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Ottendorfer Zeitung : 01.06.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190606012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-06
- Tag 1906-06-01
-
Monat
1906-06
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 01.06.1906
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politische kunälckau. Le«tsch1a«d. * Der Kaiser ist von seinem Jagdaufent halt in Prökelwitz über Danzig, wo er dem Stapellauf des Linienschiffes „Schlesien" bei wohnte, und Marienburg, wo der Monarch die Burg besichtigte, wieder in Potsdam einge trosten. * DerKo lonialrat ist auf den 18. Juni einberufen worden. * Eine Abordnung des englischen libe ralen Jugendbundes wird demnächst Deutschland besuchen zum Studium derjenigen deutschen Einrichtungen, welche den englischen überlegen firw. * Eine Versammlung niederländischer Konsuln Westdeutschlands beriet in Aachen über einen engeren wirtschaftlichen An- schlußHollandSan Deutschland. Hoffent lich gelingt diesmal der schon oft gemachte Versuch und man läßt sich nicht wieder durch kleine Hindernisse, die dem Plane entgegen stehen, von den Vorarbeiten abschrecken. * Das Preuß. Abgeordnetenhaus hat das vielumstrittene Volksschulgesetz in dritter Lesung angenommen. *Der weimarische Landtag wird auf den 2. Juni zu einer kurzen Sitzung ein- berufen werden. Unter anderm kommt zur Vorlage die Auflösung der Landgerichts gemeinschaft mit dem Fürstentum Reuß j. L. * Die württembergische Kammer derStandesherren erledigte die Beratung der Verfassungsrevision und lehnte das von der Kammer der Abgeordneten be schlossene Erfordernis des Wohnsitzes der Standes- herren im Lande ab. * In den letzten Gefechten in Südwest - asrika wurden im ganzen 2 Offiziere, 17 Reitergetötet, 2 Offiziere und 19Reiter verwundet. Diese ungeheuren Verluste nehm im seltsamen Gegensatz zu allen beruhigenden Nachrichten, die in letzter Zeit vom Kriegsschau platz kamen. Die kleinen Erfolge, die unsere tapferen Truppen dort errnngen haben, scheinen nicht auszureicheu, um den überaus zähen Gegner zur endlichen Waffenstreckung zu ver anlassen. *Die kapländische Regierung ist von ihrer ursprünglichen Absicht, den gefangenen Jakob Morenga in Uppington zu inhaftieren, wo er nur zwei Tagereisen von der deutschen Grenze entfernt gewesen wäre, zurückgekommen und hat es vorgezogen, den einstigen Rebellen führer in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt der Kapkolonie festzusetzen. Wie eine Meldung aus Kapstadt besagt, wurde Morenga, der dort mit einem halben Dutzend Anhänger, von der Kappolizei begleitet, eintraf, sofort in daS Tokai- Gefängnis gebracht, wo er bis zur Herstellung des Friedens in der deutschen Kolonie ver bleiben wird. Von einem Gesuch aus Berlin um Auslieferung Morengas ist bisher in Kap stadt nichts bekannt geworden. ÖK<rrsich-U«gar«. * Der in Wien weilende ungarische Ministerpräsident Wekerle hatte mehrfach Konferenzen mit dem österreichi schen Ministerpräsidenten Prinzen zu Hohenlohe und dem österreichischen Finanzminister bezüglich der strittigen Fragen des Zolltarifs. Unter dem Vorfitz des Kaisers fand ebenfalls wieder eine Beratung statt, an der der Minister des Äußern, die beiderseitigen Ministerpräsidenten und der gemeinsame Finanz- Minister teilnahmen. Nach längerer ergebnis loser Beratung hat das österreichische Ministerium seine Entlassung ge nommen, weil der Kaiser die ZollbündniSsrage zugunsten Ungarns entschieden hat. Frankreich. * Der Ministerpräsident Sarrien kündigt zur Regelung der Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit ein Gesetz an, das erfüllt sein soll von dem vom Lande geforder ten Geist des Fortschritts. Man darf auf die diesbezügliche Regierungsvorlage gespannt sein, du de gegenwärtige Regierung in ihren Maß- K Vie Mage der Gerechtigkeit. 