Volltext Seite (XML)
266, 14. November 1S07, Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 12161 zählende Schar von anonym erschienenen Büchern aus der Zeit von 1501 bis 1850 die Verfasser mit Namen nachweist, umfaßt die Buchstaben S bis Z, so daß das Werk, eine bewundernswerte Leistung deutschen Gelehrtenfleißes, nun zunächst abgeschlossen vorliegt. Aber es werden schon zwei Supplementbände angekün digt, deren erster die Zeit von 1850 bis 1900 umfassen soll — man wird ihm mit besonderm Interesse entgegensehen —, während der zweite die gewaltig angeschwollenen Nachträge zu Band I—IV enthalten wird. — Außerdem bringt die Gesellschaft ihren Ge treuen noch zwei besondere Leckerbissen dar. Es sind zwei Neu drucke, die zu Mörike führen: zunächst eine Skizze Eduard Mörikes selbst »Miß Jenny Harrower», die erste Fassung der Novelle -Lucie Gelmeroth-, die in jener ursprünglichen Gestalt seit ihrem Erscheinen im Taschenbuch »Urania» von 1834 nie wieder gedruckt worden ist, und zweitens ein anmutiger Scherz »Der Papier- Reisende-, ein Gespräch von David Friedrich Strauß (1856), für Eduard Zeller bestimmt, nach einer Abschrift des Originalmanu skripts, die für Mörike angefertigt wurde, vr. Carl Schüddekopf in Weimar hat die beiden reizvollen Ausgrabungen, die in sehr hübscher Ausstattung den Mitgliedern zugegangen sind, mit orien tierenden Bemerkungen versehen. (Nationalzeitung.) Vom Jnserateuwesen. — Uber die Einnahmen und Aus gaben der größeren deutschen Zeitungen sind wir im allgemeinen wenig unterrichtet, da die Verleger hierüber keine Auskunst zu geben pflegen. Einige Anhaltspunkte sind über die Kölnische Volkszeitung in deren Taschenbuch »Für die Reise-, 1907, gegeben. Dort wird mitgeteilt, daß heute trotz der beträchtlichen Auflage die Einnahmen aus Abonnementsgebühren nur etwa 54 Prozent der redaktionellen Kosten decken. Diese Zeitung hat eine Auflage von 23000 Exemplaren bei einem Abonnementspreis von 28 jährlich. Bei nur 20 000 vollwertigen Abonnenten beliefen sich, wie Kortendieck in der Allgemeinen Rundschau (München) erzählt, die Gesamtherstcllungskosten der Zeitung im Jahre 1906 auf 1000 000 so daß durch die Abonnements-Erträge nur rund 45 Prozent gedeckt werden. Alles übrige muß also aus dem Inseratenteil herausgcholt werden. Ein Plus oder Minus an Inseraten beeinflußt das Zünglein an der Rentabilitätswage daher ganz gewaltig; denn im Gegensatz zu andern Geschäften ist es eine Eigentümlichkeit der Zeitung, daß sie ständig ungefähr dasselbe Quantum Werte produzieren mutz (bzw. Ausgaben hat, auch dann, wenn die entsprechenden Einnahmen durch Ausfall an Inseraten fehlen). In Italien leben die Zeitungen hauptsächlich vom Einzcl- verkaus. Die Zahl der Anzeigen ist ziemlich gering. In einem Feuilleton-Artikel des Berliner Tageblatts schildert Friedrich Dernburg -Die Welt ohne Inserate-: »Ein instinktives Gefühl von Dünnheit und Qde ergreift uns, wenn wir ein italienisches Journal in die Hand nehmen, mag sein redaktioneller Inhalt auch noch so mannigfaltig aus- gcstaltet sein. Ihm fehlen die Inserate, es ist losgelöst vom Publikum, wie ein Redner in einem leeren Saal, während in den deutschen Blättern die Schar der Inserenten gleichsam die Leserschast versinnbildlicht; ihr eifriges Durcheinander gibt die Grundstimmung ab, daß die Zeitung wirklich eine Art von Forum ist, das bekanntlich zugleich Beratungsplatz und Markt war. Noch nicht einmal eine Wohnung kann man durch die Zeitung bekommen. Es ist gar nicht der Wunsch des Italieners, ein Geschäft klipp und klar zu Ende zu führen. Das Unter handeln selbst, das Hin- und Herzcrren macht ihm Freude. Zu was hat er seine Gewandtheit und Verschlagenheit, wenn er sie nicht gebrauchen soll? Die Herüber und Hinüber vermittelt der Kommissionär; er ist unvermeidlich.» In Rußland vermochte das Anzeigenwesen sich nicht so zu entfalten wie in den westeuropäischen Ländern, weil die Anzeigen vor dem Abdruck der Zensur unterbreitet werden mußten. Man unterscheidet dort: 1. die allgemeine Zensur, 2. die ausländische, 3. die geistliche, 4. die Zensur der Polizeibehörde, 5. die Zensur der medizinischen Verwaltung usw. Manche Anzeigen unterliegen sogar einer zweifachen Zensur. Dagegen sind die Vereinigten Staaten von Nordamerika die eigentliche Heimat des modernen und in großartigem Maßstabe betriebenen Reklamcwesens. Die in diesem Lande jährlich aus Anzeigen verwendete Summe dürfte nicht unter 50 Millionen Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. Dollars