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ziemlich nahe der Mauer ihren Schritt hemmend und jetzt ihrerseits den Menschen, der ruhig stehen blieb, scharf fixierend. „Nun, was interessiert Sie so sehr in unserm Garten?" rief sie mit einer Art herablassender Keckheit. Er schien etwas überrascht durch diesen Zuruf, trat zurück und zog seinen Hut. „Pardon, gnädiges Fräulein", — seine Stimme klang heiser — „die schlanke Birke dort inmitten der Tannen gruppe fesselt meine Aufmerksamkeit — ich bin nämlich Maler." „Ah!" entfuhr es ihr; die Antwort hatte sie nicht er wartet. Da er noch immer mit unbedecktem Haupt da stand, konnte sie sein Gesicht genau betrachten. Es war krankhaft bleich, von wirrem, dunklem Haar umrahmt — anziehend und abstoßend zugleich, wenn sie auch nicht zu ergründen vermochte, woran dies lag. Es waren wohl die unruhig flackernden Augen, die durchbohrend auf ihr ruhten. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück. Er lachte leise auf. „Fürchten sich gnädiges Fräulein?" Margot errötete unwillig und warf stolz den Kopf zurück, — der Ton, in dem er sprach, verletzte sie. „Ich fürchte mich nicht", sagte sie kalt; „doch wäre es mir angenehm, wenn Sie Ihre „Studien" jetzt beendet sein ließen, schlanke Birken gibt es ja auch anderswo." Er rührte sich noch immer nicht. Die Augen funkelten wirklich unheimlich. Und etwas hastig wollte sie nun den Rückzug antreten, als die Stimme des Fremden sie veranlaßte, wieder stehen zu bleiben. „Würden gnädiges Fräulein die Gnade haben, mir eine Frage zu beantworten?" Sie wendete halb den Kopf. „Nun?" „Wer bewohnt dieses Haus?" Sie fuhr herum. „Was geht Sie das an?" rief sie hochmütig. Dach dann, wie gebannt durch den faszinierenden Blick der dunklen Augen, sagte sie fast wider Willen: „Professor Rupprecht, mein Onkel." „Und — und ist der Herr verheiratet?" „Herr, Sie sind unverschämt!" lag es Margot auf den Lippen. Doch ein ihr selbst unerklärliches Furcht gefühl ließ sie die Worte unterdrücken. „Wenn die Person meines Onkels Sie io stark interessiert, wie jene Birke, dann müssen Sie sich schon an anderer Stelle Auskunft holen", sagte sie spöttisch, und setzte dann, den Kopf stolz aufwerfend, hinzu: „Ich bin es nicht gewöhnt, mich aussragen zu lassen!" — Ein häß liches Lächeln verzerrte sein Gesicht. „O, bitte tausendmal um Vergebung!" rief er höhnisch. „Werde nicht verfehlen, Ihren Rat zu folgen. Habe die Ehrs!" — Er stülpte seinen Hut auf, und im nächsten Augenblick war die Stelle, wo er gestanden, leer. Margot schaute unbeweglich darauf bin, — — hatte sie geträumt? — Oder hatte ilre erregte Phantasie ihr ein Phantom vorgezaubert? — AVer nein, dort hatte der Mensch gestanden! Sie schüttelte sich. Kein Wunder, wenn Erdmann den unheimlich nannte. Ob der nun wohl zu der Frau da drin gehörte? Oder ging ihre Einbildungskraft zu weit? — Vielleicht war es ein Kranker, den eine fixe Idee beherrschte; krank sah er aus, und die Augen, die funkelnden Augen! Aber daß er sich gerade diesen Garten ansersehen. — Gedanken voll kehrte sie zurück und hörte nun, daß Frau Fink sehr unwohl sei. Na, etwas war faul im Staate Dänemark, das stimmte schon. Ob sie von der Begegnung sprach? Doch nein — Hanna würde es sofort der Frau erzählen und diese dann vorsichtig sein. Und der Onkel? — Ach, der kümmerte sich doch um nichts! Sie wollte nur Erdmann zu be sonderer Wachsamreit anfeuern. 