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Bischof Forwerk: Auch ich bekenne, daß Verlesung deö Hirtenbriefes weder eine amtliche »och hirten- ainlliche Verkündigung des Uufehlbarkcitssogma in Sachsen stallgefunden ha» (Bewegung, Hörl hört!); dasselbe wird darin nur beiläufig erwähn», während sein Hauplgcgcnstai'd das 25jährige Prieslerjubiläum deö Papstes ist. Eine ohne Anführung des Wort lauts statifindeiidc Beziehung auf eine Entscheidung kann unmöglich eine Entscheidung genannt werden. Ich verwahre mich entschieden gegen die Insinuation, als ob ich durch Verlesung deö Hirtenbriefes inbireci durch ein Hintcrpförlchen habe erschleichen wollen, was auf direclcm Wege nicht zu erlangen war. Im Weiteren erklärte der Bischof: daö untrügliche Lehramt sei ein anerkanntes Glaubenöprincip der kathol. Kirche, woraus folge, daß alle Lehrenlscheid- ringen eines allgemeinen Konzils durch ihre vom Oberhaupt der Kirche in Nom urdi ot ordi be wirkte Publikation für die Gewissen der Gläubigen ohne Weiteres verbindlich seien. Kultusminister v. Gerber hielt hiergegen ein, daß bas jus circa der Staatsgewalt gegeben sei, um, bei der Schwierigkeit, die Grenze des inneren reli giösen Gewiffenslcbeus und deü sonstigen sittlichen Handelns in allen Beziehungen mit voller Sicherheit zu ziehen, daö innere kirchliche Leben darauf zu über wachen, daß diese Grenze jederzeit cingehaUcn werde. — Nachdem noch eine große Zahl anderer Redner gesprochen, wurde auf Antrag deö Prof. Dr. Fricke beschlossen, nunmehr die Angelegenheit auf sich be- ruhen zu lassen und die H. K. zum Beitritt zu die sem Beschlusse aufzufordern. Den weilcrcn Antrag der Gesamml-Depuiation wegen Ncvision deö Re- gulativö nahm die K. mit allen gegen die Stimme des Bischofs Forwerk an. Die II. K. erledigte in voriger Woche die Elals für daö Departement deö Kultus und öffentlichen! Unterrichts, ferner für das Departement der! Justiz und dem Bau-Etat. Das Kultuö-Depar I ikinent nahm allem drei Sitzungen in Anspruch und! daher ist cS unmöglich, hier auf Specialilälen cin-l zugehen. Doch sei im Allgemeinen bemerkt, daß die! K. fast durchweg die von ihrer Dep. vorgeschlagencn Gehaltssätze und Postulaiösummcn, welche gegenüber der Neg.-Vorlage hin und wieder Abstriche erfah ren, genehmigte. Nur de» Siaalsbcilrag für Real schulen erster Ordnung erhöhte die K. von 5000 Thlr. auf 6000 Thlr. jährlich und denjenigen für Real schulen zweiter Ordnung von 3000 Thlr. auf 4000 Tblr. Auch verwarf sic die von der Dep. beantragte Anstellung von 19 Schulinspekloren und beschloß der Negicrungöforderung entsprechend, 25 Schulinspek- loren anzustcllcn. — Beim Bau-Etat und Justiz-Etat fanden ebenfalls Abminderungcn statt. So sind in allen Departements die Gehalte der Minister von 7200 Thlr. auf 7000 Thlr., Vic Gchaltc der Abihcilungo- kireelvren von 4000 Thlr. auf 3700 Thlr. hcrab- geminderl worden u. s. w., so baß, wenn die I. K. nicht eine Acnderung hervorbringt, namhafte Sum men gegen den Voranschlag der Negierung erspar, werden sollen. Endlich wurde in Bezug auf daö Veriagungö- Deere» von beiden Kammern der Beschluß gefaßt: u) die in Gemäßheit § 146 der Lanktago-Ordnung vom 8. Okibr. 