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Ottendorfer Zeitung : 06.06.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190606064
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060606
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060606
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-06
- Tag 1906-06-06
-
Monat
1906-06
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 06.06.1906
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Erfinderische Betrüger. Seit längerer Zeit wurden die Inhaber von Schokoladen- Automaten in Hamburg dadurch erheblich ge schädigt, daß an Stelle der Zehnpfenniastücke breitgeklopfte Zweipfennigstücke in die Öffnung der Automaten gesteckt wurden. Die Spitz buben konnten nicht ermittelt werden, obwohl von der Automaten - Aktien» Gesellschaft sowie auch von der Schokoladenfabrik Stollwerck 30 Mk. Belohnung auf die Ergreifung der Meliäter gesetzt waren. Dieser Tage beobachtete nun ein Zivilschutzmann zwei Burschen, die sich in auffälliger Weise an einem Automaten auf der Reeperbahn (St. Pauli) zu schaffen machten. Als sie dem Automaten einige Stücke Schokolade entnommen hatten, gingen sie nach der Sylter-Allee. Der Beamte folgte ihnen und sah nun, auf welche Weise Zweipfennig- flücke breitgewalzt wurden. Die Burschen legten nämlich heimlich mehrere Zweipfennigstücke auf die Schienen der elektrischen Straßenbahn und ließen verschiedene Bahnwagen darüber hinweg- fahren. Als etwa zehn Geldstücke aus diese Weise breitgewalzt waren, gingen die Burschen wieder nach der Reeperbahn, um verschiedene Automaten zu plündern. Da nahte das Ver hängnis. Der Zivilschutzmann war ihnen auf Schritt und Tritt gefolgt und ertappte sie auf frischer Tat. Die bewert Burschen (13 und 15 Jahre alt) gestanden ein, diese Schwinde leien schon vier bis sechs Wochen lang ge trieben zu haben. Auch nannten ste noch etwa zehn Mitschuldige, die dasselbe „Geschäft" wie fie betrieben haben. Der Molch im Mage«. Ein Bauern junge in Unterbernrieth in der Oberpfalz litt schon seit längerer Zeit an Brechreiz und Er brechen. Dieser Tage hat er nun einen Wasser molch erbrochen, den er bei einem Trunk aus einem Feldbrunnen im vorigen Sommer ver schluckt hat. Vor zwei Jahren hatte ein Mäd chen aus derselben Gegend ein ähnliches Miß geschick. Ihm mußte der Molch in der Klinik zu Erlangen entfernt werden. Wildernd« Hunde. Drei wildernde Hunde brachen in Hiddestorf (Hannover) in eine Schaf hürde ein und richteten unter der Herde ein furchtbares Blutbad an. Elf Schafe wurden vollständig zerfleischt, vier andre schwer ver letzt. Einige der Tiere lagen zerrissen in dem die Wiese durchfließenden Bache, eines war weithin verschleppt worden. Der Schaden be läuft sich auf etwa 320 Mk. Ä«drr««g österreichischer Briefmarke«. Die österreichischen Brieffrankomarken zu 10, 20, 25 und 30 Heller erfuhren dadurch eine Änderung der Ausstattung, daß die in den vier Eckieldern angebrachten Wertziffern künftig nicht mehr in schwarzer, sondern in der Farbe der Marke eingesetzt werden. A Die Geschichte eine- De«kmalS. Eine Säule ist zur Erinnerung an die Ermordung des Herzogs von Enghien in Vincennes an der Stelle, wo er am 21. März 1804 auf Befehl NopoleonS erschossen worden war, aufgestellt worden. Diese Säule hat bereits ihre Vor geschichte; sie ist schon im Jahre 1816, als die Bourbonen wieder zur Regierung gekommen waren, aufgestellt worden, wurde aber