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Ottendorfer Zeitung. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich l Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Annahme von Inseraten bi» vormittag Uhr. Inserate werden mit w Pf für dl« Spaltzetle berechnet Tabellarischer Satz nach besonderem Tarif Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla Nr. 38. Mittwoch, den 28. Mär; 1906 5 Jahrgang. Oertlichrs und Sächsisches. Dtt«ndorf-<vkrilla, den rr. März 490s — Donnerstag, den 29. März abends von 8 Uhr an, sollen im Saale de» Gasthofs zum Roß in Ottendorf, die Lichtbilder au» der Deutschen und evangelischen luth. Hriden- mtssion in Ostafrika zur Vorführung gelangen, Von 8 Uhr an findet eine Vorstellung für die hiesige Schule statt. Der Eintritt ist frei, doch werden freiwillige Gaben für die Mission am Ausgang« entgegengenommen. Da diese Vor« führnung nur einmal statlfindet, werden die Bewohner hiesigen Orts und der Umgegend auf diese höchstintereffant« und belehrende Darbietung aufmerksam gemacht und zu der selben allerseits eingeladen. — Der Verein zur Konfirmanden-Aus steuerung in Dresden (Vorsitzender Herr Schuldirektor Richard Meyer), der 1876 ge gründet wurde, erfreute sich auch im vergangenen Jahre eines bedeutenden Wachstums. Es wurden im Vorjahre 5409 Mitglieder mit 10289 Kindern aufgenommen, sodaß die Mit gliederzahl uach Abrechnung der Abgänge von 28977 auf 31274 und die Kinderzahl von 45507 und 47 842 gestiegen ist. 395 Klassen stellen vermitteln in Dresden und vielen anderen Orten Sachsens die Entgegennahme der Spareinlagen, deren Höhe sich im Vor jahre aus 411588 Mark 90 Pfg. bezifferte. An Konfirmanden sind ausgezahlt worden 339912 M. 40 Pfg., die Gesamtauszahlung einschließlich der Zinsen beliefen sich auf 459 230 Mark 17 Pfennige. In den 29 Jahren seines Bestehens hat der Verein 3 890502 M. 40 Pfg. als Spareinlagen er halten und 2645138 M. 90 Pfg. zurück« gezahlt. Das Vermögen beträgt 1351364 M 9 Pfg, und ist in Hypotheken und Wert papieren, sowie vorübergehend in dec Sächsischen Bank angelegt. Auch besitzt der Verein vier Hausgrundstücke. Die Spareinlagen werden Mit 3 Prozent verzinst. Hieraus geht hervor, daß der Verein auf sicherer Grundlage ruht, und sich Dank der unablässigen Arbeit der Verwaltung und der Bezirkskafsierer immer mehr entwickelt. Der Beitritt ist auch schon Kindern im vorschulpflichtigem Alter gestattet, ja es empfiehlt sich, so zeitig als möglich mit dem Sparen zu beginnen. Kaffenstellen be finden sich in Cunnersdorf bei Herrn Lehrer Franke, in Hermsdorf bei Herrn Lehrer Junge, in Königsbrück bei Herrn Bürgerschullehrer Hönicke, in Lausa bei Herrn Schuldirektor Köhler, in Medingen bei Herrn Kirchschullehrer Hauffe und in Ottendorf bei Herrn Kaufmann Knöfel, wo Anmeldungen jederzeit entgegen- genommen werden — Ueber den Stand des Nordostbahn projekte» (Riesa - Großenhain - KönigSbrück- Kamenz) liegt heute aus dem Landtage eine recht erfreuliche Nachricht vor. Es verlautet, die Ftnanzdeputation L. der Zweiten Kammer welche die Eiscnbahnsachen in Spezialberatung zu erledigen hat, werde die Petitionen um Er bauung obiger Bahnstrecke der Kgl. StaatS- regierung zur Erwägung überweisen. Der Kriegsminister hat einigen Abgeordneten gegen über ausgesprochen, daß von militärischer Seite dieser Bahn Wichtigkeit beigemesien werde. — Falsche -Markstücke sind in ver schiedenen Städten Sachsens in Umlauf gesetzt worden. Die Falschstücke sind so täuschend und genau nachgemacht, daß sie äußerlich von den echten nicht zu unterscheiden sind, nur an dem dumpfen Klang sind sie zu erkennen. Dresden- Wegen des Neubaues der Augustusbrücke ist dem Landtage soeben ein Königliche» Dekret