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Ottendorfer Zeitung : 20.05.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190605204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060520
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060520
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-05
- Tag 1906-05-20
-
Monat
1906-05
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 20.05.1906
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U«wet<erschSde«. AuS vielen Gegenden im Reiche treffen andauernd Nachrichten über schwere Unwetter ein, die großen Material schaden anrichten und auch Opfer an Menschen leben gefordert haben sollen. Furchtbare Un wetter suchten die Umgegend von Trier heim. In dem weingesegueten Ruwertal haben die Rebentri'ebe so stark durch den Hagel gelitten, daß die Aussichten auf eine reiche Ernte ge schwunden find; ebenso hart ist die Obstblüte betroffen. In der Saargegend haben die Feld- srüchte besonders gelitten; stellenweise find ganze Felder abgeschwemmt. Zahlreiche Ge- bLud» wurden durch Blitzschläge eingeäschert. — Uber einen großen Teil Unterfrankens, namentlich den Haßgau, den Kitzingergau und den Ochsensuuergau gingen heftige Gewitter mit Hagel nieder und richteten großen Schaden in den Weinbergen, der Wintersaat und den Obstgärten an. Es find Menschen in dem Sturm umgekommen; auch hat der Blitz viele Anwesen in Asche gelegt und Vieh erschlagen. — In München-Gladbach wurden infolge eines woltenbruchartigen Gewitterregens die tiefer liegenden Stadtteile erheblich überschwemmt. Im Alsgebiet standen die Erdgeschosse mehrerer Häuser unter Wasser, so daß die Feuerwehr eingceifen mußte. Auch hier kamen vier Per sonen ums Leben. X Kaiserliche Guaveugeschenke. Bei dem Blitzstrahl, der, wie kürzlich gemeldet wurde, in die dem Kaiser gehörige Hohkönigsburg ein schlug, wurden die Maurer Jessel auS Schlett- stadt und Meyer auS Kinzheim leicht verletzt. Äuf Befehl des Kaisers ist den beiden Maurern aus den Einnahmen des Eintrittsgeldes für die Besichtigung der Burg eine Unterstützung von je 300 Mk. durch die Bauverwaltung aus gezahlt worden. Die Graickstarre nimmt in Essen einen bedrohlichen Umfang an. Allein in der Ge meinde Hamborn wurden bis jetzt 97 Todes- Me festgestellt. Racheakt eines Kellnerlehrling». In Magdeburg überfiel ein vierzehnjähriger Kellner- i-hrlmg in einem dortigen Hotel einen andern Kellner im Schlaf und brachte ihm mit einem Messer tiefe Schnittwunden am Halse bei. Der aus das Geschrei deS Überfallenen zu Hilfe «lende Oberkellner wurde von dem Wütenden ebenfalls schwer am Arm und Kopf verletzt. Der Täter entfloh durch daS Fenster und konnte bis jetzt nicht gefaßt werden. ES handelt sich ohne Zweifel um einen Racheakt. Vor de« NaKsteU««g<» des Stief- varrr« flüchtete sich in Habinghorst bei Dor.mund die Stieftochter des aus Böhmen stammenden Bergmanns FranzooS zu ihrem Onkel. Als dieser sich weigerte, daS Mädchen derauszugeben, wurde er von Franzoos er stochen. «m Kampf auf Lede« uud Tod hat uch in den Wäldern des hessischen Hinter-« indes zwischen Battenberg und Bromskirchen «dgejpielt. Eine Zigeunerbande machte schon längere Zeit die Gegend unsicher, darunter ein Mann, der wegen Mordverdachts vergeblich v-isolgt wurde. Weil es der Bande immer gelang, zur rechten Zeit zu entwischen, hatten stch fünf Gendarmen