Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 25.03.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190603254
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060325
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060325
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-03
- Tag 1906-03-25
-
Monat
1906-03
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 25.03.1906
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
polirilcke Kuncifckau. De«tschla«d. "Ende April oder Anfang Mai beabsichtigt der Kaiser bei seiner diesjährigen Mittel meerreise auch Madrid zu besuchen; in diesem Sinne hat sich der König von Spanien bei einer Audienz dem Bürgermeister von Madrid gegenüber geäußert. *Jn dem Befinden des Ministers der öffentlichen Arbeiten v. Budde ist eine weitere Besserung eingetreten. Der Minister er ledigt seine Geschäfte in gewohnter Weise, nur muß er noch einige Tage daS Zimmer hüten. *Jm BundeSrat finden seit einiger Zeit aussichtsreiche Verhandlungen wegen Ver einfachung des gesamten Personenfahr- kartenwesens statt. * Der bekannte freisinnige Reichstagsabge- ordneie Lenzmann, Vertreter des west fälischen Wahlkreises Iserlohn-Altena, der während der ReichstagSfitzung am Dienstag einen Schlaganfall erlitten hatte, ist am Mitt woch früh 7 Uhr in seiner Wohnung zu Berlin gestorben Für die freisinnige Volkspartei bedeutet der Tod Lenzmanns nach dem Ableben R chlers einen schmerzlichen Verlust. Er genoß namentlich in allen Rechtsfragen großes An sehen auch außerhalb seiner Fraktion und war u. a. Mitglied der freien Kommission, die vom Reichsjustizamte mit der Ausarbeitung eines Entwurfes sür die als notwendig anerkannte Reform der Strafprozeßordnung betraut worden war. Lenzmann hat nur ein Alter von 63 Jahren erreicht. * Die Erhöhung der Tabaksteuer wurde von der ReichStagSkommisfion in zweiter Losung eirstimmig abgelehnt. * Zur Frage der H eimarb eit find jetzt von sämtlichen Parteien deS Reichstags An träge kingebracht worden. "Die Reichstagsersatzwahl im Wahlkreise Kaiserslautern, den ehemals der freisinnige Abgeordnete SartoriuS vertrat, ergab Stichwahl zwilchen Schmidt (liberal) und Clem°nt (Sozd.). "Der Bremer Bürgerschaft ist ein Gesetzentwurf auf Errichtung einer Kammer für den bremischen Kleinhandel zugegangen, in der auch den Frauen das passive Wahlrecht zugestanden wird. * Behufs Einführung deS allge- meinen gleichen und direkten Wahlrechts wird das oldenburgische Staatsministerium dem Landtage eine Vorlage zugehen lassen. *Die Zweite hessische Kammer hat einen Antrag angenommen, demzufolge die Negierung ersucht werden soll, im BundeSrat dahin zu wirken, daß die den Gemeinden zu gewährende Vergütung für die Verpflegung ein- quarnerter Truppen erhöht werden möchte. "In den Karrasbergen (Deutsch- Südwestafrika) wurden einer Hottentotten bande nach energischer Verfolgung empfind liche Verluste beigebracht. Frankreicb. * Der russische Botschafter Neli- dow hat im Ministerium des Äußern die Ver sicherung abgegeben, daß seine Regierung den bekannten österreichischen Polizeivorschlag keines wegs unterstützt. Nelidow fügte hinzu, daß Rußland niemals aufgehört habe, sich alS Verbündeten Frankreichs zu fühlen und in dieser Stellung an einer gedeihlichen Lösung der Marotkoflage mitzuarbeiten. Graf Cassini gab die gleiche Erklärung den Mitgliedern der Konferenz in AlgeciraS. "In der Deputiertenkammer wurde das Finanzgesetz beraten. Poincarö be- antragt, hiervon sämtliche Zusatzanträge zu trennen, die dahin gehen, die Steuer auf Alkohol herabzusetzen, und stellt die Vertrauens frage, denn es sei notwendig, das Budget rasch zu erledigen. Nach lebhafter Beratung wird die Trennung der Zusatzanträge mit 3L7 gegen 198 Stimmen genehmigt. ««glaub. * Ganz unerwartet mischt sich König Eduard in die Verhandlungen von Algeciras. Wie Londoner B.