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Ottendorfer Zeitung : 17.01.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190601173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19060117
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19060117
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-01
- Tag 1906-01-17
-
Monat
1906-01
-
Jahr
1906
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 17.01.1906
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Die größte Mietskaserne von Groß- Berlin wird vom 1. April ab das HauS sein, das der Beamtenwohnungsverein Berlin in Char lottenburg errichtet. Es bietet im ganzen 180 Familienwohnungen und eine kleine Zahl von Wohnungen von zwei Zimmern für Jung gesellen. Das Haus, an der Kaiser Friedrich-, Wall- und Fritschestraße gelegen, bedeckt satt 7000 Quadratmeter und enthält 16 Portale und 16 Treppenhäuser. Vollbesetzt dürfte das einzige Haus für sich allein gegen 1000 Ein wohner zählen. .,Uee«e Exzellenz" der Großherzog. Als der Großherzog von Oldenburg kürzlich mit seiner Jacht „Lensahn" zur Ausbesserung einer kleinen Havarie in ein Nebenflüßchen der Unterelbe einlief, leistete ein Schleusenwärter seinen Leuten hilfreiche Hand. Nachdem die Jacht wieder abgedampft war, wurde der Schleusenwärter gefragt, wie er denn den Groß herzog angeredet habe. „Je," sagte er, „ick dachte in Minen Sinn, beter een Foot to veel, als een Toll to wenig, un so heww ick denn jümmer to em seggt — Eure Exzellenz". De« Teilnehmern an dem Kriege von 1848/51 gegen die dänische Fremdherrschaft ist eine Ehrung zuteil geworden, welche die greisen Kampfgenossen mit Freude er'üllt. Die Regi ments- und Bataillons-Kommandeure der ver schiedener. Standorte Schleswig-Holsteins haben den Vorständen der Kampfgenosfenvereine von 1848/51 mitgeteilt, daß das Regiment oder Bataillon den Mitgliedern des Vereins eine besondere Ehrung durch Gestellung der Regi ments- oder Bataillonsmufik bei der Bestattung jede? Vereinsmitgliedes erweisen wolle. Flucht der Baroni« v. Kö«igswarter. Nam einem in Hannover verbreiteten Gerücht soll sich Frau Baronin v. Königswarler zurzeit in Mailand aushalten. Der Steckbrief ist seitens der Staatsanwaltschaft Berlin hinter der Flüchtigen erlassen worden. Man will in Hannover Übrigens wissen, daß die Baronin ihren Sekretär nach — Monte Carlo geschickt hat, um dort zu versuchen, im Spiel die Summen zu — gewinnen, die sie brauchte, nm die laufenden Verbindlichkeiten zu decken. Über die Genickstarre, die in Hamborn (Kreis Ruhrort) ausgetreten ist, werden teil weise übertriebene Gerückte verbreitet. Bis jetzt find 14 verdächtige Fälle angezeigt worden. Vier Todesfälle find vorgekommen; abgesehen von diesen handelt es sich' durchweg um leichtere Erkrankungsfälle. Der starke Be- völkerungszuzug aus dem Osten des Reiches hat zu der Annahme geführt, daß die Krank heit von dort etngeschleppt worden sei. Die Kranken und krankheitsoerdächtigen Personen find sämtlich in Krankenanstalten isoliert unter gebracht. Ei« großer Alkohvlgeg«er ist mit Pro fessor Dr. Adolf Blankenborn gestorben, dessen Tod aus Konstanz gemeldet wird. Der Gelehrte gehörte zu der bekannten Familie der großen Müllheimer Weindynasten im badischen Mark- gräflerland und war mit seinem Vermögen am Weinbau und dem gedeihlichen