1857 erforderliche Zustimmung zu erklären, dazu, daß während der bevorstehenden Ver tagung die Finanzdeputalionen beider Kammern, in- glcichen die außerordentliche Deputation der zweiten Kammer für die Gesetzentwürfe, beir. die Umgestal- tung der dircctcn Steuern, zur Vorbeiaihung der zu ihrem Geschäftskreise gehörenden Gegenstände, auf so lange, als eö für jenen Zweck erforderlich ist, versammelt bleiben oder einbcrufen werden; 6) sich damit einverstanden zu erklären, daß den gedachten Deputationen auch etwaige weitere, auf die gedachten Beralhungsgegcnständc bezügliche Vorlagen über wiesen werden; c) die hier anwesenden Direklorial- mitglicdcr zu Wahrnehmung der in Folge deö Ver bleibens der bezeichneten Deputationen vorkommeuben Dirckiorialgeschäfie und zu Annahme der unter d ge dachten Vorlagen und zu deren Ucbermittelung an die belr. Deputationen zu ermächtigen. Dresden. Ihre Majestät die Königin Carola hat am 2. d. M. dein Vorstand des „Daheim für Ar beiterinnen" in Leipzig, die Summe von 300 Reichs mark als Geschenk übermitteln lassen und sich dabei über die Einrichtungen deö Instituts höchst aner- kennend in einem vom Obcrhofmcister verfaßten! Schreiben ausgesprochen. — Der Frauenverband gegen willlührliche Theuer-1 ung der Lebensmittel, dessen Lebensfähigkeit so vie I len Zweifeln begegnete, kann doch schon auf manche! Beweise erfolgreicher Wirksamkeit znrückblicken. Die Bulterhändlcr haben sich dazu verstehen müssen, ihre Waare ebenso billig als der Vertrauensmann des Fraucnverbandö zu verkaufen. Die Butter preise sind! dadurch im Allgemeinen etwas zurückgegangen. Das Brod, daö in den Bcrcinsvcrkaufostcllen geliefert! 48 lwird, ist ebenfalls pro Pfund um Pf. billiger !und äußerst wohlschmeckend. Heute eröffnet der Ver ein aus der Vicioriastraße Nr. 7 eine Verkaufsstelle für billigeres Fleisch. Die wenigen Beiträge, welche »für die Mitgliedschaft an die Vereinofassc zu zahlen !sind, rcntiren sich also auSgezeicbnet. Am 4. d. M. wurde der im Richter Hering'schcn Sleinbruche oberhalb Wchlen beschäftigte Räumer I Wilhelm Nau auü Nieder-Cunnersdorf bei Löbau »von einer durch Thauwciter auf der Höhe gelösten und in den Bruch gestürzten Horzel, durch Abpralleu I derselben von festem Gestein, so unglücklich an den Kopf getroffen, daß derselbe nach wenigen Minuten !seinen Geist aufgab. Nau ist 49 Jahre alt und I hinterläßt eine Witlwc. Leipzig. Die „Ncichszeilung" veröffentlicht eine Zuschrift Johann Jacobi'ö an seine Wahler in wel- eher derselbe daö Neichüiagömandat für den Leip ziger Landkreis ablehnt. Niederschöna. Vor 8 Wo-ben schon entdeckte inan auf den F.lkcrn des Steindruchobcsitzero Nauf, Steinkohlen, welche hier zu Tage ausstrichen. Man machte den Versuch und grub nach. Der Erfolg davon war ein äußerst günstiger, denn man fand in der geringen Tiefe von nur 3 Ellen ein 8 Zoll mäch tiges Sleinlohlcnflötz bei einem Fallen von 65 Grad. Diese Kohle erprobte man und gewahrte, daß solche der Zaukcrodischen Kohle an Güte vollkommen gleicht. Die Strafanstalt Waldheim Hai in vorvoriger Woche eine Ausstellung von Gegenständen veranstal tet, die in der Anstalt von Sträflingen gefertigt wor- den und als besonders gut, ja lheilwcise künstlerisch auögiführt zu betrachten gewesen sind. Die Gegen stände gehörten allen möglichen Branchen deö Hand werkö und des Kunst-Handwerkü an. Sic sind zum Besten des Vereins zur Fürsorge entlassener Sträf linge in Leipzig verloost worden. Die meisten De rer, die diese Gegenstände in so vorzüglicher Weis, auogefühn haben, kannten vor ihrem Eintritt in die Strafanstalt noch gar nicht einmal die Werkzeuge und Instrumente, mit denen sie dann bald unter strenger, aber humaner Leitung gewandt zu arbeiten verstanden. Bezüglich der bei Straßberg im Voiglkande aufgesunde