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Ottendorfer Zeitung : 27.06.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190606271
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060627
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060627
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-06
- Tag 1906-06-27
-
Monat
1906-06
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 27.06.1906
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Poiitilcke Aunälckau. Deutschland. * Bei der Wettfahrt der größten Jachten aus der Kieler Föhrde passierte der Kaiser aus seiner Jacht „Meteor" als erster das Ziel. * Prinz Heinrich von Preußen ist au Bord des Kriegsschiffes „Prinz Adalbert" in Drontheim zur Teilnahme an den norwegischen Krönungsseierlichkeiten eingetrofsen. *Der Reichskanzler hat über die in Südwest - Afrika vorgekommenen Ge horsamsverweigerungen der Truppen schleunige Erhebungen und wegen der Ver öffentlichung geheimer Berichte desKolonial- amts eine Disziplinaruntersuchung gegen die jenigen Beamten angeordnet, die die Veröffent lichung durch Fahrlässigkeit oder absichtlich ver schuldet haben sollen. Mit der Feststellung der in der Kolonial-Abteilung vorgekommenen Un regelmäßigkeiten ist zunächst die Staats anwaltschaft beauftragt worden. Wenn nötig, soll eine Erneuerung des Veamten- körpers dieser Abteilung durchgeführt werden. Die Meldung von so außerordentlichen Maß nahmen kommt um so überraschender, als es noch vor wenigen Tagen hieß, alle in der Presse erschienenen Berichte über Unregelmäßigkeiten in der Kolonialabtestung sowie die Nachrichten von Meutereien der deutschen Truppen in Süd- westasrika entbehrten jedes tatsächlichen Hinter grundes. * Der Bundesrat überwies die Vorlage über ein Abkommen mit den Niederlanden vom 18. Mai d. bezüglich des Verkehrs mü Brannt wein an der deutsch-niederländischen Grenze und den Entwurf einer Bestimmung wegen Abände rung der Ziffer II der Bekanntmachung vom 27. Mai 1902, betr. die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Walz- und Hammerwerken, den zuständigen Ausschüssen. *Der württembergische Kultus minister v. Weizsäcker ist bis auf weiteres mit der stellvertredmgsweisen Leitung des Ministeriums des Äußern beauftragt worden. * Der braunschweigische Landtag genehmigte die Lotterievereinbarung mit Preußen. Die braunschweigische Lotterie hört 1909 auf. * Im Betriebe der L-mdungsbrücke und der Mstenbahn in Togo ergaben sich zwischen den Vertretern der in Togo befindlichen kaufmänni schen Firmen und den Angestellten der den Betrieb führenden Firma Lenz u. Komp. Meinungsverschiedenheiten. Zu deren Beseiti gung fand in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes eine Konferenz statt, an der die zuständigen Referenten der .Kolonialabteilung, der Gouverneur von Togo, die Chefs der in Togo ansässigen Firmen und der Inhaber der Firma Lenz teilnahmen. Die vorhandenen Meinungsverschiedenheiten wurden zur allseitigen Zufriedenheit beigelegt. "Bei der Reichstagsersatzwahl im Wahlkreise Hannover-Linden wurde der sozialdemokratische Kandidat Brey mit starker Mehrheit gewählt. Österreich-Ungarn. * Kaiser Franz Ioseph ist, von der Bevölkerung mit Jubel begrüßt, in Reichen berg in Böhmen eingetroffen. Dieser Besuch verdient besondere Beachtung und zwar einmal deswegen, well dies der erste Besuch des österreichischert Kaisers in Böhmen seit dreizehn Jahren überhaupt ist, dann aber auch darum, weil bei Gelegenheit dieses Monarchenbesuches in der ehedem rein deutschen Stadt etwas wie