Absatz seiner Produkte interessiert. Gleichwohl war dieser Blankenborn, „der Adolf", wie er genannt wurde, ein überzeugter, ja fanatischer Gegner des Alkohols, und das Geld, das er aus ihm zog, verwendete er zum groben Teil wieder zu seiner Bekämpfung. Er war Professor an der Technischen Hochschule in Karlsruhe und interessierte fich namentlich für die Herstellung alkoholfreier Weine. Feuerbestatt»«-. Die Stadt Leipzig hat dem Verein für Feuerbestattung zu Leipzig in entgegenkommender Weise ein Areal zur Er- bavunq eines Krematoriums in nächster Nähe des Völkerschlachtdenkmals kostenlos zur Ver fügung gestellt. Die Kosten der Erbauung werden sich auf 125 000 Mk. belaufen, dis durch verzinsbare Schuldverschreibungen zu 100 und 500 Mk. und verzinsliche Anteil- scheine zu 50 Mk. aufgebracht werden sollen. Wege« MajestätSbeleidigavg ist der 50 jährige Schuhmacher Schöne in Weißwasser zum dritten Male verhaftet worden. Schöne hatte vor mehreren Jahren, nach der ,Volksztg/, um eingesperrt zu werden, eine Majestäts beleibigung ausgesprochen, die ihm denn auch 2 Jahr Gefängnis einbrachte. Kaum aus der Strafanstatt entlassen, wiederholte er die gleiche Beleidigung, für die er nun 3 Jahr Gefängnis bekam. Jetzt, wieder in Freiheit, wiederholte er zum dritten Male dieselbe Beleidigung, was nunmehr seine erneute Verhaftung zur Folge hatte. Verhaftung vo« Messerhelden. Eine recht rohe Tat begingen in einer Wirtschaft in Mülheim a. d. R. mehrere Gäste, die mit drei Polen Streifigkeiten begannen, in deren Ver lauf letzteren sckwere Messerstiche beigebracht wurden. Zwei Polen blieben leblos in den Wirtsckaftsräumen liegen. Während man den einen später ins Hospital schaffte, schleppte man den andern in den Stall des Nachbarhauses, wo er verblutete. Am andern Tage wurde erst die Polizei verständigt, die die Mordbuben sowie den Wirt verhaftete. Drei Persons« vergiftet. In Ammensen (Braunschweig) ist der Hofbesitzer Hesse und sein dreijähriges Söhncken nach dem Genuß von Apfelmus, das mit Arsenik statt Zucker zu bereitet war, gestorben; die Frau ist schwer er krankt. Raubmord. In ihrer Wohnung in München wurde die in den sechziger Jahren stehende Hausbesitzerin Lidauer erdrosselt an der Tür klinke hängend gefunden. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß ein Raubmord vorliegt. Ei« im Ba« begriffe«« Tunnel der elektrischen Bahn in Villefranche, nahe Bourg- Madame, stürzte ein. Bisher wurden die Leichen von drei Männern geborgen. 20 andre find noch verschüttet. Gluthitze i« Australien. In Sydney herrscht enorme Hitze, wodurch zahlreiche Brände in der Provinz verursacht werden. Bei Forbes brennen dreihundert Quadraimeilen, bei Gundagai tausende Acker Wiesenland. Die Verluste find bedeutend. Zahlreiche Sonnenstiche und tödliche Hitzschläge find gemeldet worden. Gericktsballe. Hildesheim- Eine für Auskunfteien wichtige Entscheidung fällte die hiesige Strafkammer. Der Korrespondent einer Auskunftei hatte über einen Fabrikanten in einem kleineren Städtchen Auskunft erteilt, die der Wirklichkeit gar nicht entsprach, sondern weit hinter dem wirklichen Vermögenstande zurück- Slieb. Tatsächlich war der Fabrikant dadurch er heblich geschädigt. Der Angeklagte gab zu, daß er sich selber nicht so genau um den Wert der Sache gekümmert habe, daß er nur berichtet