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Ottendorfer Zeitung : 09.02.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190602097
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060209
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060209
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-02
- Tag 1906-02-09
-
Monat
1906-02
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 09.02.1906
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polirilcke kunäfckau. Die Wirre« i« Ruhland. * Die Zustände in Rußland lasten trotz aller amtlichen Beruhigungsnachrichten immer noch viel zu wünschen übrig. Besonders aus den baltischen Provinzen und aus Russisch» Polen wird eine Reiche blutiger Gewalttaten gemeldet. In Kurland sind Mordtaten aus Rache an der Tagesordnung, was nach dem grausamen Vorgehen der Truppen nicht allzusehr überraschen kann. In 8 ibau drangen sogar mehrere Bewaffnete in das dortige Krankenhaus ein und schleppten einen Mann fort, der tags zuvor auf der S^aße schwer ver wundet worden war; die Mö der ertränkten den Schwerkranken im nahen Meere. In Warschau erschoß eine Jnfanteriepatrouills ohne erkennbaren Anlaß einen Arbeiter und verletzte eine Frau. In Lodz wurde von der Menae ein berüchtigter Dieb namens Golinski auf offener Straße erdolcht. In Pobianica fand gleichfalls ein Mord aus politischer Ursache statt: unbekannt gebliebene Arbeiter erschossen den dortigen Fabrikbuchhalter Malinowski. — In Kowno wurde der Rabbiner schwer verwundet und sein Sohn ge» »Stet, weil ersterer sich geweigert hatte, 500 Rubel iür Revolutionszwecke zu zahlen. *Zur Frage der Besserung der Land» Verhältnisse wird aus Kaschira (Gouv. Tula) berichtet: Der auf Vorschlag des Finanz ministeriums hier aus Großgrundbesitzern und Bauern gebildeten Agrarkommisfion zur Er werbung von Land durch Vermittelung der Bauern-Agrarbank sind von feiten einiger 80 Dorfgemeinden Kaufankündigungen zuge- gangen. Acht Gutsbesitzer erklärten sich bereit, Land zu verkaufen. * Der Stadthauptmann von Petersburg hat das Verbot der politischen und wirtschaft lichen Vereinigungen aufgehoben. * Der Minister des Innern hat die Abhaltung des geplanten muselmanischen Kon gresses, aber unter Ausschluß der Öffentlich keit, gestattet. *Jn der Warschauer Zitadelle wurden am Freitag neuerdings 11 Mitglieder des anarchistischen Komitees kriegsgerichtlich erschossen. * Das Strafgericht über die Teilnehmer an der Ausstandsbewegung in den Ostseepro vinzen wird nachdrücklich fortgesetzt. Wie ein Telegramm aus Libau meldet, wurden in den letzten Tagen auf dem Gute Prekula über zwanzig Letten wegen Teilnahme an dem Aufstande erschossen. Der Agitator Strauß, Mitglied der Kampsorganisation, wurde vom Kriegsgericht zum Tode durch den Strang- ver urteilt. Täglich finden im Mauer Kreise Hin richtungen statt. * * Deutschland. *Wie verschiedenen Blättern aus Gmunden berichtet wird, hat das Kaiserpaar an die Königin von Hannover aus Anlaß des Todes des Königs von Dänemark be sonders herzliche Telegramme gesandt. Es ist das zweite Telegramm, das Kaiser Wilhelm nach Gmunden gerichtet hat. Das erste traf vor zwei Jahren anläßlich des Todes der Prinzessin Mary von Hannover ein. * Die deutsche Kronprinzessin steht, wie die .Nordd. Allg. Ztg.' von „kompe tenter Seite* erfährt, im Lause dieses Sommers einem frohen Ereignis entgegen. "Beim Kaisersgeburtstags - Kommers der Kriegervereine in Hannover hat de: Oberst und Bezirkskommandeur Frh. Rüdt v. Collenberg eine für das Kriegervereinswesen bedeutsame Mitteilung gemacht. Der Oberst begrüßte es freudig, daß der Zugang von Offizieren des Beurlaubtenstandes und höheren