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WMtt A RilM i. Beilage zu Dr. lz6. Sonnabencl, cien 2Z. November ^9^2. Vom Valkan. — Es läßt sich nach den bis Dienstag abend eingegangenen -Nachrichten mit Bestimmtheit annehmen, daß die Stellung ^urch ihren unbestreitbaren Erfolg in der Tschataloscha-Linie eine wesentlich günstigere geworden ist. Die Stoßkraft der Bulgaren, die von 300 000 Mann Feld- truppen etwa 75 000 bereits verloren haben, ist gebrochen worben, während das Selbstvertrauen der Türken ge wachsen ist. Das ist im großen und ganzen auch für die Gesamtsttuatron nicht ungünstig. Bedenklich ist aber die steifnackige Haltung Serbiens gegenüber Osterreich-Ungarn. Die Serben gestatten sich derartige, im internationalen Berkehr unbekannte Unhöflichkeiten gegen Österreich, daß man sich nicht wundern darf, wenn diesen über Nacht der Geduldsfaden reißt und es mit Gewalt den Schreiern ein Ende bereitet. Waffenstillstandsvsrhandlimgen. Trotz der türkischen Erfolge von Tschataldscha sollen Lie Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der Türkei und den Balkanstaaten ihren Anfang nehmen. Vermutlich ist es wohl die Cholera, die die Gegner zum Frieden geneigt macht. Sofia, 19. Nov. (Amtlich.) In Beantwortung der Depesche des Grotzwesirs an den König hat die Regierung, nachdem sie sich mit de» verbündeten Kabinetten ins Einvernehmen gesetzt hatte, die Pforte wissen lassen, daß sie Bevollmächtigte designiert habe, um mit dem Genera lissimus der türkischen Armee» die Bedingungen für den Waffenstillstand festznstellen und sodann zum Abschlusse des Friedens zu schreiten. Eins ist aber sicher, daß der Waffenstillstand nicht im Handumdrehen zur Tat werden wird, denn das dürfte kaum im Interesse der Türkei liegen. Diese wird ver mutlich erst den Versuch machen, noch weitere militärische Erfolge gegen die Bulgaren zu erzielen. Sie braucht sich dann nicht die Bedingungen einfach diktieren zu lassen. * Einspruch des Dreibundes. Der deutsche und italienische Gesandte erschienen am Montag beim serbischen Ministerpräsidenten und legten ihm ihre Ansichten bezüglich der Adriahafenirage und Albaniens ganz in Übereinstimmung mit der bereits früher vom hiesigen österreichisch-ungarischen Gesandten Herrn Paschitsch kundgegebenen Auffassung dar. Ministerpräsident Paschitsch erwiderte auf die Vorstellungen der diplomatischen Vertreter Osterreich-Ungarns, Deutschlands, und Italiens, daß die Diskussion über den türkischen Küstenstrich in der Adria auf den Zeitpunkt vertagt werden müsse, in dem die definitiven Resultate des gegenwärtigen Konfliktes zwischen Serbien und der Türkei ersichtlich sein würden. Durch die fortgesetzte Ablehnung jedes Vorschlages verschärfte die serbische Regierung den Konflikt in so bedenklicher Weise, daß man annehmen muß, eine Großmacht, Rußland, stärkt ihr den Rücken. . . Im Pulverdampf bei Tschataldscha. Nach einer Depesche des Oberkommandierenden Nacim Pascha hat der Kampf am zweiten Schlachttage bedeutend an Heftigkeit verloren. Das Artilleriefeuer dauert indessen auf der ganzen Linie ununterbrochen an. Die Türken haben sich nach den übereinstimmenden Berichten aller Korrespondenten mit höchster Bravour geschlagen. Ihre Kruppsche leichte und schwere Artillerie war brillant be- dient, schoß mit hoher Treffsicherheit und kämpfte die bulgarische Artillerie fast überall nieder. Drei bulgarische Batterien wurden, noch ehe sie überhaupt einen Schuß tun konnten, durch Schnellfeuer außer Gefecht gesetzt und von den Türken genommen. Interessant ist die Schilderung eines deutschen Augen zeugen. Dieser berichtet über den Kampf auf türkischer Seite: „Hundert Meter südlich von mir fährt eine Batterie auf, die die Türken seinerzeit den Serben abnahmen, und