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Die „Ottendorfer Zeitung« erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi» vormittag 10 Uhr. Inserate werden mit 10 Pf für di« Spaltzetle berechnet Tabellarischer Satz nach besonderem Tarif Druck und Verlag voir Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in iöroß-Okilla Nr. 35. Mittwoch» den 21. Marx 1906 5 Jahrgang. die schärfsten Gegensätze hervor. Die Banksrage wollen wir einstweilen ausscheiden, weil das Verständnis dafür im allgemeinen wohl sehr gering ist. Dagegen sei eine kurze Erläuterung >er Polizeifrage gegeben. Ursprünglich forderte Frankreich die Leitung der Marokkopolizei für sich allein. Deutschlands Gegenforderung war, nternationale Leitung der inneren Polizei. Nach vielen Vorverhandlungen und nachdem Frankreich wohl eingesehen hatte, das es mit einer Forderung nicht durchdringen würde, chlugen wahrscheinlich mit seiner Einwilligung Rußland und Spanien vor, daß die Polizei an der algerischen Grenze unter französische, die der Nordhäfen unter spanische Leitung kommen sollte. Wie sich Deutschland zu diesem Vorschläge stellt, ist nicht näher bekannt. Jedenfalls hat es seine grundsätzliche Zu- timmung nickt ausgesprochen. Bekannt da gegen ist, daß alle übrige Mächte, mit Aus nahme Oesterreichs, diesem Vermittelungsvor- chlage ihre Zustimmung zu erteilen bereit sind Lin Zusatzantrag Oesterreichs fordert wenigstens für einen der Nordhäfen internationale Leitung. Neuerdings wird dafür Casablanca genannt, woselbst nach den bisherigen Ansichten überhaupt Äne Polizei errichtet werden sollte. Dieser Aus der Woche. Es ist nicht unsre Schuld, daß wir Woche für Woche für Woche die Geduld unsrer Leser mit der Marokko-Konferenz zu Tode Hetzen müssen, ohne eigentlich etwas Tatsächliches be richten zu können. Die Meldung, daß endlich der Raubmörder Hennig ergriffen wurde, ist zehnmal interessanter. Aber man darf uns glauben, wir sind ebenso unschuldig an Marokko wie an der Ergreifung des modernen Rinaldini. Lange bevor die Konferenz in Algeciras begann hatten in Paris und Berlin wochenlange Konferenzen zwischen den beiderseitigen Staats männern stattgefunden und es hieß, die Konferenz würde nur zusammentreten, um dem deutsch - französischen Uebereinkommen ihren Stempel aufzudrücken. Wie total falsch diese Annahme war, zeigte sich bald nach Beginn der Verhandlungen in Algeciras, In unter geordneten Kleinigkeiten waren Frankreich und Deutschland peinig geworden. In den beiden Hauptfragen: wegen der marokkanischen Staats bank und der inneren Sicherheitspolizei traten Niedergrund. Der mit Stückgütern de- rachtete große Deckkahn Nr. 39 der deutsch- , isterreichischen Dampsschiffahrts-Gesellschaft er- itt bei Niedergrund dadurch Havarie, daß er auf mehrere im Strombett liegende, große Steine auffuhr. Kamenz. Dem hiesigen BarmherzigkeitS- tift, einem Krankenhause, das zahlreiche Frei tellen gewährt, ist unlängst eine bedeutende Schenkung zu teil geworden. Ein Menschen- reund, der seinen Namen nicht genannt haben will, überwies der Anstalt 20000 M. Leider >at das Stift kürzlich eine ihr humanitäres Birken schwer schädigende Einbuße dadurch er- itten, daß die ihr -bisher gewährte Staats- reihilfe von 4500 M. jährlich auf 1 500 M. herabgesetzt wurde. Bautzen. Die Spree führte am Sonnabend bedeutende Wassermassen durch das Stadtgebiet und an verschiedenen Stellen trat der Fluß über die User, die anliegenden Wege und Wiesen überschwemmend. Der Höchststand war nachmittags mit 56 Zentimetern über Normal erreicht. Meißen. Ein hier