Beamten zu den Kriegervereinen sehr stark gewesen sei, und teilte dann mit, der Kaiser münsche, daß jeder Offizier des Beurlaubtenstandes und jeder gediente höhere Beamte Mitglied eines Kriegervereins sei. * In BundeSratskreisen hofft man die Reform der Strafprozeßordnung im Reichstage in der nächsten Tagung vorlegen zu können. * Nach vertraulicher Besprechung der einge- gangenen WahlrechtsvorschlLge hat die sächsische Kammer zur Prüfung der Vor schläge eine neungliedrige Kommission ans allen Parteien eingesetzt. Dieser Kommission gehören auch an Aba. Goldstein (ioz.) und der frei sinnige Abg. Günther. Übereinstimmung herrscht bezüglich des direkten, geheimen Wahlrechts. Die Gegensätze in Sachsen drehen sich nur um die Abstufung des Wahlrechts. Vom gleichen Wahlrecht will die Kammermehrhsit nich's wissen. Die bis herigen Vorschläge gingen alle auf eine Ab stufung in irgend welcher Form, sei es durch Pluralstimmen, Berussvertremngen oder dergl. hinaus. *Die Reform deS Landtagswahl- rechts in Anhalt soll, wie aus den Kreisen der anhaltischen Regierung verlautet, so be schleunigt werden, daß bereits die nächsten an haltischen Wahlen nach dem neuen ModuS vor genommen werden können. Österreich-Ungarn. * Graf Andrassy ist unverrichteter Sache von Wien nach Budapest zurückgekehrt, seine Aufgabe ist vollständig gescheitert; der Kaiser hat alle vermittelnden Vorschläge ab gelehnt. Andrassy hat leinen Auftraggebern bereits Bericht erstattet. Was nun? Man glaubt, daß nach Auflösung des Reichstages die Fort führung der Handelsverträge, die Erhebung der Steuern und die Rekrutierung auf dem Ver- orduungswege mit Zuhilfenahme der Gendarmerie durchgeführt werden wird, d. h. der Absolutismus in Sicht ist. Frankreich. *Die auf Grund des Trennungs-Gesetzes vorgenommene Jnventuraufnahme in den Kirchen hat zwar im ganzen Lande, vor allem in der Vendee und in Paris, so manche Reibereien mit den Beamten hervorgerusen; im allgemeinen aber haben dabei größere Unruhen nicht staitgefunden. In Pans find eine ganze Reihe von Unruhestiftern vom Zuchtpolizei gerichte zu geringen Haftstrafen verurteilt worden. Spa«ie«. * Von der Konferenz inAlgeciraS wurde ein grundsätzliches Einverständnis dahin erzielt, daß ein mäßiger Aufschlag auf die marokkanischen Einfuhrzölle zu bewilligen ist; der Ertrag soll zu Häfenverbefserungen ver wandt werden. Nachdem die spanischerseits hiergegen bestehenden Bedenken zerstreut waren, hafte auch England seine vorher mehrfach schwankende Stellung dahin präzisiert, es stimme dem Zollzuschlag zu unter dem Vorbehalft daß der hierdurch eqielte Mehrertrog einer beson deren, unter europäischer Kontrolle stehenden Kasse zufließe. Gegen diese Bestimmung sträubten sich die Marokkaner, willigten jedoch schließlich ein, an den Sultan zu berichten, sodaß die Zuversicht besteht, auch hierüber zu einem Einvernehmen zu gelangen. Die Höhe des zu bewilligenden Zuschlages dürfte auf ein Viertel der bisherigen zehnprozentigen Wertzölle festgesetzt werden. * Ein bezeichnendes Wort des Vorsitzenden der Marokko-Konferenz an die aus wärtigen Berichterstatter verdient noch festgelegt zu werden. Er sagte beim Picknick u. a.: .Sie find hergekommen, um Ihren Blättern Sensationen zu melden; meine Aufgabe aber ist es, alle Überraschungen hint» anzuhalten." Balkanstaaten. * Die beiden im vorigen Jahre geflüch teten Flügeladjutanten des Sultans find wieder in Gnaden aufgenommen worden. Sie find sogar zu Divistonsgeneralen befördert worden und werden dieser Tage in Konstantinopel zurückerwartet. *Die türkische Regierung hat an die bulgarische Regierung eine Note gerichtet, die eine Verständigung über das Fallen