zugegangen. Es Hande sich IN dem letzteren um die Ueberlaffung staatlicher Flächen an die Stadtgemeinde Dresden. — Der Rat genehmigte, daß in Zukunft das alte Schuljahr unabhängig von tun Oster feste am 31. März jeden Jahre» geschloffen ind da» neue Schuljahr am 1. April jeden Jahres begonnen werde. — Eine schwere Havarie ereignete sich am Kontag nachmittag auf der Augustusbrücke. Ein Kahn des Schiffseigners Krause aus Pretsch hatte oberhalb jder Carolabrücke etwa 260000 Ziegel geladen und sollte von einem kttendampfer bis unterhalb der Albertbrücke geschleppt werden, um die richtige Fahrt durch sie Brücken zu erhalten. Bei der Durchfahrt >urch die Augustusbrücke verfehlte der Kahn in- olge der starken Strömung die Einfahrt und rannte mit seinem Vorderteil so heftig auf den ierten Brückenpfeiler daß der Anker abbrach, Die Strömung riß den Kahn sodann herum und legte ihn vor die Brückenpfeiler. Dabei st er viermal gebrochen. Das Hinterteil ge riet auf Grund und wurde vollständig zer- rümmert. Die Mannschaft konnte sich retten, lohn samt Ladung sind versichert. Infolge der Havarie ist die Augustusbrücke für die Talschiffahrt vorläufig gesperrt, die Berg- chiffahrt dagegen zurzeit nur mittels Ketten- rampfers möglich. Vorkehrungen zur Be- eitigung des haverierten Kahnes sind von der Strombehörde getroffen worden. — Auf den südlichen Hochgleisen des hiesigen Hauptbahnhofs ist am Montag vor mittag der Streckenarbeiter Bartamuß von einem Eisenbahnzuge überfahren worden. Dem Unglücklichen wurde hierbei der rechte Arm ab getrennt. — Die Blindenanstalt in Dresden steht seit 1. Juli 1905, wo die 65o Blinden in der neuen Anstalt zu Chemnitz untergebracht wurden leer nnd soll mit dem dazu gehörigen Areal verkauft werden. Die Außenabteiluug Moritzburg wird zum Teil dem Königlichen Landstallamte zu Wohnungen für Gestüts wärter zur Verfügung gestellt, zum anderen Teil zur Unterkunft für erholungsbedürfte Pflegerinnen Verwendung finden. Die Außen abteilung Königs» artha wird in Zukunft als Asyl für entlassene Blinde dienen. Die Anstalt Nossen wird nicht wieder belegt. Die bisher in Dresden, Moritzburg, Königswartha, Großhennersdorf und Nossen nntergebrachten Zöglinge haben in der neuen Anstalt zu Chemnitz, wie oben erwähnt, Aufnahme ge funden. Königsbrück. Auf dem Gefechtsschießplaj bei Königsbrück wird vom 2. bis mit 10. Apri das Königliche 13. Infanterie-Regiment Nr. 178 täglich von halb 8 Uhr Vorm, bis 3 Uhr Nachmittag Einzel- und Gruppenschießen ab halten, Löbau. Traurig« Folgen eines dummen Streiches! Unter den schlimmen Gesellen, die in Dresden vor kurzem Straßenpaffanten mit ätzender Flüssigkeit begaffen hatten, befand sich auch der Sohn eines hiesigen Postsekretärs, der in einer Dresdner Drogerie in Stellung war. Aus Furcht vor der zu erwartenden Strafe ist der kaum 20 jährige Mann freiwillig aus dem Leben geschieden und wurde am Sonnabend hier zur Ruhe bestattet. Pirna. In dem zur Pirnaer Glasfabri „Elisabethhütte" gehörigen Familienhaus ist nachts der 25 jährige Glasmachergehilfe Auf- gebauer durch Sturz von der Treppe tödlich verunglückt. Leipzig. Der frühere Buchhalter Heim der Allgemeinen Deutschen Kredit-Anstalt wurde wegen Unterschlagung von 25000 Mk. und Fälschungen der Bücher zu 2^/* Jahren Gefängnis und 3 Jahren Ehrverlust verurteil Er hatte sich das Geld dadurch verschafft, da er mittels gefälschter Quittungen die Beträge von einem Depot abhob. Die ganze Summe hat er innerhalb eines Jahres in flotter Gesellschaft verjubelt. — Drei 13jährige Knaben wurden wegen gemeinschaftlich verübter Diebstähle verhaftet. In ihrem Besitz fanden sich allein 850 Post karten vor- Taucha, Zu bestimmten wohltätigen Zwecken haben