6. Kapitel. Einige Tage waren vergangen; Frau Fink war noch immer leidend, wenigstens ließen ihr bleiches Aussehen and die dunkelumschatteten Augen darauf schließen. Der Professor war die Teilnahme selbst und hatte, trotz des Protestes der Patientin, Dr. Verger veranlaßt, ihren Rustand zu untersuchen. „Ein bißchen überarbeitet", erklärte dieser. „Es ist ja auch die reine Unvernunft, bei dieser Julihitze in Berlin zu bleiben, wenn man es nicht nötig hat. Reist doch schon jetzt und kommt frisch und gestärkt wieder, dann werdet ihr viel mehr leisten können. Der Professor überlegte ernstlich, ob er den Rat des Freundes befolgen solle. Doch gerade jetzt in der Arbeit pausieren? Er war so schön im Zuge. Aber die arme Frau durfte sich nicht weiter anstrengen. Er hatte sie ganz aus seinem Arbeitszimmer verbannt, während er selbst jedoch selten daraus hervorkam. (Fortsetzung folgt.) Ein glücklicher Zufall. Eine lustige Geschichte von Paul Arco. (Schluß.) (Nachdruck verboten.) Da kam Papachen zurück mit einer Flasche Rotwein, aus der er schmunzelnd drei Gläser füllte. „So, Doktorchen, nun wollen wir uns wieder ver tragen!" rief er heiter und stieß mit ihm an. „Sie müssen nämlich wissen, daß ich Ihnen innerlich etwas abzubitten habe, jawohl! Ich bin nämlich ein geschworener Feind der Herren Journalisten, aber nun ich sehe, daß es auch in diesem Beruf brave Leute gibt, nun bitte ich reuevoll ab und verspreche feierlichst, mich von heute an zu bessern! Also Prosit!" Hell klangen die Glaser zusammen, und Fritz schwelgte in Seligkeit; aber noch immer plagten ihn angstvolle Zweifel, und sein Ehrgefühl sträubte sich dagegen, Lob einzuheimsen, das er nicht verdient hatte. Doch der alte Herr ließ ihm keine Zeit zu langem Nachdenken; mit heiterem Schmunzeln begann er wieder: „Nun kommen Sie zu Tisch; — freilich auf die Anwesen heit meiner Frau werden Sie für heute schon verzichten müssen, denn der Schmerz wird wohl so leicht nicht über wunden sein. Aber dafür haben Sie sich nun mejn Wohlwollen erworben — und schließlich haben Sie die Genugtuung, ein gutes Werk getan zu haben; denn nun wird meine Frau hoffentlich fortan keine Romane mehr schreiben!" Als sie bei Tisch saßen, wollte es Fritz noch einmal versuchen, dem alten Herrn den wahren Sachverhalt klar zulegen. Doch auch jetzt kam er nicht dazu, weil die schlaue, kleine Lolo es wieder verhinderte. Und später benebelte ihn das Glück und der schwere Rotwein derart, daß er nur noch Gedanken für seine Zukunft hatte. So verlebten die drei einen lustigen und gemütlichen Abend; und so oft er nur konnte, drückte der Verliebte seiner kleinen Braut ganz verstohlen die Hand, was der alte Herr immer mit heimlichem Lächeln übersah. Gegen zehn Uhr brach Fritz auf, empfahl sich und bekam die Einladung, recht bald wiederzukommen. Und als er nun fort war, nahm der alte Herr seine Tochter bei der Hand und sah ihr mit lächelnden Augen ins Gesicht, indem er fragte: „Nun, weshalb freut sich denn mein kleines Mädchen so unbändig?" Und da siel die Kleine dem lieben Papa um den Hals und rief unter Frendentränen: „Ach, du einziges, liebes Papachen, wir haben uns ja so unsagbar gern, der Fritz und ich!" Lächelnd erwiderte der