lassen der bulgarisch-serbischen Zollunion und über die eigenen gegenseitigen Zollschwierig» leiten herbeizuführen sucht. * Auf Verlangen des Marschalls Achmed Feizi Pascha hat sich die Pforte entschlossen, weitere 10 000 Mann nach Demen zu ent senden. (Danach scheint der Aufstand in Ost arabien doch noch nickt so völlig unterdrückt zu sein, wie Feizi Pascha bisher immer glauben machen wollte.) General Sami Pascha ist mit größeren Truppenabteilungen nach der serbi schen Grenze abgegangsn. Amerika. *Die Meldung, daß das Schulschiff „Großherzogin Elisabeth*, dem Norddeutschen Lleyd gehörig, wegen Weinschmuggels von den Amerikanern beschlagnahmt worden sei, erweist sich als blauer Dunst. Das Ganze beruht auf dem Mißverständnis eines übereifrigen Beamten. Eine Schmuggelei hat nicht vorgelegen, eine Beschlamrahme nicht statt gefunden und das Schulschiff ist am Freitag bestimmungsgemäß ohne Beanstandung ab- gesegelt. MN > Aus ciem Aeicbstage. Der Reichstag setzte am 3. d. beim Etat des ReichSamtes des Innern die sozialpolitische Debatte fort. Abg. Patzig lnat.-lib.) verlangte u. a. Rege lung der Verhältnisse der Heimarbeiter und mehr Sorge für den Mittelstand und polemisierte gegen die sozialdemokratische Herabsetzung des Wertes der sozialpolitischen Versicherungsgesetzgebung. Staats sekretärs Grai PosadowLky antwortete ausführlich auf alle im Laufe der bisherigen Debatte an ihn herangetretenen Anregungen, Wünsche und Fragen. Der Entwurf betr. die Anerkennung der Berufs- Vereine soll erst vorgelegt werden, wenn es die andern Geschäfte deS Hauses gestatten. Ferner stellte der Staatssekretär Gesetzentwürfe in Aussicht betr. Krankenversicherung der Heimarbeiter und betr. Schutzbestimmungen für Tabakarbeiter der Heim- Industrie, wie er überhaupt für ein stärkeres Ein greifen der Gesetzgebung in bezug auf die Heim arbeit plädierte. Abg. Mugdan (frs. Vp.) trat für Verbesserung und Vereinfachung der Versicherungs gesetze und besonders für eine Reform deS Kranken kassengesetzes ein. Weiter polemisierte er gegen das Verhalten der Sozialdemokratie in bezug auf die russische Revolution. Abg. Dove (frs. Vgg.) trat für baldige gesetzliche Regelung der BerufSvereinS- frage ein und wandte sich weiterhin gegen die Forderung des „kleinen Befähigungsnachweises*. Am 5. d. wird dis zweite Beratung des Etats deS Reichsamts des Innern fortgesetzt. Abg. v. Kardorff (freik.) erklärt sich mit dm Ausführungen des Abg. Muqdan gegen die Sozial demokratie einverstanden, pflichtet seinen positiven Vorschlägen auf sozialpolitischem Gebiete aber nicht zu. Christliche Gewerkschaften zu schaffen, war gewiß eine schöne Idee, aber bei allen Streiks sind sie gerade so schlimm wie die Sozialdemokraten. Wird ein Gesetz über die Rechtsfähigkeit der Berufs- Vereine geschaffen, so wird die Sozialdemokratie das wieder als Erfolg ihrer Agitation aukposaunen. Zwilchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht Anteressenharmonre; einen Klafsenkampf gibt eS nicht. Die Krupp und Stumm sind aus dm Reihen der Arbeiter hervorgegangen. Abg. Erzberger (Zentr.): Die letzte Rede deS Staatssekretärs hat einen guten Eindruck ge macht. Hoffentlich wird Graf Posadowsky auch auf dem Gebiete der Mittelgandspolitik ebenso energisch vorgehen wie auf dem der Agrarpolitik und der eigentlichen Sozialpolitik. Die christlichen Gewerk schaften find durchaus nicht die Schleppenträger der Sozialdemokratie, sie leiden vielmehr unter deren Terrorismus. Trotzdem verlangen wir kein neues Zuchthausgesetz. Wir würden ein solches auch jetzt wieder ab lehnen. Wir hoffen, daß eS gelingt, diese schweren Mißstände durch öffentliche Besprechung zu