bleiben, also nach unserm Gelbe 200 Millionen Mark übersteigen. Freilich macht sich dort auch viel Überschwang der Reklame breit. Barnum, der Meister des »Humbugs-, gab zeit weilig 700000 Dollars oder fast 3 Millionen Mark im Jahre für Reklame aus. Der Fabrikant des Sankt Jakobs-ÖlS hatte einen besonderen Dampfer bauen lasten, mit dem er alle Wasserstraßen der Union befuhr, bei allen Städten halten ließ, nachdem er seine Ankunft vorher angekündigt und die Redakteure der Zeitungen zu einem Champagnerfrühstück eingeladen hatte. Eine englische Firma veröffentlichte zur Zeit der Weltausstellung in Philadelphia eine Anzeige zum Verkauf von Druckfarben und Maschinenöl in 77 Sprachen und ließ sich diese Reklame 2500 Dollars kosten. Sogar in den entferntesten Ländern der fremden Weltteile erscheinen Zeitungen, und überall finden wir auch Anzeigen darin. So in China. Nach dem Vorbilde der englischen Blätter werden zahlreiche Anzeigen auch dort gleich auf die erste Seite gedruckt. Ein japanischer Buchhändler erließ folgende Ankündigung: Vorzüge unsers Geschäfts: 1. Preise billig wie in einer Lotterie; 2. Bücher elegant wie eine Sängerin; 3. Druck klar wie Kristall; 4. Papier zäh wie Elesantenleder; 5. Kunden werden so artig behandelt wie von den rivalisierenden Dampfschiffsgesellschasten; 6. Anzahl der Bücher so groß wie in einer öffentlichen Bibliothek; 7. Sendungen werden mit der Geschwindigkeit einer Kanonen kugel expediert; 8. Pakete werden mit ebenso großer Sorgfalt ge packt, wie eine liebende Hausfrau sie ihrem Gatten angcdeihen läßt; 9. alle Untugenden und bösen Neigungen, wie beispielsweise Verschwendungssucht und Trägheit, werden jungen Leuten, die uns als Kunden regelmäßig besuchen, völlig abgewöhnt, so daß sie sich bald ausgesprochener Solidität befleißigen; 10. die übrigen von uns gebotenen Vorteile sind zu zahlreich und zu groß, als daß die Sprache sie alle in Worte zu fassen vermöchte. — Der den Orientalen eigentümliche blühende Stil weicht jetzt selbstverständ lich allmählich einem nüchternen Geschäftsstil, nachdem die Ja paner sich immer mehr die europäische Kultur angeeignet haben. Eine frühe deutsche Buchhändler-Anzeige wird aus dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts erwähnt. Im Jahre 1524 wurden in Wien zum erstenmal kleine Blätter gedruckt, die in regel mäßigen Zwischenräumen erschienen und allerlei Neuigkeiten aus dem heiligen römischen Reiche deutscher Nation brachten: Nach richten über Schlachten, Pestilenz, Erdbeben und alle möglichen Ereignisse, Morde und Greueltaten. Vereinzelt kamen solche Schriften als gelegentliche Flugblätter auch schon im fünfzehnten Jahrhundert vor. Unter jenen Nachrichten des sechzehnten Jahr hunderts befindet sich ein Blatt aus dem Jahre I59l, das im Britischen Museum aufbewahrt wird und in dem die merk würdigen Ereignisse der Jahre 1588 und 1589 aufgezählt werden. Unter anderm ist darin von einem seltenen Gewächs die Rede, das in der Stadt Salzwedel zu sehen sein sollte; ein 0r. Lister hat ein Buch über die Bedeutung dieser absonderlichen Natur erscheinung geschrieben, die natürlich gleich dem Austauchen eines Kometen alles mögliche Zukünftige verkünden sollte. »Dieses Buch-, so heißt es am Schluffe jener Nachricht, »das bisher noch wenig bekannt geworden ist, zeigt und erklärt alles, was die Pflanze enthält. Magister Cunan hat es herausgegeben und Matthäus Welack in Wittenberg hat es gedruckt. Möge jeder, der es noch nicht kennt, das Buch kaufen und schleunigst lesen». Ich entnehme diese Mitteilungen den äußerst lesenswerten »Studien über das Zeitungswesen, Professor l>r. Koch, dem Be gründer und Leiter des journalistischen Seminars der Universität Heidelberg, anläßlich der Vollendung des 20. Seminarsemesters gewidmet von seinen Schülern und Freunden-. (Frankfurt a. M., Herausgeber und Verleger Friedlich Meißner). Paul Hennig. * gsremdwort-Verbeulschuug im Bürgerlichen Gesetzbuch. — Unter der Überschrift -Unpraktisches — allzu Unpraktisches- gibt in der Fachzeitschrift »Das Recht- (Hannover, Helming) XI. Jahrgang Nr. 21 vom 10. November 1907 ein hochgestellter Richter seinem Unmut Ausdruck über eine unpraktische Fremd wort-Verdeutschung im Bürgerlichen Gesetzbuch: Unpraktisches — allzu Unpraktisches! Das Bürgerliche Gesetz buch hat sich bemüht, die Fremdwörter möglichst durch deutsche Worte zu ersetzen. Nicht immer mit Glück! Wir haben schon in einem Artikel »Die Terminologie des Rechts-, im Archiv für öffent- 1583