13) Roman von Maximilian Brhtt. Fortsetzung.) Haushofer schien nicht mehr wissen zu wollen. Er hatte sich, noch während sie sprach, erhoben und verabschiedete sich in warmem Ton. In trübem Sinnen blieb Stephanie allein, während Haushofer in Gemeinschaft mit dem Kriminalkommissarius einen neuen Lokaltermin vornahm. Zu Stephanies größter Qual klingelte eS fortgesetzt im Entree draußen durch Leute, die Gratulationen oder Kondolenzbriefe brachten — im tragischen Nebeneinander. Auch einige von den Gästen, die am Polterabend gestern teilgenommen hatten, stellten sich ein, um in Erfahrung zu bringen, wie das furchtbare Unglück entstanden und ob denn etwas Wahres an den Gerüchten über den Mordfall sei, die bereits durch die Stadt schwirrten. Stephanie ließ sich von niemand sprechen. Schließlich ordnete sie an, daß der Portier überhaupt keinen Fremden mehr ins HauS einließ. Die Erschütterungen und Aufregungen hatten sie w mürbe und schlaff gemacht, daß ihre Verwandten um ihren Zustand ernstlich besorgt wurden. Gegen Abend klagte sie über große Hitze und stechende Kopf- und Nackenschmerzen. Tante Gusti war verwirrter und nervöser denn je; sie trug mit ihrem fortgesetzten Jammern und Klagen nicht dazu bei, die Verhältnisse zu bessern. Stephanie suchte zeitig das Bett auf. nahmen weder Rücksicht auf die Rechte, noch auf die Linke, noch auf eine zwischen beiden mögliche Vereinigung zu nehmen nötig hat. Die Mehrheit hat sie in jedem Falle hinter sich. Schweiz. *Der Nationalrat hat namens des internationalen Friedensbureaus eine Zuschrift an Grey, den Sekretär der auswärtigen Ange legenheiten in London, gerichtet, in dem diesem gedankt wird, daß er im Unterhaus den Antrag annahm, welcher verlangte, man solle die Forderung einer Einschränkung mili tärischer Rüstungen in der nächsten Haager Konferenz unterstützen. Italien. *Die Ministerkrise ist noch immer nicht überwunden. Wenn auch als sicher ange nommen werden darf, daß Giolitti der Leiter des neuen Kabinetts sein wird, so verlautet doch immer noch nichts Gewisses über seine Mit arbeiter. Es scheint, als ob man diesmal die Frage der Kabinettsbildung mit besonderer Sorg falt behandelt. * Die für den W el t p o stko n gr eß be vollmächtigten Vertreter der Staaten unter zeichneten in Rom die neue internationale Postkonvention. Belgier». *Die Kammerwahlen haben den Liberalen einigen Stimmenzuwachs gebracht, werden aber das Stärkeverhältnis in der Kammer nicht wesentlich verändern. Schwede«. * Der Ministerwechsel vollzieht sich nicht ohne Schwierigkeiten. Der Telegraphen- dircktor Lindman findet augenscheinlich nur schwer die für ihn geeigneten Leute. Das hat seinen leicht erklärlichen Grund in den Partei- Verhältnissen, die im ganzen Verlaufe der schwedischen Geschichte — auch zu den glänzend sten Zeiten — heillose gewesen find. Norwege«. *DieBeisetzungHenrikJbsensist auf den 1. Juni verschoben. König Haakon wird an der Feier teilnehmen. Spanie«. * Der SekretSr des Prinzen Iayme von Bourbon ist in Barcelona ver haftet worden; weshalb, ist nicht bekannt. Rustland. * Das von der Regierung lange ver heißene Programm brachte nun endlich der Ministerpräsident Goremykin zur Verlesung. Man geht nicht zu weit, wenn man die Be hauptung aufstellt, das vom Zaren genehmigte Regierungsprogramm stellt zu den Forderungen der Duma im Gegensatz stehende Maßnahmen in Aussicht. Vor allem enthält die Programm rede Goremykins, deren Verlesung 17 Minuten dauerte, nicht ein Wort, die