unter der Regierung Napoleons III., der wohl an diese unrühmliche Tat seines großen Ahnen nicht erinnert werden wollte, von ihrem Platze entfernt. Nun ist ste in einem der Festungs magazine von Vincennes wieder aufgefunden worden und der Kriegsminister hat die Wieder herstellung befohlen. Die einfache Säule ist aus schwarzem Marmor. * Vi«e Kutscherschule i« Paris. In Paris bemüht man sich nach der,B. M/ schon seit längerer Zett, der Stadt tüchtige Kutscher zu geben. Jetzt hat der französische Tierschutzver ein endlich die Erlaubnis erhalten, am Marchs des Chevreanx eine Schule für Kutscher zu er öffnen. Die angehenden Kutscher sollen in dieser neuen Schule Belehrung über die Ana- omie und Pathologie der Pferde erhalten, um ie im Falle leichter Erkrankung oder leichter lnfälle selbst behandeln zu können. Außerdem ollen sie hier lernen, wie man ein Pferd richtig anschirrt, sowohl einzeln als auch zu zweit, da un gut angeschirrles Pferd viel weniger er müdet als ein schlecht angeschirrtes. Auch über die zweckmäßige Ernährung des Pferdes und das richtige Fahren — Fahren und Anschirren soll auch praktisch gelernt und geübt werden — sollen fie alles Nölige erfahren. Schließlich müssen fie auch die wichtigsten polizeilichen Vor schriften für die Stadt Paris und ihre Umgegend völlig sicher beherrschen können, um später bei der Ausübung ihres Berufes mit der Polizei nicht in Konflikt zu kommen. Z« der Unterschlag««- Vs« SVOVVV Mark Mündelgelder« wird aus Paris noch gemeldet, daß Herr Britto in einem auS Monte Carlo datierten Schreiben erklärt, er würde, wenn er sich schuldig fühlte, seinem Leben ein Ende gemacht haben. Er hoffe, baldigst Professor Robert Koch wurde vom Kaiser zum stimmberechtigten Ritter deS Orden xour Is msrits für Kunst und Wissenschaften ernannt. (Professor Koch ha! sich neuerdings um die Erforschung der Schlafkrankheit in Afrika be deutende Verdienste erworben.) 90 000 Frank senden zu können, für mehr sei er nicht verantwortlich. — Die Erben besitzen jedoch Schriftstücke, wonach eS sich um 300 000 Frank Mündelgelder handelt. TchiffSzusammeustoh im Kanal. Wäh rend deS Nebels stieß im englischen Kanal der Dampfer „Pyrgos" der deutschen Levante-Linie aus Hamburg mit dem Viermaster „Port Jackson" zusammen, der schwer beschädigt in die Bucht von Dover eingeschleppt wurde. Auf dem „Port Jackson", der über 100 Schiffs- jungen an Bord hatte und eine Übungs-Kreuz- fahrt unternahm, war infolge deS Zusammen stoßes ein gewaltiger Schrecken ausgebrochen. 4c Si« lenkbarer Luftballo« vor so Jahre«. In einem alten vergilbten Zeitungsblatte auS dem Jahre 1857 findet sich folgende bemerkenswerte Notiz: „Der 15. Januar war der denkwürdige Tag, an welchem die wichtige Frage über die Möglichkeit, einen Luftballon nach Willkür zu lenken, eine günstige Entscheidung erhielt. An diesem Tage stieg der Graf von Pleuvier, die Herren Gavarni, Mignon, Henry Page und der englische Luft schiffer Falkoner im Parke deS Erstgenannten in einem eigens erbauten Ballon auf und ließen fich am folgenden Morgen eine (engl.) Meile von Algier nieder, stiegen am nächstfolgenden Tage wieder in die Luft und kamen 3'/? Uhr am folgenden Morgen im Park des Grafen Pleuvier wieder an. Der Apparat, der nicht weniger als 300 000 Frank kostete, besteht aus zwei nebeneinander befestigten Ballons, die bewegende Kraft beruht aber in einer Art Schraube, welche mit dem Schiffe in Ver bindung steht, und