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Grünten im Garten woüte !>ie Rosenpracht nicht zu dem rvolkenschweren Himmel passen. Leonores Spielplätze lagen unbenutzt, vereinsamt unter regentriefenden Bäumen. Vorläufig ruhte Sport und Geselligkeit. Etelkas Unglück lastete mederdrückend auf dem ganzen Hause. Der Justizrat ging mit gedankenvollem Gesicht umher, und Leonore saß halbe Nächte neben dem Bett der jungen Frau, die in Verzweiflung meist wach lag. Zehnmal in einer Stunde änderte Etelka ihren Entschluß. Wenn sie es eben für eine Entwürdigung erklärte, in ihres Gatten Haus zurückzukehren, so erschien ihr in der nächsten Minute die Trennung von den Kindern undenkbar, und weinend jammerte sie, sie könne die Knaben nicht von sich lassen, solange noch ein Atemzug tn ihr sei. Schlief sie nach solchen Schmerzensausbrüchen endlich gegen Morgen ein, so schleppte sich Leonore selbst wie zerschlagen an Leib und Seele in ihr eigenes Zimmer. Aber Ruhe fand sie auch dann nicht. Denn nun schlich eilig und heimlich eigenes Leid, schwere, bis jetzt zurück gewiesene Gedanken an sie heran. Ihre Seele kam nicht ins Gleichgewicht, und ihre sichere, kraftvolle Natur litt tief unter jedem Zwiespalt. Immer war sie bestrebt gewesen, Klarheit in sich zu schaffen; es gelang ihr so oft, daß sich der Glaube an die Energie ihres Willens in ihr befestigt hatte. Allein dieser Sieg in der allerletzten Vergangenheit! Wer ihr zur Zeit ihrer aufblühenden Hoffnungen gesagt hätte, daß sie jemals Lothar einer anderen lassen und diese andere auch noch pflegen, be schützen und trösten könne! Und doch — ein Erkennen seiner Liebe zu Etelka, ein kurzer, atemraubender Schreck, ein paar dunkle Tage und Nächte voll Kampf — und siegreich stand ihre Überwindungskraft da. Das gab ihr wohl das Recht, an sich selbst zu glauben. Sie tat es auch. Nur das Unfaßbare, bloß Geahnte, das sie um so unheilvoller bedrohte, weil es sich nicht greisen, nicht besiegen ließ, zerquälte sie. Aber der starke Trieb in ihr, sich zu betätigen, das Mütterliche ihrer Natur erleichterte ihr die schwere Aufgabe, die gänzlich zerschmetterte junge Frau aufzurichten. Sie hatte es auch übernommen, die Kinder dem Vater zurützubringen, wenigstens bis zur Hälfte des Weges, wo sie von der künftigen Pflegerin in Empfang genommen werden sollten. Etelka sollte inzwischen in der Villa bleiben. Sie jetzt irgendwo allein zu flossen, war undenkbar. Später erst mochte sich finden, wie sie ihr Leben einrichten konnte. — EM paar Bilderbücher in der Hand, ging Leonore in das Zimmer ihrer Cousine. Sie wollte beim Einpacken helfen, denn stundenlang schon ging die nutzlose Quälerei, das Abschiednehmen von jedem Stück. Sie fand Etelka auf dem Boden vor einem Koffer knien. Unter heißen Tränen hielt sie ein Spielzeug der Knaben in den Händen, unfähig, ihre traurige Befchäftigung fortzusetzen. Leonore drückte einen Augenblick die Weinende mit leidig an ihre Brust, dann schob sie sie sanft von dem Koffer zurück. „Laß mich das machen! Leg' dich auf das Ruhebett!" Willenlos gehorchte Etelka. So schwer ibr selbst die Trennung wurde, so wenig schienen die Kinder selbst davon zu fühlen. Dem gab Etelka jetzt Ausdruck, als sie mit klagender Stimme sagte: »Kinder lieben doch sonst ihre Mutter." „Ja." Leonore sprach noch im Bann ihrer eigenen Gedanken. „Aber du hast ihnen so wenig von deinem Eigenen mitgegeben —" „L onore!" In Etelkas verweinten Augen blitzte banges, erschrockenes Verstehen auf. „Sprich weiter!" stammelte sie. Und Leonore vollendete: „Ihr liebtet euch nicht — auch er dich nicht. Ihr, die Eltern, kanntet kein Gefühl der Zusammengehörigkeit, der unbedingten Gemeinschaft — das habt ihr euren Kindern vererbt. Gatten, die durch die Liebe zusammengeführt wurden, werden auch Kinder haben, die sie beide lieben." Krampfhaft umklammerte Etelka der Sprechenden Hand. „Wenn das so