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Ottendorfer Zeitung. Die „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen l,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Umrahm« »on Inseraten bi, »«»mittag Uh«.» Anserate werden mit ,o Pf für di« Lpaltz«il« b«r«chn« LabellarischnjSad nach d»sond«r«m Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla Nr. 74. Mittwoch, den 20. Juni 1906. 5. Jahrgang. - Oertliches und Sächsisches. Vttcndors.Dkrilla, den H. Juni <yos — Zur Förderung des Feuerlöschwesens in Sachsen haben dem „Freiberger Anzeiger" zu folge Landesausschuß und Vorsitzende der Bezirks- und KrciSverbände beschlossen, eine weitere schulgemäße Ausbildung durch Ein führung eine» Jahresminimums von zwölf Uebungen mit Kontrolle, nicht zu vielen Drill übungen und einer größeren Berücksichtigung des praktischen Branddienstes zu erstreben. Die Inspektionen sollen nach bestimmter Regel in sachgemäßer Weise vorgenommen und Führer- kurst in allen Unterverbänden im Interesse einer gleichmäßigen Ausbildung eingerichtet werden. Weiter sollen technische Kurse nur für Hauptleute und deren Stellvertreter eingerichtet werden bet Vergütung der notwendigen Aus lagen. Diese Kurse sollen an zwei bis drei Sonntage in vier bis sechs verschiedenen Orten de» Landes, und zwar vor allem mit taktischen Uebungen und ferner mit kurzen Vorträgen über Geräteturnen und gesetzliche Bestimmungen Besprechungen von Branddiensterfahrungen, Vorführung von praktischen Neuheiten stattfinden. Dresden. Prinz Johann Georg v. Sachsen der Bruder des Königs, hat sich in Cannes mit der Prinzessin Marie Immaculata von Bourbon-Sizilien verlobt. Dresden. Als Termin für den Abbruch der alten Augustusbrücke hat der Rat nunmehr den 1. Oktober diese» Jahres bestimmt. Die Bauzeit der Brücke soll 2 bezw. 21/, Jahre dauern und in zwei Abschnitte zerfallen, deren jeder die Ntederlegung und Neu-rbauung einer Brückenhälfte und der anschließenden Interims- brücke umfaßen wird. Die Jnterimsbrücken werden die Elbe unterhalb der jetzigen Augustua- brücke Überspannen. Somit sind die Tage des italienischen Dörfchens und de» Gesamtbildes des Schießplatzes und des Theaterplatze» in der jetzigen Gestalt gezählt- Die Kosten des Brückenoberbaues sind auf 423300 Mark festgesetzt worden. Königsbrück. Auf dem Gefechtsschießplatz bei Königsbrück wird da» Kgl. Husarenregtment Nr. 18 am 21., 22. und 27. Juni und da» Kgl. Garderciterregiment am 23. und 25. Juni d. I. täglich von 6 Uhr vormittag» bi« 4 Uhr nachmittag» Schießen in größeren Abteilungen abhalten. Pirna. Hier wurde die Einrichtung getroffen, daß Sparkassenbücher vom Inhaber durch An gabe eines Stichwortes gesperrt werden können. Es ist bei dieser Sperrung vom Inhaber des Buches der Sparkasse ein Wort anzugeben und nur nach Nennung dieses Wortes wird bei Vorlegung des Buches an seinen Inhaber Zahlung geleistet. Dadurch ist eS insbesondere solchen Leuten, die für ihre Sparkasienbücher keinen sicheren Aufbewahrungsort haben, er möglicht, einem Mißbrauch ihrer Sparkasienbücher und einer Abhebung durch Unberechtigte vorzubeugen. Meißen. Die katholische Gedenkfeier des 800 jährigen Todestages des Bischofs Benno fand hier am Sonnabend und Sonntag statt. Am Sonnabend früh wurde in der katholischen Kirche ein Hochamt abgehalten und nach mittags eine lateinische Vesper gesungen. Abends um 6 Uhr erfolgte die Ankunft des Bischofs Dr. Schäfer in Begleitung des Kanonikus Fischer und des päpstlichen Haus prälaten Klein. Döbeln. Beim Kahnsahren ertrunken ist am Sonnabend in Neiße der Fähnrich Schmidt vom 11. Infanterie-Regiment Nr. 139, welcher seit Ende März zur Kriegsschule Neiße kommandiert war, Mittweida. Seit einiger Zeit wurden hier falsche