mit den Bewohnern der Umgegend zur Verfolgung zusammengetan, schließlich fand an der Grenze zwischen Kur hessen-Nassau und Westfalen ein wahres Kessel- treiben statt. AIS ein Frankenberger Gendarm sich anschickte, den verdächtigen Zigeuner fest- zuuehmen, schlug ihn dieser zu Boden und hieb mit einem Schlagring auf ihn ein. Auf das Wegeschrei des Beamten eilte der Bürger meister aus Wangershausen herbei und lötete Mit einem wohlgezielten Schutz den Zigeuner. Fleisch von der Freibank. Infolge Ge- "usscs von Kubflttsch aus der Freibank find >u Rheinberg der Köln zahlreiche Leute aus den ärmeren Kreisen lebensgefährlich erkrank:. X Et» gefährlicher Kofferdieb wurde in der Person des Reisenden Konstantin Mücke durch die Polizei in M--Gladbach dingfest ge mocht. Seine Spezialität bestand in Kofler- diebftählen, die er in Hotels und auf der Eyen- ohn ausführte. Bei seiner Festnahme wurden '^re Kofler beschlagnahmt, in denen sich > Wertstücke der verWedensten Art befanden, die zweifellos sämtlich aus Diebstählen herrühren. U. a. wurden mehrere Sparkassenbücher auS Paderborn, Bochum und Münster über eine Gesamtsumme von 2000 Mk. gefunden. Außer dem hatte der Verhaftete ein Kontobuch der Paderborner Bank auf 8000 Mk und ein Schuldscheinheft über 7000 Mk. im Besitz. DaS „Geschäft* des Gauners scheint demnach sehr lohnend gewesen zu sein. Sine Doppeltragödi« fand in Hagen statt. Dort wurde auf der Straße ein Mann vom Herzschläge getroffen. Unter den herbeieilenden Vorübergehenden befand sich eine 65jährige Frau, die sich durch den Anblick deS Toten jo erregte, daß auch sie vom Schlage gerührt wurde und sofort starb. Gapon Der russische Priester Gapon, der bei den Un ruhen in Petersburg zuerst eine so hervorragende Rolle spielte, hat sich bekamtlich als ein Spion entpuppt und ist von einem „Gericht der Arbeiter" zum Tode verurteilt worden. Dieses „Urteil" ist auch in ebenso geheimnisvoller Weise vollstreckt worden. Bekanntlich wurden Briefschaften GaponS ebenfalls in sehr mysteriöser Weise von Berlin nach Petersburg geschickt, um die Spuren zu ver wischen. Jetzt ist nun die Leiche deS ermordeten Priesters ausgefunden worden und zwar 50 Minuten von Petersburg entfernt bei dem Villenort Oserki. Bereits am 6. April war dort von einer Frau SwerschinSkh ein zweistöckiges Landhaus gemietet warden. Es war ein brünetter Herr erschienen, der 190 Rubel für die Sommermiete ausgemacht hatte. Nachdem die Geldangelegenheit geordnet war, erschien am 11. April der Mann wieder mit einem Angestellten und schickte den Dwornik weg. Dieser fand nach seiner Rückkehr das HauS verschlossen, und als man eS jetzt erst durch die Polizei öffnen ließ, fand man in einem oberen Gemach eine mensch liche Leiche, die unzweifelhaft als diejenige GaponS erkannt und festgestellt wurde. Die Polizei ver mutet, daß Gapon erst getötet und dann als Leiche nach Oserki geschafft wurde. Ei» Bermöge« verdramut« Der in Smichow in Böhmen im Ruhestand lebende Forstmeister Anion Zverina hat einen 29jährigen Sohn, der seit längerer Zeit schwachfinnig ist. Der Kranke öffnete in Abwesenheit seiner Eltern eine Kassette, entnahm derselben 25 Stück österreichische und ungarische Staatsrentenscheine zu 2000 Kronen und zündete ste an. Die Wert papiere, die das gesamte Vermögen der Familie bildeten, wurden bis auf einige kleine Reste ein Raub der