ist. Leonore — und es muß wohl so sein — rann hätte ich ja grobe Schuld auf mich ge laden —" (Fortsetzung folgt.' Sie war so Wehlich aufgeregt. Ihr uberrerzteS -Ent vermochte nichts ruhig zu denken. , Frau von Torben bereute augenblicklich, diese Auf regung noch gesteigert zu haben. Beschwichtigend um faßte sie die zitternden Schultern. „Liebste, das ist eine Schuld, die täglich Tausende auf sich laden." . Schon während sie sprach, hatte sie gemeint, unter den Fenstern nach der Gartenseite Pferdegetrappel zu hören. So erstaunte sie auch nicht, als Mina nach kurzer Zeit meldete: „Herr Leutnant Hartmann wünscht den Herr schaften einen Abschiedsbesuch zu machen." „In den Salon!" befahl Leonore. „Wir lasten einen Moment um Entschuldigung bitten." „Herr Leutnant ist einstweilen beim Herrn Justizrat eingetreten", berichtete Mina weiter. „Gut, wir kommen." Das Mädchen verschwand. — Und nun geschah etwas, das Leonore fast mit Entsetzen erfüllte. In einem wilden Paroxysmus der Verzweiflung wand sich Etelka auf dem Teppich zu ihren Füßen. Kaum, daß sich die Tür hinter dem Mädchen geschloffen — Leonore war nicht ganz sicher, ob eS nicht noch etwas davon erblickt hatte — schlug Etelka zu Boden. Mit beiden Händen griff sie in ihr Haar, Fluten von Tränen brachen aus ihren Augen, von den Lippen kamen Worte in unverständlichem Wimmern. Urplötzlich brach fessellos hervor, was als Erbteil von der Mutter in ihr geschlummert. Leonore begriff, daß dieser Ausbruch durch das un vermutete Nennen von Lothars Namen heroorgerufen ward. Sie verstand auch, daß die unglückliche Frau, ohnehin in den Kämpfen der letzten Zeit weh und wund gerieben, durch die bloße Nennung des Namens maßlos erschüttert werden mußte. All ihre Beruhigungsversuche waren umsonst. „Laß mich! Laß mich! Ich will nicht so leiden!" rief Etelka unter Tränen. „Kein Mensch hat das Recht, mich so leiden zu lasten! Ich will fort von hier! Ihr quält, ihr martert mich!" — Während hier oben in Etelkas Räumen Frau von Torben mit Aufgebot aller Willenskraft bemüht war, diesen Sturm zu beschwichtigen, standen sich drunten im Zimmer des Justizrats die beiden Männer, ebenfalls er regt, wenn auch in ernster Ruhe, gegenüber. Lothars Urlaub war zu Ende. Weshalb er heute noch einmal gekommen, trotzdem er doch mit ziemlicher Sicherheit annehmen konnte, daß Etelka ihn nicht empfangen werde? Es war so fest bei ihm beschlossen gewesen, ohne Abschied abzureisen — Da jählings packte ihn eine unbezwingliche Sehn sucht. Mit einem Schlage war er wieder mitten in dem bitteren Kampf zwischen Entsagung und Hoffen. Wer und was konnte ihm verbieten, sie noch einmal zu sehen? Be ging er nicht unnötige Grausamkeit an sich selbst und auch an ihr, wenn er sich diesen letzten, schmerzlichen Trost ver sagte? Gab ihre stolze Reinheit nicht die beste Gewähr, daß es ein Abschied sein würde, wie sie ihn voneinander nehmen durften? — Welches Sittengebot hatte das Recht, dies zu versagen? Sein Herz schrie nach ihr. Einmal, einmal noch mußte er sie sehen! Er fühlte, er ertrug es einfach nicht, wenn es nicht geschah. Alles erschien ihm nebensächlich, alles, was er bisher geliebt batte, alles, was die Welt an Gütern ihm bot. In rasender Karriere jagte er auf Wodan zur Stadt. - Als er in der Bentinschen Villa in das leere Empfangs zimmer geführt wurde, gezwungen, sich vor den Dienst boten zusammenzunehmen, begann seine brennende Auf regung sich etwas zu legen. Äußerlich gefaßt folgte er dem Justizrat, der ihn auf forderte, bis zum Erscheinen der Damen in sein Arbeits zimmer zu treten. Erstes Mäckstum äer Pflanzen. Von M. H. Baege. (Nachdruck verboten.) Ztvei Erscheinungen sind es, welche uns als Zeichen des inneren Lebens im keimenden Samenkorne gelten müssen: die Stoffaufnahme und die erste Umwandlung des Kernes zu Stengel und Wurzeln. „Körnchen trinkt und bald wird's groß" heißt's in einem