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Vic „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Annahme v»n Inseraten bi, »ermtttag w Uh». Inserat« werden mit zo ps für di« Spaltzrüe »«echn« Iab«llarisch« Satz nachs dtsondrrem Laris Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag vou Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla Nr. 49. Sonntag, den 22. April 1906. 5. Jahrgang. Seitliches und Sächsisches. Vttendorf'Bkrilla, den 2^. April MS — Ich bin den ganzen Tag müde! Diese Klage kann man um die jetzige Zeit häufig hören, und der Zustand, der ihr zugrunde liegt ist ein so allgemein bekannter, daß der Volks mund ihm schon seit langem den Namen Frühlingsmüdigkeit zugelegt hat. Wie aber ist dies« sogenannte Fcühlingsmüdigkeit zu er klären? Woraus resultier! sic? Diese Frage läßt sich sehr leicht beantworten, wenn man sich nur ein wenig mit den organischen Funktionen des menschlichen Körpers beschäftigen will. Bekanntlich entspringt jede Müdigkeit einem Mangel an Blut und Sauerstoff im Gehirn. Die Arbeit während des Tages enlzicht uns hiervon so viel, daß wir erst eines mehr stündigen SchlaseS bedürfen, um das Fehlende zu ersetzen. Auch wenn wir eine reichliche Mahlzeit zu uns genommen haben, stellt sich jene Müdigkeit ein. die uns zum Mittogsschlafe verlock!, und die lediglich dem Umstande zuzu schreiben ist, daß die Blutgefäße oer Vcr- dauungöorgane während deren erhöhter Tätigkeit eine weit größere Blutmenge wie gewöhnlich für sich in Anspruch nehmen und so das Ge hirn momentan blutleerer machen als sonst. Die Hauptgefäße unseres Körpers aber füllen sich während der cintretenden warmen Frühlings tage wieder auf Kosten des Gehirns stärker mit Blut, der Sauerstoff-Verbrauch wird ein größerer und eine Erschlaffung resp. Müdigkeit der übrigen nicht davon profilierenden Organe, ja des ganzen Körpers ist die unausbleibliche Folge. Mr müssen dahcr zur Lenzcszeit, in der unserem Blut durch die eintrctende Wärme und die damit verbundene Transpiration mehr Basier entzogen wird, dafür Sorge tragen, daß der ganz besondere Saft, wie Gotthe den roten Lebensquell genannt hat. durch geeignete leichte Kost und leichte Getränte hübsch dünnflüssig erhalten bleibt. Vermeiden wir also jetzt schwere Fleischgerichte, fette Saucen und er regende G'lränke und balten wir uns dajür on Mhlspcisen, grüne Gemüse, Kompotts und harmlose Limonaden. — Zu der jetzigen Zeit, da viele junge Leute der Schule entwachsen sind und den ersten Schritt in den Ernst des Lebens getan haben, erschallt wieder einmal laut der Ruf: »Kommt zum Turnen I" Der junge Mann lernt bei dem Turnen Zucht und Sitte, er wird beseitigt in Ordnung und Anstand, er verschafft seinem Körper die gerade in der Zeit de» Wachstums doppelt nötige geregelte Lcibesübung, und sein Geist wird angeregt zu selbständigem Denken und Handeln. Denn in dim gesunden Körper wird auch ein gesunder Heist wohnen, aber nur in einem solchen; darum halte man die jungen Peute eindringlich an, sich bei einem Turnverein als Zögling an zumelden. — Ein reicher Sternschnuppenschwarm wird in den Nächten vom 20. bis 23. April sichtbar sein, vorausgesetzt, daß uns ein klarer Aus blick auf das himmliche Flammenspiel beschert ist. Die Astronomen erklären diesen Schwarm sür Ueberbleibsel eines Kometen, dessen Um- iausszeit 1861 auf 450 Jahre berechnet wurde. Der Ausgangspunkt der Meteore ist diesmal nahe dem hellstrahlenden Stern „Wega" im Sternbild der Leyer, weshalb man diesen April strom die „Lyraiden" nennt. — Krieg den Wespen! Es wird vielleicht Manchem noch nicht bekannt sein, daß man es im April in der Hand hat. das Auftreten der Wespen, die unter Umständen zu einer recht fühlbaren Plage werden