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X Graf Pnckler auf Urlaub! Graf Wickler, der zurzeit in Weichselmünde eine sechs monatige Festungshaft zu verbüßen hat, ist dieser Tage mit kurzem Urlaub zum Besuche auf seinem Gute Klein-Tichirne in Nieder- schlefien eingetroffen. Die Veranlassung hierzu ist zweifellos in dem Großfeuer zu suchen, von dem kürzlich das gräfliche Besitztum heimgesucht wurde. Bei dieser Gelegenheit machte der Graf die unliebsame Entdeckung, daß während oder na» dem Brands ein Einbruch in seinen Weinkeller verübt und dieser um ein bedeutendes seines Inhalts erleichtert worden ist. Infolge dessen hat sich der Gutsherr veranlaßt gesehen, seinem Inspektor sofort die Stellung aufzu kündigen. Das Schleppenverbot i« Nordhanse«. Der Stadtrat von Nordhausen hat in diesem Jahre zu Beginn der besseren Jahreszeit wieder wie im vorigen unter Androhung hoher Geld- oder Haftstrafen jedes Schleppentragen inner halb des Stadbezirkes verboten. Dem Beispiele Nordhausens find im vorigen Jahre verschiedene Städte und Bäder gefolgt. Wieder vier Leichen von „8. 126" geborgen. Bei den Arbeiten zur Bergung des Anfang Dezember vorigen Jahres ge sunkenen Torpedobootes „8. 128* ist es ge lungen, weitere vier von den noch im Boote befindlichen 21 Leichen zu bergen. Ei» Anzug für eine« Zrhnpfesnig- schnaps. Ein in der Brauerstraße in Ham burg wohnender, 25jähriger Eisenbahnarbeiter stahl seinem Logiswirt einen neuen Jackett- Anzug im Werte von 62 Mk. Als ein Pfand leiher für den Anzug nichts geben wollte, weil der Versetzer keine Legitimationspapiere bei sich führte, verkaufte der Dieb den Anzug in der Nisdernstraße an einen Unbekannten für w Pfennig, um sich für diesen Betrag einen Kümmel zu kaufen. Kaum hatte er den Schnaps getrunken, da erschien sein Logiswirt m der Wirtschaft und ließ den Mann ver haften. Man fand bei dem Festgenommenen noch vier Pfandscheine, die ebenfalls von ge stohlenen Sachen herrühren. Ei« entsetzliches Unglück ist wieder ein mal durch leichtsinniges Umgehen mit Schuß- wassen entstanden. In Bischhausen bei Esch- wege schoß ein 16 jähriger Junge mit einem Tssching nach Spatzen. Eine Kugel blieb noch im Lauf. Da stellte der Unvorsichtige den Lauf auf die Erde, richtete die Mündung auf seinen Mund, um den Schmutz aus dem Laufe heraus zu blasen. Da entlud sich das gespannte Gewehr, und die Kugel drang dem Unglück lichen in den Gaumen. ES folgte ein starker Bluterguß und bald brach der Schwerverletzte bewußtlos zusammen. Er wurde nach Eschwege in daS Krankenhaus geschafft; eS besteht leider leine Hoffnung auf Erhaltung deS Lebens. Selbstmord. Der Bahnmeister Glamann aus Pr.-Stargard erschoß sich in einem Gast hofe zu Danzig. Die Gründe zur Tat find unbekannt geblieben. Ei« schweres Pistoteuduell fand in Wilhelmshafen bei Breslau statt. Nach einer Meldung des ,Bcesl. G.-Anz.' waren die beiden Duellanten ein auswärtiger Kavallerieoffizier und ein Breslauer Rschtskandidat. Im zweiten Gange wurde der Leutnant durch einen Schuß in den Unterleib kamvsuniähig gemacht. Sein dustgnd gilt als hoffnungslos. Veranlassung Mm Zweikampf war ein in einem Breslauer Restaurant entstandener Streit wegen einer Chansonette. Bon zwei russischen Studextrn er mordet wurde in München der »tnä. inx. Martin °us Gleiwitz in Oberschlefien. Ms dieser in der Nacht zum Sonntag mit einer jungen Dame . bon einem Vergnügen nach Hause zurückkehrte, Kurde er von den beiden Russen, die auf ihn Lelauert hatten, auf der Straße niedergeschossen. Die Täter wurden verhaftet. Das Motiv zu dem Verbrechen ist vermutlich Eifersucht. . Lachende Erben. In Metz starb vor einiger Zeit eine alte Frau, dis anscheinend ärmlichen Verhältnissen lebte. Ihr geringer Nachlaß wurde in Ermangelung von anwesen- den Erben in gerichtliche Verwahrung genommen. MS sich endlich einige entfernte Verwandte meldeten und das Zimmer, in dem die Alte ge haust hatte, enstegelt wurde, fand man mallen Ecken und Winkeln versteckt in Gold und Papier die Summe von reichlich 150 000 Mk. vor. Ai« Attentat auf einen General wurde in Paris verübt. In der Nacht überfiel ein Unbekannter den greisen General Caffarel und versetzte ihm einen Dolchstich. Caffarel wurde erheblich verletzt und ließ sich nach dem Hospital brinoen. Billige Reise. Bei der Ankunft deS Orient-ExpreßzugeS auf dem Ofibahnhofe zu Paris wurde nach dem ,B. L.