eine Annäherung zwischen Deutschtum und Tschechen sich vollzogen hat unter dem Drucke, der von Ungarn her ausgeübt wird. * Der ehemalige österreichische Mi nisterpräsident Körber, gegen den heftige und schwerwiegende Anklagen wegen an geblicher Unregelmäßigkeiten bei den Triester Hafenbanten erhoben wurden, richtete einen Bries an den Budgetausschuß, der mit den Worten schließt: „Der Gang der Ereignisse macht es mir nicht schwer, die volle Verant wortung für alles zu tragen, was ich in jenen Jahren getan oder unterlassen habe." * Der ungarische Ministerpräsident Wekerle soll sich geäußert haben, er sei entschlossen, das Zustandekommen eines dauerhaften Aus gleichs bis 1917 in jeder Art zu fördern. * In Wien ist das Gerücht verbreitet, daß die dreitägige Arbeitseinstellung für Wien unmittelbar bevorstehe, und daß nament lich alle Arbeiten für die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln eingestellt werden sollen. Da namentlich die Absperrung der Zu fuhr von Schlachtvieh besorgt wird, wurde eine Abteilung Kavallerie auf dem Wiener Viehmarkt aufgestellt. Frankreich. *Die Deputierteukammer hat mit 410 gegen 87 Stimmen eine Tagesordnung angenommen, in der das Haus sein Ver trauen zur Regierung ausspricht. * Die Dreyfus-Angelegenheit be zeichnete der Berichterstatter als eine Sache der Rechtspflege, die mit der Politik nichts mehr zu tun habe und der man daher ohne alle Rücksicht nähertreten kann. England. * Im Unterhause stellte ein Mitglied der Arbeiterpartei an den Staatssekretär des Aus wärtigen die Anfrage, ob seine Aufmerksamkeit auf die Judenmetzeleien in Bialystok, die die russische Regierung nicht verhindert habe, und auf die systematische Verfolgung unschuldiger Leute in Moskau und in andern Städten hingelenkt worden sei, und ob im Hinblick auf den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Serbien und die fortwährenden Vorstellungen bei der Türkei wegen viel weniger schlimmer Greueltaten er nicht die Zeit für gekommen erachte, daß England for mellen Protest gegen die Fortsetzung eines solchen Gebarens der russischen Regierung erheben und die diplomatischen Beziehungen zu Rußland abbrechen solle, bis mit solchen Gepflogenheiten gebrochen werde. Sir Edward Grey antwortete kurz ver neinend. Das liberale Kabinett beginnt wegen seiner merkwürdigen Stellungnahme in dieser Frage nachgerade Befremden im Parlament zu erregen. Schweiz. * Die dritte Kommissionssitzung zur Revision der Genfer Konvention behandelte die gesetz geberischen Maßnahmen zur Unterdrückung der wider rechtlichen Aneignung und des Mißbrauchs von Ab zeichen und Benennungen des Roten Kreuzes. Sie behandelte ferner die Frage der Bestrafung von Zuwiderhandlungen gegen die Genfer Konvention, das Verfahren zur Schlichtung von Streitigkeiten in bezug auf die Anwendung der Konvention und über die besten Mittel zur Verbreitung der Konventton. Schließlich stellte sie die Grundregeln für die Be handlung der Bewohner des Wegsschauplatzes fest, die Verwundeten Hilfe bringen oder Unterkunft ge währen. Ferner wurde eine einheitliche Regel betr. das Tragen der Binde am linkeu Arm ange nommen. Norwegen. *Die Krönung des Königs und der Königin hat am 22. d. vormittags in der Domkirche zu Drontheim stattgefunden. Das Königspaar wurde, als es nach der Feierlichkeit, die beinahe zwei Stunden dauerte, die Domkirche verließ, von einer nach Tausenden zählenden Menge mit ungeheurem Jubel begrüßt. "Die internationale Eisenbahn konferenz in Christ iania ist geschlossen worden. In der letzten Sitzung