ätter berichten, hat er dem französischen Ministerpräsidenten Sarnen tele graphiert, daß England, wie auch der Aus gang in Algeciras sein möge, keinerlei Ände rungen in der Politik vornehmen werde, welche die englische Regierung vom ersten Tage der Marokko-Konferenz verfolgt habe. Schweiz. * Der Nationalrat in Bern hat mit 94 gegen 12 Stimmen einen BundeSratSbe- schluß angenommen, wonach die Abgabe von elektrischer Energie, welche aus inländischer Wasserkraft gewonnen wild, ins Ausland der Bewilligung durch den BundeSrat bedarf. Italien. "In der Kammer gab die Regierung eine Erklärung ab, wonach es ihr eifriges Bestreben sein werde, die wirtschaftliche Lage der Eisenbahnbeamten mehr und mehr zu heben, damit Zustände wie beim letzten Eisenbahner streik in Oberitalien nach Möglichkeit vermieden werden. Spanien. * Die Nachrichten aus Algeciras lauten wieder ein wenig hoffnungsfroher. Man nimmt allgemein an, daß in den nächsten Tagen zwischen Deutschland und Frankreich eine Ver ständigung erzielt werden wird. Aller dings mischt sich auch ein Mißklang in die schüchterne Freude. Herr Bu Hamara, der den marokkanischen Thron für sich in Anspruch nimmt, hat einen Vertreter nach Algeciras ge sandt, um feierlich gegen alle Beschlüsse der Konferenz Einspruch zu erheben. Damit ist die Marokkofrage in ein völlig neues Stadium ge rückt; denn wenn auch die Mächte Herrn Bu Hamara als Thronräuber betrachten und daher seinem Abgesandten wenig oder gar keine Be achtung schenken würden, so bifindet sich Frank reich in peinlicher Lage. Der Abgesandte Bu Hamaras ist nämlich — Franzose. Er war srüher in der Gegend von Lyon ein ehrsamer Schneider und hat sich durch feine Bekleidungs kunstfertigkeit, die er an den Truppen des „Nebenregenten" erprobte, in das Herz seines „erlauchten Herm" geschmeichelt. Frankreich wird wahrscheinlich versuchen, diesen störenden Besuch sobald als möglich wieder loszuwerden. * Der Vertreter Schwedens in Algeciras äußerte bezüglich der Konferenzdauer einem Stockholmer Blatt zufolge: „Wir find mit der Absicht gekommen, uns zu verständigen, und da sollten wir nach zwei Monaten resultat- los nach Hause gehen? Das ist unmöglich. Man ist noch nicht fertig. Wir erwarten aber alle, daß eS zu einer Verständigung kommt." Ruhland. "Die Lage in Rußland ist nach wie vor überaus ernst. Es gelingt der Regierung nicht, die vielfachen Raubanfälle und Plün derungen zu verhüten. Besonders bieten jetzt die Wahlen zur Reichsduma Anlaß zu Aus schreitungen schlimmster Art. In Lodz kam es während der Wahlen zu einem blutigen Krawall. Die Revolutionäre schossen aus Revolvern durch die Fenster in den Saal, wo eine grenzenlose Verwirrung entstand. Die Wähler stürmten hinaus, auch hier wieder von Schüssen und Steinwürfen empfangen. Die zur Hilfe herbei eilenden Truppen schossen blindlings darauf los. Viele Personen wurden schwer verletzt, eine ganze Anzahl getötet. Ein Überfall von Sozialdemokraten auf eine andre Wahlgesell schaft verlief ebenfalls blutig. Auf den Bahn höfen wird wegen des drohenden Eisenbahner ausstandes wieder Militär zusammengezogen. "Dem ReichSrat ist soeben das vom Finanzministerium ausgearbeitete Projekt sür die Einführung der Einkommen steuer zugegangen. Danach hofft man schon in der ersten Zeit mehr alS 100 Mill. Mk. Steuern zu erzielen. Balkanstaate«. *120 Kreter find mit einem Schiff nach Mazedonien abgefahren. Hilmi Pascha, durch