einem Steumuder aus Fischbein. Dte Bestatt««- Ibsens veranlaßte die erste freundschaftliche Annäherung zwischen Schweden und Norwegen. Die schwedischen Universitäten sandten Kränze und eine Anzahl hervorragender schwedischer Persönlichkeiten, unter andern Professor Geijerstam und Schau spieler Lindberg, der die Jbienrollen ausgezeichnet gespielt hat, trafen in Christiani« ein. ü Ei« Hotel mit 27 Stockwerke«. DaS Hotel Belmont an der Ecke der Park- Avenue und der 42. Straße in New Jork ist eröffnet worden. In Anlage und Ausstattung nimmt eS dieses Hotel mit jedem andern der Stadt auf, aber in der Höhe seiner Stockwerke überragt es jedes andre Hotel der Welt. 27 Stockwerke erheben fich nämlich 368 Fuß in die Höhe und fünf Stockwerke führen noch unter die Erde herab. Die Grundmauern des Baues find auf einem festen Felsboden aufgeführt und für das Stahlgerüst des Wolkenkratzers find fast 10 000 Tonnen Stahl verwandt worden. Granit, Kalkstein, Ziegeln und Terrakotta find das Material, das zur Verkleidung des Gerüstes gedient hat. Vier Jahre lang hat der Bau ge dauert und viele Millionen Dollar find bis zu seiner Vollendung aufgewandt worden. Eine besondere Sehenswürdigkeit find die Kühlräume, die größten der Welt, in ihrer Art ganz einzig. In ihnen lagern unter anderm eine Million Zigarren in den verschiedenen Sorten von der Zigarre für 10 Cent bis zu den feinen Havannas, von denen eine einzige 5 Dollar kostet, und die Gäste können selbst fich die ihnen genehme Sorte auswählen. Das Hotel enthält 1006 Z mmer und beschäftigt 1000 Angestellte. > DZI Gericktskalle. 88 Berlin. Durch verschiedene Zeitungen ging ein Artikel, wonach im allgemeinen den Gemeinden die Straßenreinigungspflicht obliege, nicht den An liegern; eine Observanz zuungunsten des Anliegers sei nur in den seltensten Füllen nachzuweisen. In allen Orten, wo die Frage noch nicht geklürt ist, wollen die Anlieger die Feststellungsklage etnleiten. Diese Ausführungen sind grundfalsch und ge eignet, zu zahllosen Prozessen, die nicht die geringste Aussicht auf Erfolg haben, anzureizen. Tatsache ist vielmehr, daß nur in sehr seltenen AuSnahmefüllen das Bestehen einer Observanz nicht nachgewiesen wird, wie eS z. B. in Lichtenberg der Fall war. In der Regel besteht eine Observanz, wonach die Eigentümer verpflichtet find, die Straßen zu reinigen; auch in Berlin sind die Eigentümer ver- pflichtet, für die Straßenreinigung zu sorgen. Dies gilt auch für fast alle älteren Gemeinden in der Umgebung der Hauptstadt. Hamburg. DaS Schöffengericht vermteilte den Damenschneider B. und den Reisenden L. wegen Betrugs beim Skatspiel zu je drei Monat Ge fängnis und ein Jahr Ehrverlust. Die beiden An geklagten hatten in einem Restaurant am ZeughauS- markt ihre beiden Mitspieler um 70 und 80 Mark erleichtert. Schließlich merkten die Verlierer, daß „gemogelt" wurde und die beiden Angeklagten sich durch Zeichen über die Karten, die sie in Händen hatten, verständigten. Die Geschädigten erstatteten Anzeige. Die Angeklagten waren nun beschuldigt, durch Fingerzeichen einander mitgeteilt zu haben, welche Buben fie hatten, und dadurch, daß ste einen, zwei, drei oder vier Finger auf den Tisch legten, angedeutet zu haben, welche Farbe der Mitschuldige ausspielen solle. DaS Gericht sprach fie trotz ihres Leugnens des Betruges schuldig. Lübeck. Das Schwurgericht vennteilte den Arbeiter Burmeister, der gemeinschaftlich mit seiner