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zu stehende Figur im Juli 1900 entdeckt und vom auf geworfenen Kalk befreit. 316 Jahre unter Kalk konserviert und gegen nagende Witterung geschützt, erhielt sich diese Seite besser als^das Gegenstück. — Die Fenster, aussen weit und nach dem Inneren sich stark verengend, dienten sicher in ernsten Zeiten als Schießscharten; denn die ganze Bauart, auch Lage und Verschanzung der Kirchen wurde nicht ohne Grund bedacht. Welches Bild lassen nun die kleinen romanischen Fenster vor uns entstehen Wir sehen das düstere, geheimnisvolle Kircheninnere vom Weihrauch dunst durchschwängert. Eine des Lesens unkundige Gemeinde sitzt andächtig im Schiffe und hört mit ge mischten Ge fühlen dem unverständ ¬ lichen Gemur mel des Geist lichen zu. der beim flackern den Kerzen scheine seine Litaneien liest. Die kommende reformierende Zeit verlangte mehr Licht im Raume, und man muß an nehmen, daß nach dem Brande von 1584, als man die Kirche erneuerte, auch die Fenster der Südseite vergrößerte und mit gothischen Spitzbogen versah. Deutlich lassen sich an diesen Stellen noch Üeberreste von romanischen Fenster gewänden erkennen, denn man erweiterte die Fenster nur nach einer Seite und verwendete das Stehengebliebene. Roh und ungeschickt wurde diese Aenderung vorgcnommen. Auch setzte man in dieser Zeit an Stelle des stumpf winkeligen Daches ein schräger abfallendes, um so den Regen besser ab gleiten zu lassen. Das aufgesetzte Mauerwerk ist schon durch seine leichtere Bauart erkenntlich. Bei dieser Gelegenheit mauerte man das in Kreuzform noch sichtbare Luftloch am Westgiebel mit Ziegeln zu. Die vorsichtige und wohlweislich bedachte Ein- säumung der Giebellinie wurde auch unterbrochen und weniger praktisch fort- gesetzt. Was für ein Turm beim Brande zerstört wurde, läßt sich aus keiner lei Spuren erfahren. Es ist aber anzunehmen, daß vordem überhaupt keiner vorhanden war. Der jetzige Dachreiter ist in seinen glücklichen Proportionen so fein abgewogen und gesteigert, daß er jederzeit als Vorbild an gesehen werden kann und höchstwahrscheinlich schon von Bauenden als anregendes Objekt verwendet wurde. Seine originelle Versteifung und Verstrebung vom Dachstuhl aus ist geradezu einzig dastehend in ihrer Art und bürgt uns für die Festigkeit und das Bestehen des Turmes noch auf lange Zeiten hinaus — wenn nicht die Geschichte vom ent zweien Dachziegel und die daraus entstehenden Folgen sich auch hier an diesem Baue bewahrheiteten —. Dem Kirchen- inner» gab eine gewisse Pietätlosigkeit das momentane Aus- sehen. Verwaist und seiner Kleinodien beraubt, steht der Altar in dem verstaubten Gewölbe, und die Kanzel, welche erst später diesen Standort erhielt, was wir an dem oben abgeschlagenen Simse erforschen können, harrt ihres Redners, sei es nun zum Verkündigen von Gottes Wort oder einer sonst dem Volke Nutzen und Heil bringenden Ansprache. Der steinerne Altaraufsatz verdient besondere Aufmerksam keit schon seiner strengen Architektur balber. Allem An schein nach war der oberste Teil nicht mit im Entwürfe vorgesehen Im Gege satzc zum Altar ist die Kanzel nebst Emporen und Taufstein weniger von architektonischer Be deutung. Es tut einem aber in der Seele weh, sieht man, wie mit den alten bemalten Emporen umgegangen worden ist. Was nicht zum Herstellen von neuen Einrichtungen verwendet wurde, lam insFeuerholz Dieses Schick sal von Alter tümern hat man ander orts schon er leben müssen, als ob das WortHeimat- schutz ein un bekanntes Fremdwort wäre. Hier und da läßt sich noch an einem zersägten Brette der Name und die Sitzzahl einer Wilsdruffer Bürgersfamilie entziffern, wie