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das Gerichtsamt zu Wilsdruff, daß dem Ratsmühlenbesitzer kein Realrecht zum Brotbackcn zustehe. Am 16. März 1842 erwirbt Adolf Moritz Richter die Ratsmühle für 5200 Thaler. Er erläßt im Wochenblatt folgende Bekanntmachung: „Einem hiesigen als auswärtigen Publikum zur Anzeige, wie ich in meiner Mühle eine Brod- bäckerei errichtet habe und vom 22. d M. der Brodverkauf stattfindet. Wilsdruf, im Juli 1842. Adolph Richter, Besitzer der Ratsmühle". Richter setzt sich also über obige Verfügung hinweg, weshalb die Bäckerinnung gegen ihn ausgebracht ist. Er scheint auch sonst ein streitbarer Held gewesen zu sein, denn am 3. April 1844 befaßt man sich mit ihm im Stadtverordnetenkollegium, wo man beschließt, „den Stadtrat zu veranlassen, dem hiesigen Rathsmüller wegen dessen Beschwerde gegen den Tischlermeister Stötzel, den Mühlgraben betr., Genüge zu leisten". Am 17. August 1855 verkauft Richter sein Besitztum an Hermann Reinhard Dietrich für 6500 Thaler. Auch er betreibt die Brotbäckerei, wohl infolge des Niederganges der Müllerei. Die König! Kreisdirektion ändert sogar am 12. Oktober 1857 die Verfügung vom 2. Januar 1838 da hin ab, daß die Rathsmühle, da sie seither im Interesse der Brotversorgung der Stadt Schwarzbrot gebacken habe, es auch ferner dürfe, nur solle es gutes, reines Schwarz brot sein. Als indessen der Besitzer Hermann Reinhard Dietrich das Recht des Brotbackens an den Müller Schneider verpachten will, der eine Brotfabrik einzurichten gedenkt, macht ihm abermals die Königs. Kreisdirektion (wohl auf Betreiben der Bäckerinnung) einen Strich durch die Rech nung. Dietrich hatte geschrieben, daß es ein allgemeines Recht gebe, daß die Müller das von ihnen hergestellte Mehl verbacken dürften, das Brotbacken sei ihm ferner gerichts- herrschaftlich verliehen und endlich seit Menschen Gedenken Schwarzbrot in der Ratsmühle gebacken worden. Die Königl. Kreisdirektion erklärt, der erste Punkt sei hinfällig, er beziehe sich nur aufs platte Land. In den Städten müsse den Müllern das Brotbacken ausdrücklich erst zuge standen worden sein. Der zweite Grund sei ebenfalls hin fällig. Dittrich habe keine Urkunde, in der ihm von der Gutsherrschaft das Brotbacken ausdrücklich als Recht ver liehen worden sei. Und wenn das der Fall wäre, der Gutsherrschaft hätte das Recht gar nicht zugestanden. In dem Verkaufsdokument von 1537 werde nirgends die Be rechtigung zur Schwarzbrotbäckerei erwähnt. Sie sei nur erwähnt 1766, 1770, 1778, 1796, 1819 und 1842. Durch langjährige Brotbäckerei aber scheine sich die Mühle eine Befugnis zur Bäckerei erworben zu haben. Es müsse aber nachgewiesen werden, daß die Bäckerei ohne Unterbrechung ausgeübt worden sei. In der nun stattfindenden Zeugen vernehmung erklären Rose und Brendel, von einem Brot- backen in der Ratsmühle überhaupt nichts zu wissen. Zeuge Damm weiß nur vom Backen in den Jahren 1842—53. Zeuge Uhlemann gibt an, daß in der ersten Hälfte der 90er Jahre vorigen Jahrhunderts Brot gebacken worden sei. Ueber die Zeit von 1796—1814 weiß er nichts anzugeben. Der Besitzer Hammer erklärt, von 1819—42 nicht gebacken zu haben. Dittrich wird also abgewiesen, es stehe ihm kein Recht zum Backen zu, eS dürfe keine Brotfabrik errichtet werden. (Schluß folgt.) Zur Anfrage in Nr. 13 dieses Jahr ganges. Mistelzweig betreffend. 