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Ottendorfer Zeitung : 21.02.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190602219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060221
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060221
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-02
- Tag 1906-02-21
-
Monat
1906-02
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 21.02.1906
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polrtiscke K.unÄkcdau. Deutschland. * Der Kaiser ist in Kopenhagen zu den Beisetzungsfeierlichkeiten emgetroffen. * Der Kaiser hat sich bei einem Esten im kaiserlichen Automobilklub gegen die Anto- mobil st e u e r in der Form der Regierungs vorlage ausgesprochen. "Die Kaiserin kann infolge starker Er kältung das Zimmer nicht verlassen. * Die Bemühungen für das Zustandekommen eines neuen Handelsvertrags zwischen Deutschland und Amerika, die zurzeit darauf gerichtet sind, ein vorläufiges Abkommen zu treffen, das Zeit läßt, um in Ruhe die Be stimmungen für einen endgültigen Vertrag ab zuwägen, werden jenseits des großen Masters nicht für besonders aussichtsreich gehalten. Vor läufige Zugeständnisse Deutschlands würden nach Ansicht maßgebender amerikanischer Politiker kaum irgend welchen Wert für eine günstige endgültige Ordnung der deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen haben. * DieQuittungs- und Tantieme- steuern wurden in der Reichstagskommisfion abgelehnt. Der Schatzsekretär kündigte die Ein bringung einer neuen Novelle zum Stempelgesetz an. Öfterreich-Ungar«. *Der Reich srat nahm ein neues Gesetz an, das über die Abhaltung von Versammlungen Bestimmung rrifft. Das bezügliche Gesetz vom 25. Oktober 1905 wird abgeschafft. Das neue Gesetz bestimmt, daß Versammlungen von Wählern ersten Gradel ohne Anwesenheit eines Vertreters der Polize stattfinden können, nur muß die Polizei vorher benachrichtigt werden. Die Wähler zweiten Grades find befugt, fich ohne polizeiliche An meldung zu versammeln. Das neue Gesetz soll in der nächsten Woche verkündigt Verden. * Anläßlich derdeutsch-französischenMeinungs- verschiedenheit über die Polizeiftage in Marokko, hat im österreichischen Abgeord netenhause Dr. Kramarcz eine Aussehen erregende Anfragean den Ministerpräsidenten ausgearbeitet. Der Führer der Tschechen will hauptsächlich vom Ministerpräsidenten wissen, ob, wenn in der Marokko-Frage Schwierig keiten entstehen, welche zu einem Kriegemit Frankreich führen würden, nach Artikel 2 des Bündnis-Vertrages Österreich den Ver bündeten bei seiner Ausdehnung^ Politik unter stützen müßte. — Man darf mit Recht auf die Antwort des Ministers gespannt sein, ins besondere wie er zu der Auffassung des tschechi schen Abgeordneten, Deutschlands Politik bezwecke territoriale Ausdehnung, steht. * Der ungarische Reichstag ist zum 19. Februar einberufen worden, um ein königliches Reskript bezüglich der sofortigen Auflösung des Parlaments entgegenzunehmen. Der Handelsvertrag mit Deutschland wird dem nach in Ungarn nicht verfassungsmäßig, sondern bloß aus Verfügung der Regierung in Kraft treten. Frankreich. * Am Donnerstag fand die Vorabstimmung zur Wahl eines neuen Senatspräsi denten an Stelle des zum Präsidenten der Republik gewählten FaWres statt. Nach den Ergebnissen dieser Vorabstimmung ist die Wahl Dubosts zum Senatspräfidsnten gesichert. Duboft ifi 62 Jahr alt; er war zuerst Journalist, später wurde er Beamter, dann Präfekt, Deputierter und seit 1897 ist er Senator. Unter Casimir Perier war er Justiz- Minister ; er