ist nach fünf Schüssen auf eine starke bulgarische Ab teilung, die von Tschataldscha her ins Tal will, einge schossen. Der Ton bringt eine neue Note in dieses Höllen- konzert, ganz hell und schmetternd ist er. Auf 4000 Meter Dellt der Offizier ein. Die Geschosse sausen los, explodieren über der Kolonne mit einem Geräusch, das unbedingt an das Miauen von Katzen erinnert. Wieder stürzen eine Menge schwarzer Pünktchen. Die andern laufen panikartig in die Wälder, wo sie Deckung finden. Eine feindliche Batterie scheint sich auf unser Grüppchen einzuschießeu. Zehn Meter vor uns bohrt sich ein Geschoß in den Boden. Noch einmal versuchen die Bulgaren, kurz nach 2 Uhr, einen Durchbruch, kommen aber gar nicht bis zum Fluß/ Ein kalter Wasserstrahl aus London. Die regiarungsoffiziöse Londoner „Times' befaßt sich m einem längeren Artikel mit dem Balkankrieg, besonders aber mit dem österreichisch-serbischen Konflikt und den bulgarischen Wünschen. Die Abfuhr, die Serbien dabei erhalt, ist so gründlich, daß sich die Belgrader Diplomatie diese wohl hinter die Ohren schreiben wird. . Das Blatt warnt Bulgarien auch vor einer vorüber- MEnden Besitznahme Konstantinopels, die ihm keinen Ä^en, vielleicht aber nicht wieder gut zu machenden «chaden bringen würde. Bulgarien dürfe vielleicht nicht Unterstützung Europas rechnen, wenn die Feindseligketten unnötig verlängert würden im Verfolge ehrgeiziger Plane, die das richtige Maß überschritten. In W-»" fährt die Times' fort, befindet sich Wir fürchten, daß die Anerkennung seiner Siege ^Altchen Vorbehalten begleitet sein könnte. DaS Gefühl herrscht vor, daß die Serben Erfolge nicht Mil Mr wünschen, daß sie ihre Siege mit dem Geiste bescheidenen Schweigen« aufnehmen wie die Bulgaren. Die Geduld Europas ist nicht unerschöpflich. ^- Gerechtigkeit der serbischen Ansprüche ist in veL ichiedener Hinsicht auch von seinem nächsten NaLbar anerrannt worden. Diese Ansprüche werden nicht ge fördert, wenn sie in herausfordernder Weise und in einem ausgesprochen ungeeigneten Moment vorgebracht werden. Die europäischen Nationen sind bereit, den serbischen An sprüchen jede gerechtfertigte Berücksichtigung angedeihen zu lassen, wenn der rechte Augenblick gekommen ist. Aber sie sind nicht willens, sich in einen Krieg verwickeln zu lassen, und namentlich England wird sich nicht wegen eines lokalen Streites, der beim Friedensschluß leicht beigelegt werden könnte, in einen Konflikt hineinziehen lassen. * Wie es in Konstantinopel aussieht. Im allgemeinen ist die türkische Hauptstadt durchaus ruhig. Auch die Landung der internationalen Marine truppen trägt wesentlich dazu bei, jede Erregung zurück- zuhalten und die Ruhe zu sichern. Unser Panzerkreuzer „Göben" landete von seiner 1100 Mann zählenden Be satzung 450 Mann mit Landungsgeschützen und Maschinen gewehren. Unter dem Kommando des ersten Offiziers Korvettenkapitän Berendes besetzten 11 Offiziere, 5 Fähn- HeveiMenen ein gutes Weihnachtsgeschäft zu machen, aber als einsichtiger Geschäftsmann dürfen Sie nicht vergessen, das Publikum auf Ihre Waren und Ihre Firma aufmerk sam zu machen Das geschieht am zweck mäßigsten und erfolgreichsten durch ein Inserat in dem im ganzen Amtsgerichts- : : bezirk Wilsdruff weitverbreiteten : : IochMii für MdrE. und 265 Unteroffiziere und Matrosen die deutsche Botschaft, 2 Offiziere, 8 Unteroffiziere und 53 Mann die belgische Gesandtschaft und 3 Offiziere, 1 Fähnrich, 15 Unteroffiziere und 77 Mann das deutsche Krankenhaus, Am Sonntag traf der verwundete General Mahmud Mukhtar Pascha, der Sohn des verflossenen Großwesirs, in Konstantinopel ein. Auf seinen eigenen Wunsch wurde er in das deutsche Hospital gebracht, zu welchem Zwecke der deutsche Botschafter dem tapferen General