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Ottendorfer Zeitung : 11.02.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190602116
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060211
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060211
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-02
- Tag 1906-02-11
-
Monat
1906-02
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 11.02.1906
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polirilcke Die Wirre« i» RNtzlanv. * Einen Monat vor Zusammentritt der Reichsduma stellt der Reichsrat als selbst stündiger gesetzgebender Faktor seine Tängkeit ein; er wird sie erst wieder in seiner neuen Eigenschaft als Oberhaus im Zusammen wirken mit der Reichsduma 'ausnehmen, so daß einen Monat vor der ersten Sitzung der Reichs- d«ma keine neuen Gesetzvorlagen zur Durchsicht «m den Reichsrat gelangen können. 'Die Wahlen zur ReichSduma sollen am 7 April, die erste Dumasitzung dürste am 28. April statifinden. * Die große Besitzung des Just'zministers Mmow, im Gouvernement Saratow ge- legeu, wurde durch aufrührerische Bauern total zerstört. Sämtliche Wirtschaftsgebäude find niedergebranut. Aus dem nördlichen Kaukasus wird die Fortdauer der Agrar n «ruhen gemeldet, denen gegenüber die Behörde ganz machtlos ist. Die Gefängnisse in KutaiS sind überfüllt, so daß die Arrestanten nach Batum, Kars und Tiflis transportiert werden. D«tschla»d. * Die Nachricht, daß das deutsche Kai - f« rp a ar der Königin-Witwe Marie von Hannover anläßlich des TodeS des Königs von Dänemark ein Beileidstelegramm gesandt habe, wird in gut unterrichteten Gmundener Kreisen, ungeachtet der Ableugnung der .Nordd. Allg. Zt/, aufrecht erhalten. 'DerErb großherzog von Mecklen- -urg-Strelitz, welcher fest einiger Zeit an den Masern erkrankt war, ist jetzt völlig hergestellt und hat sich zur weiteren Dienstleistung in seine Garnison Potsdam zurückbegeben. 'Der neue Präsident des hessischen Ministeriums des Innern, Ernst Braun, entstammt einer einfachen Kausmannsfamilie Oberhessens. Sein Vater übersiedelte nach London, woselbst der jetzige Minister 1857 ge boren wurde. Jener errichtete eine kleine Druckerei, verstarb aber alsbald. Die Kamille verzog nach Darmstadt. Nach der Absolvierung des Gymnasiums und dem Studium in Heidel- berg und Gießen wurde Braun KreiSamtmann in Lauterbach und Mainz. Er kandidierte zum Reichstag in Mainz 1893 als nationalliberaler Kandidat, unterlag aber dem Sozialdemokraten. Seit 1898 war Braun Ministerialrat. Dem neuen Ministerium Rothe gehörte er seit 1900 als Leiter der Abteilung für Handel, Industrie und Landwirtschaft an. *Das Reichsmarineamt will angeblich dem Verlangen nach Beschleunigung des BautempoS und schnellerem Ersatz der minderwertigen Kriegsschiffe insoweit Rechnung tragen, als es bereit ist, daS Lebensalter der Schiffe erheblich zu verkürzen, nämlich das Alter der Linienschiff« von 25 auf 20 und daS Alter der Kreuzer von 20 auf 15 Jahre herabzusetzen. 'Das neue amtliche Warenver zeichnis ist zusammen mit der Anleitung für die Zollabfertigung und dem Zolliarifgesetz mit dem zugehörigen Zolltarif und den vom Bundes rat festgestellten Tarasätzen veröffentlicht worden. Muß an sich schon die Tatsache, daß daS außerordentlich umfangreiche Werk erst drei Wochen vor dem Inkrafttreten der Öffentlich keit bekannt wird, insofern Bedaus,« erregen, als es weder der Geschäftswelt, noch den Zoll beamten möglich sein wird, in der kurzen Frist sich völlig mit dem Inhalt vertraut zu machen, so muß um so mehr ausfallen, daß auch jetzt noch die Veröffentlichung nicht vollständig ist. So ist die Gerstenzollordnung, die von allen Interessenten mit großer Spannung erwartet wird, noch nicht veröffentlicht, sondern »Vorbehalten*. Weder die Brauer, noch die Landwirte, noch die Händler erfahren also, wie die Regierung den im Zolltarif festgesetzten Unterschied zwischen Malzgerste und andrer Gerste praktisch durchzusühien gesonnen ist. 