zählt zu den Pari eifreunden Fall'öreS. Sagland. *Die Unionisten hielten unter dem Vorsitz Balfours eine Versammlung ab. Eine Resoluüon, die Balfour das Vertrauen der Partei ausspricht und die Chamberlain befürwortete, wurde emsuMmig angenommen. Es ist beinahe selbstverständlich, daß die Ver sammlung nichr ohne scharfe Kritik der neuen liberalen Regierung verlief. Zur selben Zeit versicherte in einer andern Versammlung der Premierm-nister seinen Hörern, die Thronrede werde nichts für sie überraschendes bringen. Der Minister fuhr daun fort, Chamberlain habe auf ein übel Angewiesen, fein Heilmittel aber sei schlimmer als das Übel; dis Liberalen hätten andre Heilmittel. Schließlich bemerkte Campbell-Bannerman, es sei möglich, daß sich Schwierigkeiten infolge von Mißverständnissen mit den Arbeiterparteilem ergeben, doch glaube er, daß das Parlament durch ihren Eintritt ge winnen werde. Tpame«. * Die Polizeifrage ist nach wie vor der strittige Punkt zwischen Deutschland und Frankreich bei den Verhandlungen in Alge ciras. Amerika, das sich neuerdings in der VermMersrolle zu gefallen scheint, wird auch in diesem Falle vermittelnd eingreifen. Bot schafter White wird diesbezügliche Schritte unternehmen. Amerika kann iu der Polizeifrage sehr gut den Vermittler spielen, da es gerade in dieser Frage eine durchaus neutrale Stellung einnimmt. In den Kreisen der Konferenzteil nehmer hat die Nachricht Befremden erregt, daß gerade jetzt einige französische Kaufleute dem Rebellen Bu Hamara ihrs finanzielle Unter stützung sowie dis Lieferung von Waffen zu gesagt haben, falls er einen Zng gegen Fes unternehmen wolle. Ruhland. * Der Zar empfing am 14. d. in Audienz Abordnungen desbuddhistischenKle rus. Die Abordnungen überreichten eine Adresse, in der sie ihrer Treue und ihrem Danke für die Manifeste vom 80. Oktober und vom 3 März 1905, die Gleichheit und Freiheit des Gewissens gewährten, Ausdruck geben. Eine Abordnung überreichte dem Kaiser eins Statue Buddhas und der Kaiserin eine von Burjäten geseriigte silberne Vase. Für den Throniolger übergab sie eine Statue der Göttin Zagmdaraequr, deren Besitz langes Leben und Glück bringen soll. Der Kaiser und die Kaiserin sprachen der geistlichen Abordnung ihren Dank für die Ge schenke aus. *Justizminister Akimow hat dem früheren Stadthauptmann von Odessa Baron Neidthart angekündigt, daß er ihn wegen seines passiven Verhallens während der Juden verfolgung im Oktober v. dem Gericht übergeben werde. Balkanstaate«. * Die Freundschaft zwischen Serbien und Bulgarien hat schnell und unerwartet einen Riß bekommen. Bulgarien hat nämlich bei der Pforte Schrille getan, um fich gewisse Vor rechte in Mazedonien zum Schaden des ser bischen Elements zu sichern, selbst auf Kosten der eben erst geschloffenen Zollunion. Die serbische Regierung beschloß, diesen Schritt Bulgariens dadurch zu vereiteln, daß sie selbst die Zollunion nach Wunsch Österreich-Ungarns vollständig fallen lassen oder modifizieren will und auf diese Weise fich einen Handelsvertrag mit der Nachbarmonarchie zu sichern gedenkt. Damit würde auch der Streit mit Österreich- Ungarn beigelegt sein. *Die griechische Kammer wurde aufgelöst, die Wahlen wurden auf den 8. April und die Einberufung der neuen Kammer auf den 3. Mai festgesetzt. Amerika. *Das Repräsentantenhaus in Washington hat am Donnerstag das Gesetz betreffend die Befestigungen ange nommen. Durch dieses werden 4 384 000 Dollar für die Befestigungen.und KrieMerät angewiesen. In dieser Summe find 600 000 Dollar fürHawai und die Philippinen