unternommener Versuch in den von der Zitterkrankheit befallenen Klaffen der Schule an der Dresdner Straße den Unterricht wieder aufzunehmen, ist nickt geglückt. Viele der erkrankt gewesenen Kinder zeigen aufs neue Krankheitserscheinungen, auch traten in einigen wenigen Fällen die Symptome der Erkrankung bei bisher ge sunden Kindern aus. Die Klaffen sind sosort wieder geschloffen worden. Sie werden nächsten Montag wieder eröffnet werden, aber nur für die Kinder, die sich bisher bez. bis zu den ge nannten Tage für die Krankheit gänzlich un empfänglich gezeigt haben. Kinder, welche Krankheitserscheinungen dargebotcn haben oder noch darbieten, werden erst drei Wochen nack dem letzten Anfalle — bei deutlicher Blut armut, Schwäche nnd Nervosität entsprechend später — zum Unterrichte wieder zugelasscn werden. Der Schularzt wird die anscheinend genesenen Kinder zweimal in der Woche unter suchen und bestimmen, wann sie wieder zur Schule kommen dürfen. Paunsdorf. Aeußerst roh zeigten sich nach beendigter Musterung fünf Rekruten. Sie be lästigten Frauen und Mädchen, drangen in die daselbst gelegene Kunstanstalt Aristophot ein und schlugen mehrere dort in Arbeit stehende männliche Personen. Nur mit großer An strengung konnten die Rowdies aus dem Fabrikgrundstück entfernt werden, Einige davon sind früher in der genannten Kunstanstalt be schäftigt gewesen, aber infolge ihrer Beteiligung am Streik vor Weihnachten nicht wieder ein gestellt worden. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf.Gkrilla, den 20. März 190s — Diese Woche haben wir Frühlingsanfang Hoffentlich hat sich der holde Knabe Lenz sein EinzugS-Habit an einem extra trockenen Orte 1 aufbewahrt, damit er bei seinem Erscheinen < Eindruck macht. Von Frühlingsjubel war ja bisher unter allen, die der besseren Jahreszeit entgegensetzen, nicht viel zu merken, ein Tag um den andern ward auf die März-Witterung gescholten, die sich sehen, oder vielmehr nicht sehen lassen kann. Bloß eins ist zu konstatieren nun der Winter vorbei ist: Hochwasser, das seit Sonnabend in der Röder eingetreten ist. Ferner wird aus den Elb- und Muldegelmten überhaupt von allen Flußläufen Sachsens und Böhmens, drohendes Hochwasser gemeldet. Der Elbpegelstand in Dresden betrug am Sonnabend früh 8 Uhr -j- 70 Zentimeter und Sonntag früh 8 Uhr -s- 97 Zentimeter, sowie abends 7 Uhr -f- 131 Zentimeter. Nach den eingegangenen Wasserstandsmeldungen aus Böhmen ist bis Montag Mitternacht der Höchststand in Dresden mit 270 Zentimeter zu erwarten. Die Tegl setzte in den frühen Morgenstunden des Sonnabends die tieser- liegenden Stadtteile Karlsbads unter Wasser, so daß die Bewohnerschaft nachts alarmiert werden mußte. Die Eger überschwemmte in der Umgegend von Saaz Ortschaften und Fluren. Dresden. Zwei SchiffSunsälle ereigneten sich am Sonntag vormittag am Winterhafen in Vorstadt Pieschen. Der erste/betraf einen Dampfer der Aktiengesellschaft Kette, der bei der Ausfahrt aus dem Hasen mit dem Anker an der im Elbbette liegenden Kette hängen blieb, nodurch das Steuer brach und der Dampfer auf Grund gesetzt wurde. Das zweite Unglück betraf den Uebersahrtsdampfkahn Dora von derselben Gesellschaft, die beim Ab bringen eines auf Grund geratenen Fracht- kahtieS kenterte und völlig im Elbbette ver sank. Der Steuermann der in den Strom geworfen wurde, konnte sich durch den ihm zu geworfenen Rettungsring ans Land ziehen lassen, während der Heizer durch einen Schiffer der dort ankernden Frachtkähne gerettet wurde. Es ist dies derselbe Dampfkahn, der vor neun Jahren an der Vogelwiese einen Unfall