'Dem Preuß. Abgeordnetenhause ist die be glaubigte Abschrift des von Preußen und Oldenburg zur Regelung der Lotterie- i Verhältnisse vereinbarten Staatsvertrages, ! des zugehörigen SchluhprotskollS und einer er- - läuternden Denkschrift zugegangen. * Eine Konftrenz der deutschen Staatsbahn- > Verwaltungen zur Beratung der bayrischen Vor- t Wäge über eine Güterwagengemein- i schäft soll in diesem Monat oder im März , in München zusammentreten. ! * Auf eine Eingabe hin wird eine Stu - ' dentin deS Rechts an einer bayrischen t Universität zum juristischen Zwischenexameu, ebenlo zum Referend arexamen zu« , gelassen werden. Ermutigt durch dies Vor« ! gehen, soll die gleiche Eingabe jetzt auch für Baden und Preußen von Jura studie- i renden Frauen eingerricht werden. . 'Die badische Kammer hat jetzt in dem I Abg. Geck (soz.) eine« zweiten Vizepräsidenten. , Bei der Finanzdebatte führte derselbe aus, die Sozialdemokratie werde sich in taktvoller Weise - mit den Bestimmungen der Geschäftsordnung 1 abzufinden wissen, und auch er würde gar nichts > Besonderes darin finden, wenn in Baden ein- , mal der Großherzog sich mit einem Sozial demokraten unterhalten würde. Er werde im Präsidium seine Pflicht erfüllen und seine Arbeü tuu. Öfterreich-UAgm«. 'In Ungarn steht man ncch immer unter dem Eindruck der plötzlich abgebrochenen Ver handlungen zwischen der Krone und der Koa lition. Die oppositionelle Presse beurteilt die gegenwärtige Lage der Krise sehr ungünstig. Allgemein wird behauptet, Fejervary werde nunmehr das Parlament auflösen, ohne ober Neuwahlen auszuschreiben. Die Re krutenaushebung und Steuereintreibung sollen durch einen königlichen Erlaß erfolgen und die Verwaltungsämter mit neuen Beamten besetzt werden. Frankreich. * Bei der fortgesetzten Inventar-Auf- nahmein den französischen K rchen der Provinz kam es wiederum zu Tumulten. ' Der Kiiegsminister hat bei den Gebrüdern Lebaudy mehrere lenkbare Luft schiffe bestellt, ähnlich denjenigen, welche in Toulon seit einiger Zeit zur Verteidigung ver wendet werden. Die bestellten Luftschiffe sollen innerhalb sieben Monate geliefert werde«. Jtalie«. * Sonnino ist die Zusammensetzung deS neuen Kabinetts, in dem er den Vorsitz haben wird, gelungen; Mitglieder aller Parteien werden Portefeuilles übernehmen. Dänemark. 'DieBeisstznngKönigChristians von Dänemark wird am 18. d. stattsinden. 'Der SchiedSgerichts-Vertrag zwischen Dänemark und Holland ist vom Reichstage endgültig angenommen worden. Norwegen. * Im Folkething brachte der Minister präsident Christensen einen Gesetzentwurf ein, betreffend die Zivilliste für König Frederik vm, die Apanage für Kronprinz Christian und das Nadelgeld und die Witwen rente für die Kronprinzessin Alexandrine. Es wird vorgeschlaa-n, die Apanage für den Kron- Pi inzen auf 120 000 Kronen jährlich und das Nadelgeld für dis Kronprinzessin auf 11200 Kronen jährlich festzusetzen. Im Falle des Todes des Kronprinzen erhält die Witwe außer iner standesgemäßen Wohnung eine jährliche Witwenrente von 60 000 Kronen. Die Zivil- liste des Königs soll unverändert auf 1 Million krönen festgesetzt bleiben. Spanien. 