wurde über die Verlängerung der Gültigkeitsdauer von Rund- reifefahrscheinen und über die Maß nahmen verhandelt, die aus Anlaß der deutschen Fabrkax teuft euer getroffen werden müssen, wodurch den übrigen Ländern die Aufgabe erwächst, für Deutschland Steuern einzutreiben. Die nächste Konferenz findet im Januar 1907 in Brüssel statt. Spanien. "Es wird nunmehr amtlich bestätigt, daß das spanische Königspaar demnächst Schloß Laranja verläßt und sich nach der Insel Wight, an der Küste von England, begibt. Später reist es nach Schottland zur Teilnahme an den Jagden. Rußland. * Wieder ist eine Zeit schwerer Gehor samsverweigerungen im russischen Heere angebrochen. Gerade jetzt, wo die inneren Verhältnisse des Zarenreiches sich drohender als je zu gestalten beginnen, versagt in verschiedenen Garnisonen die militärische Disziplin. Ist es anscheinend auch bisher noch den Vorgesetzten gelungen, die Ordnung bald wiederherzustellen, so enthalten diese Vorgänge für die Negiemng doch eine überaus ernste Mahnung. In Rjäsan, Sebastopol und andern Garnisonstädten kam es zwischen Offizieren und Mannschaften zu blutigen Zusammenstößen, wobei mehrere Offiziere getötet und viele schwer ver letzt wurden. Es heißt nach einer Regierungs erklärung, die Ruhe sei wiederhergestellt, indessen kommen über London Nachrichten, die völlig entgegengesetzt lauten und die Zustände als äußerst beunruhigend schildern. *Der russische Minister des Innern Stolypin erklärte in der Duma, daß bisher während der Unruhen 288 Polizeibeamte getötet und 388 verwundet wurden. Amerika. * Präsident Roosevelt hat iu einem für die Öffentlichkeit besümmten Briefe an den Senat geschrieben, wie „ergriffen und entsetzt" er über die Vorgänge in Rußland sei. Da aber durch ein Dazwischentreten der Mächte schwerlich etwas andres als Unheil angerichtet werden könne, hat der Präsident zunächst keine weitere Zusage gegeben, als daß er sich mü dem Staats sekretär Root in Verbindung setzen werde. * Der Senat zu Washington hat mit 36 gegen 31 Stimmen die Erbauung des Panama-Kanals als Schleusenkanal be- *Der Sultan von Marokko hat das Protokoll der Konferenz von Algeciras unter zeichnet. Asien. *Der französische Gesandte unterzeichnete in Peking die Bedingungen des Übereinkommens wegen der jüngsten Niedermetzelungen von Missionaren in Nanking. Frankreich erhält eine Entschädigung von 200 000 Taels, das ist die Hälfte von dem, was es ursprünglich gefordert hatte. China erlangte die wesentliche Herabminderung der französischen Forderung unter dem Antrieb der heftig widersprechenden offiziellen chinesischen Presse. Oie jüngste I-Lnäwirtlckafts Ausstellung. Es ist schon häufig über das Thema ge schrieben und gesprochen worden, inwieweit Industrie und Landwirtschaft miteinander in Verbindung stehen, inwiefern sie einander beein flussen und in welchem Maße sie Anteil haben an dem allgemeinen Aufschwung unsrer Volks wirtschaft. Aber was man immer auch hört und ließt, das Bild von dem Zusammenwirken beider Volkswirtschaftszweige, sowie der Begriff von ihrer Wechselwirkung muß notgedrungen immer ein unvollkommener bleiben, weil zu schwer bei solchen theoretischen Betrachtungen alle politischen Gesichtspunkte ausgeschaltet werden können. Die vom 19. bis zum 24. d. in Schöneberg bei Berlin geöffnete zwanzigste Wanderaus stellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschast hat einmal wieder in der Praxis wichtige Finger zeige für die Prüfung des Verhältnisses zwischen Landwirtschaft uud Industrie gegeben. Wie es heißt, hatte