1. Seit uralter Zeit war der Johannistag dem Deutschen ein überaus heiliger Tag. An ihm, als dem längsten Tag im Jahre, erwiesen sich die Götter der Erde und den Menschen ganz besonders gnädig. Sie käme» in der Nacht der Erde am nächsten. Diese ihre Nähe bewirkte, daß sonst tief liegende Schätze bis dicht an die Oberfläche empor- rückten, daß ferner bestimmte Pflanzen mit ganz außer ordentlichen Heilkräften begabt wurden. Deshalb grub man in früheren Zeiten in jener Nacht eifrig nach Schätzen, suchte und brach die segenspendenden Zauberkräuter. An allererster Stelle erfreute sich der Mistelzweig der größten Verehrung. Ihn brach man deshalb an jenem Tage mit Vorliebe. 2. Fälschlicherweise glaubt man vom Mistelzweig, daß er ursprünglich glückbringend gewesen sei. Dem ist nicht so. Nach der altgermanischen Göttersage hatte der finstere Loki durch den blinden Hödur den lichten Sonnengott Balder mit einem Mistelzweig töten lassen. Seit dieser Zeit wuchs die Mistel vor den Toren Walhalls, dem Toten- reiche, und war Waffe des allvernichtenden Todes- und Wintergottes. Sie ist also Sinnbild der Zerstörung, des Unheils und Todes. Wurde ein Mistelzweig irgendwo ge funden, so wurde er am sechsten Tag nach Neumond vom Druideupriester nach feierlichem Opfer mit goldener Sichel vom Aste gelöst. Dies galt aber nur von der Mistel aus Eichbäumen. Wer in den Besitz eines solchen Zweiges kam, dem konnte der finstere Todesgott nichts anhaben. Sie sollte nun natürlich auch wirksamer Schutz gegen aller hand Krankheit sein „Welches mensch aichin mistel an der rechten an einem fingerlin hett, also daß die mistel rüret an die Hand bloß, den käm der siechtag nymer mer an". Sie wurde ferner als Wünschelrute gebraucht. Sie bannte Diebe, sprengte Schlösser, verscheuchte Hexen und hob Schätze. Noch heute werden Mistelholzkügelchen in Silber ge faßt als Ring zur Abwehr alles Bösen getragen, ein ge weihtes Mistelblatt von Kindern auf der Brust getragen, schützt sie vor bösem Blick. Mistelzweige am Palmsonntage in Felder gesteckt, schützen diese vor Hagel- und Wetter schlag; zu Weihnacht an Obstbäume gebunden, gibt reiche Obsternte; heimlich im Schlafgemach verwahrt, gibt reichen Kindersegen. Heute erfreut sich der Mistelzweig erneut großer Be liebtheit. In England wird er überall zu Weihnacht am Kronleuchter aufgehängt. Wer an diesem Tage die Haus frau oder deren Töchter unter dem Mistelzweig stehend findet, der hat selbst als fremder Gast das Recht, von ihnen einen Kuß zu fordern. Ursprünglich besiegelte der Kuß unter dem Mistelzweig die Verlobung; heute ist es zu bloßem Weihnachtsscherz geworden. Auch bei uns, vor allem in Dresden und Leipzig wird zu Weihnachten mit Mistelzweigen schwungvoller Handel getrieben, da er im vornehmen Hause nicht fehlen darf. Bohland. * n n Trat man in den kleinen Laden der Frau L. auf der Zellaer Straße, so konnte man immer vertrocknetes Eichen laub über der Tür beobachten. Nach dem Woher und Wozu befragt, erklärte sie stets: „Das ist der Mistelzweig! Man geht am Johannistage mittags 12 Uhr ins Gezinge, schneidet sich dort drei frischgetriebene Eichenzweige ab und befestigt sie über der Tür. Sie schützen vor Krankheit und allerlei Unglück. Man darf aber auf dem Hin- und Rück wege kein Wort sprechen, sonst verliert der Mistelzweig seine Kraft." Auch die Fliederblüte muß am Johannistage mittags 12 Uhr gebrochen sein, soll sie rechte Wirkung haben. (Nach Mitteilungen des Herrn Pros. Dr. Herrmann-Grimma ) Schriftleitung, unter Mitwirkung des Vereins für Naturkunde, Sektio» Wilsdruff, Druck und Verlag von Arthur Zschunke, Wilsdrusi. Alle Beiträge und Zuschriften sind zu richten „An di« Medaktion des Wochenblatt sür Wilsdruff". Der Nachdruck des Inhaltes dieses Blattes ist nur mit genauer Quellenangabe „Heimatbeilage zum Wochenblatt sirr Wilsdruff" gestattet- Artikel mit dem Vermerk „Nachdruck verboten" sind vom Nachdruck überhaupt ausgeschlossen, auch auszugsweise.