Privatmann Rühl und seine Ehefrau cmeinschaftlich der Kirchengemeinde 3000 M. >er Schulgemeinde 2000 M. der Armen- affe 3000 M, und zur Begründung einer Friedhofskaffe 2000 M, insgesamt also 10000 M. schenkungsweise überwiesen. Freiberg. Seit einiger Zeit sind hier gegen den Superintendenten Haeflelbarty die hrenrührigsten Gerüchte verbreitet worden, welche aber jeder Begründung entbehren. Eine große Anzahl von Personen, über 20, wird sich demnächst vor dem Strafrichter zu verantworten haben. In den letzten Nächten st nun noch gegen den Geistlichen ein ganz emeineS Pamphlet verbreitet worden, welches sie Bürgerschaft in Aufregung versetzt. Waldkirchen, Hier hatte sich der fünf- ehn Jahre alte Fabrikarbeiter Wagner aus Witzschdorf vor dem Gasthof „z. Eichhörnchen" cm Zschopautal mit einem Revolver aus Fahr- ässigkeit in die linke Bauchseite geschaffen und dadurch den Dünndarm verletzt. Der Verletzte wurde nach dem Krankensause in Zschopau ge- rracht, Dort mußte er sich einer Operation unterwerfen, an deren Folgen er verstorben ist Schwarzenberg. Dem feuchten schweren Schnee sind hier zahlreiche Bäume zum Opfer gefallen. Sämtliche Fernsprechleitungen sind erstört. Die von der Schneelast umbrechenden Säume haben die Telephondrähte zerrissen, Aus der Woche. Bourgeois, der neue französische Minister des Auswärtigen teilte am Donnerstag im Ministerrate mit, daß die Algeciraskonferenz ihrem Ende entgegenginge. Es beständen nur noch „unbedeutende Meinungsverschiedenheiten" Der Mann muß das besser wissen, als die 68 Zeitungsberichterstatter, die sich in der Konferenzstadt niedergelaffeu haben und die täglich ihre Blätter mit den eingehendsten, erfundensten und widersprechendsten Berichten erfüllen. Am Montag kam nach langer Dürre eine interessante Kunde: Der Thronprätendent Bu Hamara, der Feind aller Reformen und oller Europäer, habe eine Gesandschaft nach Algeciras gesandt, um gegen alle deren Be schlüsse zu protestieren. Diese fette Lügensuppe wurde einen Tag später durch den Zusatz ver wässert, daß der Chef der Bu Hamara-Mission ein Franzose aus Oran sei, der im Auftrage sämtlicher Kaids und Kadis der Gegend handelte. An nächsten Tage wurde richtig ge stellt, daß der Franzose im eigenen Namen handele, daß er aber ein Vertrauensmann von Bu Hamara sei, den er sich seinerzeit durch Lieferung vorzüglicher Uniformen geneigt ge macht batte. Nun ging natürlich die Jagd der 68 Berichterstatter auf den interessanten Mann los, aber keinem von ihnen gelang es, des Vertreters Bu Hammaras habhaft zu werden. Seitdem kein Wort mehr über die Protest gesandtschaft de» Prätendenten. Möglich ist aber immerhin, daß sich vor kurzem ein französischer Schneider ein oder zwei Tage lang in Algeciras aufgehalten hat. — Die Revolution in Rußland wirft sich jetzt mit Erfolg auf den Bankraub. In Moskau haben sechszehn bewaffnete Banditen eine Bank am hellichten Tage um 850000 Rubel erleichtert Dieser Fall steht nicht vereinzelt da. wenngleich noch nie die Raubsumme so beträchtlich war. Wer sind die Diebe? Revolutionäre oder intelligente Spitzbuben? Wo alles stiehlt, können fies allein nicht lassen. — An Witte war auf dem Instanzenwege eine von der Zensur genehmigte Bittschrift gekommen, die um Ausrottung der Juden bat. Bei der Rücksprache ergab sich, daß ein Irrtum des Zensors vorlag, der statt „Ausrottung" „Ein- schänkung des Einflusses" gelesen hatte. Na, so ein kleiner Lesefehler ist verzeihlich. — In Belgrad scheint man endlich mit den Königsmördern, die sich noch in der Armee br-.it machen, aufrüumen zu wollen. Der neue Minister-Präsident fordert ihre sofortige Entfernung, da er sonst keine anständigen Ministerkollegen finden könnte. Der arme