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Ein großes Feuer brach in dem Dorfe Ferdinandshof bei Pasewalk aus, das sich mit großer Schnelligkeit verbreitete, so daß bereits nach zwei Stunden 25 Wohnhäuser und 30 bis 40 Nebengebäude niedergebrannt waren. Eine Nabenmutter wurde in Köln in der Person einer Stundenarbeiterin verhaftet. Sie hatte ihr drei Monate altes Kind eingeschlossen uud ohne Nahrung liegen lassen, bis es ver hungert war. Verhaftete Falschmünzer. Die Polizei behörde in Hamburg verhaftete eine aus drei Personen bestehende Falschmünzerbande, die be sonders Einmarkstücke und Zweimarkstücke fälschte. Zahlreiche falsche Geldstücke wurden be schlagnahmt. Aus Eifersucht! In Altona drang der Strumpfwirker Rudolf Scholl in der Ludwig- stratze, nachdem er wiederholt abgewiesen war, gewaltsam in die Wohnung seiner Braut, der geschiedenen Ehefrau Urion, die ihr Verlöbnis mit ihm gelöst hatte, ein, indem er die Zimmer tür erbrach. Er feuerte dann fünf Schüsse auf die Fran ab, von denen drei in den Hinterkopf und in die Brust drangen. Die Frau ist lebens gefährlich verletzt. Scholl machte den Versuch, sich selbst zu erschießen, wurde aber festgenommen und ins Gefängnis gebracht. Durch eine Explosion von Kanoncn- schlägen, mit denen Jäger unvorsichtig um gingen, wurden in Lübeck zwei Jäger schwer, mehrere leichter verwundet. Sturz vom Pferde. Oberst Rost vom 22. Infanterie-Regiment in Gleiwitz hat sich auf dem Exerzierplatz bei einem Sturz vom Pferde eine Schulter gebrochen. Wiederauffinden von gestohlenem däni schen Porzellan. In Budapest entdeckte die Polizei bei einem Händler acht Stücke des wert vollen, der dänischen Königsfamilie gehörigen Porzellanservices, daS vor zwei Jahren aus dem Schlosse Rosenborg gestohlen wurde. Der Händler gibt an, er habe die Stücke bei einem Händler in Berlin für 1000 Mk. gekauft. eb Mit dem Ballon zum Pol. Der lenkbare Luftballon „Amerika", in dem Wellman und seine Gesellschaft einen neuen Vorstoß zum Nordpol wagen wollen, ist jetzt fertig und wird am Donnerstag von Paris nach dem Norden Norwegens abgehen. Das Luftschiff wurde soeben in der Fabrik von Godard in.St. Ouen von einer großen Zahl von Luftschiffern und Gelehrten, darunter dem Fürsten von Monaco, besichtigt. Der Fürst von Monaco teilte Well man mit, daß er im nächsten Monat auf seiner Jacht nach Spitzbergen fahren würde und sich glücklich schätzen würde, wenn er dem Luftschiffer irgendwie von Nutzen sein könne. Ein wahnfinniger Straßenbahnführer rief kürzlich in Paris allgemeinen Schrecken her vor. Der Mann hatte am Morgen seinen Dienst angetreten, und er tat seine Pflicht wie immer. Bis gegen Mittag führte er seinen Wagen in durchaus normaler Weise. Plötzlich 'toppte er. Die Reisenden, die sich nach dem Grunde des Aufenthaltes umsahen, hemerkten nun, wie der Führer in sinnloser Weise mit den Armen «m sich schlug. Der Schaffner ging nach vorn und fragte den Führer, was denn los sei. „Ich iühle, daß ich verrückt werde; eine Bestie schnappt nach meinen Beinen — Hilfe — Hilfe!" Nun sing er an zu tanzen. Er wurde ergriffen und mit Gewalt in einen Fiaker gepackt. Unter den Insassen des Wagens herrschte eine begreifliche Aufregung. Zwei Damen fielen in Ohnmacht. 