sein eigenes Automobil zur Verfügung stellte. Mahmud hat drei Kugeln im Leibe. Interessant ist, wie er die Wunden erhielt. Nach dem glücklichen Gefecht bei Tschataldscha machte er einen Rekognoszierungsritt. Er kam dabei an ein von den Türken aufgegebenes Fort. Dieses war aber nachts von Bulgaren besetzt worden und man bemerkte den Feind erst, als man auf dreißig Meter mit einem Kugelregen überschüttet wurde. Mahmud wurde das Pferd unter dem Leibe erschossen. Gleich darauf brach er selbst verwundet zusammen. Ein selbst verwundeter Soldat nahm mit den Worten: Pascha, das macht nichts! den General auf den Rücken und rettete ihn. Nach den unbestrittenen türkischen Erfolgen in der Tschataldscha-Stellung kommt der soeben abgeschlossene Waffenstillstand auf zunächst 48 Stunden etwas über raschend. Bei den Bulgaren ist die Sache eher zu ver stehen. Sie find offenbar sehr geschwächt und fühlen sich nicht mehr stark genug, die Türken in ihrer glänzenden Position über den Haufen zu rennen. Man wird daher wohl nicht fehlgehen in der Annahme, daß die Türken an gesichts der hohen Forderungen der Balkanstaaten die Ver handlungen etwas hinausziehen und dann abbrechen, um den letzten Kampf, der für sie so vielversprechend sich an sieht, zu wagen. Es sei denn, daß Bulgarien seine Forde rungen erheblich mäßigt, was schließlich auch nicht aus geschlossen ist. Es wird dann ein langes Handeln be ginnen. Die Spannung zwischen Österreich und Serbien läßt auch langsam nach und steht nicht mehr so gefahr drohend aus wie noch vor wenigen Tagen. Serbien hat endlich einen österreichischen Kommissar zugelaffen, um den Fall des österreichischen Konsuls Prochaska in Pnzrend zu untersuchen. In der Adria-Angelegenheit wird man auch noch einen friedlichen AuSweg suchen und finden. Die Unterhändler. Die Feindseligkeiten an der Tschataldscha-Linie find tatsächlich am Dienstag vormittag um 10 Uhr von beiden Seiten eingestellt worden und zwar zunächst auf 48 Stunden, also bis Donnerstag vormittag. Die Zusammenkunft der Unterhändler erfolgt innerhalb der Kriegszone. Konstantinopel, 21. Nov. Die türkischen Bevoll mächtigte» zn den Verhandlungen mit den Bulgaren sind» der Generalissimus der türkischen Armee Nasim Pascha, der frühere Chef des Generalstabes Izzet Pascha und der Staatsrat Chadan Bey. Viel bemerkt wird in Konstantinopel, daß Bulgarien in seiner Antwort von der Ernennung von Bevoll mächtigten zu Unterhandlungen nicht nur für den Abschluß eines Waffenstillstandes, sondern auch für den Abschluß des definitiven Friedens spricht. Wenn die Delegierten sich innerhalb der 48stündigen Waffenruhe über annehm bare Bedingungen einigen, dann sollen die Friedens verhandlungen selbst unmittelbar und direkt folgen. Die treibende Kraft bei diesen Verhandlungen ist Rußland durch seinen Botschafter o. Giers in Konstantinopel, dem unverantwortlichen Ratgeber deS türkischen Ministers des Äußern Noradunghian. Die offiziösen türkischen Blätter führen eine ruhige Sprache, erklären aber mit allem Nach-, druck, daß die Kräfte der Türkei noch lange nicht erschöpft seien und man ihr daher keine Bedingungen zumuten dürfe, die ihren Lebensnerv treffen. Triedensbedinglmgen der Balkanstaaten. Nach zuverlässigen Meldungen aus Sofia verlangen die Bulgaren die sofortige Räumung von Adrianopel und der Tschataldscha-Stellung, die Griechen die Räumung von Janina, die Montenegriner die Übergabe von Skutari und Serbien die Übergabe von Durazzo und Ibra. Bulgarien besteht wie gesagt unter allen Umständen auf der Übergabe Adrianopels, das es im Friedensfalle gern einstecken mochte. Auf der anderen Seite weigern sich aber die Türken mit aller Entschiedenheit, das zu tun, und daran dürften wohl die Verhandlungen in erster Linie