'In Algeciras wird die amerikanisch» lolizeifrage noch immer im strengsten Ge- eimniS weiter „vorberaten*. Das Nedakssons- komitee setzt die Ausarbeitung des P ojektS zur Erzielung besserer Erträgnisse aus den marokkanischen Steuernund zur Schaffung neuer Einnahmequellen fort. Es will sich mit der Frage der Ausfuhrzölle beschäftigen, bezüglich derer man teils Aufrecht erhaltung, teils Herabsetzung fordert, ferner mit der Frage der Abschaffung der vorhandenen Be- eintrSKtigungcn der Ausfuhr und der Freiheit der Küstenschiffahrt, der Frag« der Tabak besteuerung, dem marokkanische« Vorschlag auf Erhöhung der Opium- und Keff-Abgaben und dem französischen Vorschläge auf Regelung des Zollverwabungsdisnstes, durch die dem Handel Bürgschaften gegen Unredlichkeiten gegeben werden sollen. Ebenso wird der Ausschuß die Frage der Vereinheitlichung der Gesetzgebung in Sachen der Bestrafung von Zollbstrüge- reien beraten, wie es bei der Frage des Waffenschmuggels geschehen ist. Man versichert, der Kaffe der Scheristschen Regierung würde eine sehr beträchtliche Summe zugute kommen, wenn es durch die Einführung des Zolldienst- reglemenis uvd die Vereinheitlichung der Siraf- vorschristen gelänge, den jetzt so häufigen Zoll- unterschleifen Einhalt zu tun. Aste«. 'Der Meinungsaustausch zwischen den Mächten über die vom Berliner Kabinett ange regte Frage der Zurückziehung der fremden Besatzungen aus der chinefischen Provinz Petschili soll so weit gediehen sein, daß die Ausführung dieser Maßregel im Laufe deS Frühjahrs erwartet werden könne. Zus äem Keicbstage. Im Reichstag stand am Dienstag di« sozial, demokratische Interpellation brtr. das Unglück in der Bornsstagrub« bei Dortmund auf der Tages ordnung. Staatssekretär Graf PosadowSky er klärte, daß der Reichskanzler die Beantwortung ab lehne, da eS sich um eine preußische Landessache Handt«. In Fortsetzung der Beratung des Etats deS RcichSamts des Innern sprachen Ab;. Graf Kanitz (kom.), der vor einer weiteren Ausdehnung der Sozialpolitik warnte, der Abg. Pachvicke (frs. Vgq.). der für Verleihung der Rechtsfähigkeit an die Berufsvereine eintrat, und der Abg. Bruhn (Antis.) zugunsten des Mittelstandes. Staats sekretär Graf Posadowsky gab der Hoffnung Aus druck, daß die Vorlage für die Vereinheitlichung de? großen Bersicherungsgesetze bereits Ende deS JahreS 1907 dem Reichstage vorgelegt werden könne. Abg. Dahlem lZsr.tr.) trat für den Arbeiter- fchutz in der Binnenschiffahrt ein. Abg. Hue (soz.) führte Beschwerde über ungenügenden Schutz der Bergleute, sowie der Stahl- und Eisenarbeiter. Am 7. d. steht auf der Tagesordnung derWah l- rechtSantrag der Sozialdemokraten, wonach in allen Bundesstaaten eine auf allgemeinem, gleichem Wahlrecht beruhende Volksvertretung geschaffen wer den soll Inner verlangt der Antrag das aktive und palfive Wahlrecht für alle 20jährigen Personen ohne Unterschied des Geschlechts. Abg. Bernstein (soz.) begründet den Antrag. Der Antrag hat schon eine lange parlamentarische Geschichte. Während er aber in den letzten Jahren von den Freisinnigen nicht mehr eingeb acht ist, werden wir ihn immer wieder ciubringen und nicht eher ruhen, aiS bis er angenommen ist. Besonders das Zentrum hat ja früher föderative Bedenken dagegen geltend gemacht, aber in der Zwischenzeit scheint die zentralistische Strömung in dieser Partei die Kompetenz de» Reiches in dieser Frage anerkannt zu haben. Redner geht dann auf die Verhältnisse in den Einzelstaaten ein. In Sachsen ist die Mehr heit deS Volkes für die Wahl zum Landtage politisch entrechtet. Fürst Bismarck hat selbst daS preußische Wahlsystem als da» elendeste und widersinnigste der Welt bezeichnet. Trotzdem aber hat er e» während seiner beinahe fünfzigjährigen Tätigkeit al» leitender preußischer Minister nicht für nötig gehalten, diesen schmachvollen Zustand zu be seitigen. Und dann die ungerechte Wahlkreis einteilung I Aber die herrschenden Klaffen haben nun einmal dies System, sie wollen es auch be halten l Redner gebt dann auf die Demonstrationen zugunsten einer WahlrechlSLnderung ein und erklärt, n England lasse