Kinderliedchen, das das Keimen der Pflanze besingt, und nicht schöner kann's gesagt sein, wenn man mit kurzen Worten die Ernährungs weise des Samens und seine Stoffaufnahme aus drücken will. Doch wollen wir ein Samenkorn in seiner ersten Entwicklung näher beobachten. Stecken wir eine Bohne in die Erde, um sie sich zu einem Pflänzchen entwickeln »u sehen. Durch Wärme und Feuchtigkeit deS Bodens werden die sogenannten Samenlappen, die den eigentlichen Keim umschließen, erweicht, und aus ihnen zieht wieder der Keim seine erste Nahrung, daß er wächst und seine Teile allmählich entfaltet, bis die Wurzel geschickt geworden, aus dem Boden die nötige Nahrung zu saugen. Die Samenlappen ziehen Feuchtigkeit aus dem Boden, um solche dem sich bildenden Würzelchen und dem Stengel- keim zu überlassen. Dabei scheinen sie sich ganz vergessen zu haben; denn nach und nach stark geworden, schwinden sie später mehr und mehr zusammen, während der Keim sich nach oben und unten entfaltet. Wenn nun der Keim an Umfang gewinnt, so sprengt er die äußeren Hüllen des Samenkorns und tritt hervor. Während seiner Ausdehnung zeigt er bedeutende Kraft. So heben Erbsen, in einem Säckchen aufbewahrt und durch einwirkende Feuchtigkeit zum Keimen gebracht, ziemlich schwere Gewichte, mit denen sie belastet wurden. Sind Samenkörner von starker Hülle umschlossen, wobei gewöhnlich die Samenlappen geringere Entwicklung zeigen, so ist es die Samenhülle, welche zunächst die Feuchtigkeit aufsaugt und dabei zunimmt, um wieder ab zunehmen, weil alle die eingesogenen Nahrungsstoffe dem Wurzel- und dem Stengeikeim zugute kommen. Interessant ist es zu wissen, auf welche Weise die Nahrungssäfte in die Samenlappen oder in die Samen hülle treten. Beide Teile bestehen aus Zellen. Das Wasser mit den darin aufgelösten verschiedenen Stoffen dringt durch die dünnen Wände aus einer Zelle in die andere, bis endlich das Samenkorn gesättigt zunimmt an Umfang und innerer Tätigkeit. Man nennt diesen Vor gang Endosmose. Für das weitere Leben des von der Samenhülle ein- gefchlostenen Keimchens ist ein gewisser Grad von Wärme und Feuchtigkeit notwendig. Ebenso hat jedes Samen korn zu seiner Entwicklung eine gewisse Menge Sauerstoff nötig, und dieser Sauerstoff wird hauptsächlich durch den freien Zutritt der atmosphärischen Luft oder durch den Zutritt des Wassers erworben. Gehen einem Samen- törnchen diese Bedingungen ab, so wird es sich nimmer zu einer Pflanze entfalten, sondern das Keimchen wird in tiefem Schlafe verharren, bis endlich die Luft oder Wasser hinzutritt und das Pflänzchen erweckt. Wenn es im Liede Hecht: „Körnchen trinkt und bald wird's groß", so findet das nicht auf jedes Samenkorn volle Anwendung; denn während es allerdings Pflanzen gibt, deren Samenkörner in außerordentlich kurzer Zeit keimen, z. B. die der Gartenkresse binnen einem Tage, so vergeht doch auch bei anderen geraume Zeit, ehe man nur geringe Spuren eines stattfindenden Keimprozesses beob achten kann. Manche Samenkörner sind mit so starken und allen äußeren Einwirkungen widerstehenden Decken umschlossen, daß Jahre hingehen, bevor das eigentliche Keimen stattfindet. Durch die Einwirkung der Wärme und der Feuchtigkeit erweicht die Samenhülle, wenn über haupt eine solche vorhanden ist, und nimmt in demselben Verhältnisse ab, als sich das Keimchen durch seine Er nährung vergrößert, bis es endlich das ganze Innere des Samenkorns erfüllt. Endlich ist die Hülle verschwunden, und das Keimchen kann sich nicht anders au: dehnen, als daß eS die äußersten Decken zerreißt, welche nur noch geringen Widerstand leisten. Viel schneller geht das Keimen natürlich bei solchen Samen vor sich, bei denen der Keim schon im Augenblick der Aussaat den ganzen Raum unter den äußeren Decken auSsM. ^LS bildert dann die Samenlappen den größten Teil der Keimmafle. Diese Samenlappen also und die Samenhüllen sind