enthalten. Afrika. *Die Unruhen in Natal (Britisch- Afrika) scheinen im Keime ersticki worden zu sein. Wenigstens lauten dis neuesten Nachrichten durchaus befriedigend. Am Mittwoch Halle der Sekretär für Angelegenheiten der Eingeborenen! eine Zusammenkunft mit drei Häuptlingen und ' 5L0 Eingeborenen von Mille! - Jllovo in dem; Bezirk, wo dis Pslizeisoldatsn ermordet worden find. Die Häuptlinge dankten dem Sekretär für seinen Besuch und versprachen die Kopf steuer zu zahlen. Aste«. *Die amerikanischen Behörden haben von den Vizekönigen der Provinzen Kwangst und Kwangtung die Zahlung von 50000 Dollar eingefordert wegen der Er mordung amerikanischer Missionare. Die chine sische Regierung ist geneigt, die Summe zu zahlen unter der Bedingung, daß die Kriegs schiffe zurückgezogen werden. — Das amerika nische Kriegsamt hat vier Millionen Patronen bestellt. Man vermutet, daß diese Munition für die nach den Philippinen abgehenden Truppen bestimmt ist. *Im japanischenünterhause sand am Donnerstag eine stürmische Sitzung statt. Nahezu die Hälfte der Abgeordneten versagte ! nicht nur ihre Zustimmung zu der Gesetzes- Vorlage, welche dis Weitereinziehung der Kriegs- steuern bis 1908 verlangt, sondern forderte angesichts der verzweifelten Notlage eines großen Teiles des japanischen Volkes die sofortige Auf hebung der Kriegssteuer, die „nach einem so siegreichen Kriege eine Lächerlichkeit ohne Bei spiel bedeute*. Die Regierung mußte sich aufs neue heftige Vorwürfe wegen ihres Verzichts auf eine Kriegsentschädigung gefallen lassen. *Der persische Handelsminister Gad eb Dowlet ist verhaftet und unter strenger Eskorte nach Aezd in die lebensläng liche Verbannung geschickt worden. * In Jarkhaud (Turkestan) wurde eine Waffen sendung aus Deutschland, bestehend aus zwei Geschützen, 1000 Karabinern, 2000 Granaten und 1100 000 Patronen von den dortigen Zollbehörden mit Beschlag belegt und an China ausgcliesert. Zwei hohe chinesische Offiziere trafen ein, um sie in Empfang zu nehmen. Klus ciem Aeickstage. Der Reichstag nahm am Donnerstag den Gesetz entwurf betr. die Ausgabe von Reichsbanknoten zu 20 und 50 Mk. unverändert in zweiter Lesung mit großer Mehrheit an. Hierauf wurde die Be ratung des Etats des Reichsamts des Innern fort gesetzt. Debattelos wurde die von Mitgliedern aller Parteien unterstützte Resolution Hitze (Zentr.) an genommen, die die Regierung ersucht, in einem Nach- IragSetat für das Internationale Institut für SozialLibliographie einen Betrag in angemessener Höhe einzustellen. Beim Kapitel „Reichsgesund- heitsamt" wurde zunächst die Wsinfrage erörtert. Hierzu lag u. a. eine Resolution Baumann (Zentr.) und Gen. vor, die unter Bezugnahme auf die letzten Weinfälichungsprozeffe baldigst eine Revision des Weingesetzes verlangt im Sinne einer Nachkontrolle, einer wirksamen Einschränkung des Zuckerwaffsr- zwatzsS und zur Herbeiführung der Deklaration s- pflicht beim Verschnitt von Weißwein und Rotwein. Die Debatten über die Wsinfrage kamen noch nicht zum Abschluß. Staatssekretär Graf PosadowSky führte aus, daß bei entsprechender Handhabung das bestehende Weingesetz znr Bestrafung von Fälschungen durchaus genüge. Am 16. d. wird die Spezialberatung über den Etat des Reichsamts des Innern fort gesetzt. Zunächst wird beim Kapitel „Gesundheits amt" die Weinfrage mit den dazu gehörigen Resolutionen des Zentrums, der Nationalliberalen und des Bauernbundes auf einheitliche Wein kontrolle, Keller- und Buchkontrolle weiter ver handelt. Abg. Dahlem (Zentr.) spricht fich im Namen seiner