurden schwer verletzt. Das GlaSverdeck und die Hinterräder des Automobils wurden zer trümmert. Boi einer Segelfahrt ertrnnken. Beim Kentern eines mit elf Insassen besetzten Segel bootes auf dem Pregel bei Königsberg - find zwei Personen ertrunken. Gme« Mordversuch an seiner Haus wirtin verübte in Freiburg i. B. ein auS Wien stammender Vergolder. Der Mörder wohnte seit ungefähr einem Jahre bei einer Händlerin in Miete. Zwischen beiden bestand seit längerer Zeit ein Liebesverhältnis, das zur Ehe führen sollte. Die Frau wurde aber nach und nach ihres Liebhabers überdrüssig und löste das Verhältnis. Aus Eifersucht überfiel der ver schmähte Liebhaber die Ahnungslose und ver setzte ihr mit einem Beil mehrere Schläge auf den Kopf. Der Frau wurde die Schädeldecke zertrümmert. Sie wurde nach Entdeckung des Verbrechens in die chirurgische Klinik verbracht, wo fie hoffnungslos daniederliegt. Der ver schmähte Liebhaber erhängte fich nach Begehung der schrecklichen Tat an einem Küchenbalkon. Grohfeuer. In Doren (Tirol) an der Arlbergdahn find durch Unvorsichtigkeit von Kindern 28 Wohnhäuser niedergebrannt und 32 Parteien obdachlos geworden Das laufende Feuilleton wird durch folgende Erzählung unterbrochen: Onkel fritL. 1) Aus dem Leben von Paul Bliß.*) Er hieß Fritz Hegebusch und war Rentier. Im ganzen Stadtviertel kannte man ihn. Ein langer hagerer Mann, der trotz seiner 68 Jahre niemals langsam ging. Er trug einen langschoßigen verblichenen braunen Rock mit ganz unglaublich großen Hornknöpfen und einen Zylinderhut, wie man fie nur noch bei den Paraden der Kriegervereme fieht. Sein Gesicht war bartlos und mit tausend Falten und Fältchen übersät, wenn aber die blauen Augen lächelten, dann war es wie das Gesicht eine» gutmütig reinen Kindes, daS fich noch naiv seines Daseins freut. Besonders die Kleinen liebten ihn. Denn fast immer hatte er in der rechten Rocktasche allerhand kleine Näschereien, und wenn so ein Dreikäsehoch fröhlich herangesprungen kam und mit pfiffigem Gesicht rief: „Guten Morgen, Onkel Fritz!* dann streckte er nie umsonst verlangend das Händchen aus, denn der gute Onkel legte immer eine süße Gabe hinein. Weniger gern hatten ihn die Großen; ihnen gegenüber war er zurückyaltend, fast scheu, denn ihre rnsdiskrrten, neugierig fragenden Blicke waren ihm zuwider, ja, fie beleidigten ihn fast, uud deshalb auch hatte er. fich eine so schnelle Gangart angewöhnt, um nur ja recht *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. bald all diesen Neugierigen aus dem Wege zu kommen. Natürlich sagte man ihm bald alles mögliche nach. Die einen nannten ihn stolz und eitel, den andern war er ein mißtrauischer, geiziger Filz, und noch andre flüsterten gar etwas von bösem Gewissen und dergleichen. Armer Onkel Fritz, wie unrecht tat man ihm. Er war ein harmloser, stiller Junggeselle, der von niemand etwas wissen wollte und nur den einen Wunsch hatte, seine letzten paar Jahre in Frieden zu leben. Einst freilich schaute er anders drein. Dreißig Jahre früher war er ein stolzer und be- gehrenswerter Mann gewesen. Damals, auf der Höhe seiner besten Kraft, hatte er als reicher Mann vertrauensvoll in die Zukunft geblickt, — zu vertrauensvoll! Denn er hielt alle Menschen für so gut und brav, wie er selber war, und nur allzubald mußte er seinen Irrtum