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Ottendorfer Zeitung : 11.04.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190604110
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060411
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060411
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-04
- Tag 1906-04-11
-
Monat
1906-04
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 11.04.1906
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politische Kimälchau. De«tschla«d. *Die Reichstagssitzung am Don nerstag, in welcher der Etat des Reichskanzlers und des Auswärtigen Amtes zur zweiten Be ratung stand, erfuhr nach kurzer Dauer eine jähe Unterbrechung. Fürst Bülow hatte die Beratung mit einer kurzen Rede über die Marokko-Angelegenheit eingeleitet und wieder auf seinem Sessel Platz genommen, als er plötzlich, während , der Abgeordnete Bebel sprach, von einem Ohnmachtsanfall betroffen wurde. Die Sitzung wurde sofort unterbrochen, die Tribünen geräumt. Verschiedene Abgeord nete, darunter die Arzte Dr. Mugdan und Dr. Becker, bemühten sich um den Kanzler und brachten ihn in das Zimmer des Präsidenten. Sein Adiutant v. Schwarzkoppen holte die Gemahlin des Fürsten herbei, ebenso wurde sein Leibarzt, Prof. Renvsrs, benachrichtigt, der a'süald eintraf und feststellte, daß es sich nm einen Ohnmacht?anfall handelt, der durch die Überanstrengung der letzten Tags und die Nach wirkungen einer eben erst überstandenen In fluenza hervorgerufen war. Fürst Bülow hatte das Bewußtsein während der ganzen Dauer des Anfalles nie völlig verloren, er erholte sich nach und nach und wollte sogar in den Sitzungssaal zmücktshrrn, um den Fortgang der Etatsberatungen zu ermöglichen. Der Kaiser begab sich auf die Nachricht von dem Unfall deS Fürsten Bülow sofort in das ReichL- tagsgebäude, um sich nach dem Befinden des Reichskanzlers zu erkundigen. Wie bekannt ge worden ist, hat sich das Befinden des Reichs kanzlers andauernd gebessert, so daß keinerlei Gefahr besteht. * Der Kaiser begab sich auf die Kunde von dem Ohnmachtsanfall seines Kanzlers nach dem Reichstagsgebäude, um fich persönlich nach dem Befinden des Fürsten Bülow zu er kundigen. Auch die Kaiserin erschien zu diesem Zweck im Reichstagsgebäude. * Der Kaiser hat an die Jerusalem- Pilger anläßlich der Einführung der Bene diktiner in die Dormition ein Danktelegramm gesandt. * Der Bunde 8 rat hat dem Entwurf, eines Gesetzes für Elsaß-Lothringen betreffend die Grundsteuer die Zustimmung erteilt und den Entwurf von Ausführungs-Bestimmungen zum Gesetz über die Wetten bei öffentlich veranstalteten Pferderennen vom 3. Juli 1895 angenommen. * Am 11. d. erfolgt die Ausgabe von 360 Millionen Mark 3V- prozcntiger Deutscher Rrichsanleihe und 300 Millionen Mark 3V-wozeniiger Preußischer Konsols zum Preis von 100,10 Prozent. * Dem Preuß ischenAbgeordneten- hause ging dieKleinbabnvorlage zu. Sie fordert insgesamt 2l7 147000 Mk. *Der sozialdemokratische NeichstagS- ab geordnete Meister, Vertreter von Hannover-Linden, ist, 63 Jahre alt, infolge eines Schlaganfalles gestorben. Österreich-Ungar«. * Der lange schwere Streit zwischen Krone,und Parlamentsmehrheit inUngarn ist durch die letzten Wiener Verhandlungen in soweit erledigt, als die Bildung eines von allen Seiten als verfassungsmäßig und ge schäftsfähig anerkannten Ministeriums