sämtlichen politischen Freunde gegen eine Reichs weinsteuer aus. Die Frage sei für seine Pari ei überhaupt indiskutabel. — Daß der Abg. Ehrhart die letzten Weinfälschungsprozeffe partei politisch ausgeschlachtet habe, sei sehr bedauerlich. Für so grobe Fälschungen wie das Panschen mit Mußbachwasser reichten die bestehenden Gesetze durch aus hin Für die ferneren Fälschungen kenne leider das Reichsweingesetz nur Geldstrafen. Wenn die Regierung einer Verschärfung widerstrebe, so sollte man von jedem konfiszierten Wein dem Bundesrat und dem Reichskanzler ein Kostpröbchen schicken. Aber der Regierung sei eS nicht ernst mit dem Schutz der Wein- vroduzeruen, die Kolonialverwaltung habe auch ihren Wein nicht am Rhein oder an der Nahe, sondern durch die Berliner Handelskammer fich besorgt. Wahrscheinlich sind deshalb so viele unsrer armen Soldatm in den Tropen krank geworden. Möge es endlich ernst werden mit einer wirksamen W.m- kontrolle. SmatSsckretär Graf PosadowSky versichert daß er sich dis größte Mühe gebe, eine streng« Kellerkontrolle durchzusetzen, aber Preußen wolle nicht sofort wieder auf die erst jüngst eingeführte ehrenamtliche Kellerkontrolle verzichten. Er bitte, daß man ihn nicht fortwährend mit Preußen identifiziere. Er vertrete 26 Staaten und könne erst eingreifen, wenn er die Mehrheit für seine Auf fassung gewonnen habe. Abg. Blankenhorn (nat.-lib.): Die Abgg. Stauffer und Ehrhart haben mit ihren gestrigen Ausführungen dem deutschen Weinbau einen schlechte« Dienst erwiesen, da sie dm deutschen Wein de« Auslands gegenüber in Mißkredit gebracht habe«. Redner tritt dann für die in den Resolutionen ge forderten Maßnahmen ein, erklärt sich aber gegen eine Reichsweinsteuer. Abg. Schmidt (frs. Vp.) bedauert ebenfalls daß gestern in einigen Reden der Eindruck erweckt Worden ist, daß bei den deutschen Weinhär-dlern das Schmieren auf der Tagesordnung steht. Das Gesetz vom Jahre 1901 bat sich im ganzen gut bewährt. Zu gegeben ist allerdings die Notwendigkeit einer einheit lichen, gleichmäßigen Kontrolle, die geschäftsmäßige Fabrikation von Kunstweinen hat längst aufgehört. Man sollte deshalb den Weltruf de» deutsche« WcineS nicht durch alle möglichen Anekdoten und Schauermären schädigen. Die Buchkontrolle, die Einschränkung des Zuckerwafferzusatzcs und die DeklarationSpflichl für den Weinverschnitt kann ich nicht billigen. Abg. Vogt-Crailsheim (B. d. L.), auf der Tribüne schwer verständlich, tritt für eine einheitliche strenge Kontrolle ein. Inzwischen ist eine R c s o lu tio n des Zentrum» eingegangen, die bis zur reichsgesetzlichen eindeit' lichen Regelung der NahrungS- und Genußmittel kontrolle die Anstellung besonderer Kontrollbeamter im Hauptamte in jedem Bundesstaat und ferner die Anmeldung jeder Weinhandlung bei der zuständigen Verwaltungsbehörde fordert. Abg. David (soz.) erklärt fich gegen die Wein steuer und gegen die Einführung einer Kontrollab- ;abe, die nur der erste Schritt zur Reichswetnsteuer ei. Diese wird zwar als Luxusstcuer bezeichnet. Die einzig richtige Luxussteuer ade: ist die progre^ve Einkommen-, Vermögens- und Erbschaftssteuer. Mr verlangen schärfere Bestimmungen über den HauS- trunk. So sehr wir immer für die Kunst eintreten, von dem Kunstwein wollen wir nichts wissen. Wir ind für eine schärfere Kontrolle und werden deshalb ür die Resolutionen stimmen. Abg. Jäger (Zentr.), begründet die zuletz; sm« gebrachte Resolutton, bleibt aber im einzelnen unver ständlich. Abg. Preiß (Els. LandeSpartei), erklärt stch mit den Reso'utionen einverstanden, wenn