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'*»bW»»SSK»SSSSSSSSrSSSSSSSSSSSSSSSSSS Welt im Bild SSSSS«S«LSSSESTLTSTSLSTLSLTLLLSKLÄLSk!» sitzen. Darum folgte er auch der Voran- schreitenden auf dein Fuße und stand ihnen bald im Schein der klaren Oktobersonne gegenüber. Es gab ein eifriges Hin und Her, ein Händeschütteln und aufrichtiges Acenen. Das stille heitere Licht drang in sein Herz und machte.ihn frohgemut, bis er, fast verborgen von den großfingcrigcn, dunklen Nußblättern, eine Gestalt erspähte, die mit einem Schlage alles Vergangene in sein Empfinden zurückricf. An dem Lächeln, das ihm haS fauste, junge Fraucnantlitz unter der schlichten Schwesternhaube entgegenschicktc, merkte er, i daß auch sie ihn sofort wiedererkannt habe. ' Sogleich darauf reichte sie ihm, über die wehenden Löckchen ihres Knaben fort, die Rechte zum Gruß entgegen. „Wir sind also jetzt Kinder derselben , Stadt, Herr Ktaußen. Wußten Sie davon?" Er hatte nichts geahnt Eingesponnen und verkapselt hielt er sich von allem fern. Denn er wollte um jeden Preis der alten Sehnsucht keine neuen Töne entlocken. Nun hatten sic sich doch eingeschlichcn. Es war alles umsonst gewesen. Die leidenschaftliche Verausgabung seiner Kräfte, das wilde Frohgcfühl, daß er es sicher niedcrzwingen werde. Neben Tora Littekind, die seit zehn Tagen mit ihrem Buben in dem kleinen Hänschen am Wehr wohnte, saß die andere und sah ihn vorwurfsvoll und schmerzlich an. Endlich rasst- er sich zu einer Frage aus: „Tie Tracht kenne ich noch nicht an Ihnen, gnädige Frau? Werden Sic sic jetzt immer tragen?" ' Sie nickte mit einem bedeutsamen Blick auf den alten Pfarrer. „Ich hoffe — ja!" Und dann wußte ec nichts mehr zu sagen, weil der eine Name in ihm schrie und alles . andere übertönte. Er hatte den Zweck, der .ihn- hierhergesührt, völlig vergessen. Ec wartete mit verhaltenem Atem darauf, daß - jener Name ausgesprochen werden sollte, - sich unaufhörlich wappnend und verhärtend, damit er sich nicht verriete. Aber er fiel nicht! Als er über den kühlen dämmerigen Flur auf die grasdurchwachscnen Steine der Pfarrgasse hinaustrat, glitt an die Seite seines eigenen ein fremder Schatten. Daran wurde er erst gewahr, daß auch Tora Littekind den Pfarrgarten verlassen hatte und, ihr Kind mit sich führend, jetzt langsam und ruhig neben ihm dahin schritt, als seien sie von jeher gute Freunde. Sie erstrebte das auch in echt frauenhafter Un- f, geduld und ging darum auf seinem Wege neben ihm dahin. „Wir haben Sie bisweilen gewiß schon recht anhaltend in Ihrer ernsten Berufs arbeit gestört," begann sic endlich das Ge- . spräch. Er verstand sie nicht. „Haben Sie bsini Abstieg Ihrer Ge richtstreppe denn noch gar keine lachenden oder weinenden Kinder bemerkt," exami nierte sie weiter. Er konnte sich rticht erinnern. Sie seufzte ein wenig über seine Ein silbigkeit und sagte dann lächelnd: „Das müßte mich, ja eigentlich freuen. Die kleinen, meiner Obhut unterstellten Be sucher der Kinderschulc stürmen nämlich unter Ihnen von 7 Uhr morgens bis 11 Uhr mittags herum. " „Strengt Sie diese Beaufsichtigung und Sorge nicht sehr an," fragte er, unter ihrem prüfenden Blick. „Glauben Sie denn, das sei meine ganze Tätigkeit?" fragte sie lebhaft zurück." In- zwischen schüre ich das Feuer in der Küche und setze für zwanzig bedürftige Weiblein die Mittagssuppe an, die meines Buben halbwüchsige Wärterin zur- Vollendung bringt. Nachmittags bin ich frei zur Pflege für Stadt und Land." „Und warum nahmen Sie das alles auf sich?" Ihr Blick wandte sich zu dem Kinde, das au ihrer Hand einhertrippclte. Ein Lächeln kam in ihr junges, liebliches Ge- srcht, flog zu ihm hinüber und erwärmte ihn. „Um diesen da zu einen: Prädikats- menjchen zu machen," sagte sie einfach. Er zuckte zusammen. Wärme und Licht waren dahin. Er meinte nicht anders, als daß sie ihm jetzt etwas Schmeichethastes sagen wolle. Aber sie nahm ihm diesen Glauben gar bald. Mit offener Herzlichkeit schaute sie ihn an. „Herr Klaußcn, ich möchte Ihnen so gern etwas sagen, „ich weiß durch Ihre:: früheren Direktor, daß Sie auch zur Klasse jener Ausgezeichneten gehören. Es hat ja auch schon bei Ihnen gute Früchte getragen, aber, mir speziell imponiert es nicht. Ich habe vielmehr eine große, ehrliche Bitte an Sic. Mein Beruf ist nicht leicht. Ich strauchlc noch sehr oft und stoße, trotz der besten Ab