hat, was man sich so erzählt habe. Der Staatsanwalt nahm an, daß der Angeklagte gewußt haben müsse, daß seine Angaben unrichtig seien, eS komme nicht darauf an, ob der Angeklagte gewußt habe, wieviel das von ihm begutachtete Grundstück wert sei, es genüge, daß er gewußt habe, oder bei sorgfältiger Prüfung habe wissen müssen, daß seine Angaben nicht richtig gewesen seien und beantragte eine Gefängnisstrafe von sechs Monat. Der Gerichtshof nahm an, daß der Ange klagte sehr leichtfertig gehandelt habe, das ergebe unter anderem der Umstand, daß der Angeklagte in der Auskunft angegeben hatte, auf dem betr. Grundstücke befinde sich nur ein Gebäude, während tatsächlich deren drei vorhanden waren; jeder, der eine Auskunft kaufmännisch erteilt, habe die Pflicht, genau zu prüfen, auch wenn die Aus kunft ohne Obligo erteilt sei. und sab nur mit Rückficht auf die bisherige Unbescholtenheit des An geklagten von einer Freiheitsstrafe ab und erkannte auf eine Geldstrafe von 10 000 Mk. Die hiergegen eingelegte Revision wurde am 14. Dezember v. vom Reichsgericht verworfen. O Kückbttcke auf 1905. (Schluß.) Juli 1905. 2. Rußland u»d Japan ernennen Delegierte für die Friedensunterhandlungen. — Frankreich stimmt der Marokko-Konferenz zu. 8. Der „Knjäs Potemkin" ergibt fich der rumänischen Regierung in Konstanza. — Unter gang des französischen Unterseebots „Farsadet" im Hafen von Biserta. 11. Ermordung des Moskauer StaLthaupt- manns Schuwalow. — Die Rebellion in Kau tasten nimmt riesenhafte Ausdehnung an. 25 000 Mann werden zu ihrer Niederwerfung mobil gemacht. 12. Als Sitz der Friedenskonferenz wird Portsmouth bestimmt. 18. England stimmt der Marokko-Konferenz ebenfalls zu. — Der Semstwo-Kongretz in Moskau lehnt den Bulyginschen Reform entwurf ab. 21. Attentat auf den Sultan Abdul Hamid io Konstantinopel. 23. Eisenbahnunglück im Tunnel von Alten beken. 24. Begegnung Kaiser Wilhelms mit dem Zaren vor Björkö. 7. Die Japaner erobern Alexandrowsk auf Sachalin und setzen auf das Festland hin über. — Die Blockade von Wladiwostok be ginnt. 31. Kaiser Wilhelm in Kopenhagen. August 1905. 1. Die Großmächte richten an den Sultan bestimmte Forderungen wegen Mazedoniens, namentlich wegen der Finanzkontrolle. 4. Die letzten russischen Truppen auf Sachalin ergeben fich den Japanern. 5. Erste Begegnung der russischen und japa nischen Friedensdelegierten an Bord deS „May- flower" in Boston. — Ausbruch von Unruhen in den Matumbibergen. (Deutsch-Ostafrika). 7. Eisenbahnunglück bei Spremberg, wobei 19 Personen getötet werden. 12. Unterzeichnung eines englisch-japanischen Schutz- und Trutzbündniffes. 13. Das norwegische Volk spricht fich mit 370 000 gegen 182 Stimmen für Auflösung der Union mit Schweden aus. 14. König Eduard passiert auf der Fahrt nach Ischl und Marienbad Deutschland, ohne den Kaiser zu sehen. 18. 75. Geburtstag des Kaisers Franz Joseph. — Ermordung des Bischofs Casfien Spieß und mehrerer Schwestern durch Auf ständische in Deutsck-Ostaftika. 19. Ein Manifest des Zaren verheißt Ein führung einer Verfassung und Berufung einer Reichsduma in Petersburg. 21. Ernennung des deutschen General konsuls in Kapstadt, v. Lindequist, zum Gou verneur von Südwest-Afrika. 22, Generalstreik in Russisch-Polen und Ver hängung des Kriegszustandes. — Ausbruch der Cholera in Westpreußen. 