1k Ein Dauer-Walzertänzer. Ein ge- wisser Corsini Guatiero hat sämtliche Tänzer von Paris eingeladen, mit ihm in einem be kannten öffentlichen Ballsaal um den Ruhm zu ringen, wer am längsten Walzer tanzen könne. Unter den vielen, die sich meldeten, befanden sich ichließlich nenn ernst zu nehmende Mitbewerber. Einer von diesen walzte ununterbrochen zwei Stunden; mehrere andre hielten es länger als drei Stunden aus; ein Mädchen von elf Jahren beteiligte sich vier ganze Stunden lang an dem tollen Drehen und Wirbeln. Einige hielten es so gar sechs Stunden aus, bis sie atemlos hin- 'anken, und die dauerhaftesten brachten es bis ans neun Stunden. Der gefährlichste Gegner Cor sinis drehte sich elf Stunden ununterbrochen im Walzertakt, aber alle übertanzte der kühne Heraus forderer selbst, und als der letzte seiner Mit bewerber halb ohnmächtig den Schauplatz ver ließ, tanzte er triumphierend fort. So hielt er es noch zwei Stunden aus und verlor erst den Atem, als er ohne Rast dreizehn Stunden Walzer getanzt hatte. An der Schlafkrankheit gestorben ist der Leutnant Forbes Manson im Königin Alexandra-Militär-Lazarett zu Millbank (Eng land). Er hatte sich die Krankeit in Uganda als Mitglied der englischen Kommission zur Untersuchung der Schlafkrankheit bei der Leichen öffnung eines mit Schlafkrankheitsgift an gesteckten Affen zugezogen. Die ersten Merkmale einem gewissen Hareis aus Jshaka. Dieser wechselt bei jeder Witterungsveränderung seine Farbe. Sein Gesicht geht von kalkgrau durch hellblau und violett in ein tiefes Purpur, so daß mancher, der ihn nicht kennt, ihn für einen Neger hält, obgleich er von weißen Eltern stammt. Er wurde in Corry (Pennsylvanien) geboren und ist nun 71 Jahre alt. ob. Ein eigenartiger Unfall. In Morris- town (Amerika) starb John Condren, ein junger Mann, der das Opfer eines eigenartigen Unfalls geworden ist. Als er kürzlich seine Braut be sucht und Abschied genommen hatte, stolperte das junge Mädchen, das, nebenbei bemerkt, über 200 Pfund schwer ist, und fiel auf den sehr leichten und schwächlichen Condren. Der junge Der frieäenspalast im k)aag. Das Preisgericht zur Beurteilung der Pläne für den Friedenspalast im Haag, welchem je ein Deut scher, Franzose, Österreicher, Amerikaner uud Nieder länder angehört, hat dem Architekten L. N. Cor- donnier in Lille den ersten Preis (12 000 Gulden) zuerkannt. Der Entwurf Cordonniers ist im Stile der nordfranzösischen Schlösser gehalten. Auch der zweite Preis fiel nach Frankreich, während der dritte nach Deutschland und der vierte nach Österreich kam. Nach Holland fiel kein Preis. Es ist noch keines wegs sicher, ob einer der mit einem Preis bedachten Entwürfe zur Ausführung kommt. Die Kommission der Carnegie-Stiftung hängt nicht von dem Preis gerichte ab und kann sich ganz nach ihrem Belieben entschließen. Das Gebäude soll am Scheveninger Weg im Haag errichtet werden. zeigten sich vor drei Monaten. Sein Fall wurde für hoffnungslos erklärt. Die Krankheit nahm bei ihm einen außergewöhnlich schnellen Verlauf. Infolge eines starken Wolkenbruches fand bei Oravicza (Ungarn) ein Bergrutsch statt. Das Wasser der Bäche trat aus und überflutete die Stadt. Zwei .Kinder find ertrunken. In Kellerräumen wurde viel Ware vernichtet. Zwei Häuser sind eingestürzt. Wie in Warschau Hinrichtungen voll zogen werden. Auf dem Hinrichtungsplatz erhebt sich ein schwarzgestrichener Galgen, zu dem eine schwarze Treppe hinaufführt. Einen „etatsmäßigen" Henker hat man in Warschau nicht auftreiben können. Doch sollen sich frei willige Henker von Fall zu Fall in großer An zahl melden. Sie erhalten 50 Rubel für ihre jedesmalige Arbeit. Ihre Namen werden natür lich streng geheim gehalten, da ja ihr Leben nach vollbrachter Hinrichtung auf dem Spiele steht. Ihre Schütte unternehmen die Henker mit größter Heimlichkeir. Sie erscheinen auf dem s Nichtplatz maskiert und tragen mich Masken, wenn sie der Festungsobrigkeit ihre Dienste anbieten kommen. Da die Henker sich in großer Zahl melden, so finden sie in bestimmter Reihen folge Anstellung. eb Ein menschliches Chamäleon. Tie medizinischen Autoritäten der amerikanischen s Universität Cornell beschäftigen sich zurzeit unt' Mann wurde mit gebrochenem Genick besinnungs los aufgehoben, doch hofften die Arzte, ihn