sichten, nicht nur mich, sond-rn auch meine Nebenmenschcn empfindlich dabei. Der gute Pastor Lotz weiß auch kein rechtes Mittel, wie das zu verhindern wäre. Sic müssen mir helfen, ja? Nor dem Richter haben fid hier alle einen heillosen Respekt. Vor Ihrem großen Ernst insbesondere. Wenn ich also nächstens mit einer von ihren Altertcilsgebcrn mißhandelten Greisin oder mit einer unwürdigen Pflegemutter vor Ihnen erschiene, dann möchte ich so gern zu Ihnen — nicht als dem Prüdikatsrichter, sondern zu Ihnen als zu dem guten und barmherzigen Menschen, dec von Karl Wandermann und seinen: Hause den Fluch und die Schande nahm, kommen. Erlauben Sic mir das? Und ob Sie das Prädikat als solcher dann wirklich verdienen, will ich Ihnen später auf Verlangen gern sagen." Amtsrichter Klaußcn atmete tief auf. Eine Last glitt von ihm ab. Er griff nach ihrer freien Hand. „Kommen Sic nur immer, Frau Litte kind," sagte er leise und herzlich. Da flüsterte sie ihm verstohlen und heimlich zu, woraus er aus eigenem An triebe nicht gekommen war: „Ich werde hier Schwester Dora ge nannt. Pastor Lotz wünscht es." Und er wiederholte gehorsam: „Also auf Wiedersehen, Schwester Dora." Die Tage wanderten an dem sich be ständig kürzenden Stecken einer mehr und mehr erblassenden Sonne dem Winter ent gegen! Stahlharter Frost, ohne das Glitzern des Nauhreifes und die Sanftheit einer Schneedecke, lastete mit unerträglicher Schärfe auf denen, welche hinaus mußten! Dora Littekind hatte heute eine unruhige Nacht verbracht. Ihr Bube hatte so viel im Schlaf gesprochen. Er träumte lebhaft von der festen, schimmernden Silberdecke des Mühlbaches, in der ein großes, schwarzes Loch gähnte, damit die Fischlein nicht starben. Erst gegen Morgen fand sie in sanftem Schlaf ein wenig Erquickung. Lange mußte darum auch die kräftige Faust des von raschem Lauf atemlosen Mannes an die braune Lade des Fensterleins schlagen, um sie zu erwecken. Endlich aber fuhr sie doch auß Ihre Stimme Wgr sogleich hell und kraftvoll. „Wer ist da?" „Karl Wandermann aus dem Nitter- trug." „Und was gibt's?" „Der Jung' hat sich gestern mit der Art in den Arm geschlagen, Wir Haben s gleich fest verbunden und ihn ins Bett ge steckt. Neber Nacht muß er sich woht im Schlaf die Lappen abgerissen haben. Tas Blut strömt nur so und der Nat ist über Land." Im Nu stand Döra Littekind auf den Füßen. „Warten Sie ein Weilchen. Ich komme sogleich mit." Dann flog ihr Blick zu ihrem Liebling hin. Er atniete jetzt tief und gleichmäßig, aber er konnte doch erwachen, nach ihr schreien, vielleicht gar aüfstehen. Eine un erklärliche Angst schnürte ihr Plötzlich die Kehle zusammen. Da lies sie hinaus, um andern zu helfen und ihr Einziges blieb indessen einsam. Aber sie beherrschte sich schnell wieder. Es war ja heute nicht das erste Mal und jn einer halben Stunde kam seine Wärterin, die bei ihren Eltern nächtigte. Mit kurzen, leichten Schritten lief sie bald neben dem kräftig ausschreitcnden Mann dahin. Es war bitter kalt. Das dicke Tuch über der leichten Schwesternhaube hatte im Augenblick einen dicken Kranz harter, weißer Strahlen. ^Warum sind Sie eigentlich gestern nicht sofort zu nur gekommen, Wandcrmann," fragte sie in den farblosen Morgen hinein Der Mann wandte nicht den Kopf nach ihr hin. Er redete gradeaus, als gelte die Antwort einer im Verborgenen vor ihn, Dahinschreitcnden. „Wußten wir denn überhaupt, ob Sic zu uns kämen? ' Heute, wo kein andercr Nat, mußte ich's schon versuchen." „Ich habe doch Ihre Kinder lieb, Wan dcrmann," sagte sie herzlich und schob das andere-zart in das Dunkel zurück. „Die beiden jüngsten Mädelchen will ich mir znc Kleinkinderschule ausbitten, sobald dec Frühling da rst . . ." Er atmete schwer. „Ich glaub' nicht daran, Schwester. Vielleicht wollen Sie es, schon möglich, vielleicht sagen Sie es aber auch nur, weil man mit so einen:, wie ich es bin, auf ein samen Wegen fchöntun muß." Jedes seiner Worte klang, als lastete ein Gram darauf, den er künstlich zum Zorn entfachte. Er tat ihr so herzlich leid. Wie viel mußten sie ihn gestoßen und zertreten haben, daß ec so wund sein konnte, lind sie sagte hell und klar: „Ich habe mich noch niemals gefürchtet, Wandermann, obschon ich ost durch Not und Dunkel gelaufen bin." Er lachte kurz auf. „Das wird schon was besonders Schweres gewesen sein! Vielleicht mal ein neues Kleid oder so was?"