25. Ausbreitung der Cholera längs der Weichsel, Netze und Warthe. 27. Das englische Kanalgeschwader vor Swinemünde. 29. Fliedensschluß in Portsmouth. 31. Beginn der Trennungsverhandlungen zwischen Schweden und Norwegen in Karlstadt. September 1905. 1. Demonstrationen in Tokio gegen den Friedensschluß. — Abschluß des vorläufigen Waffenstillstandes. 5. Unterzeichnung des Friedensvsrtrages in Portsmouth. 6. Straßenunruhen in Tokio, Plünderung vieler öffentlicher Gebäude. — Verhängung des Belagerungszustandes. 7. Rapide Ausdehnung der Cholera in den östlichen Provinzen, überall werden Über wachungsstationen und Isolierbaracken errichtet, dadurch wird der weiteren Ausdehnung Ein halt getan. 8. Erdbeben in Kalabrien, wobei 2000 Per sonen ihren Tod finden. — Ausdehnung der Rebellion in Deutsch-Ostafrika. 10. Explosion des japanischen Schlacht schiffes „Mikasa". 12. Beginn der Kaisermanöver zwischen dem 8. und 13. Armeekorps bei Limburg. 14. Rücktritt des ungarischen Kabinetts Fejervarh, weil Kaiser Franz Joseph nicht das allgemeine Wahlrecht gewähren will. 21. Beginn der deutsch-französischen Eini- gungsverhandlungen in der Marokko-Angelegen heit in Paris zwischen dem deutschen Gesandten in Marokko, Dr. Rosen, und dem bisherigen Gouverneur von Algerien, Fevoil. 23. Abschluß der Verhandlungen zwischen Schweden und Norwegen. 26 Minister v. Witte wird in Rammten von Kaiser Wilhelm empfangen. — Festsetzung der russischen Reichsdumawahlen auf de» 4. Dezember a. St. 28. Unterzeichnung des deutsch-französische» Marokko-Übereinkommens. Oktober 1905. 1. Deutschfeindliche Straßenkundgebungen in Brünn und Prag. 9. Bekanntgabe der Enthüllungen Delcaffss im ,Mattn' über die angebliche Zusage Eng lands, im Falle eines deutsch - französischen Krieges 100 000 Mann in Schleswig-Holstein zu landen. 10. Verlobung des Prinzen Eitel Friedrich von Preuße» mit der Herzogin Sophie Char lotte von Oldenburg. — Das norwegische Storthing genehmigt das Karlstadter Trennungs protokoll. 13. Vermählung deS russischen Großfürsten Kyrill mit der geschiedenen Großherzogin Melitta vor. Hessen. — An Stelle des Herrn v. Möller wird der Oberpräfident von Westpreußen Delbrück zum preußischen Handelsminister ernannt. — Die schwedische Kammer genehmigt ebenfalls das Karlstadter Abkommen. 18. Abermalige Ernennung des BaronS Fejervary zum ungarischen Ministerpräsidenten. — Kaiser Franz Joseph ist mit der Verleihung des allgemeinen Wahlrechts einverstanden. 20. Ausbruch des Riesen-Eisenbahner- uud Telegraphisten-Ausstandes in Rußland. 26. Das Reichsgericht entscheidet die lippische Thronfolaefrage zugunsten der Biesterfelder Linie. 27. Neuer Generalstreik in Russisch-Polen 28. Deutschland regt die Zurückziehung der noch in China stehenden Trupven an. 29. Barrikadenkämpfe in Odessa. 31. Der Zar verleiht Wahl-, Vereins- und Versammlungsfreiheit. November 1905. 1. Rücktritt des Oberprokurators Pobje- donoszew. 2. Wahldemonstration in Wien. 3. Aufhebung der Preßzenfur und Erlaß einer allgemeinen Amnestie für politische Ge fangene in Rußland. 6. König Alfons von Spanien in Berlin. 7. Die Mächte beschließen eine Flotten demonstration gegen die Türkei wegen deren ablehnenden Haftung in der mazedonischen Frage. 9. „Passive Resistenz" der österreichischen Eisenbahnangestelltsn 10. Meuterei in Kronstadt. 