Flammen. Unter schwerem «erdachte. Zu dem Raubmord an dem Privatmann Schneider in der Nähe Bilin bei Teplitz-Schönau, wird noch berichtet: Schneider, ein Mann von über sechzig Jahren, war nach den Angaben seiner um zwanzig Jahre jüngeren Gattin mit dieser nachts auf dem Heimwege begriffen, als sie von zwei Unbekannten angefallen wurden. Während die Frau flüchtete, wurde Schneider nach heftiger Gegenwehr ermordet. Seine Leiche wurde durch Schläge mit Steinen scheußlich verstümmelt. Nach einem von der Gerichts- komM^sfion am Tatorte mit Frau Schneider an- gesteüten Kreuzverhör wurde diese und der Liebhaber ihrer Tochter unter dem dringenden Verdachte der Mitwisserschaft bezw. der Täter schaft an dem Verbrechen verhaftet. Raufereie« i« Frankreich. Zwischen ausständigen und arbeitswilligen Maurern kam es in Toulon zu Raufereien. Die Aus ständigen zerstörten die Mauem mehrerer im Bau befindlichen Schulen und zogen mit roten Syndikatsfahnen unter Abfingen revolutionärer Lieder durch die Stadt. Die Gendarmerie ver haftete 15 Ruhestörer und nahm ihnen vier Fahnen weg. Der PräM gab jedoch die Fahnen dem Syndikat zurück. Ei« einstürzeude» Museum. An dem Museum, das zu der Universität Pavia ge hört und in dem auch das mineralogische Laboratorium untergebracht ist, zeigte vor einiger Zeit sehr bedeutende Risse in den Mauem, sodaß man sich schleunigst an daS Ministerium der öffentlichen Arbeiten wandte und die immerhin bescheidene Summe von 20 000 Lira für die notwendigen Reparaturen forderte. Das italienische Ministerium hat jedoch keine Antwort gegeben. Inzwischen hat sich der Zustand des Gebäudes derart ver schlechtert, daß die Baubeamten seinen Einsturz befürchten und die schleunige Räumung an- ordneten. Als Ursache der drohenden Katastrophe sieht man die fonschreitende Senkung der Säulen- gänge deS Museums an. Folgenschwerer Eckiff-zusammeustoff Der russische Dampfer „Leo", von Bordeaux kommend, stieß in der Nähe von Pauillac in der Girondemündung auf einen italienischen Dreimaster, der dort Anker geworfen hatte. DaS italienische Schiff sank, zehn Mann er tranken. Mit der ganzen Besatzung unter- gegangen find in einem Unwetter bei Reykjavic (Island) drei Kutter und einige Fischerboote. Lie Besatzung zählte 73 Mann. Starke Srvstötze fanden am Montag mittag in der Gegend von Helfingborg statt. In der Stadt zersprangen Fensterscheiben. In einem benachbarten Oct waren die Stöße so heftig, daß die Menschen auf der Straße um fielen. Auch an andern Orten setzten die Erd stöße die Bevölkerung in Schrecken. DaS Beben ist im ganzen nördlichen Seeland wahrgenommen worden. Prinzessin Alter arretiert. Wie auS Cin cinnati berichtet wird, hatte „Prinzessin Alice", oder MrS. Longworth, wie sie jetzt heißt, daS zweifelhafte Vergnügen, arretiert zu werden, und zwar weil sie in Gemeinschaft mit ihrem Gemahl die für Automobile gestattete Ge schwindigkeit übeschritten hatte. Beide weigerten sich zuerst, ihren Namen anzugeben; aber da der Polizist ihnen drohte, sie dann hinter Schloß und Riegel behalten zu müssen, bis die nächste Gerichtssitzung stattfinde, bequemten fie sich zu verraten, wer ste seien. Sie wurden daraufhin vorläufig entlassen, s Nächtliches GeschäftSlebe» iu New Uork. Der außerordentliche Erfolg der „Tag- und Nachtbank" in New Dark hat bereits andre Banken zur Nacheiferung angeregt, so daß jetzt