fix ihm auch nicht wett genug gehen. Gegen die Wsinstsua ind die schwersten Bedenken zu «heben. Abg. Wolff (wirtsch. Vgg.): Die Caprivischen Hand.Isverträgb sind für den Weinbau ebenso ge fährlich gewesen wie die Weinpantscherei. Ich habe gar nichts dagegen, wenn die Weinausfuhr nach« läßt; wenn erst die gepantschten Weine beseitigt find, so wird der in Deutschland wachsende Wein gerade au!reichen für den Konsum. Eine Reich»- weinsteuer lehnen wir ab. Der Staatssekretär möge dafür Sorge tragen, daß nicht das ganze Reich unter der Rückständigkeit Preußens leide, und daß es nicht heißt: Ich habe «wogen, ich erwäge noch heut, ich werde erwägen in Ewigkeit! Abg. Hug (Zentr.) verwirft ebenfalls die Wsm- steuer uno spricht fich im übrigen für die Reso lutionen aus. Darauf wird die Debatte geschlossen. — Da» HauS vertagt sich. ! ..! » --8 Von )Vak und fern. Herzog Karl Theodor m Bayrr«, d« als Augenarzt einen vorzüglichen Ruf genießt, hat Donnerstag in München die 5000. Star operation vorgenommen. Auf die Ausschaltung des Religio«-« uvierrichts aus den Schutlehreiplänen be schloß eine Versammlung der Hamburger Lehrerschaft nach dem Vorgang der Bremer Lehrerschaft hinzuwirken. In der Versammlung, die am Montag stattfand, wurde ein darauf bezüglicher Beschluß fast einstimmig ange nommen. Bestrafter Attentäter. Der Musketier Moy, der den Leutnant Hecrlein auf de« Kafernenhof zu Lübeck mit dem Gewehrkolben niederschiug, wurde vom Kriegsgericht zu sieben Jahr neun Mona Gefängnis verurteilt. K Der fall ^säelung. 18) Kriminalroman von Artur Roehl. (Fortsetzung.! Indes, wenn dieser Mann, ihr Vetter, zu ihr gemeint, daß er etwas wüßte, warum hatte er nicht gesprochen? Warum war er nicht von ihr und von den Gerichten gezwungen worden, zu reden? Cäcilie zuckte die Achseln. Sie erzählte der alten Dame wer ihr Vetter war. Ein durchaus unzuverläsfiger, böswilliger Mensch. Ein Schwadroneur, der mit dem Mund immer voraus und fich gewiß Mr mit seinen Redensarten batte ausspielen wollen. Wie sollte er auch etwaS wissen ? Er hatte Tag und Nacht seine Lokomotive zu fahren und war zwanzig Meilen wett von Berlin ab stationiert. Hätte er etwas gewußt, so wäre er von dem Gericht auch sicher längst gezwungen worden, sich über sein Geheimnis zu äußern. Ec war eben nur ein boshafter Mensch. Er konnte es der Toten selbst nach dem grausamen Ende, das sie ge funden, noch nicht vergessen, daß sie ihn mit dem Antrag, mit dem er einmal zu ihr ge kommen, zurückgewiesen batte. Wer weiß, welchen Stachel er ihr in die Seele zu drücken geglaubt, wenn er von ihrer unglücklichen Schwester in dem anmaßenden Tone sprach, den er gegen sie anschlug! Allein Frau Madelung fühlte fich von dieser Erläuterung nicht zufrieden gestellt. Sie kam über das eine nicht hinweg. Er hatte gesagt: Könnte er reden! Vielleicht, daß in der Äußerung doch etwas mehr als, wie Cäcilie! annahm, bloß Großsprecherei und Bosheit ge legen! Warum hatte man das Gericht nicht längst von diesen Bemerkungen, die er gemacht hatte, verständigt? Cäcilie ergriff ihre Hand, um sie zu be ruhigen. „Ich Habs Ihnen ja den Charakter dieses Mannes geschildert, Frau Madelung," sagte sie; „er war ja auch bei der ganzen Gerichts verhandlung zugegen. Wenn er rede« wollte, hätte er nur vorzutreten brauchen. In dem Zuschauerraum, wo er saß, hat er fich, weiß ich, ähnlicher anmaßender Redensarten bedient. Aber keiner nahm seine Worte für voll, selbst der Verteidiger nicht, wie er davon hörte. Dis Leute durchschauten ihn. Und dann war er be trunken. Noch ehe die