ne» Begrabnißstätic wird versichert, daß sic, bestimmten Merkmalen nach, auö dem 4. oder 5. Jahrhundert n. Ehr. zu stammen scheine, also noch auö vorslawischcr Zeit. Merkwürdig ist bei den zahl reichen Skeletten besonders der starke Knochenbau und die starke zurückliegende Stirn. Der Schneefall ist in den letzten Tagen im Erz gebirge sehr bedeutend gewesen. Der heftig wehende Wind verursachte besonders im hohen Voigilande und oberhalb Annaberg starke Schneewehen. PreuHett. Berlin. Nachdem die an Dl'. Simwn g-landie Deputation denselben zur Wieder ! Übernahme des NeichstagspräsidiumS nicht bewegen konnte (er ist durch Gesundheitsrücksichten verhindert), io ist von Simsons Präsidentschaft Abstand und von Forckcnbeck als Präsiden» in Aussicht genommen worden. — Der deutsche Reichstag wählte am 9. Fcbr. den Abg. Forekenbeck (nationalliberal) mit 263 von 265 Stimmen zum 1. Präsidenten, zu Viceprasideu- ten den Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst (bisher liberale Neichspanei) mit 2>7 von 305 Stimmen und den Dr. Hänel (Fortschrittoparlei) mit 205 von 195 Stimmen. Essen, 5. Februar. Ein scheußlicher Vandalis mus ist in der Nacht auf gestern auf dem allen Kirchhofe begangen worden, indem dort 17 Denk- mäler umgestürzi und zertrümmert worben sind. Ir gend welcher religiöser Fanatismus scheint hierbei kein Motiv abgegeben zu haben, da es Denkmäler Verstorbener beider christlichen Confessioncn sind. Der Erzbischof Ledochowski ist vom Kreisgerichi in Posen zum 24. Februar zur öffentlichen Ver handlung wegen Vergehens gegen die kirchlichen Ge setze vorgelabcn worden. Schweiz. Bern, 9. Februar. Die in das Strafgesetz des Canlono Lt. Gallen neu aufgenom- mene Bestimmung, welche Geistliche wegen Kanzel- mißbrauchö mit rmer Strafe bis zu 1000 Frcö. und biö zu 4jahrigem Gefängniß belegt, ist bei der Volks abstimmung vom St. Gallcncr Volke mit circa 19,800 gegen 16,500 Stimmen angenommen worden. Feuilleton. Ein exilirter Jesuit. LrMUmg vM Socar Clcsücr. »Fortsetzung.) Den einsamen Weg in Gedanken verloren dahin schreitend, hatte Franz nicht bemerkt, daß sich drohende Gewitterwolken über dem Gebirgskammc sammelten und Blitze den dunklen Wolkenvorbang überzuckten. Erst daö Hernicberfallen schwerer Regentropfen und daö erschreckte Rauschen der Bäume rings umher, in welche ein Vorbole deö Gewittersturmö mit mäch tigem Stabe schlug, belehrte den Wanderer von der nahenden Gefahr. Er sah sich nach einem Asyl nur nnd entdeckte abseits des Wegcö einen verlassenen Kalkofen, der ihm einigen Unterstand zu gewähren vermochte. Mit beschleunigten Schritten suchte der Novize den Kalkofen zu erreichen, wurde aber schon nach wenigen Schrillen von dem hcrniedcrprasselnden Gewitterregen cingcholt und tüchtig durchnäßt. AIS er endlich alhcmloö zum Gemäuer gedrungen war, cnllud sich daö Gewitter mit unbeschreiblicher Heftig keit. Die Erde zitierte in ihren ^rundvesten linier dem Schritte des Ewigen, der ins Donner spricht und gebiete». Der Jesuit wandle sich nach dem Eingänge, fal tete die Hände und iittonirle den Psalm: „Die Him mel rühmen deö Ewigen Stärke!" „Gelob» sei Gott!" responsirlc eine liefe Baß stimme und alö sich Franz bettoffen umwendeie, cr« blickte cr einen kräftigen alten Mann mit weißem Barl- und Haupthaar, der in der Tiefe des Gewöl bes saß und gleichfalls die Hände zum Gebet gefal tet hlclt. Franz betrachtete den Fremden aufmerksam, dann schritt er auf ihn zu. „Vergebung, mein Herr, wenn ich hier auf