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10232 ««rfmblatl d. Dtfchn. Vu-Mnd-I. Nichtamtlicher Teil. 207, 5. September 1912. nunmehr Sache des Börsenvereins sein, die Bibliotheken und die ihnen Vorgesetzten Stellen, die Ministerien, zu über zeugen, daß auch sie sich eine Verkürzung der ihnen bis jetzt gebotenen Vorzugsbedingungen gefallen lassen müßten. Ter Börsenbereinsvorstand hat durch direkte Briefe, nicht etwa Zirkulare, durch persönliche Besprechungen mit den einzel nen Dezernenten in den Ministerien das Seine getan, um dieses Ziel zu erreichen. Leider blieb der Erfolg weil hinter den Erwartungen zurück, die die geradezu gigantischen Anstren gungen des Börsenvereins-Vorstandes, namentlich des da maligen ersten Vorstehers, Paul Parey, verdient hätten. Wenn auch die Behörden des Königreichs Sachsen, die ja immer in Rücksicht auf die Buchhändlerstadt Leipzig, den Zentral punkt der Deutschen Buchhandels, für den Buchhandel etwas übrig gehabt haben, sofort zu einer Minderung des Rabatts bereit waren, wenn auch das Grotzherzogtum Bade» zustimmte, so verhielten sich doch die Behörden des größten Bundesstaates durchaus ablehnend, und auch der Reichskanzler war nicht zu bewegen, die Nachgeordneten Stellen anzuweisen, sich mit einem geringeren Rabatt, als sie bisher erhallen hatten, zu begnügen. Sowohl das Reich wie Preußen stellten sich auf den manchesterlichen Standpunkt: solange wir Rabatt bekom men, nehmen wir ihn, und solange es Buchhändler gibt, die einen höheren Rabatt anbieten, können wir unsere bücher kaufenden Beamten nicht anweisen, den höheren Rabatt aus zuschlagen und sich mit einem geringeren zu begnügen. Dieser Mißerfolg wirft schon seine Schatten voraus aus die Entwicklung der Frage in Berlin und Leipzig, aus die ich später noch ausführlich zu sprechen kommen werde. Auch die preußischen Bibliotheken, an die man sich wandte, glaubten nicht in der Lage zu sein, zu einer Verminderung des Rabatts die Hand zu bieten. Es kam noch dazu, daß namentlich die Berliner Bibliotheken sich darauf berufen konnten, während der schlimmsten Schleuderzeit, in der in Berlin 15, ja auch 20°/» Rabatt angeboten und gegeben worden sind, treu zu ihren Lieferanten gehalten und es nicht einmal versucht zu haben, einen höheren Rabatt herauszudrllcken. So glaubten sie auch jetzt einige Rücksicht fordern zu dürfen, namentlich im Hinblick darauf, daß bei den schwachen Einnahmequellen, die ihnen flössen, das Opfer, auf einen Teil des Rabatts zu ver zichten, ihnen nicht leicht gemacht war. Die Bereitwilligkeit der sächsischen Behörden, von ihren Lieferanten fortan nur 57» zu beanspruchen, zeitigte in Leipzig und Dresden den Beschluß, den Rabatt allgemein auf 57° herabzusetzen. Freilich sieht man, wenn man den Band auf merksam und auch ein wenig zwischen den Zeilen liest, daß dieser Verzicht auf Gewährung eines höheren Rabatts in Leipzig nicht gar so leicht durchzudrücken war. Namentlich scheinen die Sortimenter, die doch die Sache am meisten an ging, gar nicht oder nur sehr oberflächlich befragt worden zu sein. Es wurde im großen Leipziger Verein die Rabattkür zung beschlossen, und die Sortimenter sollten sich fügen. Aus diesem Zwang heraus erklären sich die Kämpfe, die bald dar auf den Leipziger Buchhandel durchtobten, während in Berlin Verleger und Sortimenter einmütig zusammengingen, und die Berliner Verleger den Sortimentern überließen, selbst zu bestimmen, was sie leisten konnten und was nicht. In der Oster-Messe 1887 wurden in der Delegierten-Ver- sammlung5L als der Höchstrabatt dekretiert,derfortanimDeut- schen Buchhandel gegeben werden dürfe. Auf Grund dieses Beschlusses, der übrigens nach einem Briefe Parehs an Kröner vom 9. März 1888 bis zu diesem Zeitpunkt dem Börsenverein nicht eingereicht worden war*), glaubte der erste Vorsteher "1 Vgl. hierzu den in einer Anmerkung abgedr. Brief vom 30.3. 