Gerichtsverhandlung ihr Ende erreichte, hatte er Ms Veranlassung seiner fich von ihm belästigt fühlenden Nachbarn von einem Gerichtsdiener ins Freie hinausgebracht werden müssen. Frau Madelung saß, ihr verhärmtes Gesicht auf ihre abgezehrte Hand gestützt, und bliche Cäcilie an. Sie sagte es nicht, aber in ihren Augen lag es, als stände es dort deutlich mit großen Lettern geschrieben: „Sie find eine so gute, große Seele, Cäcilie, und einen solchen bösen Blutsverwandten sollten Sie haben?" Das Mädchen nickte, als hätte sie die Ge danken der alten Dame wirklich erraten. „Er war früher gar nicht so schlimm ge wesen, wenn er auch immer etwas geradezu und rücksichtslos war. Als Kinder haben nur zusammen gespielt und er war immer ganz gut zu leiden gewesen. Aber späterhin hat er fich dann geändert. Der rauhe Dienst Tag Md Nacht auf der Plattform der Lokomotive hat ihn verhärtet und verdorben, daß er fich be trank, wie er in dem Gerichtssaal betrunken gewesen, das hätte sie früher nie und nimmer für möglich gehalten." Indes, er mußte wirklich ein recht harter und schlechter Mensch geworden sein. „Die Gedanken, die ich nicht los werden kann," gestand sie Frau Madelung, „haben mich nämlich trotz allem, was ich von ihm weiß, getrieben — eS ist erst vergangene Woche gewesen — mich doch noch einmal an ihn um Aufklärung über die rätselhaften Worte, die er damals in dem Zsvaenzimmer zu mir gesagt, zu wenden. Ich hab' ihm ge schrieben —" „Sie haben ihm geschrieben, Fräulein Cäcilie? Was hat er zur Antwort gegeben?" „IS habe sogar zweimal an ihn geschrieben, Frau Madelung, doch beide Male, obgleich ich doch so eindringlich war, so flehentlich bat und ihm den grenzenlosen Jammer einer Mutter beschrieb, deren Sohn jeden Tag, der anbreche, dem Beil sich beugen könnte — beide Male ist er mir die Amwort schuldig geblieben." „Er hat Ihnen beide Male nicht geant wortet. Fräulein Cäcilie?" „Weil er nichts weiß, Frau Madelung." „Oder, weil er nichts sagen will, Fräulein Cäcilie." Das Mädchen sah in die Höhe. „Nein, nein," sagte sie. „Sie können ver sichert sein, Frau Madelung, er weiß nichts. Dern wenn ich auch nur die Spur von Zweifel daran hegte, Frau Madelung, ich ginge heut« noch, hier auf der Stelle stände ich auf uno würde zu ihm gehen. Unversäumt würde ich ihn aufsuchen, Frau Madelung, und ich würde reden mit ihm, in die Seels würde ich ihm reden, daß er, und wenn er verstockt wäre wie ein Granitfteiu, mir sagen müßte, was er weiß." Sie sprang von ihrem Sitz auf. „Frau Madelung," sagte sie, „es wich ja auch nur vergebens und alles umsonst sein. Er würde, er könnte sich ja nicht in dies grau same Stillschweigen hüllen, wüßte er etwas. Gleichwohl, kommen Sie, kommen Sie, Fra« Madelung, wir wollen auch so zu ihm hi«, die Gefahr, die uns droht, rechtfertigt jeden, auch den allerausfichtslosesten Schritt." Und dabei trat sie in die Mitte des Zimmers vor, als ob sie bloß Hut und Diantel nehmen und um die erste, nächste Straßenecke biegen konnte, um zu ihrem Ziel zu gelangen. Indes Werben, wo der Lokomotivführer stationiert war, lag manche Meile weit in der Ferne. Frau Madelung wollte wissen, an welcher Bahn die Stadt, wo er beheimatet war, lag. Cäcilie konnte ihr die genaueste Auskunft erteilen. Sie hatte, als sie noch in Stellung war, ein paar Stationen hinter Werben gelebt. Sie kannte alle Züge auf der Bahnlinie. Fran Madelung wohnte in Berlin dicht n> der Nähe des Zentralbahnhofss. Wenn ms« fich beeilte, kam man noch gut zu dem Nach"
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