erlitt, wobei eine Anzahl Menschen ihr Leben ein büßten. Die Unsallstelle ist für die Schiffahrt nur schwer passierbar. Schandau. Im Laufe der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag und noch am Montag vormittag stieg die Elbe derartig, daß die Landungsplätze vor der Stadt unter Wasser stehen. Da die Flut auch in die beide Zugangsgaffen zum Markte hineinspült, mu man den Weg zum ElbüberfahrtS-Dampfboo Schandau—Bahnhof durch den Garten des Forsthaus-Hotels nehmen. Nachdem die Ergebnisse der diesjährigen Einkommensteuer-Einschätzung den Beitrags pflichtigen bekannt gemacht worden sind, werden in Gemäßheit der Bestimmung in § 46 des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juli 1900 alle Personen, welche hier ihre Steuerpflicht zu erfüllen haben, denen aber der Steuerzettel nicht hat behändigt werden können, aufgefordert, wegen Mitteilung des EinschätzungSergebniffeS sich bei den unterzeichneten Ortsteuereinnahmen anzumeldrn. krorm-OirrlU» und Ittvliiolrrlll», am 16 März 1906. Die Gerneindevorstände liülin Hörner. Leipzig. Die Arbeiterschaft der hiesigen zehn Seifenfabriken ist in eine Lohnbewegung eingetreten. Gefordert wird neunstündige Holzversteigerung auf Okrillaer Staatsforstrevier. Im AnstlivL LUio A«Iö«n«n Linx in Al»rIt»öorL sollen Montag, den 26, März 1906 von nachmittag 2 Uhr an 2»8 buch., 6L4 ficht. Klötzer, 8/61 om Oberst., 878 ficht. Derbstangen, 8/15 om Unterst., 80 ficht. Reisstangen, 7 om Unterst, und Dienstag, den 27. März 1906 von vormittags 9 Uhr an 7 Rm. buch, und 4 Rm. lief. Nutzscheite, 88 Rm. buch, und 18» Nm. w. Brennschcite »07/, Rm. w. Brennknüppel, SS Rm. buck, und 80 Rm. w. Zacken 8 Rm. buch, und 210 Rm. w. Neste, 17 Wllhdt. buch, und 08,» Wllhdt. w Brennreisig, IS8 Rm, w. Stöcke auf den Kahlschlägen in den Abt. 5, 23, 29 und 63 und in den Durchforstungen in den Abt. 55 und 73 grgen »«fvrtkx« 8«L»I»Iunx versteigert werden. Okrtll« und HvrltLbarx am 10. März 1906. liönlxl. Lönixl k'orslrsalnmt. Vorschlag wird gegenwärtig „erwogen" Nach dem sich in Frankreich das neue Ministerium Sarrien gebildet, und den französischen Ver tretern in Algeciras seine Instruktionen erteilt hat, dürften die Verhandlungen in Algeciras wieder lebhafter in Fluß kommen. Das eben erwähnte Kabinett Sarrien hat eine stramme demonkratische Färbung und das nimmt um so mehr wunder, als sich auch Leon Bourgeois ür dasselbe hat einfangen lassen. Clemenceau )er alte Politiker und neue Minister des Innern soll die republikanischen Wahlen machen und im übrigen soll das Kabinett die Kircheninventarifierung schnell und schmerzlos durchführen. Das FalliereS sein neuestes Kabinett nur als einen Uebergang betrachtet, beweist der Umstand, daß er sich Rouvier und Millerand für künftige Zeiten aufgespart hat. — Im Sommer dieses Jahres findet wieder die Verteilung des Nobelpreises statt. Für die Friedensklaffe ist diesmal Roosevelt vorge schlagen. Die Gründe dafür sind natürlich nicht etwa die Eroberung Kubas und der Philippinen, auch nicht die vollständige Er neuerung und Vermehrung der amerikanischen Artillerie, sowie den gewaltigen Ausbau der nordamerikonischen Flotte, sondern seine zweite Einberufung der Haager Friedenskonferenz. Für die paar Groschen Porto würde Roosevelt eine Prämie von rund 165 000 Kronen er halten. Ein ganz rentables Geschäft. -- Im englischen Unterhause gab Campell Banner mann die Versicherung ab, daß seine Regierung alles tun würde, um eine Verminderung der Rüstungen herbeizuführen. Er hätte mit Stolz hinzufügen können, daß heute schon unter allen Großmächten