scheitern. Vermutlich wird auch Rußland in diesem Punkte die Türkei stärken, denn dieses hat ein großes und berechtigtes Interesse, zu verhindern, daß ein überstarkes Bulgarien in, die nächste Nähe von Konstantinopel rückt Es entbehrt im übrigen auch nicht eines komischen Beigeschmacks, daß die Balkanstaaten gerade die festen Punkte fordern, die sie mit den Waffen nicht bezwingen können. Wie im übrigen aus Konstantinopel gemeldet wird, wird sich die Türkei mit allen Mitteln gegen Gebietsabtretungen wehren. * Kampf um Monastir. Das letzte große Ringen um Monastir auf dem west lichen Kriegsschauplatz ist nun auch zu Ungunsten der Türken entschieden. Zwar wurde nicht, wie es in den ersten serbischen Siegesmeldungen hieß, die ganze türkische Armee gefangen genommen, doch haben die Türken in der viertägigen Schlacht 20 000 Mann tot oder verwundet verloren. Die Türken hatten 70 000 bis 80000 Mann mit 100 Geschützen zusammengezogen. Die türkischen Positionen, besonders die im Nordwesten von Monastir, waren befestigt und durchWlenden unkenntlich gemacht. Die Verdrängung der Türken aus diesen Stellungen war mit groben Opfern verbunden, zumal die Bevölkerung der in der Gegend liegenden Ortschaften gegen die Serben kämpfte. Sie Serben haben nach ihren Angaben über 8000 Mann verloren. Die Türken flohen auf Lerma. * Die feindlichen Brüder in Saloniki. Nach übereinstimmenden Meldungen der Pariser Presse herrscht zwischen den griechischen und den bulgarischen Truppen in dem eroberten Saloniki ein sehr gespanntes Verhältnis. Wiederholt ist es schon zu ernsten Zwischen fällen gekommen. Nur durch die Intervention des bulgarischen Gesandten in Paris, Dr. Stanciew, der augenblicklich in Saloniki weilt, konnte ein bewaffneter Kouffi t zwischen den bulgarischen und griechischen Truppen, vechmkert werden, denn seit dem Tage, an dem die Griechen ihren Einzug in die Stadt hielten und den bulgarischen Truppen den Einmarsch verweigerten, sind zahlreiche Zwischenfälle zwischen den beiderseitigen Truppen vor-, gekommen. Wie es heißt, sollen die Griechen den Bulgaren den Einzug in die Stadt erst dann gestattet haben, als die letzteren mit Gewalt drohten. Nach dem Einzuge der Bulgaren besetzten bulgarische Truppen unter Führung eines Offiziers die heilige Moschee, worauf eine Abteilung griechischer Soldaten erschien und die Bulgaren anfforderte, die Moschee sofort zu räumen. Die Bulgaren pflanzten darauf auf Befehl ihres Offiziers, ohne ein Wort zu sagen, ihre Bajonette auf und umringten die griechischen Soldaten, worauf sie ihnen höhnisch zuriefen, sie möchten doch versuchen, sie aus der Moschee heraus^, zutreiben. Die Angelegenheit hätte sicherlich einen ernsten, Verlauf genommen, wenn nicht im letzten Augenblick mehrere griechische Generalstabsoffiziere erschienen wären, denen es gelang, den Streit beizulegen. Es sollen sowohl die Bulgaren als auch die Griechen unter der Be völkerung von Saloniki Grausamkeiten verübt und Plünderungen begangen haben. So war eS einem reichen Türken, der in einem Vorort von Saloniki eine Villa be- fitzt, nur durch Aufopferung seiner kostbaren Juwelen, die einen groben Wert repräsentierten, möglich, fich und seine Frau vor dem sicheren Tode zu retten. Unmenschlichkelten der Serben. über Wien kommen wieder erschütternde Meldungen von Greueltaten der Serben gegenüber den gefangenen Türken und der Bevölkerung der eroberten Lande. Es ist geradezu furchtbar, waS ein Berichterstatter erzählt, der sich drei Tage in Nisch aufgehalten hat: „Bei Kratowa ließ General Stefanowitsch Hunderte von gefangenen Albanesen in zwei Gliedern antreten und sie mit Maschinen gewehren niederknallen. Dazu erklärte der General, diese Brut müsse Zusgerottet werden. damit Österreich keine