unter der Leitung des früheren Ministerpräsi denten Dr. v. Wekerle gesichert ist. Der bisherige Ministerpräsident Fejervary hat bereits den Kaiser sein Entlaffungsgesuch überreicht, das genehmigt wurde. Bei den neuerlichen Ver handlungen soll die Frage der ungarischen Kommandosprache gänzlich ausgeschaltet werden. Damst fällt die Hauptursache des Streites. Frankreich. *Auf den Gruben von Courriöres ist es zwischen der Bevölkerung und den Sol daten zu ernsthaften Zusammenstößen ge ¬ kommen. Den Anlaß bot die Nachricht, daß wiederum mehrere Leichen gefunden worden find, bei denen der Tod erst infolge von Erschöpfung vor wenigen Stunden eingetreten sei. Mit blanker Waffe und gezogenen Revolvern wurden die Ingenieure, die aus dem Schacht kamen, von Soldaten in ihre Häuser begleitet. G«gla»d. *Da« Abkommen von Algeciras bezeichnen leitende liberale Blätter als durchaus zufriedenstellend und erkennen die versöhnliche Haltung an, die auch von deutscher Seite beim Abschluß des Vertrages bewiesen worden sei. Die .Westminster Gazette' hofft jetzt nach Be endigung des Marokkostreites auf die Aus söhnung mit Deutschland. Das Ein ¬ vernehmen mit Frankreich enthalte keine Spitze gegen Deutschland. JtaNe». * Die Nachricht, der K anzl er des Deutschen Reiches habe einen Ohnmachtsanfall erlitten, rief in der Kammer große Bewegung hervor. Alle römischen Blätter widmen dem Kanzler überaus sympathische Worte und sprechen ihre Freude darüber aus, daß die letzten Nachrichten eine schnelle Besserung erhoffen lassen. Norwege«. * Blättermeldungen aus Christianis zufolge steht eine Ministerkrisis nahe bevor, da der „Herr König" fich angeblich weigerte, einen Beschluß zu unterschreiben, den die Minister einstimmig gefaßt haben. Tpavien. * Der Minister der öffentlichen Arbeiten sandte sine Kommission von Bergarbeitern nach Cournöres, die die d euts ch en Rettungs apparate besichtigen und ihre schnelle Hand habung erlernen soll. Spanien will diese Apparate ebenfalls in seinen Bergwerken ein führen. Rußland. *Auf dem Gebiete des Preßwrsens sollen im Zarenreiche, noch ehe die Reichsduma ihre Tätigkeit beginnen kann, scharfe Maß regeln in Kraft treten, nachdem seit dem Oktobermanifest des Kaisers Nikolaus, wenigstens in den nicht unter Kriegsrecht gestellten Gouvernements, ein gewisses Maß von Freiheit bestanden hat. Künftighin darf der Heraus geber einer Zeitung, die verboten oder unter drückt worden ist, selbst oder durch Vermittelung eines andern keine Zeitung mehr herausgeben, bis er seitens des Gerichts dazu ermächtigt wird. Zuwiderhandelnde trifft eine Strafe von 16 Monat Gefängnis. (Diesen Ukas hat ein Herrscher mit seinem Namen unterzeichnet, der es vor einem halben Jahre als seine heiligste Pflicht bezeichnete, in seinem Lande freiheitliche Reformen einzuführen.) Balkauftaateu. * Der Oberkommissar in Kreta, Prinz Georg, soll den Vertretern der Schutz- Mächte in Kansa ein umfangreiches Memo randum übermittelt haben, worin er die Ent wicklung der Dings auf Kreta seit seiner Ankunft auf der Insel ausführlich schildert und darlegt, daß es keine andere Lösung gebe, als die Vereinigung Kretas mit Griechen land. Demgemäß bittet der Oberlommissar dis Schutzmächte, ihr Werk zum Abschluß zu bringen und die Union zuzulassen und damit auch ihm seine Freiheit zu geben. Amerika. * Der Streik in