13. Die Volksabstimmung in Norwegen ent scheidet fich für die Monarchie. 14. Wladiwostok geht infolge von Meuterei in Flammen auf. 16. Überreichung des Ultimatums der Mächte an den Sultan wegen der Frag« der macedo- nischen Finanzkontrolle. 17. Tod des Großherzogs Adolf von Luxemburg. — Untergang des deutschen Tor pedobootes „8. 126." 18. Das norwegische Storthing wähli den Prinzen Karl von Dänemark als Haakon VII. zum König. 20. Amtliche Meldung vom Tode Hendrik Wittbois. — Korea wird unter japanische Ver waltung gestellt. 24. Ausbruch von Meutereien in Charbin. — Bekanntgabe der geplanten neuen Steuern. 27. Besetzung von Mytilene. — Samuel Isaak Witboi ergiebt fich den Deutschen. 28. Eröffnung des Reichstages mit einer bedeutsamen Thronrede. Dezember 1905. 5. Ernennung eines liberalen Kabinetts in England unter Campbell-Rannerman. Ermordung des russischen Generals Sacharow in Saratow. 6. Bedeutsame Rede des Reichskanzlers im Reichstage über die äußere Lage. — Ausbruch einer Haifischen Erhebung in den russischen Ostsee- Provinzen. 9. Rede des Reichskanzlers im Reichstage gegen die Sozialdemokratie. 11. Siegreiches Gefecht des Hauptmanns Seyfried im Lindi-Bezirk ick Deutsch-Ostafrika. 14. Riga von den Banden größtenteils in Brand gesteckt. 15. Annahme der Eisenbahnlinie Lüdefttz- buchi-Kubub im Reichstage. jetzt, wer er war. Sie hatten fich beide recht befreundet und gingen wie gute Schwagers- leute auseinander. Gleichwohl fiel eS ihm, Robert Madelung, wie ein Alp von der Brust, als der Pfiff der Lokomotive ertönte, der fie aus Berlin ent führte. Er hatte hinter ihrer klugen Stirn die ge heime Frage erraten, die fie für ihn bereit hatte. Jede Minute hatte er gebangt, fie an fich herantreten zu hören. Und was hätte er dann nur zur Antwort gegeben ? Wenn je ein Mensch hilflos und ratlos in der Welt war, so war er es. Vor dem bloßen Gedanken wich er Mück, zu seinem Vater zu sagen: „Ich liebe und will ein Mädchen heiraten, das mein Herz fich erwählt hat." Und MN hatte der hinterlistige Brief des Lokomotivführers auch in Magdeburg sein Ziel erreicht. Er war wie ein Blitz in das Haus des Direktors der „Bellonia" gefahren. Aber gezündet hatte er dort auch nicht nach Wunsch. Herr Madelung hatte ihn gelesen, die Achseln gezuckt und gelacht. „Nette Geschichten," hatte er zu seiner Frau gesagt. „Dummer, giftiger Klatsch. Von deinem Sohn, der in Berlin eine Brant haben soll — heiraten will — eine Arbeiterin; aber schick ihm den Wisch, damit er fich selbst darüber amüsiert." Frau Madelung war froh, daß der Direktor die Sache so leicht nahm. Sie war eine Frau, die die Ihrigen und Ruhe und Frieden liebte. Daß der Brief eine Verleumdung war, davon war fie auch überzeugt. Immerhin konnte ein Schimmer von Wahrheit doch daran sein, sagte fie fich. Er konnte, wer weiß, irgend eine Be kanntschaft gemacht haben. Man liest so viel, was alles in solcher Großstadt passiert. Sie nahm fich vor, ihn vor den Gefahren, die solche Abenteuer in fich tragen, zu warnen. Infolge einer plötzlich nötig werdenden Reise deS Direktors nach Berlin erhielt Robert von dem anonymen Briefe aber doch zuerst durch seinen Vater Kenntnis. „Apropos, Robert," sagte Herr Madelung zu seinem Sohn, als er sich während seines kurzbemessenen Aufenthaltes in Berlin zwischen der Abwickelung