Mutter seinen Vater ermordet hatte, zu 15 Jahr Zuchthaus. Frau Burmeister verübte in der Unter suchungshaft Selbstmord. Oer Ooclen äes Heeres. » „Wenn ein neuer Jules Verne, mit einem noch zu erfindenden Apparat ausgerüstet, eine Wanderung über den Boden des Ozeans unter nehmen wollte", so schreibt I. Thoulet in der ,Revue des deux Mondes', „so würde er un endliche eintönige Ebenen finden, die an Aus dehnung nicht nur die Prärien deS Westen? der Vereinigten Staaten oder die weiten Pam pas von Südamerika weit Übertreffen würden, sondern auch noch gewaltiger wären als die kahlen, endlos fich dehnenden Steppen Rußlands und Sibiriens. Der Nordosten deS Stillen OzeanS zwischen San Francisco und den L-andwich-Jnseln, eine Strecke, die durch die Lotungen, die die Amerikaner bei der Anlage des telegraphischen Kabels hier vorgenommen haben, jetzt ziemlich gut bekannt ist, würde diesen Charakter einer monotonen Ebene in hohem Grade wiedergeben. Keine Vegetation, eine ungeheure trockene Wüste, deren einförmig weiße Farbe kaum durch einige graue oder rosa Färbungen unterbrochen wird, hie und da eine leise Wellenlinie deS Bodens, deren weiche Schwingungen in dieser dunklen und trostlos schweigenden Einöde deS MeereSabgrundeS wie ein letzter Rest lebendigerer Formen auftaucht. In andern Gegenden, besonders in der Nach barschaft gewisser steilabfallender Küsten, z. B. nahe bei Norwegen, würde er jähe Abgründe entdecken, die oft viel steiler herabstürzen, als die Berge unsrer Erde fich empor heben. AnderSwo, wie etwa an den Azoren, befände er fich plötzlich inmitten einer bizarren phantastischen Landschaft, die von Bergspitzen starrt, von ungeheuren Höhlungen bedeckt ist, die nackte und kahle, aber regel mäßige Wände haben, überall würde er tiefe Schlünde sehen, aus denen er dumpf rollend daS Dröhnen unterirdischer Feuer hören würde, Krater würden fich vor ihm austun, deren Aus dehnung der Oberfläche des Genfer Sees fast gleich kommt und die fich bisweilen öffnen und spalten, um großen Lavaströmen zum Ausbruch zu dienen, vulkanischen Eruptionen, die von schrecklichen Stößen begleitet find und das ganze Meer in seinen Tiefen anfwühlen. Ge waltige Wellen tragen die Erschütterung von einem zum andern Ende der Eidkugel und über streuen das ganze Bett deS MeereS mit Schutt stücken, Bimstein und Schlacken, ohne daß an der Oberfläche der Wasser selbst der innere Aufruhr fich anders bemerkbar machte als durch ein leichtes Schwanken, ein Erzittern des MeereS. Unser Wanderer würde auch weite Plateaus überschreiten, die von fast senkrechten Mauern begrenzt find; er würde in der Dunkel heit aufragende einzelne kegelförmige Berge unterscheiden, die wie riesenhafte Zuckerbüte aussehen und weite Täler, die von runden Bergkämmen eingeschlofsen find, dazwischen einzelne Ritzen und Klüfte. Sicherlich ist das Bett deS OzeanS, in seiner Gesamtheit be- trachtet, in seinen Formen weniger mannig faltig als die Erdoberfläche: aber feine Groß artigkeit würde ihm den Charakter einer un vergleichlichen Majestät verleihen. Die immer tieferen und genaueren Untersuchungen in der Zukunft werden unS dieses grandiose und selt same Bild immer deutlicher vor Augen stellen." Suntes Allerlei. 