schon viele Wechselstuben Lis Mitternacht, ja bis zwei und vier Uhr morgens geöffnet sind. So gewinnt das Geschäftsleben auch in dem nächtlichen New Jork immer mehr die Ober hand. Den Theaterbesuchern und den Leuten, die in den Restaurants dinieren, werden Zirkulare mit Spekulationsanerbietungen in die Hände gedrückt, und für viele ist es ein er hebendes Gefühl, „Geschäfte zu machen, während die andern schlafen". Dem richtigen New Yorker Geschäftsmann find ja die zwölf Tages stunden viel zu wenig zur Arbeitszeit und er begtüßt die Verlängerung der Zeit, in der er „Geld machen" und so eigentlich erst recht leben kann, mit Freuden. So ist der Broadway jetzt schon um elf Uhr nachts geschäftlich belebter alS um vier Uhr nachmittags. Papiere im Werte von vielen Tausenden werden in den Hotels, den Bars und Casös gehandelt. Die Mehrzahl der Fondsmatler, die deS Tags über in ihren Bureaus gearbeitet haben, besuchen des Nachts das Waidorf-Astoria- oder St. Regis- Hotel und machen während der Nachtstunden mehr Geschäfte als am ganzen Tage. Um zwei Uhr morgens ist der Broadway noch vom hellsten elektrischen Lichte durchstrahlt und er füllt von lautem Lärm. In vielen Restaurants spielen die Orchester Lis um vier Uhr. Die elektrischen Bahnen gehen alle fünf Minuten; viele Apotheken, Zigarren- und Fciseurläden schließen ihre Türen nicht mehr. Die Nach, srage nach Nachtarbeit wird in New Aark immer größer, da daS geschäftige Leben nun überhaupt nicht mehr aufhört, und immer größer wird daS traurige Heer der bleichen müden Männer und der schwachen blutlosen Frauen, die sich die Tagesstunden zum Schlafe ab- stehlen müssen, damit New Dark auch noch deS Nachts arbeiten und sich vergnügen kann. Ei« «ovvjähriger «a»». Mehrere Botaniker, die eine Forschungsreffe in Mexiko unternommen haben, sanden nahe bei Ehepul- tepec eine Zypresse, die einen Umfang von 36 Metern hat. Nach ihrer Schätzung muß der Baum ungefähr ein Alter von 6200 Jahren haben. GericktskaUe. Berlin. Der Abgeordnete Stadthagen war auf Grund deS Vereinsgesetzes angeklaat worden, weil er als Vorstandsmitglied der Agitation»« kommisfion für die Provinz Brandenburg Ände rungen des MitgliederverzeichniffeS nicht frist zeitig der Polizeibehörde angezeigt habe. Da» Landgericht sprach aber den Angeklagten frei, weil nicht erwiesen sei, daß Stadthagen zu den Vorstandsmitgliedern der Agitation» - Kom- kommisfion gehöre, die allerdings atS Verein anzu- schen fei. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wurde aber vom Kammergericht die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an da» Landgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurück- berwiesen, da die Vorentscheidung den Begriff de» Vorstandsmitgliedes zu eng fasse; ein Vorstands mitglied brauche nicht eine leitende Stellung im Verein einzunehmen; auch Schriftführer und Kassierer gehören zu den Vorstandsmitgliedern. Köln. Eine empfindliche Strafe traf den Reservisten Schmitz, der wegen Kontrollversäumni» eine Arrestfirafe bekommen hatte, auf dem Trans port zum Milttärgefängnis entfloh und bei der Wiederfsstaahme sich gegen den Sergeanten auf lehnte. Diese WiderstandSleistung ahndete da» Kriegsgericht mit 9 Monat 2 Wochen Gefängnis. Lübeck, DaS Schwurgericht Verurteille den Kaufmann Johann Bohnhoff wegen Wechselfäl- schung, Betrug und Anstiftung zur Urkunden fälschung