Indianapolis nimmt immer größere Ausdehnung an. Zwischen den AuSständischen und dem zum Schutz der Arbeitswilligen herangezogenen Militär kam es wiederholt zu blutigen Zusammenstößen. Man hofft, daß in dieser Woche eine Einigung zu stande kommt. Afrika. * Der Ausstand in Natal nimmt abermals große Ausdehnung und ernste Form an. Bei einem Gefecht zwischen englischen Truppen und au sländischen Kaffern ist ein Teil der ersteren abgeschnitten worden. Aste». * Japan will, bevor die bald zu er wartende Öffnung der ganzen Mandschur ei für den fremden Handel erfolot, zunächst den Verkehr von ausländischen Schiffen in Tatungkao zu lassen. * In NordLina besteht aus Anlaß des Todes des chinesischen Beamten in Nanchang, der einen Angriff auf die MisfionsgebSude zur Folge hatte, nach wie vor unter der Bevölke rung eine erbitterte Haltung gegen die Missionars. An vielen Orten find Truppen in die Nähe der Missionen beordert worden. Veutleker Aeickstag. Die Sitzung vom 5. d. begann mit einer Dar stellung der Marokkoangelegenheit durch den Reichskanzler Fürsten Bülow. Im allgemeinen war die Debatte nicht allru lebhaft, da der Reichs kanzler kurz nach seiner Rede einen schweren Ohn machtsanfall erlitt, gerade als der Abg. Bebel die Ausführungen des. Reichskanzlers kritisierte. Reichskanzler Fürst Bülow führt etwa folgendes aus. Meine Herreni Sie werden eS verstehen, wenn ich meine Worte sehr sorgsam ab» wäge, nicht nur, weil der formale Abschluß der Konferenz noch nicht erfolgt ist und noch in keinem andern Parlament das Ergebnis der Kon ferenz über die Marokkofrage besprochen worden ist, sondern auch, weil ich die erreichte, die müh sam erreichte Verständigung nicht beeinträchtigen oder trüben möchte. Wir waren Teilhaber an einer internationalen Konvention, die das Prinzip der Meistbegünstigung entbielt, wir besaßen in einem Handelsvertrag dar Recht der meistbegünstigtsten Nation. Darüber nicht ohne unsere Zustimmung verfügen zu lassen, war eme Frage des Ansehens der deutschen Politik, der Würde des Deutschen Reiches, in welcher wir nicht nachgeben durften. Daraus, meine Herren, folgt, was wir in Marokko erreichen wollten, was nicht. Wir wollten nicht in Marokko selbst festen Fuß fassen, denn darin hätte eher eine Schwächung als eine Stärkung unserer Stellung gelegen. Was wir wollten, war, zu be kunden, daß das Deutsche Reich fich nicht als quLlltitä nsAlixsabls behandeln läßt (lebhafte Zu stimmung), daß die Basis eines internationalen Vertrages nicht ohne Zustimmung der Signatar- Mächte verrückt werden darf, daß in einem so wichtigen, selbständigen, an zwei Welthandelsstraßen gelegenen Wirtschaftsgebiet die Tür für die Freiheit des fremden Wettbewerbs offen gehalten werden müsse, Frankreich hat fich mit gleicher Versöhnlichkeit wie wir zu einer Lötung der schwierigen Fragen bereu finden lassen. Wir sind nicht kleinlich, wir sind in manchen Einzelsragen nachgiebig gewesen, aber wir haben unerschütterlich festgehalten un dem großen Grundsatz der offenen Tür, der neben der Wahrung des deutschen Ansehens uns in der ganzen Marokko- Aktion geleitet hat und leiten mußte. Meine Herren, es war ein schwieriger Berg, den wir erstiegen haben. Manche Übergänge waren nicht ohne Gefahr. Tine Zeit der Mühe und der Beunruhigung liegt hinter uns. Ich glaube, daß wir jetzt mit mehr Ruhe ins Weite blicken