sie zum erstenmal auch finanziell ein erfreuliches Ergebnis insofern, als sie ihre Kassen nicht ohne beträchtlichen Überschuß ab schloß. Es war ein glücklicher Gedanke, das Mld vom Wesen und Streben deutscher Land wirtschaft unmittelbar auf weltstädtischem Boden sich entrollen zu lassen, denn damit wurde erreicht, daß die Ausstellung nicht Mr dem Kenner und Berufsgenossen eine reiche Quelle der Belehrung und die Fundgrube für manche wertvolle Anregung ward, sondem auch daß der Nichtfachmann, insbesondere der industriell tätige und demgemäß beeinflußte Großstädter Gelegen heit fand, die Leistungsfähigkeit, die Stärke und den heißen und guten Willen zu tüchtigem Fortschritt in der Landwirtschaft durch ei genen Anblick kennen zu lernen. Die Wechselwirkung zwischen Industrie und Landwirtschaft trat dem Beschauer beim Eintritt in die gewalüge Maschinenhalle recht deutlich ins Bewußtsein. Unwillkürlich war man ge nötigt sich vorzustellen, wie die industrielle Arbeit nach und nach den landwirtschaftlichere Betrieb beeinflußt, und umgekehrt, wie Ms der Landwirtschaft und ihren mannigfachen uud immer gesteigerten Erfordernissen der Industrie - die wertvollsten Anregungen gegeben werden.^ Aber auch auf andern Gebieten zeigte dir Ausstellung, deren Anordnung trefflich besorgt war, M welcher überragenden Bedeittung gerade die Industrie als Käuferin und Konsument land wirtschaftlicher Erzeugnisse für die Entwickelung dieses Volkswirtschaftszweiges ist. OhneZweff« hat die zwanzigste Wanderausstellung mehr wie alle schriftlichen Arbeiten, mehr wie alle münd lichen Belehrungen gezeigt, wie eng begrenzt und tief die Interessengemeinschaft zwischen deutsch« Landwirtschaft und deutscher Industrie ist. Hoffentlich tragen die Eindrücke, die die Aus stellung hinterlassen hat, dazu bei, die Erkenntnis dieser Interessengemeinschaft in immer weitere- Kreise zu verbreiten. Das Losungswort der Zukunft muß werden: „Waffenbrüderschaft statt des Kampfes!" Dann werden sie miteinander Md füreinander blühen, wachsen und gedeihen trotz aller politischen Kämpfe, die uns die Zu kunft bringen mag. N v. Von unä fern. Die Revision des Raubmörders Hennig, der vom Schwurgericht in Potsdam wegen d« Ermordung des Kellners Giernoth zum Tode verurteilt worden war, ist vom Reichsgericht ver worfen worden. Die Waise ans Afrika. Mt dem dies« Tage von Swakopmund im Hamburger Hafen eingetroffenen Dampfer „Ernst Wörmann" ist auch die 12 jährige Selma Paasch mit nach Deutschland befördert worden, deren Eltern und ältere Geschwister seinerzeit von den Hereros er mordet worden sind, während sie selbst als Ge fangene fongeführt wurde. Dem unglücklichen Mädchen, dem mehrfach mit Erstechen gedroht worden war, gelang es schließlich, bei einer Verfolgung der Hereros durch unsre Schutz truppen zu entfliehen. Das verwaiste .Und wurde der Hamburger Behörde übergeben, die es demnächst nach seiner Heimat befördern wird. Die Funkentelegraphie auf fahrende» Zügen. Über Versuche mit. drahtloser Signal- und Nachrichtenvermittelung auf einem fahrenden Eiscn- bahnzuge in Bayern wird im ,B. L. As folgendes berichtet: Die Versuche sind von der Postbehörde vorgenommen worden, und zwar aus einem Elektro motorwagen, den die bayrische Eisenbahnverwaltung vor längerer Zeit in Budapest hat anfertigen lassen als Muster des inzwischen verbesserten Systems, das in Bayern streckenweise für den Vorortverkehr bereits eingeführt ist. Man wählte Tutzing für die Aufstellung des Funkengebers, weil sich hier die "Linien treffen, auf denen die Versuche