können, zu beschränken Jede im April austretcnde, durch Ausstreucn von Zucker leicht anzulockende Wespe ist nämlich eine Königin, und man vernichtet in ihr, wenn Man sie tötet, die fruchtbare Stammutter lenzer zukünftiger Wesp.nkolonien. Dresden. Zur Aussperrung in der Metall- Mdustrie ertlärt der Verband der Industriellen das jedes seiner Mitglieder bereit ist, mit 'einen Arbeitern zu verhandeln. Die Arbeiter- chaft hätte sich noch in keinem einzigen Falle !U einer Verhandlung ohne Hinzuziehung der Organisation bercitfinden lasten. — Ein umfangreicher Kuppeleiprozeß sand am Freitag vor dem Dresdner Schöffengericht tatt. Eine alte 90 jährige Matrone, die PrivalsekretärSwitwe Friederike Christine Buhle latte im Hause Mathildenstraße 37 ein elegantes Quartier eingerichtet, das zahlreichen Mitgliedern der Dresdner Lebewelt als RendezvouSort diente. In den eleganten Räumen fanden ängere Zeit Orgien statt, und die alle Kupplerin betrieb das Geschäft seit fast vier Jahren und hatte ihr Hauptaugenmerk daraus gerichtet, den sie besuchenden Kavalieren stets neue „Ware" zuzusühren. Das führte die Matrone in der Weise aus, daß sie in be stimmten Zwischenräumen die hiesigen großen Waren- und Konfektionshäuser besuchte, dort kleine Einkäufe machte und sich dann an die Verkäuferinnen heranmachtc. Außer dem Konfektionense» nahmen aber auch Töchter aus Bürgerfamilien an den Orgien teil, allerdings ohne Misten der Eltern, die sich in dem Glauben befanden, ihre Töchter besuchten die — Schneiderschule. 16 Paare gingen fast täglich bei der alten Kupplerin aus und ein, ältere und junge Mädchen. Die Seelenver käuferin stand mit dem ehemaligen herrschaft lichen Diener Emil Mendel, 65 Jahre alt, in naher Geschäftsverbindung, denn dieser Bieder mann hatte „gute Beziehungen" und führte der Matrone die vornehmsten Gäste zu. Das Gericht verurteilte ihn zu sechs Monaten Ge fängnis und Stellung unter Polizeiaufsicht, während die Kupplerin wegen „Krankheit" nicht an GerichiSstclle erschienen war. Meißen. Ein mit Brettern beladener, talaufwärts fahrenden Kahn wurde am ersten Feiertage durch den starken Wind bei Nieder- spaar auf das Ufer getrieben. Alle Be mühungen der Mannschaften, den Kahn wieder flott zu machen, waren vergeblich. Erst mit Hilse eines Schleppdampfers gelang es am nächsten Tage, das Schiff wieder flott zu machen. Der Kahn war mit Brettern und Bauholz nach Hamburg bestimmt. Zeithain. Auf dem hiesigen Truppen übungsplätze beginnt wieder reges militärisches Leben. Nachdem bereits am Mittwoch nach- mütag I Uhr 35 Min. ein Sonderzug mit dem 3. Bataillon des 133. Infanterie Regiments von Zwickau über Chemnitz—Döbeln hier ein getroffen war, langten am Donnerstag zwei weitere Sonderzüge hier an, und zwar vor mittags gegen Hi 10 Uhr von Leisnig mit dem 2. Bataillon des 17S. Infanterie-Regiments und vormittags gegen Hi 11 Uhr von Plauen mit dem 1. Bataillon des 134. Infanterie- Regiments. Die Parade der 4. Division Nr. 40, des Ulanen-Regiments Nr. 17 und des Pinoier-Bataillons Nr. 22 am 18. Mai aus dem Truppenübungsplätze findet 11 Uhr vormittags statt. Se. Majestät der König wird hierzu mit Sonderzug auf dem Truppen übungsplätze eintreffen und diesen sofort nach der Parade mit Sonderzug verlassen. Das Ulanen-Regiment Nr. 21 nimmt wegen In fluenza der Pferde an der Parade nicht teil. Mühlberg. Ein aus einer Pflege- und Heilanstalt in Dresden heimlich entwichener junger Mann wurde in einem Lokale in Mühlberg, wo er eine erhebliche Weinzeche ge macht hatte, die er nicht bezahlen konnte, aus gegriffen und wieder nach Dresden zurück gebracht. Mühlberg. Bei dem am Donnerstag hier aufgetretenen Gewitter wurde die Frau des Gartengutsbesitzcr» Ferl erschlagen. Sie war