1010 von Wilhelm Koebner, der damals Mitglied d. Ver bandsvorstandes war. sS. 39.) des Börsenvereins Herr Paul Parey die Zeit gekommen, durch einen kühnen Handstreich den 57»-Rabatt in Deutschland durch zusetzen. Er führte einen Beschluß des Bürsenvereins-Vor- standes herbei, wonach dieser sich verpflichtete, keinem Kreis- oder Orlsverein in Deutschland einen höheren Rabatt als 57» zu genehmigen. Aus deu abgedruckten bloten und Briefen geht hervor, daß keineswegs der ganze Vorstand diesen Be schluß für richtig hielt. Das Votum von Bergslraeßer spricht sich ziemlich skeptisch darüber aus, und wie aus dem weiteren Inhalt des Bandes hervorgeht, ist auch Kröner von vorn herein ein Gegner dieses Beschlusses gewesen. Durch diesen Beschluß wurde mit einem Federstrich das durch die Satzun gen den einzelnen Kreis- und Ortsvereinen gewährte Recht, den Rabatt für ihren Bezirk zu bestimmen, entzogen, und die großen Kämpfe, die der Börsenvereins-Vorstanb mit Leipzig und namentlich Berlin hat aussechten müssen und in denen er schließlich unterlegen ist, wären ohne einen solchen Beschluß höchst wahrscheinlich vermieden worden. Es ist sehr interessant, zu lesen, wie Parey immer und immer wieder seinen Standpunkt als den allein richtigen hin stellte, und wie er teils mit Liebenswürdigkeit und teils mit Gewalt — halb zog er sie, halb sanken sie hin — die einzelnen Vorstandsmitglieder zu seinem Willen zwang, indem er die Herren zu überzeugen wußte, daß es ihm unter allen Umstän den gelingen würde, die Berliner Mitglieder des Börsenver eins zu veranlassen, auch in Berlin 57° als Höchstrabatl an zunehmen. Schon in seinem Briefe, den er an Kröner unterm 9. März 1888 gerichtet hat, erklärt er, daß er den Dresdner Herren zu gesagt hat, beim Börsenvereins-Vorstand dafür eintreten zu wollen, daß jede Genehmigung eines Lokalrabatts (ß 3 Nr. 5a> versagt werden wird, wenn mehr als 57» beantragt werden. Interessant ist auch das Geständnis in diesem Briefe: »Ich bin mit den Leipziger Sortimentern der Meinung, daß kein Sortimenter, der 107» in seinem Vereinsbezirk geben darf, es in der Praxis voll halten kann, denselben Rabatt nicht auch nach außen zu geben.« Als die Berliner Mitglieder des Börsenvereins später die Forderung stellten, auch nach außen den 107°-Rabatt geben zu können, hätten sie sich auf diesen Brief berufen können, wenn sie ihn gekannt hätten. Die Korrespondenz Parehs mit Hartmann zeigt, wie scharf die Orts- und Kreisvereine darauf aus waren, einen all gemeinen Höchstrabatt von 57» in ganz Deutschland durchzu drücken, und auch dies entschuldigt Parey, daß er die Verhält nisse nicht vollkommen übersehen hat. In der Delegiertenversammlung hatten schon die Leip ziger und Berliner gegen den rheinisch-westfälischen Antrag hinsichtlich eines nach auswärts zu gewährenden Rabatts von 57° gestimmt, waren aber überstimmt worden. Inzwischen hatten die sächsischen Vereine auf Grund der ministeriellen Entschließungen 57° als Höchstrabatt bei sich eingeführt und erwarteten nun vom Börsenvereins-Vorstand, daß er auch Berlin zu der Einführung veranlasse. Ehe ich aus die Berliner Verhältnisse näher eingehe, will ich noch kurz die Entwicklung schildern, die tzie Rabatt regelung im Königreich Sachsen genommen hat. Wie schon erwähnt, hatten die vom Börsenverein sowie von den Vereinen Dresden und Königreich Sachsen bei den Ministerien getanen Schritte den Erfolg gehabt, daß die sächsischen bücherkaufenden Behörden angewiesen wurden, mit einem Rabatt von 57° sich zufrieden zu erklären. Auch in Leipzig war dieser Satz angenommen worden, allerdings immer unter der Voraussetzung, daß keinem andern Verein die Abgabe eines höheren Rabatts bewilligt werden würde, was auch der Börsenvereins-Vorstand den Leipzigern aus drücklich zugesichert hatte. Aber bald glaubten die Leipziger Sortimenter mit einem Rabatt von 57» nicht durchkommen