beseitigen, und wollen nur erreichen, daß die sozial demokratischen Führer Fälle von Terrorismus hier offen mißbilligen. Ein Pendant zu diesem sozial demokratischen Terrorismus ist der von der ReichS- regierung offen proklamierte Terrorismus im Heere durch dm Duellzwang. Für die Regelung der Ver hältnisse der Heimarbeiter sind meine Fraktions- asnossen schon seit vielen Fahren eingetreten. Ein Verbot der Heimarbeit hat die Sozialdemokratie in ihrem Programm. Es würde aber selbst nach Ansicht von Sozialdemokraten zu einer großen Härte führen. Ein Schutz der Heimarbeit wird jetzt hoffentlich desto schneller gesetzlich erfolgen, nachdem auch die Kaiserin ihr Interesse an der Frage gezeigt hat. Die preußische Ber-Msetznovelle bedeutet einen Fort schritt, wenn auch noch keine vollkommene Regelung der Verhältnisse. Wertvoll sind die Arbeiteraus schüsse. Beim Kapitel Gewerbe-Inspektion fordern wir, daß jeder Betrieb jährlich einmal untersucht wird, und daß weibliche Inspektoren und Arzte in größerer Zahl zugezogen werden. Die Verhältnisse der Bühnenarbeiter scheinen einer Regelung dringend bedürftig zu sein, ebenso die des Bühnenpersonals. In der Gewerbe-Ordnung sind Normattvbestimwun- gen über die Begriffe „Fabrik" und „Handwerk* erforderlich. Ein Mißstand der genauen Trennung der Betriebe ist darin zu sehen, daß das Handwerk der Großindustrie unter großen Kosten Lehrlinge ausbildet. Lie von Herrn Mugdan angeregte Schaffung eines ReiLs-HandwerkrblatteS wird in den betreffenden Kreisen dankbar begrüßt werden. Bei den Bestimmungen über Suownsiouen sollte ein Prozentsatz der Lieferungen den Handwerkern Vor behalten werden. Abg. Stückle« (soz.) polemisiert gegen die Vorredner. Wir billigen den Terrorismus gegen die christlichen Gewerkschaften nicht, können eS aber den in den freien Gewerkschaften organisierten Arbeitern nicht verdenken, wenn sie sich über die Verrätern der christlichen Gewerkschaften erregen- Wenn sich Abg. Erzberger von der Wirkung deS Preuß. Berggesetzes überzeugen Will, mag er doch einmal zu den christlichen Arbeitern in das Ruhr revier gehen. Gegen die Arbeiterausschüffe hatte« wir deshalb Bedenken, weil sie auf Gnade und Un gnade den Unternehmern ausgeliefert find. Wenn Herr v. Kardorff sich hier heute wie neulich einige Herren im preuß. Abgeordnetenhause für eine Kür zung der Invalidenrente und für ihr gänzlicher Fallenlaffen bei Kindern ausgesprochen hat, so er widere ich ihm, wenn Sie die Kinder in der Land wirtschaft ausbeuten, dann bezahlen Sie ihnen auch die Rente. Nun hat neulich der preußische Finanz minister v. Nheinbaben von den Beiträgen der Arbeiter für die Gewerkschaften gesprochen und gesagt, wenn der Staat so viel an Steuern von den Arbeitern erhöbe, welch Geschrei würde dann ertönen. Was die Arbeiter für die Gewerkschaften bezahlen, erhalten sie in Fälle« von Krankheit, Arbeitslosigkeit reich lich ersetzt. Von den Steuern aber kauft der Staat Gewehre, Kanonen, Schiffe, bezahlt er Soldaten, — alles Dinge, an denen wir kein Interesse haben. Redner verbreitet sich dann eingehend über die überaus große Anzahl der Betriebsunfälle, die große« Dividenden für die Unternehmer, die schwafel« Listen gegen die Arbeiter, die Unterdrückung vo« Sammlungen, besonders in Sachsen, die Ausweisung ausländischer Arbeiter, die SonntagSarbsit in de« Mühlenbktrieben und geht dann zur Polemik gegen die Rede des Abg. Mugdan über. Abg. Mugdan hat uns einen Vorwurf machen zu müssen geglaubt auS unsrer Sympathie für die russischen Freiheits kämpfer. Gewiß, wir bedauern eS, daß wir diese» Kämpfern nicht noch mehr unter die Arme greisen konnten. Wir haben das größte Interesse daran, daß dies letzte Bollwerk der Selbstherrschaft, deS Absolutismus fällt. Aber ist es denn liberal, diese« Freiheitskämpfern einen Tritt zu versetzen, wie Abg. Mugdan eS getan hat? Sächsischer Bundesratsbevollmächtigter Dr. Fisch er widerspricht einigen Ausführungen deS Vorredners über Versammlungsverbote in Sachsen. Abg. Bassermann (nat.