unberechtigtem Boden sein sollte. Daö Gewitter trieb mich herein. Sind Sic vielleicht der Eigenlhümer dieses Gewölbes?" „Dieser Ruine, wollen Sie sagen, junger Freund", entgegnete der alte Herr und stand auf. Er zeigte dabei seine fast hünenhafte Gestalt und eine noch im mer vollkommen zu nennende Rüstigkeit. „Allerdings besitze ich diese» ehemaligen Kalkofen, der seiner Be stimmung untreu geworden ist, weil daö Nohmcucrial sich erschöpfte. Sic sind Reisender, wie mir Ihr Acnßereo zeigt und Geistlicher, wie ich merke?" „Beides. Ich komme aus Deutschland." „Sie reisen freiwillig, will sagen, auö freiem An triebe?" Fran; zögerte mit der Antwort; eö schien ihm nicht räthlich, seine Verhältnisse cinem Fremden ohne Weiteres mitzulheilcn. Der alte Herr crricih seine Verlegenheit und sagte freundlich: „Pardon für meine unzarte Frage. Ich sah eö doch auf den ersten Blick, daß ich einen der verttiebcncn Drüber vom Orden Jesu vor mir habe". Der Jesuit blickte den Greis mißtrauisch an. „Sie scheinen sehr gu» von den Vorfällen in Deutschland unterrichtet zu sein. Leider verfolg» man dort die Diener der Kirche wie zu den Zelten Diocletian'ö. Bismarck, der Unwürdige, will unsre katholische Kirche auörotten und sein Land dem Ketzer-Unglauben völ lig unterwerfen." Ueber daö Antlitz deö allen Herrn zuckle ein leich tes Lächeln, alö cr diese, mit erhobener Stimme ge« iprochenen Worte vernommen hatte. „Sie sind No vize vom Orden Jesu?" frug cr kurz. Franz bejahte. „Dann wundert es mich nicht, daß Sie eine so schiefe Ansicht von der Angelegenheit gewonnen haben. Lassen Sie sich sagen, daß die Maßregel der Erilir- ung deö Ordens nur einem höheren Siaaiözweckc dient und mit der Religion nichtö zu tbun Hal. Man bekämpft die Cousequenzen deö Dogma'ö der päpst lichen Unfehlbarkeit und greift dabei zu dem freilich nicht unfehlbaren Mittel, die Ritter dieses Dogma'ö, die Jesuiten, auozuweisen". Franz hatte mit stillem Erstaunen zugehör». „So sind Sic sclbst vielleicht ein Preuße — und wohl gar ein Protestant?" fügte er zögernd hinzu. „Keinö von Beiden.' Ich bm Oestcrrcicher und ein so guter Katholik, alö nur einer sein kann. Aber einen Menschen für unfehlbar zu halten, und wäre es selbst der Papst, widerstrebt meinem Verstände. Wir brauchen keinen unfehlbaren Papst, denn die Kirche soll nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur ewi gen Seligkeit deö Menschengeschlechts sein. Der Papst ist nur Stellvertreter Gottes, nicht Gott selbst, folg lich auch nicht unfehlbar." War es die Wirkung des starken Blitzes, der eben zur Erde fuhr, oder das Entsetzen über die gehörte Rede deö alten Mannes, was den Jesuitenzögling veranlaßte, schnell ein Kreuz zu schlagen und auö dem Gewölbe zu treten? Vielleicht wirkten beide Ur sachen bestimmend ei», denn Franz antwortete gar nichts und blickte nur ernst und träumerisch in die Wolken. Es donnerte heftig. Der alte Mann war de», Jesuiten gefolgt und legte die Hand sanft auf seine Schuller. „Hören Sie, junger Freund, das ist Golt, der da oben so vernehmlich rede», daß tausend Flüche deö Vatikans darunter verstummen müssen. Nicht ein Theilchen seiner Urkraft ist auf uns schwache Menschen übergegangen und unsere feurigsten Simu lationen der Göilerslärkc sind nichts alö Colopho« niumblitze und Paukenfelldonnerschläge auf dem Thea ter des Lebens. Dieselbe Sonne, welche dort sieg reich die Wolken durchbrich», leuättet über Katholiken und Protestanten, derselbe Friedcnöbog-n, welcher seit