am Leben zu erhalten. Es stellte sich aber heraus, daß das Rückgrat schwer verletzt war, so daß der Unglückliche starb. ob. Der Kampf um die Frauenrechte. Mele angesehene Gesellschaften in Chicago haben die weiblichen Angestellten boykottiert und wollen Frauen in Zukunft nicht mehr beschäftigen. Mß Margaret Haley, eine bekannte Lehrerin und Frauenrechtlerin, will nun einen Bund zum Schutz der Frauenrechte, besonders da auch die Post jetzt die Frauen aus schließt. Die Postbehörden sagen, daß viele Gründe gegen die Beschäftigung der Frauen sprechen, vor allem seien sie im Postdienst nicht eifrig genug, sie könnten schwerere Arbeiten überhaupt nicht ver richten, seien zu empfindlich bei dem geringsten Tadel und besonders ungeeignet für späte und Nacht arbeit. Gerrcbtsdalie. ߧ Düsseldorf. R. und Gen. waren wegen Zu widerhandlung gegen das Vereinsgesetz in Strafe genommen worden, weil sie es unterlassen hatten, das Vsreinsstatut und das Mitgliederverzeichnis ihres Turnvereins einzureichen. Das Landgericht sprach aber die Angeklagten frei, da nur die Vor steher von Vereinen, welche eins Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezwecken, verpflichtet seien, Statuten und Mtgliedcrverzeichnis einzu reichen. Der beregte Verein falle aber nicht unter das Vereinsgesetz und bezwecke nicht auf öffentliche Angelegenheiten einzuwirken. > Der Verein bezwecke das volkstümliche Turnen zu pflegen. Mögen auch einige Vereinsmitglieder politisch tätig sein, der Verein als solcher entfalte aber keine poli tische Tätigkeit; der Verein nehme Turnübungen vor, wirke auch nicht nachweislich auf öffentliche Ange legenheiten ein; auch in der Vereins-Zeitung seien keine Artikel mit irgendwelchem politischen Inhalt enthalten. Die Revision der Staats anwaltschaft wurde vom Kammergericht als unbe gründet zurückgewiesen, da die Vorentscheidung ohne Rechtsirrtum ergangen sei; befinden sich auch unter den Vereinsmitgliedern einige Personen, die außer halb des Vereins politisch tätig seien, so werde der Verein noch nicht zu einem Verein, der unter das Vereinsgesetz falle. Kaiserslautern. Bei dem vor einigen Wochen ausgebrochenen Streik der Rollfuhrleute wurde einem Fuhrwerksbesitzer nächtlicherweile eine Kutsche durch Zerreißen des Lederbezugs erheblich beschädigt. Die Annahme, daß Streikende die Täter seien, bestätigt sich nicht, vielmehr wurde als Täter ein in Privat diensten stehender Kutscher ermittelt. Die Straf kammer verurteilte ihn zu 1'/« Jahr Gefängnis. Straßburg. Sämtliche Mitglieder des Ge meinderats von Dieuze hatten sich dem .Elsässer' zufolge vor dem Schöffengericht in Saarburg unter der Anklage zu verantworten, den früheren Bürger meister von Dieuze, Bour, durch einen Gemeinde ratsbeschluß beleidigt zu haben. Gleichzeitig war der Redakteur Morin der .Saarburger Zeitung', der einen Bericht über die fragliche Sitzung gebracht hatte, wegen Beleidigung angeklagt. Das Schöffen gericht sprach sämtliche 16 Angeklagte frei. Kuntes Allerlei. 4c Prinz Louis Ferdinand von Preußen als Musiker. Prinz Louis Ferdinand von Preußen war mit großem Talente zur Diusik begabt und übte mit Feuereifer diese Kunst, der er sich besonders in den letzten sechs Jahren seines Lebens mit ganzem Eifer hingab. Spohr erzählt in seiner Sclbstbiographie, daß er, als der Prinz im Jahre 1805 bei der großen Truppenschau in Magdeburg war, dorthin geladen war und bei dem Prinzen wohnte. Er fährt nun wörtlich fort: „Ich führte nun ein sonderbares, wild bewegtes Leben, das aber meinem jugendlichen Geschmack für kurze Zett ganz güt zusagte. Oft schon des Morgens um sechs Uhr wurde ich, wie auch Ruffeck, aus dem Bette gejagt und in Schlafrock und Pantoffeln zum Prinzen in den Empfangssaal beschicken, wo dieser bei der damals