4- Schiller- Soh«, der Oberforstmeister v. Schiller, hatte von dem poetischen Geiste seines VaterS keine Ader, dagegen war er Forstmann mit Leib und Seele. Von seinem Vater pflegte er zu sagen: Er sei zwar ein gescheiter Mann gewesen, aber vom Holze habe er nichts verstanden, sonst hätte er in seiner „Glocke" nicht gesagt: „Nehmet Holz vom Fichtenstamme". Fichtenholz, daS sei gerade daS schlechteste Holz. * * * Pa ff«« de Au-red«. Madame (in die Küche tretend, wo eben die Köchin ihrem Sol daten ordentlich auftischt): „WaS ist denn daS, Anna d" — „O, gnädige Frau, ich übe mich nur etwas im Servieren I" t,«-ss-nd.-) Abkühlung. A.: „Gestern habe ich mich eine Stunde lang mit einem Franzosen unter halten und ich konnte mich sehr gut mit ihm verständigen." — B.: „So gut deutsch sprach der?" l^uft.Wtu.0 Durchschaut. Sonntagsreiter: „Ich komme schon wieder zurück, daS Wetter war mir zu schlecht!" — Pferdeverleiher: „Sie hätten ihm eins mit der Reitpeitsche 'nüberziehen sollen, dem Racker!" Ei«« Uug«duldig«. Fräulein: „Herr Werner, ich möchte bald wissen, woran ich mit Ihnen bin. Sie als Maler sollten fich doch nicht so lange nötigen lassen, offen Farbe zu bekennen I" c^u«. Wen.-) Wehmütig« B«fiättgu«g. Dame: „ES ist ja eine bekannte Tatsache, daß Ehemänner länger leben als Junggesellen." — Pantoffelheld: „Ja, ja, ein Unglück kommt selten allein." handelt. Auch Franz Kalwoda hatte seinen Stolz in der Brust. „Wenn ich Stephanie nicht alles sein kann, so soll fie ihre Freiheit wieder erhalten!" sagte er mir in jener Stunde. DaS war ein stolzes Wort aus seinem Runde. Ich wußte ihm darauf nm zu erwidern, wie leidenschaftlich ich dich liebte; daß du mich liebtest — mit welchem Recht durste ich daS behaupten?! ... Da sprachen wir dem und überlegten. Franz wäre opferwillig genug ge wesen, in eine Trennung einzuwilligen, wenn du ihm gesagt hättest, daß nm die Intrigen deiner Verwandten mich von dir fern gehakten hatten und daß du jetzt dich innerlich eins mit mir fühltest! Aber das erschien mir wie ein Frevel. Um dir und mir daS Vergessen zu er leichtern, war ich entschlossen, das Land noch in derselben Nacht zu verlassen. Wir schieden Aneinander als Freunde. Er gelobte mir «ug' in Aua', dich auf Händen zu tragen, ganzes Leben lang dich wie ein Kleinod zu behüten, bestrebt zu sein, dich zu verdienen!" , „Und nach diesem letzten Händedrucke Singst du?" Arnold nickte. „Ging ich und ließ ihn «lein. Die Szene hatte ihn tief ergriffen — A innersten Herzen gepackt. Er müsse fich erst lammeln, wieder beruhigen, sagte er, bevor er öu dir zurückkehren könne; denn du solltest nichts von unserm Gespräch erfahren. So U und stürmisch ich ihn beneidete, so tief rührte mich doch der Abschied von ihm. „Sie haben mir das Leben wiedergeschenkt!" Das waren feine letzten Worte, die ich aus seinem Munde vernahm. Stephanies Arme waren schlaff herabgcfunken. Tonlos flüsterte fie: „Nun versteh' ich den Zusammenhang! In der Einsamkeit hat ihn die Verzweiflung dann doch wieder übermannt, er wm zu stolz, daS Opfer von uns anzunehmen, er fühlte fich überflüssig auf der Well — und machte selbst ein rasches, jäheS Ende! . . . . Armer, unglücklicher Freund!" DaS ernste Gespräch erhielt hier eine Stö rung durch den Eintritt deS Kastellans, der von der Signora Bonziani die Anfrage brachte, ob fie die Herrschaften droben bei fich empfangen dürfe. Arnold kündigte, fich rasch fassend, ihr Kommen an. Als fie wieder allein waren, sagte er: „Die Signora vermutet, daß dein Mann — daß Franz Kalwoda mit hierher ge kommen sei. Ich hab' ihr viel von dir erzählen müssen. Du wirst bald mit ihr befreundet sein. Sie ist mir