die türkische Botschaft in Athen davon verständigt, ließ ein Torpedofahrzeug auslaufen, um die Kreter abzufangen. Trotz aller Ver sprechungen und trotz der lebhaften Bemühungen der Schutzmächte können die „Jnselrepublikaner" nicht Ruhe halten. Aus clem l^eickstage. Der Reichstag hat die Sitzung am 20. d. noch vollständig für die Kamerundebatte verwendet. Nur zögerns gab Prinz Hohenlohe den Gouverneur Putt- kamer seinen Angreifern preis. Die Abgg. Ledebour und Bebel tadelten den Leiter der Kolonialver waltung wegen seiner Leichtgläubigkeit gegenüber Puttkamer, worauf er erklärte, es sei seine Pflicht, seine Beamten nicht ohne weiteres preiszugeben. Auf eine Anfrage des Abg. Erzberger, was mit dem Gouverneur von Togo, Horn, geschehen sei, teilte Prinz Hohenlohe mit, er sei zur Disposition gestellt und, um volle Klarheit über sein Verhalten zu schaffen, das Disziplinarverfahren gegen ihn ein geleitet worden. Ein Antrag des Abg. Siorz (südd. Vp.), der die Herabsetzung des Baufonds um eine Viertelmillion forderte, sand vielen Anklang, zumal da Geh. Rat Rose erklärte, daß tatsächlich für ge wisse Luxusausgaben in unsern Kolonien sehr viel Geld auSgegeben worden ist. Der Antrag wurde cm die Budgetkommission gewiesen. Der KomwissionS- antrag betr. die Einengung des Verordnungsrechts der Gouverneure und Schaffung eines Kolonialrechts wurde angenommen, der sozialdemokratische Antrag betr. die Enthaftung der Akwahäuptlinge abgelehnt. Schließlich stimmte da« HauS noch der Vorlage betr. die Bahn Duala - Manengubaberge in zweiter Lesung zu. Präsident Graf BaIlestrem eröffnet die Sitzung am 2t. d., indem er dem verstorbenen Abg. Lenzwann (srs. Vp.) einen Nachruf widmet. DaS HauS erhebt sich zu Ehren deS Verstorbenen. Erster Verhandlungsgegenstand: Schutz der Versammlungsfreiheit. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (wirtsch. Vag.): Daß die Versammlungsfreiheitnichtausreichend geschützt erscheint, beweisen die von den verschiedensten Seiten eingebraHten Anträge der Sozialdemokraten, der Freisinnigen, Nationalliberalen, des Zentrums und der Polen. Die landesgesetzlichen Vorschriften sind aller verschiedenster Art hinsichtlich der Anmeldung, Einberufung, Leitung und Überwachung von Ver sammlungen. Hier macht sich der Mangel eines Reick: SgesctzeS außerordentlich fühlbar. Abg. Ba.udert (soz.): War den Kern deS Antrages betrifft, so können wir ihm wohl zu stimmen. Redner greift sodann heftig die Haltung der Antisemiten und andrer Parteien auf Ver sammlungen in Eisenach an. Abg. GieSbertS (Z.): Wir find mit der Tendenz des Antrages uno den bei der Begründung vorgeschlagenen Mitteln zur Abhilfe nicht einver standen. Die Folgen sind unübersehbar, die Polizei- befugnisse würden in höchst unerwünschtem Maße erweuert. Redner tritt dann sür ein ReichsvereinS- gesetz ein und fordert bessere Gewährleistung der Koalitionsrechtes. Notwendig wäre ein Schutzgesetz, das verhindert, daß die Großindustriellen die Ar beiter zu Unfreien herabdrücken. Abg. Patzig (nat.-lib.) macht ebenfalls Bedenken gegen die Tendenz des Antrages geltend. Die Frage läßt sich nur regeln durch reichsgesetzliche Reform des Vereinsgesetzes, und deshalb stimmen wir gegen den Antrag. Abg. Porzig (kons.) stimmt dem Anträge im großen und ganzen zu, aber mit der Beschränkung, daß eine Neuregelung der Landesgesetzgebung über lassen bleibt. Wir sind auch damit einverstanden, daß da« Reichsamt deS Innern die notwendigen Er hebungen voruimmt. Abg. Raab (wirtsch. Vgg.s, verteidigt die Haltung seiner Parteifreunde im Kreise Eisenach mit Rücksicht auf den Mob, die Schutztruppe der Sozialdemokratie, den