Peter wird wohl schließlich nachgeben müssen, obwohl ihn alsdann der Vorwurf schmählicher Undankbarkeit trifft. Denn ohne jene Mörder bande wäre er schwerlich je König von Serbien geworden. — Auf Kreta spitzen sich die Dinge mmer mehr und mehr zu. Eine Fahrt von 120 Führern in Nationalvertretung nach Athen hat nicht verhindert werden können. Und da die gegenwärtigen Dinge unhaltbar sind, so orderte Italien d;e Mächte auf, sich über das endgültige Schicksal Kretas schlüssig zu werden. — Bei uns im Innern gibt es auch Trubel genug, Die Reichstagskommission hat den Bau eines Reichsmilitärgerichts abgelehnt. Auch die lamerundebatte hat nicht gut abgeschnitten, Die Kämpfe in Südwestafrika gegen Morenga ind neuerdings immer siegreich gewesen, aber rotzdem sieht man von der ganzen Geschichte noch kein rechtes Ende ab. In unserm Reichs age wurde aus Anlaß der angeregten Wieder einstellung des Kolonialdoktors Peters wieder eine kraftvolle Debatte geführt, natürlich ohne daß es zu einem praktischen Ergebnis kam. Der Etat wird nicht rechtzeitig fertig und andere Unannehmlichkeiten gibt es noch massen haft. — Der Braunschweiger Mordprozeß hat in den letzten Tagen große Sensation er regt, Hier ist mal eine stinkende Blase, wie re deren zu tausenden in gewissen Schichten )eS Volkes schlummern und wie sie die krank- zaste moderne Dichtung bisher immer nur als Problem vorgeführt hat, an die Oeffentlichkeit emporgestiegen, Ein 17 jähriger Banklehrling der sich als großer, aber verkannter Dichter und Philosoph vorkommt, lernt zwei Schwestern !ennen, denen er — ein Dichter kann alles — Klavierunterricht erteilt. Er geht mit ihnen gern die angetragene Seelenbrüderschaft ein, )enn er ist ein Bekannter und die älteste Schwester eine Verlassene. Wohlbemerkt eine Liebesaffäre spielt hier nicht hinein, wie der Gerichtöarzt später amtlich festgestellt hat. Die älteste Schwester bittet den jungen Mann sie zu töten, die jüngere Schwester bittet ihn flehentlich sie mit von der Partie sein zu lassen da sie ohne ihre Schwester nicht leben könne. Dieser Großmut gegenüber blieb der Gebetene nicht ungerührt, auch er versprach sich ihnen im Tode anzuschließen. Nichts einfacher al» das. An einem bestimmten Abend fanden sich die drei in der Wohnung des Pseudomusik- lehrerS zusammen, man trank sich mit Champagner Mut an und dann erschoß der Mann das ältere Mädchen. Darauf küßte die jüngere Schwester die Tote, öffnete die Kleider und bezeichnete die Stelle, wohin geschaffen werden müsse. Mit sicherer Hand kam der Gemütsmensch auch dem Wunsche der Zweiten nach. Nun blieb nur noch er übrig. In an- betracht des bisher gezeigten Mutes ändert er seine Philosophie und seinen Plan und be schloß, sein edles Leben zu erhalten. Daß er die beiden auf ihren Wunsch erschaffen hatte, bezeigten die eine Stunde vor der Tat ab gesandten Abschiedsbriefe. Dann ging unser Held zur Polizei und erstattete Anzeige. Er war außer sich und konnte es garnicht be greifen, daß man ihn in Hast behielt. Und jetzt hat man ihn zu acht Jahr Gefängnis verurteilt, was ihm garnicht in den Kopf will. Er hatte doch einfach den Herzenswunsch der Schwestern erfüllt! Eine unangenehme Neben beleuchtung erhielten die ganzen Vorgänge da durch, daß der Angeklagte seinem Prinzipal nach und nach 1200 Mark unterschlagen hatte. Der Verurteilte hat nun Zeit genug um seine Philosophie und die daraus entspringenden Rechtsanschauungen gründlich zu revidieren. Aber auch andern Leuten, die durch ihre Schriften das Althergebrachte einzurcißen ver suchen, ohne irgend etwas paffend neues am seine Stelle setzen zu können — es sind da runter Leute mit sehr bekannten Namen — sollte der Mordprozeß eine Menge Tekel sein