herrschenden großen Hitze in noch leichterem Kostüm, gewöhnlich nur mit Hemd und Unterhose bekleidet, bereits vor dem Pianoforte saß. Nun begann das Einüben und Probieren der Musik, die für den Abendzirkel bestimmt war, und dauerte bei des Prinzen Eifer oft so lange, daß sich- unterdessen der Saal mit besternten und orden behängten Offizieren angefüllt hatte. Der Anzug der Btnstziercnden kontrastierte dann sonderbar genug mit den glänzenden Uniformen der Versammelten. Doch das genierte den Prinzen nicht im geringsten, und er hörte nicht früher auf, als bis alles zu seiner Zufriedenheit eingeübt war. Nun wurde eilig Toilette gemacht, ein Frühstück eingenommen und dann zum Manöver hinausgezogen. * * * Schlecht herausgcredet. Richter: „Das ist ja ein infamer Bestechungsversuch; der Zeuge kriegt von Ihnen ein Kistchen Zigarren zu- geschickt, oben drauf ein Hundertmarkschein, und als er es Ihnen zurückgibt, senden Sie es zum zweitenmal hin!" — Angeklagter (kleinlaut): „Ich dachte, er hätte es vielleicht an der ver kehrten Seite aufgemacht!" (M-gg.) Gut gegeben. Protz (am Stammtisch): „Wer nicht mindestens eine Million hat, ist in meinen Augen ein Lump." — Journalist: „Wie verschieden doch die Ansichten sind, in meinen Augen fängt er da meistens erst an." s,Dorfb.-> Bedenkliche Einschränkung. „Na, lieber Freund, ist deine Ehe ein fortgesetzter Hochzeits morgen geworden, wie du einst träumtest?" — „Na, eigentlich mehr fortgesetzter Polterabend!" l.Mrqg.» Stoßseufzer. „Ich lebte so behaglich, und nun muß mir diese fatale Familiengeschichte da zwischen kommen!" — „Was denn für eine fatale Familiengeschichte?" — „Na, meine Hochzeit!" yLust. B/ Im Gerichtssaal. Verteidiger: „Meine Herren Geschworenen, geben Sie den Ange klagten seinen sieben unerzogenen Kindern zurück!" (Leise zum Zuschauerraum): „Heult mal, Jungens!" (Mg. Bl«ner y ... —„„..M worden sein daß es einzig und allein Benjamin Plügge Frau Kalwoda noch um kein Titelchen abge- schwücht worden." . »Ja, wem schenken die Gerichte denn über haupt noch Glauben?" Der Landrichter zuckte die Achsel. „Ich habe nur daS Für und Wider zu untersuchen, das Arcklagematerial zu fichten, das Urteil über Schuld oder Nichtschuld steht den Volks- Achtern zu." „Barmherziger Himmel! So wird bie Un- Swckliche nach wie vor in der Untersuchungs- Mt festgehalten werden, bH zum Tage der Verhandlung?" Stumm und ernst bejahte Haushofer. „Aber wenn ich Kaution für sie stelle, das Gericht kann fordern, so viel es will, es kommt Air nicht darauf an, sogar ein ganzes Ver flögen festzulegen, um mich für die Sicherheit «er Unglücklichen zu verbürgen?" „Frau Kuiwoba ist selbst sehr reich geworden. Wahrere Millionen find ihr aus dem Erbe chres Gatten zugefallen. Aber selbst diese ge- «attigen Kapitalien find dem Staatsanwalt "och leine Bürgschaft." . „Herr Landrichter", sagte der Genueser nun w bittendem, fast flehendem Tone, „aber Sie Mr müssen doch aus meiner Darstellung die fwcrzeugung gewonnen haben, daß das Ver- °repcn von ihr nicht begangen worden sein rann, daß es einzig und allein Benjamin Plügge iuzuschrechen ist." ... -24 habe nur die Überzeugung gewonnen, «'lsiwr Bonziani, daß Sie selbst in tiefster dit! Schuldlosigkeit der Angeklagten u^uden. Plügge und Struck find für das Ge richt, solange ste nur aus der Ferne mit Briefen agieren, keine klassischen Zeugen." Der Italiener mußte endlich an den Aufbruch denken; er sah ein, daß er hier nichts mehr auszurichten vermochte. „Und ich kann nichts, nichts tun bis zum Tage der Verhandlung, um meinen Freunden zu nützen?" fragte er ganz verzweifelt beim Abschied. „Sorgen Sie dafür, sofern es in Ihrer Macht liegt, daß die beiden einzigen Zeugen, die eine Entlastung Ihres Schützlings bewerk stelligen könnten, hier