Zweimarkstücke in Umlauf gebracht. Jetzt ist der Falschmünzer in der Person des 80 Jahre alten Apothekers und Militärtnvaltden Georg Martin Gesell ermittelt und festge nommen worden. In der Dachkammer seiner Wohnung fand die Polizei Formen zu Fünf-, Drei-, Zwei- und Einmarkstücken, sowie photographische Aufnahmen von Papiergels, Der Verhaftete, der unverheiratet ist, gehört einer angesehenen Familie an. Grimma. Ein entsetzliches Unglück ereignete ich gestern nachmittag in der Maschinenfabrik Zolzern. Beim Transport eines mit 8 Zentner Wigem Eisen gefüllten Gießkesiels riß eine Kette am Flaschenzug und das Metall ergoß ich über den 29 Jahre alten verheirateten Former Ernst Hermann Kießig, der entsetzliche Brandwunden an Kopf, Brust, Rücken und dem rechten Bein erlitt. Der Unglückliche wurde n das städtische Krankenhaus gebracht, wo er bei vollem Bewußtsein noch mit seinen An gehörigen sprechen konnte. Gegen Mitternacht erlöste der Tod den Bedauernswerten von einen Schmerzen. Schkortitz. Ein tiesbedauerlicher Unglücks fall ereignete sich heute nachmitag. An einer Biegung der Dorfstraße stand unbeaufsichtigt das Geschirr de« Gutsbesitzers Müller aus Großhermuth. In dem Augenblicke, als gerade ein Fleischer» agen aus Grimma in etwas schnellem Tempo daher gefahren kam, wurde der 10 jährige Schulknabe Friedrich Franz Klarmann, der wohl dem entgegenkommenden Geschirr auszuweichen gedachte, von einem Pferde des Gutsbesitzers Müller derartig durch Hufschlag verletzt, daß er bewußtlos und blut überströmt zusammenbrach. Der sofort telephonisch herbei gerufene Arzt stellte Schädelbruch fest. In hoffnungslosem Zustande liegt der Knabe darnieder. Zwickau. Der Sieger im Herkomer- Rennen, Rechtsanwalt Dr. Stöß, ist in Be gleitung de» - Direktors der Horch-Werke, A. Horch, gestern abend von Wünschen wohl behalten hier eingetroffen. Prinz Heinrich von Preußen hat die beiden Herren persönlich be glückwünscht und sie zur Audienz nach Kiel be fohlen. Prof. Herkomer-London sandte ein Glückwunschtelegramm, und der Rat unserer Stadt ließ gestern den Horch-Werken ein Glück wunschschreiben überreichen. Falkenstein. Ein AutomobilomnibuSdienst zwischen Lengenfeld, Auerbach, Falkenstein und Plauen wird in nächster Zeit eingerichtet werden. Mylau. Bei dem Absturz von der Göltzsch- talbrücke ist das Mädchen, von dessen Ver zweiflungstat wir gestern berichteten, doch nicht so leichten Kaufes davongekommen, wie e« zu nächst den Anschein hatte. Der Arzt, in dessen Behandlung sich die Unglückliche befindet, Herr Dr. Polster-Wylau, hat, dem Vogtl. Anz. zur folge, festgestellt, daß ihr bei dem Sturze aus der furchtbaren Höhe (77 Meter) mehrer« Rippen gebrochen sind, außerdem hat sie eine Zerreißung des rechten Lungenflügels erlitten wodurch innere Bluterguß entstanden ist, der ein« Lungenentzündung verursacht hat. Der Zustand des Mädchens ist bedenklich. Die Lebensmüde heißt Hulda Piehler; sie hat keine Eltern mehr, und wohnte bei ihrer Großmutter in Reinsdorf (Reuß). Es bestätigt sich, daß das junge Mädchen vonder obersten Brüstung der hohen Brücke abgesprungen ist. Hulda Piehler hat, in der Mitte die Brücke überstiegen und kurze Zeit außen an der Mauer gehangen über den beiden großen Mittelbogen, sich mit einem Arm an der Brüstung haltend und mit den Füßen auf einem Mauervorsprung stehend, jedenfalls sich vor dem Sturz in die Tiefe fürchtend. Sie wurde von dort vorbeikommenden Leuten und dem Fahrpersonal eines über die Brücke fahrenden Zuges gesehen, und Herr Bahnwärter Reinhold, der jenseits der Brücke beschäftigt war, wurde darauf aufmerksam ge macht. Dieser eilte schnell herbei unb rief dem Mädchen zu, festzuhalten. Als er jedoch an der Stelle war, und die Hand der Lebensmüden