weitgehende vom ganzen Lande geforderte und erwartete Amnestie betreffend. Es kann nicht wunder nehmen, daß die Volksvertretung die Regierungserklärung mit eisigem Schweigen entgegennahm. Aber an die Verlesung schloß sich eine überaus heftige Debatte, in der alle Parteien gebieterisch den Rücktritt dieses unfähigen Ministeriums forderten. Die Mitglieder der Duma haben ihre Wahl kreise telegraphisch davon verständigt, daß die Regierung ihre Forderungen nicht erfüllen will. — Wie sich die Verhältnisse nun ent wickeln werden, nachdem der künstlich mit allen Mitteln aufgehaltenf Konflikt zwischen Volksvertung und Krone ausgebrschen ist, läßt sich schwer Voraussagen. Jedenfalls lauten die Ansichten der Mehrheit aller Duma-Abgeordneten entmutigt und völlig hoffnungslos. *Vor dem Gebäude des Verbandes deS russischen Volkes, eines patriotischen Vereins, auf dem englischen Prospekt, wo schon seit einigen Tagen kleine Reibereien statt fanden, kam es zu einem bIutigenZu sammenstoß. Als Arbeiter hier eine Protestkundgebung gegen diesen Verein veran stalteten, wurde Militär aufgebvlen. Sechs Arbeiter wurden erschossen. Dis Straße wurde sofort gesperrt. (Dieses neuerliche Blut bad wird die ohnehin gereizte St mmung des ' Volkes noch verschärfen.) i Aste«. * Nachrichten aus Peking besagen, der Kaiser von China sei schwer erkrankt, von andrer Seite wird behauptet, der Kaiser sei bereits gestorben, doch werde sein Tod aus Sicherheitsgründen geheim gehalten. (Solche Alarmnachrichten find schon öfter aufgetaucht, ohne daß fie sich bewahrheitet hätten. Man muß daher eine amtliche Bestätigung abwarten. Diese trifft allerdings gewohnheitsgemäß erst zwei bis drei Monate nach den Ereignissen ein.) * Iapan tritt mit seinen ostasiatischen Plänen immer unverhüllter he! vor. Nach amt lichen Meldungen aus Tokio soll in einem kürzlich abgehaltenen Staatsrat die dauernde Übernahme der mandschurischen Eisen bahnen beschlossen sein. Es ist nur fraglich, ob Japan noch in diesem Jahre die dann not wendige Anleihe wird aufbringen können. Aus clem Keickstage. Der Reichstag hielt am 26. d. nicht weniger als drei Sitzungen ab. In der ersten Sitzung wurde der Vertagungsantrag angenommen und der schweize rische Handelsvertrag in zweiter Lesung erledigt, ebenso in zweiter Lesung die Forderungen des Nach tragsetats, soweit sie nicht die Kolonien betrafen. Die zweite Sitzung brachte die definitive Verab schiedung deS schwedischen Handelsvertrages, worauf lebhafte Debatten über die wesentlichsten Forderungen des NachtragSetats für Südwestafrika folgten. Die Budgetkommisston hat u. a. die 5 Millionen für den Bahnbau Kubub—KeetmanShoop gestrichen sowie die Zehnmillionenforderung sür die Farmer- cntschädigung. Der stellvertretende Kolonialdirektor Erbprinz zu Hohenlohe, sowie der Oberst v. Deim ling und die Vertreter der Rechten und National liberalen verteidigten die Regierungsforderungen, deren Ablehnung gleichbedeutend sei mit dem Auf geben der ganzen Kolonie, während das Zentrum und die Links sich nach wie vor ablehnend ver hielten. Bei der Abstimmung wurde die Forderung mit 186 gegen 95 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen abgelehnt. Auch die Forderung für die Farmer wurde abgelehnt. In der dritten Sitzung wurde eine Anzahl von Etats nach unerheblicher Debatte bewilligt. Dagegen wurde der Etat des Reichs kolonialamts abgelehnt. In namentlicher Ab stimmung wurde der Titel „Staatssekretär" mit 142 gegen 119 Stimmen bei 9 Enthaltungen ab gelehnt. Ein Antrag Gröber, nunmehr den Posten eines Unterstaatssekretärs mit einem Gehalt von 25 000 Mk. zu schaffen, wurde schließlich zurück gezogen, worauf