mit Nach richtensendungen auf die fahrenden Eisenbahnzüge immer bis zur nächsten Station gemacht wurden. Die Versuche sind vollständig gelungen, und die probeweise Einführung auf einer verkehrsreichen, eingleisigen Strecke ist so gut wie sicher. Der gross Kostenaufwand wird der Weitcrcntwickelung nicht du Wege stehen. Geplant ist zunächst nur die Ein führung von Läuteweikapparatcn auf Eisenbahn- zugen zum Empfang der notwendigen Signale, wie: Halt! Langsam fahren! Durchfahren! usw. durch Funken-Telegraphie. Von einem Personcnzugc überfahre« wurde bei der Einfahrt des Zuges in den Bahn hof Esens ein Fuhrwerk auf dem Landstraßen übergang Esens-Aurich, Richtung Wittmund. Dabei erlitt der Wagenlenker Johann Janssen .aus Esens im Alter von 13 Jahren anscheinend schwere Verletzungen. Der Wagen wurde total zertrümmert; die beiden Pferde sind unverletzt geblieben. Der Unfall ist durch eigenes Ver schulden des Wagenlenkers herbeigeführt. Gasexplosion. In dem Seilerwaren geschäft Schweinem Nachfolger zu Köln fand eine heftige Gasexplosion statt, wodurch im Hause selbst sowie auch in einzelnen Nachbarhäuser» größere Verwüstungen angerichtet wurden. Von der Gewalt der Explosion gaben die auf die Straße geschleuderten Türen und Fenster eine» Beweis. Wie durch ein Wunder kam der Be sitzer des Geschäftes, Herr Zimmermann, mit leichten Brandwunden davon. Hk OieMsge äer Gerechtigkeit. 28 > Roman von Maximilian Brhtt. (Fortsetzung.! „Im Hotel nahm Benjamin Plügge seinen Koffer an sich/ fuhr Bonziani fort, „und der Zufall mag eS gefügt haben, daß zu eben jener Stunde das für seine Schwester be stimmte Telegramm eintraf, durch das er nun selbst gewarnt ward. Eilends verfügte er sich — nach Aufgabe der Empfangs- bestütigung — an Bord, und es gelang ihm auch, von Genua zu entkommen, ohne daß mein Freund ihn hätte festhalten können." „Und was tat Struck während dieser Zeit ?" forschte Haushofer weiter. „Er fuhr im raschesten Tempo von Pegli aus zum Hafen von Genua. Als er jedoch bei den Festungswerken, in der Höhe des Leuchiturmes, dort, wo die Chausse den Bahn damm überschreit t, vorüberkam, sah er bereits die „Margherita" sich in Bewegung setzen und dem äußeren Golf zuftreben." Der Untersuchungsrichter durchmaß das Zimmer mit großen Schritten. „Das klingt rlles ganz glaubhaft, Signor Bonziani; nur das eine verstehe ich nicht: warum hat Ihr Freund Struck nicht die Unterstützung der Be hörde in Anspruch genommen? Hätte er so gleich von Pegli aus an die Hafenpslizei tele graphiert, es wäre dieser sicher noch gelungen, den Flüchtling zmüchmhalten." „Aber wie durfte er das?" gab der I . -euer zu bedenken. „Hatte ihm Signora kalwoda nicht kurz zuvor erst mitgeteüt, daß man auf ihn selbst sahndei«? Hätte er in Genua auf der Hafenpolizei seinen Namen ge nannt, umgehend hätte man ihn verhaftet und die Berliner Polizei benachrichtigt." „Was hätte ihm das geschadet, wenn er wirklich ein so gutes Gewissen besaß?" „Ihm selbst nichts. Aber die Verfolgung Plügges wäre ihm abgeschnitten gewesen!" „Was wissen Sie nun noch von seinem weiteren Ergehen zu berichten, Signor Bon- ziana?" fragte der Untersuchungsrichter. „Hat Struck danach noch etwas von sich hören lassen?" „Er hat mir von Neapel aus nach Aden telegraphiert, wo ich damals gerade in Ge schäften weilte, daß ich umgehend heimkehren müsse, um die Leitung der Geschäfte wieder in meine Hand zu nehmen, da er selbst durch eine Kette von Ereignissen gezwungen sei, viel leicht für Wochen von Pegli fern zu bleiben. Ich hatte noch Dringliches zu