an dein Portalvorbau und den Emporen der Nordseite. Es ver schwanden auch die herrlichen Betstühle aus den Logen. Daß die Figuren des ältesten Altars teils im Dresdner Altertumsmuseum aufbewahrt sind, teils in der neuen Nikolaikirche aufgestellt wurden, anderseits überhaupt spur los verschwanden, ist schon in anderen Aufzeichnungen ge sagt worden, auch wurde des öfteren von dem Bilderschmucke gesprochen, der die herrschaftliche Em pore ziert, der weniger Kunstwerk als historisches Gepräge zeigt. Dasselbe sei von einem neben der Kanzel hängenden Oelge- mälde erwähnt, mit der Jahreszahl 1568,unddem Haus von Schönberg ge widmet ist. Wolle man noch der steinernen Epita phien gedenken, neben dem Altar an der Wand und am Fußboden angebracht. Schon in Anbetracht der hier ruhenden Vorfahren des bekannten, früher jo mächtigen Hauses derer von Schönberg, wäre es zu wünschen, wenn der Grabes - Umgebung ein menschenwürdigeres Aus sehen verliehen würde. — Der im Turme befindlichen Benno- glocke, überdies der ältesten Glocke in Sachsen, nebst ihren beiden Schwestern, der im Jahre 1447 gegossenen Marien glocken, wurde schon so oft gedacht, daß wir uns hier nicht länger verweilen wollen. — Sehen wir uns noch beim Ver lassen der Kirche die Einschnitte an den äußeren Seitenge- wänden des schmucklosen Portals an; hier wetzten die in den Krieg ziehenden Ritter ihre Waffen, um so den Segen der Kirche mit in den Kampf zu nehmen. Solches läßt sich an beiden Eingängen wahrnehmen. Die Kirche ist umgeben vom alten Friedhof, der an manchen Stellen Spuren barbarischer Verwüstung trägt. Andererseits sind kostbare Denkmäler auf unsere Zeit ge kommen. Interessant ist es, die beiden, durch ein Mauer 54 Assessor. Das Lehr-Ambt haben zur Zeit, bey hiesiger Kirche, als Pastor Herr lVl Johann Ehristian Funcke, aus den Städtgen, und Dia- conus, Herr M. Im manuel Friedrich Kandler aus Grei ffendorff bey Nossen. Bey der Schulen Rector Herr George Gottfried Hempel, ans den Städtgen, Eantor Herr Jo hann Jacob Knöfel, gleichfals aus den Städtgen, und Küster u. Mägdgen- Sckulmeister Herr Johann Friedlieb Richter aus Sora gebürtig, verwaltet. Kirchen-Vorsteher zu Sachsen, dessen Hohe König!, und Churfürstl. Familie aus den beygelegten Calender kan ersehen werden. Des Orths Erb- Lehns- und Gerichts-Herr, Herr Gottlob Ferdinand von Schönberg auf Wilsdruff und Limbach, dessen Ehegemahlin Frau Catharina Blondy. Von Hochgedachter Gnädigen Lehns Herrschaft sind zur Zeit zwey Herren Söhne als Herr Hannß Ferdinand Caesar und Herr Hannß Michael Ludewig, Gebrüder von Schönberg am Leben, die voritzo in Königl. Französischen Kriegs-Diensten, und zwar der ältere als Rittmeister bey den Regiment l^o^ allsmunct bey des Herrn Grafen von Bentheims Infanterie-Regiment sich befinden. Des Orths Gerichts-Director Herr Johann Friedrich Wolffermann Königl Appellations- Fiscal und Juris Practicns in Dreßden. Superintendens der Dreßdenschen Dioeccse Herr Johann Joachim Gottlob am Ende, der Heil. Schrifft Doctor und des Königl. und Churfürstl. Ober-Consistorii'in Dreßden sind: Herr Gott- friedt^ Funcke, Bürger und Schumacher, Herr Peter Ihle,Würger und Posamentirer und Herr Christoph Geßner, Bürger und Schumacher allhier. Hospital-Vorsteher Herr Johann Christoph Schmidt Bürger und Lohgerber, und Herr Christian Hauschild, Bürger und Schumacher, allhier. Rosencrantzvorsteher ist Herr David Heinrich Busch, Kauff- und"Handels-Mann allhier Im Raths-Collegio haben zur Zeit sich befunden Herr Johann George Winckler, und Herr Johann Jacob Funcke, Bürger-Meister. Herr Johann Gott lob Leonhardt und Herr Johann Christoph Irmler, Stadt- Richter. Herr Johann