auf Vorschlag deS Präsidenten die Sitzung vertagt wurde. Am Montag wird die dritte Etatsberatung fortgesetzt beim Kolonialetat. Eingegangen ist ein Antrag des Abg. Gröber (Ztr.), der für daS Amt deS Kolonialdirektors ein Gehalt von 20 000 Mk. anSWirst und im übrigen die Etatspositionen nach den Beschlüssen zweiter Lesung in den Etat des Auswärtigen Amte» einstellen will. Präsident Graf Ballestrem: Vorgestern ist bei der dritten Beratung die Stelle des ReichS- staaiSsekretärS sür das Kolonialamt nicht bewilligt worden. Infolgedessen ist der Etat des Kolonial amts hinfällig geworden, soweit er darauf begründet war, daß ein selbständiges Kolonialamt geschaffen werden sollte. Mit der Streichung der Position „Staatssekretär" ist auch da» Kolonialamt gefallen. Dadurch entstand ein Vakuum, da kein Antrag vor lag, welcher dies Vakuum auszufüllen bestimmt war. Wir mußten deshalb unsre Beratungen abbrechen. Heute liegt der Antrag des Abg. Gröber vor. Wenn daS Haus damit einverstanden ist, werde ich diesen Anttag, von dem ich anzunehmen Grund habe, daß er sehr sachverständig geprüft ist, der Beratung zu grunde legen, wie das bei den Beschlüssen zweiter Lesung geschieht. DaS HauS beschließt demgemäß. Abg. Bassermann (nat.-lib.): Meine poli tischen Freunde waren einmütig der Meinung, daß die Vorschläge der verbündeten Regierungen, ein selbständiges Kolonialamt zu schaffen, das getragen würde von dem Verantwortlichkeitsgefühl einer selbständigen Verwaltung, Annahme hätten finden müssen. Nachdem die Mehrheit des Hauses dies nicht gewünscht hat und wir im Einverständnis mit' den verbündeten Regierungen die gegenwärtige Organisation für unzureichend erkannt haben und nicht gewillt sind, für die Fortdauer die Verant- wortrmg zu tragen, sind wir nicht in der Lage, dem Antrags Gröber zuzustimmen, werden uns viel mehr bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Abg. Spahn (Zentr.): Dem Anträge Gröber müßte schon deshalb zugestimmt werden, um den Beamten ihr Gshalt auszablen zu können. Ich stelle anheim, ob der Beschluß des Reichstages erwünscht war oder nicht; wir müssen mit der vollzogenen Tatsache rechnen, und da ist zu bemerken, daß in dieser Legis laturperiode der Titel abgetan ist und in dieser Legislaturperiode nicht wierderhergestellt werden kann. Wenn unS etwas zu unsrer Stellungnahme zu dem Titel veranlaßt hat, so find es die Ver handlungen des Hauses am Sonnabend gewesen. Wir waren doch sehr überrascht, als auch Herr Oberst v. Deimling von seinem Zusammenhänge der Zurückziehung der Truppen und Bewilligung der Bahn erzählte, und wir hätten gewünscht, daß der Stellvertreter des Reichskanzlers seine Stellung zu dieser Frage gekennzeichnet hätte, daß er von einer solchen Abmachung nichts wisse. Auch Erbprinz zu Hohenlohe müßte sich überlegen, daß gegenüber dem Opfer an Menschengut und Blut, das gebracht wird, wenn mehr Soldaten draußen bleiben, als un bedingt nötig ist, die paar Kilometer Bahn gar nicht in Frage kommen. ES sprechen noch die Abgg. v. Richthofen (kons.), Müller-Sagan (frs. Vp.), v. Tiede mann (frctk.l, L a ti m ann (Antis.), Schrader (frs. Vgg.), Semler (nat.