erledigen; mit dem schnellsten Schiffe fuhr ich dann nach Genua zurück, und bei der Landung erfuhr ich aus der Zeitung das Schreckliche, waS selbst meine Frau bis dahin noch nicht gewußt hatte: daß Signora Kalwoda hier in Berlin in Unter suchungshaft gehalten wurde." „All diese Mitteilungen über den Tag von Strucks Abreise stammen aus dem Munde Ihrer Frau Gemahlin, Signor Bonziani?" Der Italiener bejahte. „Meine Frau hat unsern jungen Freund an jenem Tage auf seinen Kreuz- und Querfahrten durch Genua begleitet. Das nächste direkte Schiff nach Tunis ging erst in zwei Tagen. Ein öster reichischer Schnelldampfer, der dieses selbe Ziel hatte, war aber in der darauffolgenden Nacht von Neapel aus fällig. Umgehend sicherte sich Struck also einen Platz auf einem Schiff, das in der nächsten Stunde schon nach SÜdualien abging, es meiner Gattin überlassend, Stephanie über alles aufzuklären." „Ihre Gattin traf Frau Kalwoda aber im Hotel nicht mehr an, als sie sie dort aufsuchen wollte?" Bonziani schüttelte den Kopf. „Man teilte ihr mit, daß sie bereits vor einer halben Stunde in der Begleitung eines Deutschen daS Hotel verlassen habe. Sie begab sich andern Tages nach Nervi, um dort nach ihr zu forschen, sie wartete in Pegli, schließlich schrieb sie nach Berlin; nirgends vermochte sie aber ihre Spur zu entdecken, und auch ihre Briefe kamen nicht zurück." „Und erhielt sie noch eine weitere Nachricht von Struck?" „Nur einen kurzen Brief auS Brindisi." „Aus Brindisi? Wie kam Struck an die Ostküfte Italiens? Ich denke, seine Route habe Neapel-Tunis gelautet?" „In Neapel erfuhr er, daß die „Margherita", die eigentlich erst Palermo anlaufen sollte, schon dort Station gemacht hatte. Ein Zufall ermöglichte eS ihm, festzustellen, daß derjenige Deutsche, der an Bord der „Margherita" die Kabine des SHMarzteS inne gehabt Halle, in Neapel an Land gegangen war. Struck gelang eS, die Fährte des Flüchtlings bis nach Brindisi zu verfolgen. Von hier MS gedachte er nach Alexandria zu fahren, denn alle Anzeichen sprachen dafür, daß Benjamin Plügge nach Indien zu entfliehen gedachte." „Was hinderte Ihren Freund aber daran, wemgstens einmal an Frau Kalwoda z« schreiben? Es muß ihm doch daran gelegen haben, ihr die Gründe seiner Reise und seins? Verdachts noch genauer auseinanderzusetzen?^ „Er hat an sie geschrieben, Herr Unter suchungsrichter, aber er hat die Briefe vor sichtigerweise an meine Frau adressiert, einmal weil er die Adresse Stephanies nicht wissen konnte, und dmn, weil er hätte fürchten müssen, daß ihm die weitere Verfolgung des Flüchtlings unmöglich gemacht werden würde, sobald irgend eine der noch immer auf ihn fahndenden Be hörden seinen augenblicklichen Aufenthalt durch einen seinen Briefe erführe." Der Untersuchungsrichter war den Aus führungen mit größter Aufmerksamkeit gefolgt. „Ihre Absicht, Signor Bonziani, einer Ihnen persönlich Unbekannten in ihrem Unglück beizustehen, ist so edel und hochherzig, daß ich nicht anstehe, Ihnen meine Bewunderung zu zollen," sagte er jetzt in ernstem Ton. „Aber leider vermag das Material, das Sie mir da bringen, nur wenig zur Entlastung von Frau Kalwoda beizutragen." Bonziani schlug entsetzt die Hände inein ander. „Man wird sie nicht sofort freilassen r Mein Gott, aber wenn doch alle Anzeichen da für sprechen, daß ihr Bruder die Tat begangen hat, nicht sie?" „Benjamin hat sogar ein Schreiben hier her gelangen lassen, in dem er sich der Tat selbst bezichtigt; trotzdem ist der Verdacht gegen
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