zu fünf Jahr Zuchthaus und acht Jahr Ehrverlust. Kunres Allerlei. * Messer «nd Gabel« gehören heutzutage bei unsern Mahlzeiten zu den unentbehrlichsten Gerätschaften. Es hat aber eine Zeit gegeben, wo man fie als Luxusgegenstände betrachtete. So wurden bei den Hochländern in Schottland nach der Versicherung eines Reisenden erst nach der Revolution um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts Messer auf die Tafel gelegt; vorher trug jeder sein Messer neben seinem Dolche bei sich; die Männer zerschnitten daS Fleisch für die Frauen zu kleinen Biffen, die diese mit den Fingern zum Munde brachten. Den Gebrauch der Tischgabeln sah man an fänglich für einen überflüssigen Luxus an, weshalb er in den „Ritterschulen" untersagt wurde. Wellende. A.: „überall bebt die Erde! Ich bin überzeugt, wir stehen vor dem Welt- Untergang; in wenigen Wochen platzt die ganze Erde auseinander." — B.: „Ich wette tausend Mark dagegen. — A.: „Ach, mit Ihnen wette ich nicht; wenn ich diesmal gewinne, drücken Sie sich wieder ums Bezahlen l" ^uft. »uo Bom Rege« i« die Tra«fe. Junger Wirt (das Essen servierend): „Nehmen Sie'S nicht Übel, wenn's noch nicht so recht schmecken sollte; meine Frau kocht heute zum erstenmal!" — Gast (junger Ehemann): „O je, meine Frau auch . . . darum kam ich gerade zu Ihnen!" (Megs-I Geiroffe«. „Kommst du nicht mit zu dem BaüklLnzchen?" — Junggeselle: „Ach, daS ist ja seitens der Damen doch weiter nichts als eine Heimsuchung!" lM-m,.-) (Fortsetzung folgt.) aber wenn beisammen gesessen halten, in gemütlichem Ge plauder die Havannas schmauchend, schreckten entsetzt empor und eilten auf den Gang hinaus, alS ste die jungen Mädchen kreischend durch die Wohnung flüchten hörten. Die Mehrzahl nahm an, eS sei irgendwo Feuer ausgebrochen. Man rief durcheinander, man fragte. Die weiblichen Gäste waren so erregt, daß ste keine Antwort zu geben ver mochten. Eine nervöse junge Dame fiel in Weinkrämpfe, und ihre Umgebung hatte viel damit zu tun, ste zu beruhigen. DaS Entsetzlichste war daS, daß die Musik, die sich inzwischen an den in der Portiers wohnung gereichten Erfrischungen gütlich ge tan hatte, in diesem Augenblick wieder unten im Gärtchen vor dem Hause zu spielen anhob. Auch ward das Zertrümmern von Tellern und Gläsern vor der Küchentör fortgesetzt. Endlich hatten mehrere Herren der Gesell schaft in Erfahrung gebracht, wo sich die Un- glücksstätte befand. Während fie nach der Korridortür eilten, drangen ihnen die seltsamsten Gerüchte ins Ohr. „Der Bräutigam ist ermordet worden!" schrie ein ältliches Fräulein fortgesetzt, ohne sich von der Stelle im Flureingang zu rühren. Da kam schon Benjamin mit seiner Schwester von oben herunter. Doktor Drmelius begleitete ste, Stephanie auf der andern Sette stützend. „Schweigen Sie doch!" verwies der Arzt der aufgeregten Dame. „Sie sehen doch, wie Frau Kalwoda leidet!" Geländer stehenden Portier in die Hand und bedeutete ihm kurz, zu leuchten. Stephanie sträubte sich, hinuuterzugehen. „Was ist's? Ich will es wissen — ich muß eS wissen — die ganze Wahrheit!" brachte fie tonlos hervor. Der Arzt hatte inzwischen, ohne die Lage des im Frackanzug steckenden Körpers auch nur im geringsten zu verändern, eine Untersuchung vorgenommen. „Nun, wenn Sie stark genug find, die Wahrheit zu hören, gnädiges Fräulein — gnädige Frau —" „Sagen Sie die volle