man habe fernhalten müssen, um Versammlungen ohne Störungen abhalten zu können. Abg. Bernstein (soz.): Es gibt keine Partei, die so wie die Sozialdemokraten in ihren Ver sammlungen politische Gegner zu Worte kommen läßt. (Stürmisches Gelächter im ganzen Hause). Redner polemisiert dann deS längeren gegen die Antisemiten und erklärt sich schließlich gegen den Antrag. Abg. Schrader (srs. Vgg.) spricht sich gegen den Antrag aus, der nur die Befugnisse der Polizei ver mehren würde. ES mag ja sein, daß die Parteien, die den Antrag befürworteten, polizeilichen Schutz in höherem Maße nötig haben. Wir wünschen möglichst große Freiheit des Versammlung«- und VereinSrechtS. Der Antrag würde die Erreichung de« von un« erstrebten Ziele«, reichsgesetzliche Re gelung des VereinSrechtS, erschweren. Abg. Sindermann (soz.): Wir stimmen gegen den Antrag, weil er das bischen Versammlungs freiheit, das wir heute noch haben, illusorisch machest würde. Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.): über die Äußerung des Abg. Bernstein/ die Sozialdemokratie allein ehre die Versammlungsfreiheit, hat ja , die Mehrheit des Reichstage« durch Lachen quittiert und damit die Ansicht der Mehrheit des Volkes zum Ausdruck gebracht. Mir wurde doch in Melsungen der Zutritt zum Versammlungslokal von einer Kette von Sozialdemokraten mit Mauersteinen verwehrt, und erst mit Hilse der Revolver meiner Begleiter kamen wir hindurch. In Kassel wollte man m einer sozialdemokratischen Versammlung hinter meinem Rücken mit aufgekrempelten Ärmeln auf mich loS- gehen, und ich wußte unter Zurücklassung meine- Hutes daS Welte suchen. Und wie haben denn Ihre (zu den Soz.) Parteigenossen in Eisenach sich benommen? Ich habe selbst dabeigestandcn, wie von Ihren Freunden ein Schutzmann zum Fenster hinausgeworfen und sein Nock von oben bis unien zerrissen wurde. Ihre Genossen in Eisenach haben sich so ruppig benommen, daß Sie ihnen, wie es ja auf dem Parteitag zu Jena angeregt wurde, hier im Reichstage kaum Konkurrenz machen können. Abg. Stück len (soz.) polemisiert gegen den Vorredner und bezeichnet seine Ausführungen als Verleumdungen. Als ich den Antrag las, dachte ich, die Herren gehen jetzt gegen sich selbst vor. Präsident Graf Ballestrem ruft den Vor redner zur Ordnung, weil er einem Mitglied des Hauses Verleumdung' vorgeworfen habe. Abg. Schack (wirtsch. Vgg.) weist die Vorwürfe der sozialdemokratischen Redner zurück, als ob die nationalen Handlungsgehilfen in Dresden als Sprcngkolonnen organisiert worden seien. Der Beweis sür die Behauptungen ist schwer zu er bringen, für schwierige Arbeit sind die Sozial demokraten nicht zu haben — deshalb bleiben sie den Beweis schuldig Abg. Reißhaus (soz.) polemisiert unter an dauernder großer Unruhe, Widerspruch und Gelächter des Hauses gegen die Antisemiten, bleibt aber im einzelnen unverständlich. Abg. Zimmermann (wirtsch. Vgg.) bekämpft die Sozialdemokraten und besonders ihr Vorgehen in Versammlungen politischer Gegner im Königreich Sachsen. Wir lassen uns von Ihnen (zu den Soz.) nicht aus der Nase herumtanzen. Die weiteren An griffe des Redners werden von den Sozialdemokraten mit andauerndem Lärm und heftigem Widerspruch begleitet. Etwa sechs Sozialdemokraten, darunter die Abgg. Hoffmann-Berlin, Horn-Sachsen melden sich fast gleichzeitig zum Wort. ES folgen weitere Bemerkungen zwischen den Abgg. Horn-Sachsen (soz.), Schöpflin (soz.) und Hoffmann-Berlin (soz.). , Damit schließt die Debatte. Der Antrag Liebermann v. Sonnenberg wird abgelehnt. Der Antrag Graf v. Bernstorff auf Ermäßi gung der Verbrauchsabgaben auf Zucker wird ohne Debatte an