England das numerisch schlechteste und mangelhaftest organisierte Heer besitze. Mit der Flotte steht es natürlich anders. — Wenn Fejeroary erklärt, daß Ungarn durch Einführung des allgemeinen Wahlrechts „herrlichen Zeiten entgegen gehe", so hat er dieses Wort einem Größeren ge stohlen. — Das fürchterliche Grubenunglück in Courrieres hat einen Akt freundnachbarlicher Hilfe hervorgerufen, der in Frankreich einen gewaltigen Eindruck macht. An der Unglücks stätte erschienen Rettungsmannschaften aus Herne und Gelsenkirchen mit ihren vorzüglichen Apparaten und waren die ersten, die erfolgreich Bergungsarbeiten vornahmen, Hoch klingt das Lied von den braven Männern in aller ! Munde, — Nach fünfwöchentlicher Jagd hat l man endlich in Stettin den Raubmörder Gustav Hennig dingfest gemacht. „Ha' . . . > Hamm . . . Hammer dich emol, emol, emol an l beim verrissene Kamisol, du schlechter Kerl!" > Ja, diesmal hat man ihn und zwar den i rechtem lrbcitszeit, ein Anfangswochenlohn von zirka 20 M. mit einer jährlichen Steigerung von 1 M. pro Woche, Anerkennung des Arbeits nachweises und der Organisation des Fabrik- arbeiterverbandes, Freigabe des 1. Mai und ür alle mindestens ein Jahr in einem Be- riebe beschäftigten Personen einen jährlichen Urlaub von sechs Arbeitstagen. Chemnitz. Am Sonntag früh fand ein Hausbesitzer in der Zwickauer Straße in seinem Hofe einen in dem Hause wohnenden vierund zwanzig Jahre alten Schlaffer, nur mit dem Notdürftigsten bekleidet, tot auf. Der Vcr- 'torbene war in der Nacht von einer silbernen Hochzeitsfeier heimgekehrt und hat sich offenbar wegen überkommenen Unwohlseins zu dem Fenster seines im zweiten Stock gelegenen immerü hinausgelehnt und ist abgestürzt. Reitzenhain, Die im böhmischen Erz gebirge jäh wieder eingetretene Winterkälte hat aas Eisgeschäft wieder neu belebt. Wie aus Reitzenhain gemeldet wird, wurden dort in den letzten Tagen ganze Eisenbahnzuge mit Eis nach Preußen verladen. Niederschindmaas. Der beim Antomodil unglück am 1. September v. I. mit verun- flückte Geschäftsführer Menz aus Zwickau ist infolge der erlittenen Verletzungen nunmehr dem Schicksal der Erblindung verfallen. Geyer. Schweren Schaden erleidet der eldbesitzer Weigel, auf dessen Felde durch Zusammenbruch eines Stollens eine mächtige Vertiefung im Bergbau Binge genannt, ent- 'tanden ist, diese liegt in der Nähe der als SehenswürdigkeitGeyerS bekannten großen Binge. Reißig b. Plauen i. V. Der Leichnam der wölsjährigen Alma Emma Böhm aus Reißig 't noch nicht gefunden worden, obwohl eine roße Strecke der Elster abgesucht worden ist. )a man in der Handtasche, die das Mädchen benutzt hat, Schokolade, Apfejsinen und Knack mandeln gefunden hat, das Mädchen aber nach Aussagen der Angehörigen kein Geld besaß, um sich diese Sachen zu kaufen, so neigt man der Annahme zu, daß das bedauernswerte Kind mit den Süßigkeiten verlockt und das Opfer eines Verbrechens geworden ist. Reichenbach i. V. Unverbesserlich scheint das 13 jährige Schulmädchen Rammler in Reichenbach zu sein, das kürzlich von der Strafkammer des Landgerichts Plauen wegen Straßenraubes, Diebstahl und Genußmtttel- entwendung zu einem Jahr Gefängnis und sieben Wochen Haft verurteilt worden ist. Das Mädchen ist am Dienstag wieder bei einem Diebstahl ertappt worden, den es gemeinschaftlich mit seinem zehnjährigen Bruder ausführte, Unter welchen Verhältnissen die Kinder aber auch aufgewachsen sind, geht daraus hervor, daß die Mutter am gleichen Tage wegen Bettelns verhaftet wurde, und der Vater wegen Arbeitsscheu in eine Anstalt untergebracht ist.