zweier Geschäfte einen Augen blick allein mit Robert sah, „haben da in Magde burg — neulich — solch' lächerliche anonyme, dich betreffende Zuschrift erhalten. War wirklich zum Lachen. War von einer Liebschaft die Rede und so —" Robert Madelung sah seinen Vater be troffen an. „Von einer Liebschaft — jawohl. WaS kümmern mich derlei Dinge. Indes du mußt Feinde haben, mein Junge. Der Wisch war gehässig. Irre ich nicht, war es eine Gold- stickerm, um die es fich drehte. Auf alle Fälle rate ich dir, sorge dafür, daß solche Ge schichten nicht bis an die Ohren deiner Eltern dringen." Robert hatte fich so recht oft gewünscht, daß ihm ein äußerer Anlaß zu Hilfe kommen möchte, ihm seine Zunge über das Geheimnis, das er mit sich herumtrug, zu lösen. Das erste Wort, hatte er immer gedacht, das würde ihm nur schwer. Nun war die Gelegenheit da. Allein er wich ihr trotzdem aus. Er blieb stumm und war so erschreckt, daß er überhaupt nicht zu reden vermochte. Er war wirklich ein recht erbärmlicher Feigling. Wie oft hatte er Netta zugefchworen, wenn er an dem runden gemütlichen Wohn- studentisch in der Konradinstraße neben ihr saß, daß er ein Mann sein würde, wenn Mr das Eis erst gebrochen sei. „Wer du bist und was du bist, daS werde ich ihnen dann zeigen, Nettina. Kennen lernen sollen fie dich in all deiner Größe und wenn fie nicht hören Md sehen wollen, wo fie Augen und Ohren besitzen, dann halte ich zu dir, Nettina, und zu niemand anders in der Welt." Der Jünger, der den Herrn dreimal verraten, ehe denn der Hahn einmal gekräht, drängte fich ihm unwiderstehlich in den Sinn. Es war ihm, als ob er fich selbst nicht mehr zu achten vermochte. „Ach, daß ich tot wäre, Nettina," stöhnte er. „Du wärest frei Md ich stünde deiner Zukunft nicht mehr im Wege. Es wäre ein Glück" „Robert, Robert," flehte fie dann in Schrecken. „Die garstige Redel Steht einer dem andern von uns im Wege, so bin ich es. Ich bin dir ein Hindernis, eine Fessel. Wenn ich den Tod finden könnte, das wäre ein Glück. Und manchmal, nein, wirklich, Robert, manch mal möchi' ich dich wirklich am liebsten von mir befreien." Sie laS ihm, als er ihr nach der Abreise seines VaterS zum erstenmal wieder unter die Augen trat, von der Stirn die drückenden Ge danken darunter ab. „Du hast etwas," sagte fie zu ihm, „dir ist, seitdem du am Domerstag bei Ms warst, etwas pasfiert." „Mein Vater war in Berkin, Nettina, und eS hat allerhand Aussprachen gegeben, auch über dich —" „über mich, WaS weiß er, wer ich bin?" „Er hat eine Zuschrift erhalten." „Von wem?" „Von mißgünstigen Menschen." „Und man hat dich verleumdet?" „Man scheint ihm eigentlich nm die Wahr heit geschrieben zu haben —" „So daß er weiß, Robert?" „Alles, Nettina." „Und was hast du gesagt?" Er wich ihrem Blicke Ms. „Was sollte ich sagen," seufzte er. „Wir find so glücklich. Bedenke, Nettina. Wäre ich ein Mann — gewiß — ich wäre dann für dich eingetreten. Aber der Sturm hätte Ms auch ereilt —" „Du hast recht! Du hast recht," sagte fie. „Gut, daß du schwiegst." Sie atmete wirklich auf. „Du hast recht, — du bist nur ver ständig gewesen. O, war ich in Angst, daß du dich überstürzt hättest." Er seufzte wie unter einer zentnerschweren Bürde. „Du armes Kind, du Opferlamm," sagte er. 8« 3 (Fortjetzung colgt.)
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