Christian Rülcker und Herr Johann Michael Zschoche, Senatores und Gerichtsschöppen. Herr Gottfried Bethmann-Bernhardi, Stadt-Schreiber und Juris Practicus, der auch noch überdies das Ambt eines Königl. Acciß-Jnspektoris allhier und an andern Orthen verwaltet. Zur Zeit hat man das reine Wort Gottes im Lande, wie solches in der Heil. Schrifft des alten und neuen Testaments enthalten und in der Augspurgischen Confession und andern Symbolischen Büchern wiederhohlet ist. Und obgleich der Königl Hof die Römisch-Catholische religion angenommen, so ist doch biß anhero ein ieder bey der Gewißens Freyheit gelaßen worden. Aus denen in diesen Knauf gefundenen Urkunden hat m'an ersehen, daß 1584 den 21 Augusti das gantze Städtgen abgebrannt, dabey aber doch die Stadtkirche erhalten worden. Und wie aus den Kirchen-Buche erhellet, so hat aufs neue ein gewaltiges Feuer das Städtgen 1686 den 12. Junii, eingeäschert, da- 55 werk zusammengefügten Grabmonumente zu sehen Hier wurden dreierlei Sandsteine verwendet; die Bildhaucrarbeit besteht aus gutem^Sandsteine, während die linksstehende Mauerung aus Porsdorfer Pläner und die rechts ange brachte aus SpechtshausenerC oder Gorbitzer Pläner auf gerichtet wurde. (Letzteren Stein benutzte man vor kurzem noch viel in der Stadt.) Es sei bei der Mauer auf ver schiedene zerschlagene Inschriften aufmerksam gemacht, die ihrer alten Schriftart nach aus dem 14 oder 15. Jahr hundert stammen und die man eben später als Bau materialien nahm. Und nun die herrlichen Baumgruppeu mit ihren malerisch darunter stehenden Grabmälern des l9. Jahrhunderts Man würde nicht fertig mit aufzählen, wollte man all' diese-lobenswerten Motive einzeln anfuhren. Dichtoerwachsene Sträucher aller Art, Unmengen von früher gepflegten, jetzt verwilderten und ausgerotteten Blumen nebst einem bunten Gemisch von Unkraut, aus deni besonders der vollfcuchtige Nachtschatten hervorzuhcbeu wäre, verleihen diesem Stückchen Erde einen ganz be sonderen Zauber. Durch diese äußerst üppige Friedhofs flora hindurch läßt sich immer wieder als ansprechendes Motiv die Kirche bewundern. Und gehen wir durch die Stadt, sehen durch ver schiedene Straßen als herrlichen, fast - . unentbehrlichen Ab- schlutz die erhöhte Kirche stehen, werden wir da nicht wieder I an die kulturhisto- riscbe Bedeutung 8i dieses Baues er- innert, der bei einem Haare spießbürger- MWWW' kicher Kurzsichtigkeit zum Opfer gefallen wäre. Mag der Artikel dazu beitragen, einem jeden, ob Hiesigen oder Fremden, das eine zum Be wußtsein zu bringen, daß er Mitbesitzer ist von solchen Denkmälern und daß er durch ein reckteslJnteresse solche unersetzliche Ueberlieferungen pietätvoll der Nachwelt er halten kann! Urkunde aus dem Knopfe der Jukobikirche. Immanuel?) ssrof. vr. Herrmann. Nachdruck verboten. Im Jahr Ein Tausend, Sieben Hundert und Zwey und Fünffzig nach Jesu Christi unscrs einigen Heylandes und Seeligmachers Geburth, ist an diesen Thnrme der Begräbniß-Kirche zu Wilßdruff, nachdem er 161 Jahre ge standen, eine starcke Ausbeßerung vorgenommcn worden, und haben dabei Johann Christoph Fickhardt, Dach-Decker aus Rochlitz und Zimmer-Meister Michael ssorn, Bau und Zimmermeister allhier, die Zimmerarbeit verfertigt. Bey Besteigung des Thurmes hat man an dem Knauf, unten in den sogenannden Stiefel einen Kugel Schuß wahr genommen, weswegen derselbe abgenommen und gleichfalls ausgebeßert, aber auch wieder neu vergoldet, den 2. Julii aufgesezet worden Zu dieser Zeit ist regierender Herr im Lande, der Allerdurchlauchtigste und Großmächtigste Fürst und Herr, Herr Friedrich Augustus, König in Pohlen und Churfürst y Das Wort ist in der Urkunde in Hebrätich.