-lib.), Singer (soz.), Haußmann (südd. Vp.), Zimmermann (Antis.) und Gröber (Zentr.). Die Führer der Reichspartei und der Konservativen erklären, daß fie ebenso wie die Nationalliberalen sich der Stimme enthalten würden. Die beiden freisinnigen Frak tionen und die Antisemiten werden für den Antrag Gröber stimmen, Abg. Krüger auS prinzipiellen Gründen gegen die ganze Forderung. Staatssekretär Graf PosadowSky greift zu Wiederholten Malen in die Debatte ein und ver teidigt den Oberst v. Deimling, der ein Soldat und kein Diplomat sei. Abg. Semler teilt mit, der Erbprinz zu Hohenlohe habe ihm erklärt, der Kaiser würde 5000 Mann zurückziehen, wenn der Bahnbau bewilligt würde. Staatssekretär Graf PosadowSky bestreitet, daß von irgend einer Sette ein Handel beabsichtigt sei und die Zurückziehung von 5000 Mann als Preis für den Bahnbau in Aussicht gestellt worden sei. Die Abstimmung ist auf Antrag Bassermann eine namentliche. Der Antrag Gröber wird mit 117 gegen 64 Stimmen bei 91 Stimmenthaltungen an genommen. Der Rest deS Etats wird debatteloS bewilligt. — Beim Etat für Ostafrika kommt Abg. Arendt (freikons.) auf den Fall Peters zurück. Er behauptet, daß Herr v. Wißmann die Handlungsweise Peters' entschuldigt habe. Württembcrgischer BundeSratSbevollmächtigter v. Schneider: Ich stelle fest, daß Gouverneur v. Puttkamer den württembergischen Orden schon im Juni 1905 bekommen hat, also vor den Kolonial debatten. Abg. Erzberger (Zentr.): Ich freue wich, daß die württembergische Regierung den „Schwaben streich" nicht begangen hat. Ich erfuhr erst im April durch dis Veröffentlichung im .Kolonialblatt' davon, und da ich in Ordenssachen nicht bewandert bin — ich werde mich auch in Zukunft nicht mit Ordenssachen beschäftigen — ist mein Irrtum er klärlich. Ich entnehme übrigens der Erklärung, daß die württembergische Regierung dem Herrn von Puttkamer jetzt keinen Orden mehr bewilligen würde. Der Etat von Kamerun wird bewilligt und debattelos der Etat von Tog o. ES folgt der Etat für S ü b w e st a fri ka. Hierzu beantragen Albrecht und Gen. (soz) folgende Resolution: Den Reichskanzler zu ersuchen, er wolle dafür sorgen, daß in der Kolonie Süd- Westafrika den Eingeborenen ein zu ihrem Lebens unterhalt in selbständigen Wirtschaftsbetrieben aus reichender Landbesitz zugcsichert werde, um auf dieser Grundlage die Rückkehr friedlicher Zustände in der Kolonie und die schleunige Zurückziehung der dort bisher zu kriegerischen Operationen erforderlichen Truppen zu ermöglichen. Die Resolution wkd. nachdem die Abg». Lede- bour (soz.) und Müller- Sagan (frs. Vgg.) fie befürwortet haben, angenommen. Ferner wird eine Resolution des Abg. Müller-Fulda (Zentr.) an genommen, nach der dem Reichstag alsbald ein Nachweis über die Verwendung der 5 Mill. M'- Anfiedlerunlerstützungen, die bereits bewilligt find' zu geben ist. Damit ist die Etatsberatung erledigt. Präsident Graf Ballestrem erbittet und er hält die Ermächtigung, Tag und Tagesordnung der nächsten Sitzung anzufetzen. . Abg. v. Kardorff (frei!., zur Geschäftsordnung) dankt dem Präsidenten für die unparteiische, gerechte und taktvolle Leitung der Geschäfte. Präsident Graf Ballestrem erteilt de« Staatssekretä Graf PosadowSky da» Wort. M Sozialdemokraten verlassen den Saal.) . „ Staatssekretär Graf PosadowSky verliest die Kaiserliche Botschaft, durch die der Reichstag bis zum 13. November vertagt wird. ... Präsident Graf Ballestrem schließt die Sitzung mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser. DemeliuS, den Benjamin rufen ließ, vermochte kein akutes Leiden festzustellen. Aber waS viel schlimmer war, er fürchtete für Stephanies Ge mütszustand. Für Benjamin war es unter solchen Um stünden eine schwere Aufgabe, sich von Hause losreißen und an dem von den ehemaligen Untergebenen KalwodaS besonders zahlreich be- suchten Leichenbegängnis seines Schwagers teilnehmen — ja, mit seiner Person allein die Hinterbliebene Verwandtschaft vertreten zu müssen. Seine tränenreiche Ergriffenheit bewies allen, wie innig er an Kalwoda, der ihm ein auf opferungsvoller Wohltäter gewesen war, ge hangen hatte. In den nächsten vierzehn Tagen, während deren sich Benjamin