man die Demonstrierenden unbe helligt und verbiete sogar für die Zett der Demon- kation den Wagenverkehr. Sie rönnen sich darauf verlaffen, wir werden nicht Nachlassen, bi» diese ver rotteten Zustände beseitigt find. Für un» handelt eS sich um einen heiligen Kampf ums Recht. Ministerialdirektor der HansestLdte Dr. Klüg- « ann protestiert wegen einiger im Hause gefallenen Ausdrücke wie Brutalität und Frivolität, die beson der» gegen Hamburg gerichtet find anläßlich der dortigen Wablrechtsdewonstrationen. Abg. Graf Hompesch (Zentr.): I« Uberein- iimmung mit früheren Erklärungen halten wir an der Überzeugung fest, daß die Gestaltung de» Wahl recht» in den Einzelstaaten zur Zuständigkeit der. letzteren gehört. Anderseits bringt die Entwickelung s der politischen Verhältnisse zum Bewußtsein, daß I Wohl und Wehe des Deutschen Reiches auf die Dauer von einer harmonischen Entfaltung des Ker- faffungSlebsns in den Einzelstaaten nicht zu kennen ist. In einer Zeit des allgemeinen Schul-, Wehr- und Steuerzwangcs muß es als ein Widerspruch er scheinen, wenn einzeln? Teile der Bevölkerung von einer wirksamen verfassungsmäßigen Vertretung ihrer Rechte ausgeschlossen sind. Was das Reich feine« Bürgern gewährt hat, wird auch in den Einzel staaten den Bürger» gewährt werden müssen. Der Reichstag ist nicht in der Lag«, die Initiative in dieser Richtung zu ergreifen. W»nn der Bundes rat dem Reichstage einen solchen Gesetzentwurf zv gehen läßt, so sind wir bereit, demselben unsre Zu stimmung zu geben. Abg. v. Normann (kons.): Auck wir stehe« auf dem Standpunkte, daß das Reich nicht da» Recht hat, in die Zuständigkeit der Einzelstaat« einzugreifen, und lehnen deshalb dm Antrag ab. Abg. Bassermann (nat.-lib.): Meine Fr-und« lehnen den Antrag ab. Allerdings ist das Wahl recht in vielen Einzelstaaten reformbedürftig, mS in diesem Sinne hat sich auch meine Partei in de» Einzellandtagen verhalten, aber daS Reich ist in dieser Frage nicht zuständig, übrigen» ist oa» größte Hindernis für die Einführung von b-ffer« WaylrechlSgeietzen in den Einzelstaaten die Sozial demokratie selbst. Abg. Traeger (frs. Bp.): Der Reichstag ist in der vorliegenden Frage wohl kompetent. Wir haben nie einen Zweifel darüber gelaffen, daß wir für eine Ausgestaltung deS Wahlrechts für die Etnzel- landtage auf Grund des Reichstagsmahlrechts sind. Redner verweist dann auf dem allgemeinen gleiche« Wahlrecht günstige Äußerungen deS Kaisers no« Österreich und deS Prinzen Ludwig von Bayer«. Selbst in Oldenburg hat sich die Regierung zu einer Reform des Wahlrecht» geneigt erklärt. Und dl demselben Augenblick führt mau in Hamburg ein Wahlrecht ein, das noch schlechter als das preußische ist. DaS Festhallen an verrotteten Zuständen ist nicht konservativ, das ist reaktionär. Staatssekretär Graf Posadowsky: Be kanntlich ist Fürst BiSmarck der Schöpfer des ReichS- tagSwahlrechts. Er hat eS in Frankreich unter dem dritten Napoleon kennen gelernt, und in Frankreich wirkt es als ein starker Hebel der Zentralisation. Fürst Bismarck glaubte, durch die Einführung de» allgemeinen Wahlrechts die bürgerliche Demokratie überwinden zu können, gegen die er aus der Konflikt «zeit Ler eine starke Abneigung hatte. Auf Grund der Er fahrungen in Frankreich rechnete er darauf, daß der an» dem allgemeinen Wahlrecht hervorgegangene Reichs tag unter allen Umständen die notwendigen Mittel zur Landesverteidigung bewilligen würde. In dieser Beziehung find die Hoffnungen des Fürsten BiSmarck nicht immer eingetroffen. Gewiß hat da» preußische Landtag-Wahlrecht schwer« Mängel, aber wenn man ihm vorwirst, daß e» der Intelligenz keine Rechnung trägt, so muß ich doch fragen, ob etwa daS Reichstagswahlrecht der Intelligenz mehr Rechnung trägt. DaS