es, welche zunächst von der Wärme, Lust und Feuchtigkeit berührt werden, solche dem eingeschlossenen Keim mit teilen und auf diese Weise die Bedingung der Entfaltung jeder jungen Pflanze sind. Eine zweite Periode tritt ein, wenn sich der Keim einen Weg durch die Hüllen des Samenkorns gebahnt hat und sich nach außen hin entwickelt. Eine genaue Betrachtung des Samenkorns zeigt den Teil des Keimes, aus welchem in der Folge das Würzelchen sich bildet, in größerer Nähe an der Samenhülle, als den Teil, der auswärts nach dem Licht strebt und sich zum Stengel entfaltet. Dadurch wird auch erklärbar, daß der Wurzelkeim dem Stengelkeim gegenüber fast immer einen Vorsprung zeigt, sobald die zweite Periode des Wachstums beginnt. Jedoch auch das Stengelknöspchen verlängert sich seinerseits und strebt senkrecht von unten nach oben. Die Wurzel wächst tiefer hinab in den Boden. Bei jeder Lage des Samens wird man diese Richtung des Würzelchens nach der Tiefe beobachten. Es entwickelt sich weiter, ver zweigt sich, befestigt die Pflanze am Boden und fängt auch teilweise an, der jungen Pflanze Nahrung zuzuführen. Somit beginnt die Wurzel ihre zweifache Aufgabe.zu erfüllen. Wie noch manche Erscheinungen im Gebiete der Naturwissenschaft einer Erklärung harren, so ist es auch bis jetzt noch nicht gelungen, auf die Frage: „Wie kommt es, daß die Wurzel immer nach unten, also nach dem Mittelpunkt der Erde, strebt?" eine genügende und all seitig befriedigende Antwort zu geben. Kressensamen, auf dem Wasser schwimmend, entwickelt bald seine Keime, und man wird nicht selten Samen finden, deren Würzelchen nach oben aus den Hülsen hervorbrechen. Aber, als scheuten sie das Licht, wenden sie sich sehr bald wieder zurück, krümmen sich im Bogen und suchen bei weiterer Entwicklung die entgegengesetzte Richrung auf. Rian sucht die Ursache dieser und ähnlicher Erscheinungen in der Wirkung, die die Schwerkraft der Erde auf die Keime ausübt, und im Sonnenlichte, von dem sich alle Wurzeln abwenden in das Dunkle. Wenigstens glaubt man letzteres aus Versuchen schließen zu dürfen, bei denen man Pflcmzem'amen erst an der inneren, später an der äußeren Seite eines Fensters anbrachte, und wobei man beobachtete, daß die Wurzel stets nach dem dunleln Zimmer hin, also ab vom Lichte strebte. Kehren wir nun wieder zu unserem Keim zurück, um dessen Entwicklung zur vollständigen Pflanze weiter zu verfolgen. Da der Keim während seiner Entwicklung eine ziem liche Menge Sauerstoff aufnimmt, so wird während der Keimung auf diese Weise ein gewisser Grad von Wärme entwicklung stattfinden. Man kann diese Wärme sehr leicht nachweifen, wenn man z. B. in einen Hausen keimender Gerstenkörner ein Thermometer bringt. Man hat ferner die Beobachtung gemacht, daß, da überhaupt Wärme eine Hauptbedingung röscher Keim entwicklung ist, auch die Farbe des Bodens für die Ent wicklung der jungen Pflanze nicht ohne Bedeutung ist. Schwarzer Ackerboden wird von der Sonne mehr erwärmt als hell gefärbter. Deshalb keimt auch Getreide in schwarzem Boden viel rascher. Hat sich im Laufe der Entwicklimg des Keimchens die Wurzel im Boden befestigt, io dehnt sich der Teil des Stengelkeims, welcher zwischen der Wurzel und den Samenlappen liegt, nach oben bin aus, und das von den Samenlappen eingeschlossene Knöspchen oder Federchen wird über die Erde emporgehoben. Die Samenlappen entfalten sich am Lichte und nehmen durch die Bildung von Blattgrün oder Chlorophyll eine grüne Färbung wie vollkommene Blätter an. Dies findet bei den meisten zweisamenlappigen Pflanzen statt, weshalb man sie auch als „Blattkeimer" bezeichnet hat, während man die einsamenlappigen Pflanzen „Spitzkeimer" nennt, weil bei ihnen nur ein einem Federchen ähnliches Gebilde, das aus tutenförmig ineinanderfieckenden Blättern begeht, sich über den Boden erhebt. Da- Keimpflänzchen hat sich aus dem Samenkorn entwickelt.