Wahrheit, Herr Doktor! Ich beschwöre Sie!" Der Arzt hob die Schultern. „Ihr Bräu tigam ist rot!" kam eS leise, fast ruhig von seinen Lippen. „Barmherziger Gott!" schrieen die Ge schwister auf. Das Wort deS Arztes lief auf der Treppe von Mund zu Mund, bis es unten bei den jungen Mädchen anlangte. Ein kreischender Aufschrei gellte durchs Haus; im nächsten Augenblick jagten die jungen Mädchen, in ihren Hellen, duftigen, flatternden Gewändern einer lichten Wolke gleich, über den Korridor nach dem Tanzsaal zurück. Keine wollte die letzte sein — als drohe dieser das gleiche unerbittliche Schicksal wie dem Bräu tigam. 5. Eine beispiellose Aufregung bemächtigte fich der ganzen Festverfammlung. Diejenigen Herren, die bis jetzt ahnungslos Man lachte unwillkürlich mit, dann merkte »an aber plötzlich, daß man fich getäuscht Mte; denn auS den Nachbarräumen drängte plötzlich alles iu großer Unruhe nach dem Korridor und nach der Sntreetür. Man rief, mau fragte. „Kalwoda — eS ist ein Unglück ..." Da gellte vom Treppenhaus her ein mark- Nchütternder Schrei durchs HauS. Die wenigsten »kannten Stephanies Stimme — so fremd, Io verändert klang fie. Eckenbrecher hatte fich an Benjamins Arm gehängt. „WaS gibt's denn nur, Plügge? «um Kuckuck, man wird ja ganz ängstlich ..." Das Paar arbeitete sich durch einen mehr- achen Wall von kreischend fich an der Entreetür rusammeM äugenden jungen Mädchen. Auf der nach dem Giebel führenden Treppe »8 eine brennende Kerze, die irgend jemand o»L der Hand gefallen war; niemand hatte daran gedacht, fie zu löschen. Der obere Treppenabsatz war erhellt. Eine Ampe stand im Zugwind auf der »bersten ^uye, einen am Boden liegenden Körper mit 'htem flackernden Schein beleuchtend. »Herr, mein Gott — wer liegt denn da? - - - Ist das nicht . . . ?" , Eckeubrecher hielt fich au seinem Begleiter M; er vermochte vor Schreck keinen Schritt vorwärts zu tun. Stephanie kauerte wimmernd droben auf "'n Snieen, gestützt von einem Herrn, der dem Mühienbesttzer kurz vorher als Arzt vorgestellt worden war — einem gewissen Doktor Demelius. „Beruhigen Sie fich, meine Gnädigste! ES ist vielleicht nur eine Betäubung . . . „Aber nein — ich sehe doch — da . . . Blut!" Mit einem jähen Aufschrei riß Benjamin fich von seinem Begleiter loS und stürme die letzten Stufen empor. Am Ausgang der zum Atelier führenden Tür lag Franz Kalwoda mit dem Gesicht zur Erde am Boden. Seine Füße befanden sich noch auf der Schwelle, sein Kopf wies nach der Treppe. Im flackernden Dämmerlicht sah mau dicht neben seinem regungslosen Haupt einen Revolver am Boden liegen. „Benjamin!" schrie Stephanie fassungslos auf, als fie den Bmder herzustürzrn sah, „er ist verwundet —" „Wer? Wer denn?" „Franz l" Sie flüchtete an seine Brust; zittemd suchte fie an ihm einen Halt. „Führen Sie fie fort!" raunte der Arzt dem Bmder der Braut zu. „ES ist da eiu Unglück geschehen!" „Aber was gibt's denn? Was ist dem los da oben?" fragte Tante Gusti, die mitten in der Schar junger Mädchen unten vor der Entree tür wartete, ohne den Mut zu finden, selbst heraufzukommen. Der Arzt hatte, nachdem Stephanie seinen Arm losgelaffen, rasch die Lampe vom Boden erhoben. Er gab fie nun dem wie erstarrt am In die flotte Walzermufik mischten sich plötzlich ganz eigenartige Töne — wie jemand überlaut lachte.
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