erfaßen wollte, ließ diese los, und stürzte in die Göltzsch. Adorf. Der Schmiedemeister Ullmann wurde heute früh vor dem Restaurant „Rüdesheimer" von drei tschechischen Arbeitern überfallen und durch Dolchstiche schwer verletzt. Bei ihrer Verfolgung versuchten die Tschechen auch einen Schutzmann zu erstechen. Die Täter find fest genommen worden. Plauen i. V. Durch den Bruch eines Gasrohres gerieten hier die Bewohner des Hauses Hammerstraße 22 in große Gefahr. Mehrere Stunden hindurch machte sich in dem Hause ein starker Gasgeruch bemerkbar, ohne daß die Ursache zu entdecken war. Der Besitzer des Hauses nahm abends gegen */,11 Uhr eine Ableuchtung des Hauses von der Außen- eite vor. Als er mit dem Lichte an die Dach rinne kam, gewahrte man plötzlich, daß eine Flamme aus der Rinne emporschlug. Das Gas hatte sich aus dem Gasrohre in die Dachrinne gezogen und entzündet. Sofort wurde die Dachrinne weggerißen und der Rohr- >ruch so gut als möglich verstopft. Schnell herbeigerufene Tasarbeiter nahmen Ausgrabungen vor und beseitigten in kurzer Zeit den Rohr bruch. Das ausströmende GaS hatte auch ein Menschenleben in Gefahr gebracht. Gegen s/i l l Uhr fand man die Frau des Brauers Eckert, der im Erker wohnt betäubt in ihrer Wohnung vor. Es gelang glücklicherweise bald, die Bewußtlose wieder ins Leben zurückzurusen. — Einen Mordversuch gegen seine Ehefrau unternahm hier der 34 jährige Maurer Stache, )er in letzter Zeit in Münster i. W. gearbeitet hatte. Er war nach Plauen zurückgekehrt und bat seine seit zwei Jahren von ihm getrennt lebende Ehefrau, ihn wieder auszunehmen. Als seine Bitten keinen Erfolg hatten, schoß St. aus einem Revolver nach dem Kopfe seiner Frau- Durch eine schnelle Wendung der An gegriffenen verletzte er diese nur an der Schulter, Der Täter wurde sofort ergriffen und hinter Schloß und Riegel gebracht. Aus der Woche. Wohin man blickt, Kammerreden, Regierungs erklärungen, Programmentwickelungen l Mit einem Wort; überall ungeheure und glänzende Ideen, aber leider geschieht nirgend» ein Schritt zu befreiender Tat. Sehen wir uns zunächst einmal Frankreich an, das Frankreich der „neuen Republik." Herr Sarrien und sein geheimer Mitregent Clemenceau haben in ihrer „Regierungserklärung" sehr viel schöne» ge sagt und versprochen, nicht an letzter Stelle verdient genannt zu werden, daß eine allge meine Amnestie erlaßen werde, und daß bei Konzessionierung für neue Gruben die Arbeiter schaft künftig am Gewinn beteiligt werden sollte. Gute, mtnschenbeglückende, einer modernen Republik durchaus würdige Ideen; aber wo ist die lebensprühende Tat? Ueber die Amnestiefrage ists schon zu argen Meinungs verschiedenheiten im Ministerrat gekommen — und da» neue Berggesetzt bietet nach einer französischen Zeitung „unvorhergesehene Hinder nisse, die einer Verständigung hindernd im Wege stehen." Die Radikalen haben ihre Freude an Kammerversprechungen — sie ward ihnen im reichsten Maße. — Nachdem in Italien der Premierminister Sonnino einen plumpen Ueberfall seiner Gegner in der Kammer zum Opfer gefallen war und sein langjähriger Gegner Giolitti ihn abgelöst hatte auf dem kurzweiligen Präsidentenseßel, geschah das für Italien Ungeheuerliche: der neue Mann erbat sich von der Kammer, ehe er noch irgendwelche Tat gezeigt hatte, auf seine allerdings ziemlich umfangreichen Versprechungen hin ein Vertrauensvotum fund erhielt es mit einer ungeahnten Mehrheit. Man möchte bei nahe glauben, daß das anfänglich reizvolle nun aber nachgeraqe langweilige Ministerspiel in Rom somit einer vorläufigen Abschluß ge sunden hat. — Auch in Oesterreich-Ungarn gab es in der abgelaufenen Woche eine Regierungserklärung. Seit 18 Monden traten zum erstenmal die Regierungsausschüße beider