die Budgetkommisfion verwiesen. Daraus vertagt sich daS HauS bis Freitag. W-s—— ' US Von uns fern Fünf Matrose« bei eiuem Rettung-- werk ertruvkeu. Ein schreckliches Unglück, dem fünf Seeleute zum Opfer gefallen find, hat sich bei HornSriff (Nordsee) ereignet. Aus der Fahrt nach Hamburg erlitt der Dampfer „Odin" in der Nähe des Feuerschiffes „Horn riff" Maschinenschaden und trieb infolgedessen vor Wind und Wellen hilflos. Von der von dem Kapitän zusammengerufenen Mannschaft meldeten sich freiwillig fünf Mann zu dem ge fährlichen Wagnis, Hilfe vom Feuerschiff zu holen, um Kameraden und Schiff vor dem drohenden Untergang zu bewahren. Diese fünf bestiegen ein Boot und fuhren nach dem Feuer schiff zu. Ehe sie dieses jedoch erreichten, kenterte daS Boot und alle fünf fanden den Tod in den eisigen Fluten. Der „Odin" wurde später von einem Dampfer in Schlepptau ge nommen und in Sicherheit gebracht. Die Entfestigung Kölns. In einer ver traulichen Sitzung haben die Stadtverordneten dem Plane zugestimmt, die links- und rechts rheinischen Umwallungen anzukaufen. In einer öffentlichen Sitzung soll ein endgültiger Beschluß darüber gefaßt werden. Mit Ler Entfestigungs frage ist die Frage der Errichtung zweier stehen der Brücken sowie des Laues oer Gürtelbahn eng verbunden. Der Mädcherrmürder vor Gericht. Ler Banklehrling Brunke, der in Branschweig die beiden Töchter Martha und Alma des Kauf manns Haars mit ihrem Einverständnis am 17. Oktober v. erschossen hat, wurde von der ersten Strafkammer des Landgerichts zu 8 Jahren Gesängnis verurteilt. O Vie leiere Kate. S) Roman von Karl Schmeling. < Sarrs eyilng.) 6. Der Referendar v. Huldringen war um die Nevjahrszeit von dem Obergericht der Landes hauptstadt an das in der Bezirkshauptstadt Lübne befindliche Untergericht versetzt worden. Ob dies eine Auszeichnung oder eine Zurücksetzung, eine Strafe sein sollte, oder ob diese Verletzung auf Veranlassung seines BaterS stattge'unden hatte, darüber war sich der junge Herr nicht klar, kümmerte fich auch nicht weiter darum. Er war recht gern einige Zeit aus der Hauptstadt fort, nur gefiel es ihm nicht, daß er seine edle Zeit in einem kleinen, stillen spießbürgerlichen Neste, wie eS LLHne war, hin bringen sollte. Arturs Vorleben läßt fich mit kurzen Worten wiedergeben. Er war als Erstgeborener der Liebling seiner Mutter und von dieser vollständig ver> zogen worden. Bis zu seinem siebzehnten Jahre wuchs er unter den Fittichen der nach- sichtigen Mama heran und sand dann durch Vermittelung deS vieloermögenden Vaters als Avantageur Aufnahme in der Leibgarde des Landesyerrn. Der junge Herr durchlief, als der Sohn eines Generals, sehr schnell die niederen Grade des erwählten Standes und wurde auch bald Offizier. Hiermit schwoll dem jungen Hahn der Kamm. Er nahm fich zu den Vorrechten, welche ihm als Offizier und Lerbgardisten zu stande«, auch noch andre heraus. So lange er dies um Untergebenen und Zivilpersonen gegenüber tat, machte die Sache kein besonderes Aufsehen. Doch Artur v. Huldringen begann fich auch an Vorgesetzten zu reiben, und das sollte ihm schlecht bekommen. Nach einem Streite mit einem der persönlichen Adjutanten des Herrschers wurde dieser von der Opposition des jungen Herrn verständigt. In bezug auf militärische Unterordnung kannte der etwas eigenwillige Fürst keinen Spaß. Wäre Artur nicht der Sohn des ver dienten Generals v. Huldringen gewesen, hätte man ihm einen recht unangenehmen Prozeß gemacht. So aber wurde ihm nahe gelegt, bald seinen Abschied zu nehmen. Artur bezog die Universität und war wenige Jahre spL'er Referendar am Oberlandesgericht in der Haupt