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54, 8. März !9I5>. Redaktioneller Teil. Hamburg-Altonaer Buchhändlerverei«. In der 55, Ordentlichen Hauptversammlung am 3, März 1915 wurde der Vorstand für das am 1, April beginnende Vereinsjahr 1915/16 wie folgt gewählt: I, Vorsitzender : Theodor Weitbrecht (i, Fa, Weitbrecht L Marissal), II. „ Alfred Janssen (Alfred Janssen Verlag), I. Schriftführer: A rno ld Laeisz (i, Fa, Gerth, Laeisz L Co,). II, „ Ernst Fischer (Agentur des Rauhen Hauses), Schatzmeister: Richard Friederichsen (i, Fa, L, Friede richsen L Co,). Hamburg, den 5. März 1915. Der Vorstand. i, A, Th, Weitbrecht Alfred Janssen I, Vorsitzender 1, Schriftführer. Aus dem italienischen Buchhandel. i. Magere Saison. — Die Geschäftslage des Buchhandels, — Die Angst vor der Gcrmanisierung und die Liebe zur lateinischen Schwester, — Statistisches, — Benedetto Croce, Die Literatur des neuen Italiens, - Kriegsliteratur, Die Saison ist faul, weil die Fremden fehlen. Besonders in Venedig, Florenz, Rom und Neapel, den Städten, die ihr Le- den und Gedeihen zum großen Teile der Fremdenindustrie mit verdanken, wird das Ausbleiben des deutschen, amerikanischen und englischen Goldes sehr schmerzlich empfunden werden. Der Postkartenhändler der Straße, der mit wenigen Soldi als Tages verdienst zufrieden ist, stöhnt über die vollen Bestände der An sichtskarten, die sonst um diese Zeit wie warme Semmeln an die »Tcdeschi« abgehen, und der kaufmännische Direktor des Welt hotels betrachtet sorgenvoll die leere Zimmertafel, die sich in die- ser Saison nicht füllen will. Allgemein wird der durch den Krieg verursachten intemationalen Geldknappheit und der verminder ten Reiselust allein die Schuld am Fremdenmangel zugeschrieben. Diese Ansicht trifft nicht ganz den Kern der Ursache, denn von nicht zu unterschätzendem Einfluß auf den Entschluß des Frem- den, dieses Jahr Italien fernzubleiben, ist die, seiner Mei nung nach, ungewisse politische Haltung Italiens, Gereist wird trotz des Krieges von denen, die das Geld dazu haben, und die Optimisten unter uns hatten, wenn auch gerade keine Zunahme des diesjährigen Fremdenverkehrs für Italien, so doch eine gün stigere Färbung des Reisepublikums erwartet, da einem großen Fremdenstrome, und gerade dem goldhaltigsten, Indien und Ägyp ten verschlossen sind. Bei einer besonneneren Art der Presse und weniger Kriegsgeschrei hätte die Rechnung der Optimisten stimmen können. So aber hat sich mancher abschrecken lassen. Die Regierung selbst durfte nichts zur Aufklärung des Publi- kums über ihre zukünftigen Absichten tun, sie darf den Schleier, den Presse und Phantasie des Volkes über ihre Politik weben, auch heute noch nicht zerreißen, um nicht den zahlreichen inneren Feinden eine Trumpfkarte in die Hände zu spielen. Zu den Leidtragenden dieser Saison gehört auch der Buch handel, und zwar wird er je nach seinen verschiedenen Zweigen mehr oder weniger schwer getroffen. Das Sortiment mit rein italienischer Kundschaft dürfte fast keinen Rückgang seiner Einnah men gegen das Vorjahr aufweisen, Wohl aber wird das inter nationale Sortiment bluten, das sich auf die wie die Zugvögel regelmäßig erscheinenden Fremden eingestellt hatte. Noch schlim mer ergeht es dem Antiquariatsbuchhandel mit literarischen Kost barkeiten, da seine Hauptabnehmer nicht kommen. Der Buchexport, der in der ersten Zeit gänzlich aufgehört hatte, erholte sich nach und nach wieder, und nun findet eine rege Ausfuhr bzw. Ver- mittlung von italienischen, französischen und englischen Zeitun gen und Kriegsbroschüren statt. Allerdings wird die Ausfuhr politischer Schriften und Zeitungen nach Österreich-Ungarn durch die österreichische Zensur sehr beschränkt. Die Verleger haben sich teilweise den Zeitverhältnissen angepaßl und finden mit den po litischen Broschüren und den illustrierten Kriegsgeschichten ein dafür sehr interessiertes Publikum, Als Buchhändler hat man die beste Gelegenheit, zu beobach ten, in welch hohem Ansehen deutsche Wissenschaft, deutsche Ar beit und Gründlichkeit in Italien stehen. Für die große Menge