Reich ist ein Produkt der föderierten Staaten, und eS geht nicht an, dir Bundesstaaten vom Willen deS Reiches abhängig zu machen. Die Str aßendemonstrattonen scheiren mir nicht Demonstrationen der Macht des Ge dankens, sondern der physischen Gewalt zu sei«. So unumschränkt, wie der Abg. Bernstein meinte, ist das Recht der Straßendcmonstration in Eng land doch nicht. Ich für meine Person bcdaure, daß kein Arbeitervertreter im preußischen Landtage vorhanden iß. Ich bedaure aucb die Politik mancher Abgeordneter im Landtage. Aber der preußisch« Staat, dieses wunderbare Gebilde einer hervor ragenden Dynastie, kann nicht die Hand zu einer Machterweiterung einer ihm todfeindltchen republi kanischen Partei, wie eS die Sozialdemokratie ist, bieten, denn bekanntlich wählen nur die größt« Kälber ihre Metzger selber. Abg Arendt (frei!): Der Antrag ist der rein« Agitationsantrag, wir I hnen ihn ab vuS denselben Gründen wie die Konservativen. Verwurbeglich ist nur, daß Graf Posadowsky dos Wort ergriffen bat entgegen der sonst üblichen Praxis des BundeSrat» bei InitianvantrSgen. Staatssekretär Graf v. Posadowsky: Ange sichts dieser Lektion des Vorredners erklärte ich: Wenn ich heute das Wort ergriffen habe, so lag das gegenüber der Agitation der Sozialdemokrat« im dringenden Interesse der Rcichsreaierung. I« übrigen wird die Regierung selbst ermessen, wann fi« es für angezeigt hält, hier daS Wort zu ergreif«. Darüber läßt sie sich von niemand Vorschrift« machen. Abg. Schrader (frs. Vgg.): Wir find io» Prinzip und aus Gründen der Gerechtigkeit dafür, daß durch einen Ausbau des LandiaqSwahlrechtS Sozialdemokraten in da» preußische Abgeordneten haus kommen. Abg. Delsor (Els.) lehnt die Verleihung de« Wahlrechts an Frauen und die Herabsetzung de« wahlberechtigten Alter» auf 20 Jahre ab. Hierauf vertagt sich das HauS. A Der fall ^laäelung. Kriminalroman von Artnr Roehl. „Entsinnen Sie sich, ob Sie ihn an der Leine hatten, als Sie ihn Dienstag abend »itbrachten?' „Ich glaube, ja." „Und als Sie weggingen, hatte« Sie ihn Ba auch au der Leine?' „Ich entsinne mich nicht, Herr Präsident.' „Denken Sie mal nach, Angeklagter. Sie können sich wirklich nicht mehr entsinne« ?' „Ich Weitz nicht, Herr Präsident.' Der P.äfident rollte eine« seiner großen Talarärmel auf. „Es ist jedoch durch eine Plätterin auS dem Plältereikeller, Konradinstraße 16, die Sie mit Ihrer Braut fortgehen sah, versichert, daß Sie den Hund an der Leine hatten. Als sie dann ober auf dem JohanneSkirchplatz mit dem Tier t» eine Droschke stiege«, war es frei. Ent- fiunen Sie sich dessen?' „Ich kann wttllich «icht sagen, Herr Präsident.' „Aber eS ist so. Es ist schon so, Ange- Nagler. Andre Leute haben ein besseres Ge dächtnis als Sie. Sie haben anch keine Ahnung, wie die Schnur beschaffen gewesen sein kann, «U der Fräulein Rau erdrosselt worden ist?' „Wie soll ich daS wissen?' Robert Madelung hob seinen Kopf mit einem Blick auf den Präsidenten, der den Richtern und noch manch einem andern im Saal eine Dreistigkeit schien. Der Präsident achtete daraus aber nicht. Er meime nur: „Richtig, Sie er klären sich ja auch der Tat, die Ihne« zur Last gelegt wird, nicht für schuldig.' „Nein,' sagte Robert. „Also setzen Sie sich. Vorerst mag, waS Sie uuS gesagt haben, genügen.' Und nun wurden die Zeugen aufgerufen, die Belastungszeuge«. Entlastungszeugen waren kaum vorhanden. Der KiiminalkommiffariuS Heim und der KriminalkommiffarinS KrauS traten vor. Herr KrauS schilderte den üblen Eindruck, den er von dem Angeklagte« bei seiner Sistierung in Ham burg empfange«. „Er schrak, wie ich ihm meiae Befugnisse mitteiUe, wie unter einem Blitzschlag zusammen.' „Wenn einer von ungefähr verhaftet wird, mag jeder erschrecken,' schaltete