gerade mit dem Reinigen des Ofens beschäftigt. Döbeln. Ein hiesiger Lehrer korrigierte vor einiger Zeit die Arbeit einer seiner Schülerinnen und entdeckte darin die stattliche Anzahl von 17 Fehlern. Darob muß der Vater des „fleißigen" Mädchens sehr erbost gewesen sein, der väterliche Ehrgeiz erwachte, und als der Lehrer sich zu allem Ueberfluste auch noch erlaubte, das Mädchen nachsitzen zu lasten, schwoll dem guten Manne die ZorneS- ader und er verstieg sich zu folgendem originellen Brief: „Herr Lehrer hierdurch theile ich ihnen mit das sie mein Mätchen nicht wieder in der Schule behalten, wegen die Paar Fehler, die mein Mätchen gehabt hat, da müssen sie sich bäfser um die Kinder bekimmern, wenn sie Lehrer sein wollen, und nicht auf solche Kinder Horgen die Selber nichts gönnen, wenn mein Mätchen sie noch einmal drinne Behalten, da werde ich bei Herren Direckor selbst gehen, da kann ich auch Lehrer machen wenn ich blos auf die Kinder Horgen will und nicht selber da nach isehe, ich habe das Buch selber durchge sehen, ich habe aber blos zwei Fehler raus gebracht und nicht 17, also währ ich das Buch nehmen beim Direckor göhen, also ich wieder hohle es noch einmal das sie mein Mätchen nicht wieder in der Schule behalten mit Er- farung und mit Gruß X. X." Herrnskretschen. Hier hat sich ein junger Mann, der angebliche Eheherr eines auf der Hochzeitsreise befindlichen jungen Paares, in einem Hotelzimmer die Pulsader durchschnitten, einen weiteren Schnitt hatte das Mädchen, seine Geliebte verhindert. Die Behörde stellte fest, wer die beiden Liebesleutchen waren, sodaß deren Angehörige sofort von dem Vorfall be nachrichtigt werden konnten. Der junge Mensch befindet sich in Königstein in Stellung. Das Mädchen, das aus einer Stadt des nord östlichen Böhmen ist, fuhr nach seiner Heimat zurück. Zittau. Von einem Automobil überfahren und sofort getötet wurde am Donnerstag mittag hier der etwa 70 jährige Jalousieweber Florian Arlt. Das Unglück ereignete sich in dem Augenblicke, als der Prokurist Rudolph aus Walddorf mit seinem Automobil ein hiesiges Grundstück verließ, wobei er daS Trottoir passieren mußte, auf dem sich Arlt gerade befand. — König Friedrich August hatte bei seinem ersten Jagdausfluge jin das städtische Walters dorfer Revier das Glück, einen prächtigen Auerhahn zu erlegen. Auch der Flügeladjutant d-s Königs, Oberst v- Wilucki, der im städtischen Forstst Revier Ludwigshausen auf böhmischer Seite jagte, erbeutete einen Auerhahn Wurzen. Im benachbartem Dorfe Roitzsch wurde in der Nacht zum Donnerstag bei dem Gutsbesitzer Clauß ein schwerer Einbruchsdieb stahl verübt. Gestohlen wurden 1 Eintausend markschein, 1 goldene Uhrkette (Panzerkette), ein grauer Sommerüberzieher, 18 silberne Kaffeelöffel und verschiedene Tischdecken. Paunsdorf. In Deuben bei Wurzen hatte vor kurzem in den frühesten Morgen stunden ein junger Mann einen wertvollen Bernhardinerhund an sich gelockt und mit fort genommen. Der „Hundeliebhaber" wurde da raus von einem Radfahrer verfolgt und im hiesigen Orte eingeholt. Er wurde mit Hilfe eines Einwohners dem Gendarm übergeben. Der Dieb hatte keine AuSweiSpapiere bei sich. Seine Angaben wurden als falsch nachge- wiescn. Bei Durchsuchung seiner Sachen fand man mehrere von Einbruchsdiebstählen her rührende Gegenstände und Werkzeuge, sogar einen Tausendmarkschein. Gröbern. Hier brach am Mittwoch Abend in dem von anderen Gebäuden getrennt ge legenen Seitengebäude des Starkeschen Gutes Feuer aus. Das in den Ställen untergebrachte Vieh konnte gerettet werden. Trotzdem soll aber der Schaden, da viele Futtervorräte ver brannten, bedeutend sein. Der Brand ist durch die Fahrlässigkeit eines erst seit zwei Tagen dort im Dienste