stadt, von wo er nun nach Löhne versetzt worden war. Artur fand in der Kollegenschaft zu Lühne nicht, was ihn befriedigen konnte. Die älteren Richter waren verbauert, wie er es nannte. Die jüngeren H.nen hatten fich in ihre Ar beiten verbissen und dachten hauptsächlich nur an ihr Vorwärtskommen. Flotte Lebemänner gab es unter ihnen nicht. Artur suchte fich daher bald den Offizieren der Garnison an zuschließen. In Lühne stanken indessen nur zwei Schwa dronen. Mit Ausschluß der Stabsoffiziere zählte das Offizierkorps nur zwölf Angehörige, von denen überdies zwei abkommandiert worden waren. Eunge der Herren hatten eine Familie und befleißigten fich daher einer soliden Häuslichkeit. Von den unverheirateten Offizieren trieb der eine dies, der andre das zu seinem Ver gnügen, um den ausgedehnten, kostspieligen Kafinobesuch zu vermeiden. Kam man zu sammen, so begnügte man fich mit mäßigen Genüssen und ergötzte fich an Unterhaltungen, die nur geringe Ausgaben verursachten. Arturs frühere Heldentaten waren zum Teil in Vergessenheit geraten, zum Teil hatten die Dragonerosfizlere solche anch nie in ihrem ganzen Umfange kennen gelernt. Sie wiesen daher den Sohn ihres komman- dielenden Generals nicht von sich, sondern ge statteten ihm den Verkehr mit ihnen. Man nannte ihn scherzweise „die Erinnerung auS dem Heldenleben" und zog ihn auch wohl noch in andrer Weise auf. Zur Freundschaft mit einem der Herren konnte es Artur überhaupt nie recht bringen. Höchst frostig benahm fich Weilmann gegen den Eindringling. Er hatte überhaupt nur feilen das Kasino des O fizierskorps besucht. Seit fich der junge Huldrmgen in demselben heimisch gemacht, kam er noch seltener alS sonst. Aber merkwürdig — Weilmann war es gerade, dessen nähere Bekanntschaft Artur einige Zeit hindurch mit großem Eifer zu machen suchte. Das ernste, ruhige Wesen desselben schien ihn besonders anzuzikhen. Die, wie wir wissen, in der Hauptsache unbegründeten Ge- rüchie über jenen mochten noch ihr übriges dabei tun. Die Zurückweisung, die ArturS Annäherungsversuche durch Weilmann erfuhren, waren selbstverständlich nur geeignet, den ver wöhnten jungen Herrn zu erbittern. Ob Artur v. Huldringen vielleicht daran, dachte, für die ihm vermeintlich durch Weil mann zugefügte Kränkung Vergeltung zu üben? Es ist möglich. Doch nachtragend und rach süchtig durfte er wohl nicht genannt werden. Dazu war er zu sehr Mensch des Augenblicks. Er vergaß ebenso leicht Beleidigungen wie Wohltaten. Er hatte sicher zuzeiten seine bösen Anwandlungen und Einfälle, doch mußten diese sofort zur Ausführung kommen, wenn sie nicht für immer etnschlafen sollten. Es fehlte dem jungen Herrn ja eben an der Kraft deS festen Willen bei allen seinen Handlungen. I« übrigen zeigte sein Besuch bei Weilmann, daß dieser ihn noch lange nicht genügend von jeder Annäherung abgeschreckt hatte. Einige Tage nach demselben befand sich Artur in Gesellschaft von mehreren Offizieren in dem Kastno. Man hatte ausnahmsweise scharf getrunken und der junge Herr war infolge davon etwas aufgeregt. Die im Gange befindliche heitere Unterhaltung wurde durch den Eintritt eines neu anlangenden Offiziers unterbrochen- „Jetzt ist es so west!" rief derselbe in daß benschende Stimmengewirr hinein. „Der große Wurf ist ihm gelungen! Ich meine den Kam^ raven Weilmann. Die Sache ist zwar noch ein Geheimnis, aber eins, wovon die Sperlinge auf den Dächern pfeifen. Der Kamerad hat die Perle von Lühne — die Goldperle darf man wohl sagen, erobert. Er hat fich Fräulein Reuser verlobt." Diese Mitteilung rief ein bedeutendes Auf«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)