mit seiner Tante in rüh render Weise in die Pflege Stefanies teilte, rückte der Stand der Untersuchung in der dun keln Angelegenheit nicht um Haaresbreite vor wärts. Natürlich hatten sich auch die Zeitungen in der ersten Woche deS sensationellen Stoffes bemächtigt. Benjamin las jede Notiz darüber, fie mit Fräulein von Reck eifrig besprechend. Die Tatsache, daß auf den Ingenieur Struck alS den mutmaßlichen Täter gefahndet wurde, hatte bis jetzt aber noch keines der Blätter ge bracht. Das Gericht betrieb die Nachforschungen nach dem Verbleib des Flüchtlings ganz im geheimen. Der Staatsanwalt war kein Freund der Preffe, deren Aufgabe und Unterstützung in derlei Verfolgungssachen er sehr gering schätzte. Er sprach in intimem Kreise sogar die Ansicht auS, die alarmierenden Zeitungsberichte seien viel eher geeignet, den Täter zu warnen, als zu seiner Festnahme beizutragen. Da keinerlei Notizen über die Weiterverfolgung der Angelegenheit in die Presse gelangten, so nahm man im Publikum alsbald an, die ersten Sen sationsberichte über einen Mord seien aus der Lust gegriffen gewesen. Man glaubte vielmehr der wenige Tage später anftauchenden Meldung: der Rentier Franz Kalwoda, der ehemalige Besitzer der bekannten Zentralbieibrauerei, habe an jenem Abend in einem plötzlichen Anfall von Schwermut selbst Hand an sich gelegt. Ja, es fanden sich sogar Leute, die kurz vor der Katastrophe eine ganz auffällige Gemütsdepresfion an ihm wahrgenommen haben wollten. Am meisten verwunderten sich Behrs und die Portiersleute, daß von feiten des Gerichts anscheinend so gar nichts geschah, um den Fall weiter zu verfolgen. Sie merkten aber wohl, daß die Sache doch noch nicht ganz nieder geschlagen war, denn die Vernehmungen durch den Kriminalkommissar Körfer und den Untersuchungsrichter Haushofer dauerten noch immer fort. Auch Eckenbrecher, der inzwischen wieder nach Neu>Ruppin Mück gereist war, wurde noch einige Male vorge- laden. Nur langsam erholte sich Stephanie wieder. Demelius hielt eine Lust- und Ortsverände- rung sür unerläßlich. Stephanie würde durch den Aufenthalt im Hause hier täglich von neuem sn die Katastrophe erinnert werden. Er empfahl der Genesenden daher, ihren Wohnsitz sür die nächsten paar Monate nach dem Süden zu verlegen. Stephanie hatte, sobald fie wieder Henw ihrer selbst geworden, in fortwährend» nervöser Unruhe nach Arnold gefragt. er sich freiwillig gestellt habe — ob mA seinen Aufenthaltsort in Erfahrung gebrE Kade — daS waren ihre täglichen Fragen an Beniamin. . Ler Bruder konnte, der Wahrheit ein sprechend, ihr nur mitteilen, daß man bis E Stunde die Spur deS Flüchtlings noch "ich' aufgefunden hatte. Er knüpfte aber daran stets die dringende Bitte, den quälenden Rätseln der Vergangenheit nicht länger nach-"' hängen, und — den Weisungen des ArM folgend — an die Abreise zu denken. Doktor Demelius das Mitkommen deS UM wandten und dabei noch selbst stark netlE Fräuleins von Reck für unzweckmäßig hatte, so erbot sich Benjamin, seine Schwefle zu begleiten. . „Ich hielte eS M daS beste, wir M" nach Triest. In Abazzia oder einem ande Winterkurort — vielleicht auf einer der IM' des Adriatischen Meeres — würdest du a« leichtesten der trüben Zeit vergessen könE' Meinst du nicht auch, Stephanie?" fragte er d eines TageS, alS Demelius seine Forderns noch bestimmter wiederholt hatte. . Stephanie hatte keine besonderen Wünsche' dieser Hinsicht. Höchstens, daß sie den Golf v" Genua bevorzugte. Überrascht blickte Benjamin auf, § Stephanie das aussprach. „Nun, du dachtest doch so wie so daro/ deinen Wohnsitz dahin zu verlegen. Wenn
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