wie eine Mutter!" „Rein, Arnold, laß mich jetzt nicht mit Fremden zusammenkommen; ich will dir sagen — ich bin recht krank gewesen und bedmf noch der Schonung!" Er bettachtete fie voll Rührung. „Wie matt dein Blick ist, wie schmal deine Wangen find! ... Aber habe keine Angst, du sollst von jeder weiteren Aufregung fern gehalten werden. Hier bei Bonzianis findest du völlige Ruhe. Mein Gönner ist verreist, ich lette die Geschäfte der Levantina während seiner Ab wesenheit. Die Signora wird dir hier in ihrem Palazzo ein kleines Paradies schaffen. Hier wirst du bald genesen ..." „DaS ist nicht möglich, Arnold," wehrte Stephanie ab. „Benjamin hat mich begleitet, ich will wieder zurück nach Berlin . . ." „O, mein Liebling, daS dulde ich nicht! Du mußt die Qual der letzten trüben Wochen erst wieder verwunden haben. Hätte eS sonst die Anstrengungen der wetten Reise gelohnt?" Sie sah ihm fest inS Auge. „Ich bin einzig und allein hergekommen, Arnold, um mü dir diese Unterredung zu führen, um aus deinem Munde zu erfahren, wie fich die letzte LebenSstunde meines unglücklichen Bräutigams gestaltet haben mag!" Er schüttelte verwundert den Kopf. „Franz starb — ohne eine Botschaft an dich hinter lassen zu haben? Nicht einmal ein Brief, eine Zeile erklärte dir seinen furchtbaren Schritt ?" „Nichts l" „Woher wußte man dann überhaupt, daß eS fich um einenSelbstmord handelte ? Du ahntest eS ?" „ES war mir ein Rätsel wie allen andern." „Aber man muß doch nach irgend einer Er klärung gesucht haben?" „DaS tat man." „Nun, und daS Ergebnis? Du bist so seltsam, Stephanie, warum stocht du?" Sie atmete tief auf. „Man hielt dich für den Mörder meines Bräutigams, Arnold 1" ° Er verzog zuerst keine Miene, dann drängte fich ein: „Barmherziger Himmel I" auf seme Lippen, und er wich einen Schritt zurück. Längst war eS Stephanie im Laufe dieser Unterredung klar geworden, wie grundlos der Verdacht gegen Arnold gewesen war. Jetzt drängte fie's mit einem Male in seine Arme. Laut aufschluchzend warf fie fich an feine Brust und gestand ihm unter heißen Tränen, daß fie selbst an feiner Unschuld hatte zweifeln müssen! Er küßte fie auf die Stim und sagte in tiefer Bewegung: „Wie leid eS mir tut, daß du Ursache hattest, an mir zu zweifeln!" Plötzlich hob er den Kopf. „Ja, gestehe, Ste phanie, und hatte man den Verdacht schon offen ausgesprochen?" „Ja, Arnold!" „Warum hat «an mich daun nicht vor gefordert — mich zur Verantwortung gezogen?" „Man wollte deiner noch in derselben Nacht habhaft werden, suchte dich in Hamburg, über all fahndete man nach dir ..." „Man hat — einen Steckbrief hinter mir erlassen?" „ES wird schon seit Wochen auf dich ge fahndet." „Aber du, Stephanie, du kanntest doch meinen Aufenthalt — auch Benjamin kannte ihn. Warum schriebt ihr mir nichts über die tragi schen Vorfälle — oder warum nanntet ihr der Behörde nicht mein Reiseziel?" Da fein Antlitz immer düsterer ward, um schlang sie ihn von neuem und schluchzte: „Ach, ich wußte mir ja keine Rettung mehr aus dem Wirrsal! Verzeih mir, Arnold, verzeih mir!... Verraten durste ich dich nicht; nein, hättest du auch das Verbrechen begangen, ich hätte dann doch Barmherzigkeit üben müssen, dich aus den Weg zur Buße führen, dich mit Gott versöhnen. Aber von deinem Stolz erhoffte ich, daß du auch ohne Zwang reuig vor deinen Richter hin- treten würdest. . ." « iS (Fortsetzung folgt.)
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