-A/ ein zwanzig jähriger Bursche aufgefunden, der zwischen zwei zur Küche des Speisewagens führenden Heiz gendeS bekanntgegeben: Bei dem wachsenden Andrang genügen die vorhandenen Säle nicht mehr, so daß man in der nächsten Zeit daS Rauchzimmer und die Erfrischungsräume, die vor zwei Jahren angebaut wurden, in Spiel söle verwandeln werde. Für diese Nmeinrich- tung find 650 000 Frank ausgesetzt. Die Ein nahme belief sich 1905/06 auf 37 702 000 Frank, 3 797 000 Frank mehr als im Vorjahre. Nach Abzug aller Kosten blieb eine Summe von 19 819 810 Frank übrig, von welcher eine Divi dende von 325 Frank per Aktie, zusammen 19 500 000 Frank, ausgezahlt wird. Der Rest wird als Guthaben der Bank auf daS neue Geschäftsjahr übertragen. W« Denkmal am Vesuv. Wie au? Auf der Ausstellung in Mailand paradiert auch ein Teil der Luftschifferabteilung des preußischen Gardekorps. Man kann überzeugt sein, daß diese Elitetrupps im eigentlichsten Sinne deS Wortes auf alle Besucher der Ausstellung den denkbar besten Eindruck machen wird. Und zwar nicht nur in aeronautischer Beziehung, sondern sie wird den Nie äeMfcke in ^lsilanä. Besuchern der Ausstellung, die dorthin aus allen Teilen der Welt zusammen strömen, auch den Be weis erbringen, daß die Strammheit und Exaktheit, durch die die deutsche Armee und mit ihr das Vaterland groß geworden sind, immer noch in alter Kraft vorhanden sind. Gerade in unsrer heutigen Zeit dürste das nicht ohne Nutzen sein. rohren lag Md schlief. Es ergab sich, daß der junge Mensch Dimitri BuzilaS heißt und sich in Konstantinopel in den Zag eingeschlichen hatte. Die Spielgesellfchast von Monte Carlo. Die Spielgesellfchast von Monte Carlo hat fol Neapel berichtet wird, soll der Besuch des Königs Eduard in der Vesuo-BeoSachtungSstation durch dis Anbringung einer Marmortafel der Nach welt überliefert werden. Eine Inschrift hebt die Tatsache hervor, daß der König der erste Herrscher war, der dem Krater eines Vulkan» kurze Zeit nach einem großen AuSbruch so nahe gekommen ist. Tragischer Tod eines Schweizer Ge lehrte». Der Professor der Universität Lau sanne, Dr. Eugöne Renevier, ist infolge eines Sturze» aus dem Fahrstuhl gestorben. Der Verunglückte war Präsident der schweizerischen geologischen Gesellschaft und Mitglied der Simplonkommisston. Der Weltrekord für drahtlos« Tele graphie übertroffen. Der in Plymouth (England) angekommene Dampfer „Deutschland^ der Hamburg-Amerika-Linie hat den Wütrekord für drahtlose Mitteilung auf atlantischer Fahrt übertroffen. Am Donnerstag um 6 Uhr früh erhielt die „Deutschland* eine drahtlose Mit teilung von Clape Clod anS einer Entfernung von 2200 Meilen. Das Schicksal des deutsche« Dampfer* „Soerabaya", der zuletzt in den sibirischen Gewässern Frachtfahrten unternommen hatte und seit längerer Zeit vermißt wurde, ist jetzt be kannt geworden. Das große Schiff ist unweit der Amurmündung in Eis geraten und die ge samte Mannschaft aus Mangel an HeizungS- material und Nahrung zugrunde gegangen. Eingeborene fanden das Schiff völlig in EiS gelagert auf. Et« amerikanisches Schlachtschiff g«. sträubet. Das amerikanische Schlachtschiff „Rhode-JSland" strandete in der Chesapeake- Bucht. Alle Versuche, es flott zu machen, find bisher erfolglos geblieben. E n großes Eisenbahnunglück ereignete sich in Psnwylvanien (Amerika). Bei einem Zusammenstoß von zwei Zügen auf der nach dem Städtchen Petersburg führenden Linie wurden vierzehn Personen getötet und fünfzig verletzt. Drei Stunden vorher wurden auf der Hauprlinie der Pennsylvania-Bahn 27 Waggons zertrümmert. Mißverstandene Instruktionen find die Ursache bei beiden Unfällen. Gericktskalle. Frankfurt a M. Der Bauunternehmer Adolf Grimm hatte beim Eintausch seiner Liegenschaft in Hochheim gegen ein Wohnhaus in der Berger straße im Vertrage das Mieterträgnis seines Hauses um die Hälfte zu hoch angegeben, sowie unwahre Angaben über die Höbe des Zins fußes bei der mitzuübernehmenden Hypothek ge macht. Wegen versuchten Betruges — der Vertrag wurde vom Oberlandgericht für nichtig erklärt — erkannte die Strafkammer auf 3 Monat Gefängnis. Halle a. S. Ein Prozeß wegen unlauteren Wettbewerbs zwischen hiesigen Zeitungen beschäftigte die Kammer für Handelssachen. Der Verlag der .Neuen Halleschen Tageszeitung' (Zentralanzeigers klagte gegen die ,Hallesche Allgem. Zeitung' aw Unterlassung der Anzeige, die .Allgem. Zeitung' sei die billigste hiesige .Zeitung', da der .Zeniralanzeiger' den niedrigsten Abonnements» ' Preis habe. DaS Gericht stellte sich indessen auf den Standpunkt des Beklagten; die Bezeichnung „bil ligste Zeitung" sei nicht zu verstehen als Zeitung mit dem „niedrigsten" Abonnementspreis, sondern in relativem Kinne; sie beziebe stch nicht nur auf den Preis, fordern auf daS, was für den Preis geboten werde, und in dieser Hinsicht stehe die täglich zwei mal und auch vormittags erscheinende weit umfang reichere .Allgemeine Zeitung', dem nur einmal und nur sechsmal wöchentlich erscheinenden .Zentral anzeiger' voran. ES wurde deshalb aus kosten pflichtige Abweisung der Klage erkannt. buntes Nus der Sommerfrische. Zählkellner (zur Kellnerin): „Heul' speisen der Hoftat Müller nnd der Privatier Schmutzer! zum letztenmal bei uns. Stellen S' dem Schmutzer! g'fchwirck a' paar Blumen aus'n Tisch; . . . beim Hofrat iS's net no-wendig — der gibt so auch a' Trinkgeld I* Unter Backfische«. Ella: „. . . . Papa hat mir strengstens verboten, die Hintertreppe zu benützen, weil ich dort neulich von einem Herrn geküßt worden bin!" — Hedda: „Ja, warum bist du auch so dumm und erzählst d«8 deinem Papa?!" staden zu erkennen, daß sie einander schon vorher auf dem Bahnhof gesehen hatten. Arnold war bei der Begrüßung der Eintreten- ven sehr zerstreut. Tante Gustl musterte ihn sogleich mit argwöhnisch forschendem Blick. Auch Stephanies Bruder schien seine Anwesen heit nicht allzu sympathisch, denn man hatte noch allerlei Details für die Festtage zu be sprechen. Franz Kalwoda, der in dem modischen An- Mg, mit dem wohlgepflegten blonden Henry duatre, fast verjüngt aussah gegen früher, trotz dem sich sein Scheitel inzwischen bedenklich ge achtet hatte, war noch der Liebenswürdigste von Aen. „Ich nchne bestimmt darauf, daß wir unter den Hochzeitsgästen sehen, Herr Agenieurl Nicht wahr, Sie nehmen an? Als alter Freund und Hausgenosse . . .1" Er tlopste dem Seemann in seiner gutmütigen Art °uf die Schulter. „Morgen abend acht Uhr hier zum Polterabend — übermorgen um vier A die kirchliche Trauung in der Charlottenburger «chloßkirche. Danach daS Diner im Kaiserhof. *^^n darf ich den Wagen schicken?" Er hatte schon sein Notizbüchlein gezogen ; dann brach er lächelnd ab: „Aber richtig, Sie haben ja droben ihr ^tes Zimmerchen, Stadelmann sagte mir .. Tante Gusti, die ein paarmal verlegen ge- Wek hatte, fiel nun in ihrem etwas spitzen ^on ein: „Der Urlaub wird doch reichen, Herr Ingenieur?" Arnold lehnte nicht direkt ab, empfahl sich «der gleich darauf. Stephanies Hand behreU er länger als nötig m der srmen. Sowohl Benjamin als auch die Tante bemerkten daS. Der Bruder begleitete den Besuch, ein gleich gültiges Gespräch über die Seereise ausnehmend, zur