dürfen. Die Konferenz von Algeciras hat, wie ich glaube, ein für Deutschland und Frankreich gleich befriedigendes, für alle Kult«» länder nützliches Ergebnis geliefert. Frhr. v. Hertling (Zentr.): DaS Er gebnis der Marokkokonferenz ist für alle Kultur staaten, insbesondere auch für Deutschland und Frankreich, gleich befriedigend. Es würde zu be klagen gewesen sein, wenn auS Veranlassung deS Marokkohandels eine schwere Verwicklung entstanden wäre. Ich hoffe, daß die engen freundschaftliche« Beziehungen mst Österreich noch über manche Fahr« lichkeiten hiuweghelfen, und daß eS selber die inneren Krisen überstehen möge. Was Italien betrifft, so hat leider in der dortigen Pr-sse eine gewiss-: Be unruhigung Platz gegriffen. Der in einem Teil der italienischen Presse hervorgetretene Ton gegenüber Deutschland imß uns überraschen, verwundern und bct-übeu. Die radikale revolutionäre Strömung reicht nach Frankreich, nicht nach Deutschland. Redner warnt iodcum vor einer neuen russischen Anleihe. Dis Mißgunst, deren sich Deutschland vielfach er- sreut, ist begründet in seiner historischen Friedens liebe und seinem gewaltigen Auischwnng. Ich habe das Zutrauen, daß der gegenwärtige Lester der aus wärtigen Politik jederzeit bestrebt sein wird, daS Steuer deS deutschen Schiffes durch alle Klippen sicher hindurchzuführen. Abg. Bebel (so;.): Der Reichskanzler hat heute die Marokkofrage als eine Kleinigkeit bezeichnet. Woher kam dann der Lärm, der im vorigen Sommer dis ganze Welt beunruhigt hat? Ich verstehe eS nicht, wie der Marokko-Rummel die ganze Welt in Unruhe versetzt hat. Redner warnt sodann ein dringlich vor Rußland und vor einer neuen russischen Anleihe. Wir haben im Interesse der Kultur den Wunsch, daß der russische Despotismus zusammen- bricht. Die russische Revolution hat in Österreich schon die Gewährung des allgemeinen Wahlrechts herbeigssÜhrt. Die Rede Hertlings wird in Italien überall das größte Aussehen erregen. > Während der Rede de? Abg. Bebel ereignet sich der OhnmachtSanfall deS Reichskanzlers. Um 1 Uhr 20 Minnien eröffnet Vizepräsident Graf Stolberg di« unterbrochene Sitzung wieder und bittet den Abg. Bebel, in seiner Rede fortzusahren. Abg. Bebel (soz.) fügt seiner unterbrochenen Rede nur noch einige wenige Worte an und schließt alsdann. DieAbog. Bassermann (nat.-lib.),Müller- Sagan (freis. Vp) und Liebermann von Sonnenberg (wirtsch. Vag.) sprechen zunächst die Hoffnung auf baldige Wiederherstellung d:S Reichskanzlers auS, erklären sich dann mit den Ergebnissen der Marokko-Konferenz zufrieden und stimmen der Politik des Reichskanzlers zu. Alle Redner warnen jedoch vor der russischen Freund schaft und der neuen Anleihe. Nachdem noch die Verhaftung Rosa Luxemburg« besprochen worden ist, wird der Etat deS Reichskanzlers genehmigt. Es folgt der Etat des Auswärtigen Amts. Es kommt wegen der Verhaftung de« Holländers Nicuwenkuis in Köln zu einer kürzen Debatte, worauf der Rest des Etats debaiteloS bewilligt wird. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung Dienstag, den 24. April. Präsident Graf Bal l e st r c m wünscht den Abgeordneten ein fröhliches Osterfest. ^on unc! fern. Rätselhafter Fund. In den Binnen- Wässern deS Rheins in per Nähe von Düffel« doif wurden 1000 scharfe Patronen gefunden, die allem Anscheine nach aus militärischen Unterschlagungen herrühren. Die behördlichen Ermittelungen über den rätselhaften Fund find im Gange. AuS einem Luftballon gestürzt. Wie gemeldet wird, ließ bei Falkenstein der Luft schiff«! Haring im Garten des dortigen Ge« meinderathauses einen mit Heißluft gefüllten Ballon steigen. Die Anwesenden nahmen mit Entsetzen war, daß ein Knabe am Seile mit iN die Höhe gezogen wurde. AIS der Ballon etwa 200 Meter hoch war, stürzte der Junge herab und blieb auf dem Dache eines Hauses liegen. Er ist der 13 jährige Pfründnerssoha Karl Prim aus Falkenstein. Totschlag. Der Arbeiter Groß in Eisenach wurde von dem Forstakademiker namenS Eckhardt aus unbekannter Ursache erschossen- Der Täter ist verhaftet worden. Mord unter Knabe». In Weilern tötie auf. offener Straße nach kurzem Wortwechsel ein 12 jähriger Bursche einen 15 jährigen Jungen durch einen Stich mit dem Taschen' messe? ins Herz. Hi Oie letzte Kate. 1S^ Roman von Karl Schmeling. K-rtsitzimg.I Der Jurist hatte einen Heiratsvertrag auf- gesetzt, welchen er den Beteiligten zur Durch sicht vorlegte. Ausstellungen waren nicht zu machen, das Geschäft nahm daher nur kurze Zeit in Anspruch. Luise, Weilmann und Neuser unterzeichneten, die beiden anwesenden Werk führer taten dreS als Zeugen jenes Mes. Der Notar schloß die Urkunde ab, überreichte sie, wünschte den Verlobten alles mögliche Glück und empfahl fich. Die beiden Werkführer schickte Neuser mit dem Bemerken fort, daß er und das Brautpaar bald Nachkommen würden. „Mein lieber Weilmann," wendete der Fabrikherr fich dann an den glücklichen Bräuti gam, „meine Familie ist etwas größer, als eS auf den ersten Blick der Fall zu sein scheint. ES zählen zu derselben nämlich alle Leute, die ich in der Fabrik beschäftige, sowie deren Ange hörige. Alle Feste, welche ich und die Meinigen bisher gefeiert haben, wurden stets von den Arbeitern mitbegangen. Andre Elemente waren ausgeschlossen. Wr bildeten eben eine Welt iür unS. DieS soll auch für heute gelten. Die Leute haben einen freien Tag und find meine Gäste. Wir werden mit ihnen speisen und ihre Vergnügungen teflen. Sie müssen fich schon den Gewohnheiten eines allen Handwerkers anzuschmiegen suchen; eS ist vielleicht etwas schwer, wird aber wohl gehcn. Eine glänzende Hochzeitsfeier muß ich natürlich meiner einzigen Tochter ebenfalls ausrichten. Bei dieser Ge legenheit mögen Sie über die einzuladenden Personen mitbestimmen. Für diesmal müssen fich unsre gegenseitigen Verwandten mit der bereits abgeschickten Verlobungsanzeige be gnügen." „Mir ist jede Ihrer Anordnungen recht, Papa," antwortete Weilmann, indem er Neuser zum erstenmal so nannte. „Ich habe keine Veranlassung, Einwürfe zu machen." „Nun, so kommt, Kinder, man wird unS erwarten," schloß Neuser und alle drei begaben fich nach den Fabrikanlagen. Der große innere Hof derselben war in einen Blumengarten verwandelt worden. Die überall angebrachten Lampen deuteten an, daß derselbe am Abend erleuchtet werden sollte, was in Verbindung mit den ringsum erleuchteten Fenstern der Gebäude einen großartigen Anblick darbieten mußte. Die großen ArbeitssLIe der gewaltigen Fabrikgebäude waren auSgeräumt worden. An die Stelle der Maschinen, Werkzeuge, Arbeits gerätschaften und zu verarbeitenden Stoffe waren reich mit Blumen geschmückte Tische und Bänke getreten. Auch die Wände der Säle waren mit Blumen und entsprechenden