befindlichen Pferde knechtes, der verhaftet wurde, entstanden. Leipzig. Die Leipz. N. Nachr. schreiben: Die Wellen des Erdbeben», welche» in der Frühe des gestrigen Tages die westlichen Staaten von Nordamerika und insbesondere die Stadt San Franzisko in so entsetzlicher Weise betroffen hat, haben sich auch noch diesseits de» atlantischen OzeaneS ausgebreitet und auch den Untergrund der Stadt Leipzig durchlaufen. Wie das Seismometer des geologischen In« tituts zu Leipzig auf das Schärfste registriert ;at, trafen die ersten Wellen allhier nachmittags 2 Uhr 24 Miu. 53 Sek. (mitteleuropäische Zeit) ein, d. h. ungefähr 5 Uhr 30 Min. früh nach Ortszeit von San Franzisko, setzten sich, langsam an Stärke zunehmend, fort, bis um 2 Uhr 52 Min. (M.-E.-Z. gleich 5 Uhr 52 Min. San Franzisko-Zeit) die ersten der gewaltigrn Oberflächenwellen anlangten und bis 3 Uhr 6 Min. anhieltcn, um dann von einer langen Serie unbedeutenderer Nach zitterungen gefolgt zu werden, die erst gegen 6 Uhr (mitteleuropäische Zeit) ganz allmählich erloschen. Das San Franzisko-Erdbeben hat ich demnach hier in Leipzig in einem Zeit räume von 3 Stunden 35 Minuten abgespielt, und zwar in einer so energischen Weise, daß die stärksten der Oberflächenwellen allhier tat- ächlich horizontale Bodenschwankungen von 1—1.4 Zentimeter Weite bewirkt haben, die sich in geradezu zerstörender Weise fühlbar gemacht haben würden, wenn diese Bewegungen bei ihrer weiten Entfernung vom Erdbeben ursprungsorte nicht außerordentlich langsam, sondern in Form von kurzen Stößen erfolgt wären. — Auf hiesiger Universität werden von jetzt an Frauen mit den erforderlichen Reifezeugnisten als Studierende immatrikuliert, zu der theolo gischen und juristischen Prüfung aber nicht zu gelasten. Hermsdorf. Bei dem Gewitter am Dienstag Nachmittag schlug ein Blitz in da» Wohnhaus des Gutsbesitzer» Berthold in Hermsdorf bei Geringswalde, wodurch om und im Hauses vieles zertrümmert wurde. Durch den Luftdruck wurde der Besitzer an den Ofen geschleudert, glücklicherweise ohne Schaden zu nehmen, während seine älteste Tochter vom Blitz gestreift wurde, wodurch sie vorübergehend des Gebrauchs ihrer Arme beraubt wurde. Scheibenberg. Am zweiten Osterfeiertage verunglückte hier beim Einläuten zum Vor- mittagü-Gott-sdienste der Konfirmand Lindner. Durch den Klöppel wurde ihm auf bi» jetzt unaufgeklärte Weise die Schädeldecke zer trümmert, so daß bald darauf der Tod eintrat. Kirchberg. Ein Schadenfeuer zerstörte den Lagerraum und die Nebengebäude der Drestelschen Wollspinnerei und der Simonschen Wasterwagen- und Schmiegefabrik in Kirchberg. Drestel erleidet einen Schaden von 30000 M. und Simon einen solchen von 45000 M. Waldenburg. Von der Schmidtschen Brücke im benachbarten Amerika stürzte sich ein Soldat des 153. Jnf.-RgtS. in voller Uniform in die Mulde. Bisher konnte seine Leiche nicht geborgen werden. Werdau. Auf dem hiesigen Friedhof wurde am Freitag gegen Mittag ein unbe kannter, älterer, gutgekleideter Mann erschaffen aufgefunden und polizeilich aufgehoben, Der Selbstmord erfolgte mit einer mit Wasser ge ladenen Pistole. Bis jetzt konnte die Persönlich keit noch nicht festgestellt werden. — Am Mittwoch abend entgleisten auf dem hiesigen Bahnhofe drei leere Wagen beim Rangieren, wodurch 2 Stunden lang da» Haupiglei» Leipzig—Hof gesperrt wurde. Der Schnellzug von Leipzig erlitt 15 Minuten Ver spätung. Materialschaden ist nicht entstanden. Plauen. Infolge der Revolveraffäre in der Jößnitzer Straße, wo der Mörder und Brandstifter Thoß seine Frau erschoß und mehrere Personen schwer verletzte, sowie zur Sicherheit für die Polizeibeamten beschloß der Stadtgemeinderai einen Teil der Schutzmann schaft mit Revolvern auszurüsten.