Korridortür. Draußen im Gang, als Benjamin ihm schon zuvorkommend die Tür geöffnet hatte, wandte sich Arnold dem jungen Mann plötzlich voll zu und sah ihm mit forschender Strenge ins Antlitz. „Herr Plügge," redete er ihn dabei in ge dämpftem, aber scharfem Ton an, „ich habe ge hört, daß Sie mit Kapitalieu an der „Levan- tina" beteiligt find?" „Allerdings — großartiges Unternehmen." Er verstummte vor dem immer ernster und drohender werdenden Blick des andern. „Seltsam, Herr Plügge, daß mir mein Freund Ermete Bonziani vor neun Tagen, als ich ihn in Genua besuchte, nichts davon gesagt hat." Der junge Mann hatte den fiegesficheren, überlegenen Ausdruck sofort verloren. „Bon ziani ist — Ihr Freund?!" stammelte er. „Allerdings, Herr Plügge. Und er hat mich zum technischen Direktor der neuen Schiffs- gesellfchrst ernannt." Benjamin sah sich hastig und scheu um. „Herr Struck — ich muß — ich habe ... Ich weiß nicht, durch wen Sie erfahren haben, daß mein Schwager. . ." „Ich erwarte Ihren Besuch, Herr Plügge. Heute noch." Der junge Plügge warf ihm einen ver zweifelten Buck zu. „Laß das auch gerade jetzt. . „Ich bleibe droben, bis Sie kommen." „Es geht heute nicht, Herr Struck I Rach dem Fest will ich Ihnen über alles Aufschluß geben. Aber jetzt, wo ich alle Hände voll zu tun habe . . „Ich erwarte Ihren Besuch — heute noch!" wiederholte der Ingenieur streng. „Kommen Sie nicht — so empfängt Ihr Schwager morgen den meinen!" Sie standen einander einen Moment gegen über, Äug' in Äug'. Dann verließ Arnold die Plüggesche Wohnung. 3. In seinem Zimmer wieder angekommen, ging der Ingenieur mit großen Schritten auf und nieder. Wenn sein Verdacht zvtraf, daß Benjamin seine Schwester, die im Begriffe war, seiner Karriere ihr Lebensglück zu opfern, belogen und betrogen hatte, dann sollte ihn nichts, nichts davon abhalten, Stephanie die Augen zu öffnen und zugleich seine eigene Liebe ihr zu gestehen. In der vorhin beendigten Unterredung war es ihm mit voller Klarheit aufgegangen; Ste phanie hatte ihn heimlich geliebt — ebenso innig wie er sie. Sicherlich Halle sie immer und immer auf seine Erklärung gewartet, nicht ahnend, welcher Zwang ihm Schweigen ab forderte. Schließlich hatte sie glauben müssen, daß er eine andere liebte . . . ... Es war stockdunkel geworden; Ben jamin batte sich aber noch immer nicht bei ihm blicken lassen. Endlich — es schlug gerade neun Uyr — klopfte es au seine Tür. Das Plüggesche Stubenmädchen stand draußen mit einem Briefchen vom jungen Herrn. „Warten Sie einen Augenblick!" sagte er mit unsicherer Stimme. Rasch trat er inS Zimmer zurück, Holle die von der PortierSftau sorgsam in Ordnung gebrachte Lampe und machte Licht. Mit nervös zitternder Hand riß er den Umschlag auf und überflog das Kärtchrn. „Er könne, ohne Aufsehen zu erregen, heute abend nicht mehr kommen," schrieb Benjamin. „Aber morgen früh, bevor ich als Trauzeuge mit zum Standesamt fahre, suche ich Sie droben in Ihrer Wohnung auf," lautete der Schlußpassus deS Btlletts, „nur jetzt beschwöre ich Sie, nichts zu unternehmen, was imstande wäre, das Glück meiner Schwester zu trüben!" Arnold lächelte bitter vor sich hin. Ste phanies Glück! „Ist Besuch unten?" fragte er daS Mäd chen, fest entschlossen, Benjamin zur sofortigen Aussprache zu zwingen. Das Mädchen schüttelte verwundert den Kopf. „Die Herrschaften find fortgefahren. Sie wollten im Restaurant speisen. Um elf Uhr soll gehen, sagte Fräulein von R»ck, für den Fall, daß es vielleicht später werden würde." Arnold entließ das Mädchen. Nach einer schlecht verbrachten, durch wirre Träume vielfach gestörten Nacht erhob er sich zeitig. Im ganzen Hause herrscht schon große Unruhe. Als er über die Treppe schritt, um sich bei Frau Stadelmann das Frühstück zu bestellen, sah er dre Tür zur PlüggeA.u Wohnung wett geöffnet. G 4 (Fortsetzung folgt.)