Wappen schildern reich geschmückt worden. Die Tische waren gedeckt und mit dem nötigen Geschirr versehen worden. Gegen zweitausend Menschen sollten hier heute gespeist werden und rin kleines Heer von Aufwärterinnen stand bereit, dieselben zu bedienen. Die sämtlichen Beamten und Arbeiter ReuserS waren vor den Gebäuden im Hofe auf gestellt worden: Männer, Frauen und Kinder in bunter Reihe durcheinander. Sobald fich Neuser mit dem jungen Paare zeigte, brach ein langanhallender Jubel los, zu welchem ein MustkkorpS seine Töne erklingen ließ. Auf dem einen Flügel der Gesellschaft befand fich ein Trupp Soldaten. Der Kommerzienrat wendete fich lächelnd an Wellmann. „Damit Sie nicht gänzlich daS „zweierlei Tuch" vermißten, lieber Sohn," sagte er, „habe ich auch meine Einquartierung geladen." Neuser behielt nämlich im Gegensatz zu andern reichen Leuten der Stadt, welche ihre Einquartierung auszumieten pflegten, dieselben auf seinem Grundstück. In der Regel befanden fich ein Sergeant und zwölf Dragoner bei Reuser im Quartier. Der Sergeant trat den Herrschaften näher, um in seinem und der Dragoner Namen dem Brautpaare seine Glück wünsche darzubringen. - „Ich danke Ihnen, lieber Seeger," sagte der Leutnant, dem Manne die Hand reichend; „eS freut mich ungemein, bei diesem Feste Kameraden zugegen zu wissen." Ms fich der Jubel gelegt hatte, sprach auch Reuser einige Worte deS Dankes für alle und dann wurde zu Tische gegangen. Nach dem Mahle folgte zwanglose Unterhaltung. Das Brautpaar bewegte sich während dieser Zell in den verschiedenen Sälen unter den Arbeitern umher. Etwas später wurden die Vorbe reitungen zu Tanzvergnügungen getroffen; mit der hergestellten Festbeleuchtung nahmen auch jene ihren Anfang. Während fich Tausende innerhalb der Fabrikgebäude auf diese Weise ergötzten, umgaben andre Tausende das Werk als Zuschauer. Die Feftireudr! war im schöuftN Gange, als plötzlich Friedrich, der Bursche des Leutnant von Weilmann, erschien und sein'»! Herrn den Befehl überbrachte, sofort ZuS Obersten zu kommen. „Das hat nichts Gutes zu bedeuten," ft"" Weilmann, während er fich zum Aufbl'-d rüstete; „der Oberst ist heute schon sehr ff"* nach der Hauptstadt gereist." „Lassen Sie fich durch nichts die Stimmung verderben, lieber Sohn," mahnte der KoM' mcrzienrat. „Mag kommen, was da will, w» wäre es lieb, Sie erhielten schon morgen N" Entlassung, gleichviel auS welchem Grunde. Weilmann verabschiedete fich von der etivar ängstlich gewordenen Braut und erlaubte seinem Burschen Friedrich, sich an dem Feste zu teiliqen. Sodann eilte er davon. Daß der Leutnant bei sein m jetzigen GE durch die Stadt nicht ganz ruhig war, ist fttM begreiflich. Wenn er auch keinen BesürckiuM» Naum geben wollte, so war doch gewiß, Wichtiges vorliegen mußte, weil ihn MarM" Kanonendonner ohne weiteres von der F'" feiner Verlobung, über deren Anordnung V alte Herr in Kenntnis gesetzt worden war, rufen ließ. Weilmann nahm fich indessen vo' der Mahnung seines zukünftigen SchnE Vaters eingedenk zu bleiben und alles mit R"* zu ertragen, waS ertragen werden mußte. - Sobald der alte Veit Kunz, der Diener Obersten, ein nicht minder drolliger SonderM" als sein Herr, den Leutnant in daS Zimm desselben eingelassen hatte, wußte Wellman auch schon, was seiner wartete.
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