einsehen, — leider zu spät, denn als er hell sehend wurde, war er ein betrogener und ein armer Mann. Und nun zog er fich enttäuscht und vergrämt zurück, floh daS Leben und die Menschen und rettete sich in die Einsamkeit. Nur eine ganz, ganz kleine Rente war ihm ge- b ieben, zu vi l zum Verhungern und zum Leben doch viel zu wenig. Aber er schränkte fich ein, er lebte wie ein Klausner, so daß er mit dem wenigen auskam; und nur im all räußersten Notfall erbat er den Beistand seiner reichen Schwester, die sonst von ihm, dem Herunter gekommenen, nichts wissen wollte. Eine Freude, einen Sonnenschein nur gab es sür ihn, — die Kleinen! Mit den Kindern fühlte er fich selber wieder Kind, bei ihnen ver gaß er die Falschheit und Hinterlist der Großen, mit ihnen war er nicht zurückhaltend und still, mit ihnen konnte er lachen und scherzen und fich selber wieder jung fühlen. Und besonders den Kindern armer Leute war er ein heimlicher Freund, — jenen be- daueniswerten Geschöpfen, die ohne sonnige Freude und ohne viel Liebe groß wurden, in deren Herzen der Haß und der Neid gegen die Reichen nur allzu leicht Wurzel faßte, — ihnen wollte er die trübe Jugend verschönen, so gut es seine allzu kargen Mittel nur erlaubten. Und so manches Mal schon hatte er den heim lichen Freund und Wohltäter gespielt, ohne daß jemand etwa? davon erfuhr. Auf demselben Flur mit ihm wohnte der Rohrleger Walbera. Der hatte eine blasse, kranke Frau, die fast immer mißgestimmt und mürrisch war. Aber er hatte auch ein Kind, einen strammen, blonden, pausbackigen Jungen, dessen Lachen so hell und rein wie edles Metall klang. HanS hieß der kleine Kerl, und er war Onkel FritzenS bester Freund. Täglich saß er eine Stunde und länger in dem gemütlichen Stübchen des alten Mannes, ließ stch Hefen bei den Schularbeiten, oder ließ sich die schönsten Märchen erzählen, oder er trieb allerhand Allotria, wobei der alte Knabe gesuidig still hielt. So waren fie die besten Freunde geworden, und wenn Hänschen irgend ein Geheimnis oder irgend einen Kummer, oder auch irgend einen Wunsch hatte, dann lies ec viel eher zum Onkel Fritz, als daß er den Eltern beichtete. . So kam er eines Tages mit ganz M' strahlenden, glänzenden Augen zu dem Alte» hereingestürmt. , Der war ganz erstaunt. — „Hänschen, Jung- was ist dir denn passiert?* „Ach, Onkel Fritz, da drüben im Sh-»' enster bei dem Konditor Zweig, da steht etwa» ;anz Wunderbares, wie ich eS noch me g° sehen habe!' „So und was ist eS denn?* „ „DaS ganze Rotkäppchen ist eS! Ganz ge nau so, wie du eS mir erzählt hast! Der M> und der Jäger und das Rotkäppchen au«' Und Mes auS Marzipan!* — Ganz strahlen und entzückt schauten die zwei Hellen Kmvei äugen den alten Mann an. Bis in die Seele schauten fie ihm. . . Und mit gutherzigem Lächeln fragte v' Alte: „Na und daS möchtest du natülN°> haben, wie?* Da kam der kleine Schmeichler ganz di« heran, umfaßte den Onkel innig und nickte paarmal mit stillem, sonnigen Lächeln. . Gar nichts erwiderte der Alte, aber er M den Buben an fich und streichelte zärtlich Haar. Und da wußte Hänschen ganz genau, o-w ihm sein Wunsch erfüllt werden würde. Jubelnd stürmte er davon. „ . Bald nachher ging Onkel Fritz hinüber i dem Konditor Zweig. Aber so schnell er hwe ging, so schnell kam er auch wieder Hera Das Märchen sollte fünf Mark kosten.