ist Deutschland ja ein Land, in dem man nicht ohne vorherige Erlaubnis des Schutzmanns über die Straße gehen darf, aber für die Gebildeten (es sind deren sehr viele, die gut Deutsch spre chen oder doch wenigstens lesend verstehen können) sind deutsche Kunst, Wissenschaft und Technik einzig dastehend in der Welt und notwendige Bausteine zum inneren Ausbau Italiens, Einzelne besitzen auch in dieser Zeit den Mut, das öffentlich zu bekennen. Zu diesen gehört u, a, einer der hervorragendsten Italiener der Jetztzeit, der Philosoph und Literarkritiker Benedetto Croce, der auch in Deutschland viele Verehrer besitzt. Leider werden diese Tapferen vom Rudel der kleinen Geister überheult. Diese Zeilen sollten nur vorausgeschickt werden, um einem Urteil vorzubeugen, das man sich in Deutschland über das Ver hältnis der Italiener zur deutschen Kultur machen müßte, wenn man nur gewisse Preß- und Schrifläutzerungen in Erwägung ziehen würde. Man müßte dann in Deutschland zu der Überzeugung kommen, die Italiener bekämpften die deutsche Kultur, weil sie für die Entwicklung ihres ureigenen Kulturlebens hinderlich sei. Dieses. Urteil, zu dem man ohne tieferen Einblick in die hiesigen Verhältnisse, nur von den jetzigen Redereien der Presse aus gehend, leicht kommen könnte, wäre falsch. Die Bannerträger der lateinischen oder richtiger gesagt Pariser Kultur haben auf ihre Fahnen »Nieder mit dem Pangermanismus!«, »Rettet die lateinische Kultur!« geschrieben. Durch diese Schlagworte, die der Menge die eigene Gehirnarbeit ersparen, ziehen sie natürlich eine reiche Gefolgschaft nach sich. Der Kampf wird auf allen Ge bieten gegen alles, was deutsch ist, geführt, Richard Wagner wird zum Reklamerufer für den Pangermanismus gestempelt und des halb vom Publikum abgelehnt. Ernster zu nehmen ist der Kamps gegen den deutschen Handel und den geschäftlichen Einfluß der Deutschen in Italien, Der Anfang dazu ist soeben in einer Bro schüre: Preziosi, I-a Oermaaia aila oonguista stell' Italia (Deutsch land bei der Eroberung Italiens) gemacht worden. Es bleibt abzuwarten, welches Echo sie finden wird. Der Verfasser, zu dessen Buche der bis zum 31. Juli 1914 deutschfreundlich und von da an deutschfeindlich gesinnte Volkswirtschastler Panta leon! ein Nachwort geschrieben hat, richtet seine Angriffe gegen ein großes italienisches Bankunternehmen, das er der Unter jochung Italiens unter den Einfluß deutschen Kapitals beschul digt, Erheiternd wirkt das Angstgeschrei der Futuristen, die in Deutschlands Sieg den Sieg der Dummheit über die Intelligenz erblicken, (Gemeint ist vielleicht mit der gefährdeten Intelligenz die im Futurismus verkörperte?!) Natürlich hat dieser Feder krieg einzelner gegen uns einigen Einfluß auf die Nerven sonst ganz normaler Italiener, Sie sehen dann in den hiergebliebenen Deutschen Spione und verkleidete Militärs, die eines schönen Tages in feldgrauer Uniform von den Alpen wieder herabsteigen oder die den »Barbaren« den Weg nach Rom zeigen werden. »Sehet hinüber nach Belgien, wie sie es dort gemacht haben!«, sagen dann diese nervös Gewordenen, »Vor Jahrzehnten sind sie mit Kassabüchern und leeren Taschen gekommen und haben das Land dank ihrer unermüdlichen Arbeitslust und ihres Organisa tionstalents unter deutschen Einfluß gebracht, und heute sind ihre Söhne als Ulanen hineingeritten und haben es dem deutschen Weltreich untertan gemacht.« Unter Berücksichtigung dieser sicher nur vorübergehenden Ab neigung weiter Kreise gegen alles, was deutsch ist, möchte ich den Verlegern von Kriegsbilderheften und Aufklärungsschriften in ita lienischer Sprache, die auf einen Vertrieb in Italien rechnen, den Wink geben, nicht gleich vorn den deutschen Ursprung hinein zudrucken, Ein Beispiel will ich nur herausgreifen. Bei Georg Stilke erschien ein Kriegsbilderbuch unter dem Titel: Der große Krieg in Bildern, Der Verleger hat dasselbe Album u, a, auch mit französischem und italienischem Titel herausgegeben, aber er hat den Fehler begangen, auch bei diesen Ausgaben vorn hineinzusetzen, daß das Bilderbuch vom »Deutschen überseedienst« 311