-lib.) verweist de« Abg. Stückle« auf die Artikel des .Vorwärts' »or dem 2ft Januar. Die sozialdemokratische Partei leitung sei erst zahmer geworden, als sie die ernst haften Vorbereitungen der Regierung für diesen Tag sah. Die Befürchtungen des Herrn v. Kardorff hin sichtlich deS Gesetzes über die Berufsvereine ginge« zu weift ES solle tatsächlich den Vereinen nur daS Recht de« Erwerbes von Grundbefitz gegeben werden- Redner berührt dann noch noch verschiedene Gebiete, so die Lehrlingsausbildung, die Sonntagsruhe für Binnenschiffer, Maximalarbeitszeit für Handlungs gehilfen, die Zusammenfassung der VerstcherungS- aesetzs und fordert energisch eine Novelle zu« Krankender flcherungsgesetz. Hierauf vertagt sich das Haus. unct fein. Der srsuzöfifLe Wei« und der Friede. Eine feuchtfröhliche Gesellschaft in Zoppot sandte dem französischen Präsidenten FaMres anläß' lich seiner Wahl ein launig gehaltenes Be grüßungsschreiben, in welchem darauf hinge» wiesen wurde, daß Feindschaft zwischen Deutsch' land und Frankreich recht nachteilig sein würde, da die Deutschen unter Umständen nicht mehr den famosen Bordeauxwein und die Franzose« nicht die schönen deutschen Biere erhalten wür den. Hierauf traf folgende eigenhändige,, in französischer Sprache abgefaßte Antwort ein: „Mein Herr! Ich bin sehr glücklich, Ihre Z«' schrist beantworten zu können. Empfangen Sie dieses Zeugnis meiner Schätzung und Hoch' achtung. Möge der Wein von den Ufern der Garonne lange, lange Zeit dem Frieden zwischen Frankreich uiü> Deutschland förderlich sein» Profit! Armand Fälliges, Präsident." O Der fall ^aäewng. 13j Kriminalroman von Artur Roeh ft (Forvetzuna-1 „Sie find eine gute Seele," sagte Frau Ma delung. „Wenn Ihre Schwester Ihnen ge glichen, mein Kind, dann begreife ich, daß Robert so an ihr hing." Sie schloß ihren Wagen. Dann rollte sie über Asphalt und Pflaster hinweg von einer unabsehbar langen Straße in die andre hinein, endlos vorbei an Laternen und Schaufeufterglanz und Wagen und Menschengedränge auf dem Fahrdamm und den AußgSngersteigen. Aber als sie sich wieder in der Einsamkeit ihres Hotelzimmers befand, schien ihr die Schuld, die sie aus sich geladen, womöglich größer als fe. Sie weinte und hörte den ganzen Abend nicht auf zu weinen. Das Zimmermädchen auf dem Flur konnte ihr Schluchzen durch die Tür hindurch hören. Als sie, um das Best zu machen, bei ihr eintrat, konnte sie uicht ein mitfühlendes Wort unterdrücken. „Die arme gnädige Frau," sagte fie leise. Da weinte Frau Madelung noch lauter. „Kind l Kind!" bat fie fie. „Nicht! Nicht gnädige Frau. Ich bin eine —" Sie stockte. Sie hatte aut der Lippe, zu sagen: „Eins böse, sehr bö e Frau!" Aber fie hielt sich zurück. Sie sagte schluchzend: „Ich bin eine un glückliche Frau! Ich bin eine sehr unglück liche Frau." 7. Der neunte Januar braL mit einem trockenen Schneegestöber au, das die Menschen auf den Straßen wie mit Eisspitzen ins Gesicht stach, gleichwohl hielt bereit in aller Frühe eine zahllose gaffende und schwatzende Volksmenge das Portal des großen Ber liner Justizpalastes umlagert. Schutzleute in blinkenden Helmen hielten fröstelnd die Passage nach dem Haus der Gerechtigkeit frei. Equipagen und Droschken fuhren heraus, Richter und Zeugen langten an und alles was zu der Verhandlung zu erscheinen sein