der Präsident ein.' „Wir Kriminalisten haben unsern Blick, Herr Präsident. Als ich ihm sagte, daß seine Verhaftung infolge eiueS Geschehnisses in der Konradinstraße erfolgte, war seine erste Frage: „Hat sich Netta ein Leid angetan?' Der Präsident wandte sich au die Geschwo renen. „Der Herr Zeuge will sagen, daß die Frage eine für alle Fälle im Vorrat gehaltene war. ES liegt auf der Hand, daß der Mörder nach seiner Tat dielelbe zu verdunkeln bestrebt war. Er hing die Erdrosselte an einen Rechen, daß eS auSsehen sollte, als habe sie sich dort selbst aw gehängt: mit einem Wort, er suchte eineu Selbstmord zu konstruieren. Verstehen Sie, Angeklagter?' schloß er, fich dabei an Robert Madelung wendend. Robert Madelung verteidigte fich. Der KriminalkommifsariuS Kraus hatte ihm zu verstehen gegeben, daß in der Konradin« firaße ein Unglück geschehen. WaS war natür licher, als oaß ihn die Angst ergriff, daß Netta sich ein Leid angetan. Er hatte eS schon ein- mal gesagt. MS er Netta an dem DienStag in seine Pläne einweihte, und ihr sagte, warum er von Hamburg nach London weiterfahren wollte, haite sie ihn ängstlich gebeten, ihr nicht solch ein Opfer zu bringen. Sie war die Selbst losigkeit selbst, seine Netta. Und dabei hatte sie Selbstaufopferungsgelüste geäußert, die er Mühe hatte, ihr auS den Gedanken zu reden. „Das kann «jetzt alles gut sagen,' meinte aber der Kriminalkommifsarius Kraus. „Widerlegen kann sie ihn nicht.' Nach Herrn KrauS wmde Herr Wendland, der Portier deS HauseS Konradinstraße 17, auf- geruien. Er erzählte, wie man die Wohnung der Frau Rau öffnete Md doS Fräulein Rau in der Wandnische fand. Die N zte, die man an den Ort der Schreckenstat gerufen, kamen vor. ES wurde den Geschworenen gezeigt, daß eS vollkommen ausgeschlossen war, daß fich daS Mädchen selbst entleibt, die Leiche trug die deutlichsten Anzeichen einer Ermordung. Sodann wurden die beeideten Aussagen der verwitweten Frau Bahnmeister Rau zm Ver lesung gekrackt. AlS der Präsident die körperliche Gebrochen- heil der alten Dame erwähnte, die eS unmög lich machte, sie in dem Saal in Gegenwart der Henen Geschworenen zu vernehmen, lief rin Murmeln unverkennbarer Sympathie durch die dichten Reihen der Menschen iu dem Zuhörer« raum. AlS aber die Mutter deS Angeklagte«, Frau Madelung auS Magdeburg, zum AuM kam, schien die Haltung der Neugierigen in eint entschiedene Feindseligkeit umschlagen zu wolle». Der Präsident hielt eS, aiS Frau Madelung an deu Zeirgeutisch vorgewankt kam, für gebot«, seinen Arm nach dem Hinterraum in dem Saal auLzustrecken und Ruhe zu gebieten. Der Angeklagte begrub, als er seine Mutter vortreten sah, sein Gesicht in seine Hände. Die alte Dame konnte nicht anders, als sich als Verfasserin ihres Briefes an ihren Soh« bekennen. „Sie find zu bedauern, Frau Zeugin,* sagte der Präsident, „mit einem Schritt, de« gewiß die besten Motive zu Grunde lagen und der den besten Abfichten dienen sollte, d« Ihnen gewiß auch manch einer nachskhlen wird, diese furchtbare Verantwortung auf fich gelad« zu haben.' „Hätten Sie,' sagte der Präsident zu Fra« Madelung weiter, „als Sie den Ernst der Lagt erkannten, nicht bester daran getan, anstatt Ihrem Sohn mit Drohungen zu begegnen, th« anzuhören und seine P!äne zu prüfen. Si« kannten Jhteu Sohn. Hatten Sie Gründe -» fürchten, daß er fich in einem so «rasten Dinge, wie die Wahl seines WeibeS für einen Mana fein muß, Sitte, Ehre und Namen außer acht lasten könnte? Die unglückliche Tote wird und als eine sehr honette junge Dame geschildert. Sie war nicht reich, aber Bescheidenheit und Schlichtheit, daS find auch Edelsteine und nicht die vielleicht weniger kostbaren im Kranz weid-
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