Reichshälften in Wien zusammen, um di« „ge ¬ meinsamen Angelegenheiten" zu berate«. Graf Goluchüwski sprach mit begeisterten Worten vom Dreibund, mit überzeugender Wärme von Oesterreichs Verhältnis zu Deutschland, aber mit abkühlender Zurückhaltung von Italien. Man muß also wohl oder über der Auffassung näher treten, daß der Dreibund in seinen Grundlagen nach wie vor erschüttert ist, trotz des freundlichen Telegrommwechsel« der drei Bundeshäupter. — In Spacken hat sich einigermaßen wieder die Ruhe nach dem scheußlichen Attentat, dem neuesten Feststellungen zufolge 31 Menschen zum Opfer gefallen sind, eingestellt. Man muß dem jungen König anerkennend nachrühmen, daß er sich in seinen Maßnahmen nicht von begreiflichen Rache gedanken oder von erklärlicher Furcht leiten ließ. Hoffentlich wird man in seinem Land« die Worte des Jüngling« auf dem Königs thron zu würdigen wißen: „Ich will nicht, daß Ausnahmegesetze geschaffen werden, sondern wünsche, das alles geschieht, um das Land einer gesunden und friedlichen Entwickelung teilhaftig werden zu laßen!" — In Rußland tobt mit unverminderter Heftigkeit der Kampf zwischen dem Parlament und der Regierung. Da sich aber das Ministerium Goremykin bisher auf parlamentarischem Wege auch nicht des ge ringsten Erfolges zu rühmen hat und daher befürchten muß, in der Geschichte Rußlands auf einem unbeschriebenen Blatt zu stehen, haben sich die Herreu zu einer weltgeschichtlichen Handlung entschloßen Mehrere Abgeordnete der Reichsduma, die ihre Wähler aufgesordert hatten, in Versammlungen gegen die Un tätigkeit und Unehrlichkeit der Regierung Ein spruch zu erheben, sollen nach einem im Ministerrat gefaßten Entschluß einfach wegen „Aufreizung zum Widerstand gegen Ordnung und Gesetz" unter Anklage gestellt werden. Das sieht russischer Willkürherrschaft ähnlich, aber die Regierung wird vor diesem unge heuerlichen Schritt wohl noch einen Augenblick Halt machen, da sie wohl weiß, daß die Truppen zum Teil mit ihrer Sympathie auf feiten der Dumamitglieder stehen. — König Haakon von Norwegen hat vielleicht die ge ringsten Regierungasorgen. Er reist mit seiner Gemahlin und dem Thronfolger im Lande um her — er macht seine sogenannt» Krönung»- reise Der „Herr König" wird überall mit großem Jubel begrüßt und freut sich seines Herrscherglück« um so ungetrübter, al« man ihm aus Anlaß der Krönungsfeierlichkeiten bi» auf weitere» die Regierung abgenommen hat. — Amerika kann seinen welterregenden Fleisch« konservenskandal nicht loswerden. Die Fleisch barone mit ihrem Geld und Einfluß auf der einen, Präsident Roosevelt mit dem gesetzt»- schaffenden Senat auf der anderen Seite kämpfen einen erbitterten Kampf. „Faul»« Fleisch oder nicht faules Fleisch. Da» ist ihres Streites schwerwiegende Frage. — Und während so in jedem Lande über die Sonnen strahlen ein leiser Schatten schleicht, haben vie Länder auch noch zwei gemeinsame Sorgen, die immer und immer wieder in Gestalt zukunfts reicher Fragen an ihre Regiernngen und Parlamente klopfen: die Frage der allgemeinen Abrüstung und die zweite der Abwehr des Anarchismus. Zum ersten ist nur wenig zu sagen. Sie ist im schönsten Sinne de» Wortes eine ideale Frage, denn während alle Regierungen ihr angeblich vollste Aufmerksamkeit schenken, wird schnell und nicht unzureichend auf der ganzen Linie weitergerüstet. Wa» nun die Frage der Abwehr des Anarchismus anbelangt, so wird man wahrscheinlich solange ohne Erfolg bleiben, bis alle Staaten ohne Ausnahme den Mordgesellrn das Asylrecht nehmen. Aussätzige bringt man auf einsame Inseln. Machts mit ihnen ebenso! Deportiert sie und laßt sie draußen auf meerumbrausten Eiland ihre Bomben erproben und sich gegen seitig mit scharfer Klinge zerfleischen.