vor Gericht erscheinen. Vermag es Benjamin Plügge überzeugend hin zustellen, daß er die Tat vollbracht hat, besitzt er den Mut, auch hier noch, angesichts des Tribunals, von dem er dann gerichtet werden müßte, die Behauptung von seiner Schuld auf recht zu erhalten, nun, dann wird sich kein Richter mehr finden, der Frau Kalwoda aburteilen könnte," Bonziani ging gebeugt von dannen. Dis harten Worte des Richters hatten gar rauh seine Jllufionen zerstört. Er wußte nun selbst nicht mehr, auf wessen Seite das Recht war. Das einzige, wodurch Haushofer dem Genueser hatte entgegenkommen wollen, war die Erlaubnis, Stephanie im Untersuchungsge fängnis aufzusuchen. Bonziani machte aber keinen Gebrauch davon. Er wollte die unglück liche Frau, die so viel Erschütterungen hatte durckmachen müssen, nicht von neuem aufregen. Das erste, was er ihr Gutes anzutun gesonnen war, bestand vielmehr in seiner dringlichen Bitte an Haushofer, der Armen wenigstens die Lektüre der an fie von Arnold Struck ein getroffenen Briefe zu gestatten. Aus diesen konnte fie vielleicht die Kraft zu neuem Hoffen schöpfen. Vielleicht rettete eS fie vor d?r Ver zweiflung, in die fie daS Wirrsal ihrer schwan kenden Gedanken und Gefühle schließlich treiben mußte. Aber Bonziani harrte noch tagelang ms einen endgültigen Bescheid. Immer neue Zweifel und Befürchtungen, daß durch diese Briefe vielleicht irgend eine Verschleierung angezettelt werden und der Angeklagten neues ungesetz liches Material zu ihrer Entlastung gegeben werden sollte, tauchten auf. Haushofer hatte ste gründlich durchstubiert, ohne irgend etwas Verdächtiges darin zu finden, und gab endlich einen günstigen Bescheid. Wenn fie nicht bona Läs geschrieben waren, so mußten diese Briefe ein Meisterwerk der Verstellungskunst genannt werden. Arnold schien, als er diese Schreiben verfaßte, noch nichts von der Ver haftung Stephanies zu wissen, er vermutete fie in Nervi oder bei seinen Freunden in Pegli. über Benjamin selbst sprach er nur einmal in dem letzten nach Genua gelangten Briefe; er kämpfte die in ihm zitternde Wut über die Tat Benjamins, an der es für ihn nun keinen Zweifel mehr gab, wenn fie ihm auch ganz unerklärlich geblieben war, mit merkbarer Selbstüberwindung nieder. Stephanie ahnte nicht, daß Bonziani in zwischen auch in andrer Weise sür fie tätig war. Trotzdem die, Untersuchung, die von Haus hofer mit seltenem Fleiß geführt worden war, in manche unklare Stelle noch immer kein Licht gebracht hatte, und trotzdem der Be- lafiung der Angeklagten auch mancherlei ent lastende Momente entgegenstanden, ward von der Staatsanwaltschaft, die das umfangreiche Aktenmatrrial auS den Händen des Unter suchungsrichters entgegengenommen hatte, in aller Form die Anklage wegen Mordes erhoben. Die Anklage vertrat der Staatsanwalt Dr. jur. Brehme. Sobald Bonziani davon erfuhr, wandte er sich an einen der angesehensten Rechtsanwälte der-Stadt, um ihn für die Verteidigung der jungen Frau zu gewinnen. Rechtsanwalt Hermann Georgi war alS vorzüglicher Redner bekannt. In einem Falle, in dem fast alles auf den persönlichen Ein druck ankam, den die Angeklagte und die Ent lastungszeugen auf die Geschworenen aus übten, hatte die Unterstützung durch das warme, überzeugende Eintreten eines so all seitig geschätzten Mannes wie Georgi viel zu bedeuten. Dem Italiener war daher kein Opfer zu groß, um das Jntereffe des Rechtsanwatts vollständig auf die verwickelte Angelegenheit zu konzentrieren. Georgi wurde von ihm so gut gestellt, daß er für die Dauer der Vorbe reitung des Prozesses auf die Annahme aller wetteren Mandate verzichten konnte. Er sollte seine ganze Kraft dem wichtigen und schwierigen Werk widmen, um Stephanies Erlösung herbei- zuführen. «23 (Fortsetzung folgte