Recht oder seine Pflicht hatte, war pünktlich zur Stelle. In dem Zuhörenaum standen die Menschen Kopf an Kops gedrängt. Die Vertreter der Presse stritten sich um einen Sitz. Kein Steh platz war mehr zu haben, als die Richter in ihren langen ernsten Talaren eintraten. Der Saal ist luftig und geräumig, weiß getüncht und hell. An einem Ende desselben saßen die Richter hinter einem langen, mit grünem Tuch bedeckten Tisch, halb hinter Allen versteckt. Rechts von ihnen hatte der Staats anwalt seinen Platz, ein noch verhältnismäßig junger Herr mit stechendem Auge, das geschaffen -chieii, die Mängel der Menschheit mit grau samem Blick zu durchschauen. Von Wohlwollen und Barmherzigkeit lag in seinen Zügen nicht eine Spur. Dicht an 'einer Seite erhob sich die Bank „für den Angeklagten, vor der sich der Platz -ür seinen Verteidiger befand. Ihm gegenüber die Stühle für die Geschworenen. Weiter hinten im Saal die Zeugen und dann der Zu- hörerroum. Als die Richter Platz nahmen, trat lautlose Stille in dem großen Saale ein. Nur hier und da rückte ein Stuhl, räusperte sich jemand oder konnte man hören, wie ein Menheft aufge schlagen oder zugeklappt ward. Der Gerichtspräsident erklärte die Sitzung für eröffnet. Die Geschworenen wurden ausgelost. Sie verfügten sich auf ihre Plätze. Es wurden noch einige unumgängliche Formalitäten erledigt und dann erteilte der Präsident die Weisung, den Angeklagten in den Saal zu führen. Robert Madelung trat durch eine kleine Tür hinter der Anklagebank, von einem Polizei beamten geführt, ein. Eine atemlose Spannung lag über dem Zu- hdrerraum. Die Neugierigen hoben stch aut den Zehen. Robert Madelung blieb unter de« Feuer aller der auf ihn starrenden Gesichter einen Augenblick still stehen. Er hatte einen schwarzen doppelreihigen Tuchrock an und um den weißen Halskragen eine schwarze Binde geknüpft. Er war bleich und abgezehrt. Frau Madelung stieß, 'wie fie ihn von ihrem Platz im Zeugenraum eintreten iab, einen leisen Schrei des Schreckens auS. Cäcilie Rau, die an ihrer Teste saß, fiel ihr um den HalS. Sie hatte selbst nicht die Kraft, den Strom, der mit jäher Plötzlichkeit in ihre Augen stürzenden Tränen zu unterdrücken, aber sie raffie sich doch, die unglückliche Mmter zu beruhigen, auf. Robert Madelung ging auf seine Bank Z» und verbeugte sich vor dem Gerichtshof und den Geschworenen, ohne daß einer von seine» Gruß Notiz nahm. Endlich kam die Anklageschrift zur Ver lesung. Sie enthielt die bekannten Einzel heften deS Falles. Der GertchtSschreibec leierte sie mit einem monotonen To« herunter, als ob er nie ein Ende finde« wollte. Das Publikum, dem durch das Aktenstück nichts Neues mitgeteilt wurde, fcwd die Schrift weitschweifig und langweilig- Aber plötzlich trat doch ein Schluß ein. Der Präsident stand auf, der Staatsanwalt duftete, der Gerichtsschreiber setzte sich und das Verhör des Angeklagten ward eröffnet. Robert Madelung erhob sich. Der Staats' anwatt maß ihn mit seinem stechende« Blick. Dis Geschworenen rückten auf Stühlen und nahmen den Verklagten schärfer inS Auge. Im Publikum hatte man das Er fühl. daß die Sache nunmehr interessant werden anftnfl. Der Präsident setzte sein Barett auf 'M wandte sich, ehe er dem Angeklagten du Generalien abfragte, noch einmal an du Jury. . „Meine Herren," begann er. „Sagen sich, ick bitte Sie, von allen Vorurteilen, vo« jeder Voreingenommenheit los, die dieser der Presse so lebhaft erörterte Fall so lE hervorzurufen geeignet ist. Urteilen «!; allein nach dem, waS hier zu Ihrer KenrE gebracht werden wird. In Ihrer Hand lE eS, einer abscheulichen Untat die Verdis«''
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