Vater: „Ja, Dummchen, glaubst du denn wirklich, daß ich das nicht schon längst gemerkt habe?" „Und du hast nichts dagegen, Papachen?" „Wenn er wirklich ein braver und tüchtiger Kerl ist, gewiß nicht!" „O, du goldiger Papa!" jubelte da die Kleine los und umhalste den alten Herrn von neuem und herzte und küßte ihn in ausgelassener Freude. Dann aber lief sie zum Schreibtisch und sandte ihrem Schatz ein paar jubelnde Zeilen, die ihm sagen sollten, daß der alte Herr um alles wisse und daß er ein verstanden sei. Inzwischen saß Fritz bereits auf der Redaktion und las die Kritik, der er sein Glück verdankte. O, es waren böse Worte, die da der armen Mama gesagt wurden; und er konnte sich wohl ungefähr denken wie schwer dis getränkte Dichterin unter diesem Schlage leiden mußte. Ja! nun war die Situation fast genau so verzwickt, wie sie vordem gewesen war: jetzt hatte er den Vater für sich, aber nun war ihm in der Mutter eine unversöhnliche Gegnerin erstanden! Und dabei konnte er im Grunde gar nichts dafür, denn nicht er, sondern ein Kollege hatte die vernichtende Kritik geschrieben; ein Zufall hatte diesem Kollegen gerade das Buch in die Hand geführt, und dieser Herr hatte keine Ahnung, was für ein Unheil seine Besprechung an gerichtet hatte. Freilich sagte sich Fritz, daß die Kritik, wenn er sie geschrieben hätte, auch nicht viel milder ausgefallen wäre. Aber so oder so: jedenfalls war die Situation noch immer gleich heikel, so daß er im Augenblick noch nicht wußte, wie er sich aus dieser Klemme glücklich retten konnte. Und mitten in diese Stimmung hinein flog nun das Briefchen des kleinen Fräuleins — die Zeilen, die ihm sein Glück kündeten. Mit glückstrahlenden Augen las er und las wieder und immer wieder — und da plötzlich kam eS wie eine Erleuchtung über ihn, und er sagte sich: Hier gibt es jetzt nur eines — die reine, volle Wahrheit herauszusagen — entweder alles gewinnen oder alles verlieren! Und am anderen Vormittag ging er wieder zu seinen Freunden. Diesmal empfing ihn die Gnädige, und sie empfing ihn mit vornehmer Kühle und Zurückhaltung, die ihm deutlich sagen sollten, daß für ihn nichts mehr zu hoffen war. Er aber ertrug dies mit ruhigem Lächeln und begann dann seine Entschuldigung anzubringen, daß nicht er, sondern ein Kollege die Kritik geschrieben habe. Darauf sagte die beleidigte Dame: „Aber Sie ver sprachen mir doch, daß Sie selber über das Buch schreiben wollten?" Zustimmend nickte er: „Gewiß, gnädige Frau, und ich hätte mein Versprechen auch sicher erfüllt, leider aber fand ich bisher noch nicht die Zeit, das Buch zu lesen; und da der Roman bei den andern Büchern lag, die uns zur Be sprechung eingeschickt waren, so hat eben mein Kollege, der sonst die Kritiken zu fchreihen pflegt, Ihr Buch gefunden und es ohne mein Wissen und Wollen besprochen. Sie sehen also, gnädige Frau, daß ich schuldlos an dem Unglück bin, und ich hoffe und bitte darum, daß Sie mir deswegen nun nicht mehr zürnen, gnädige Frau!" Die gekränkte Dichterin war nun freilich nicht mehr so böse, aber sie blieb immerhin noch ein wenig zurück haltend, indem sie mit Resignation sagte: „Also war es ein unglücklicher Zufall!" In diesem Augenblick erschien Lolo. Mit heiterem Gesicht, ganz harmlos und unbefangen, begrüßte sie Fritz, küßte dann die Mama und sagte: „Nun, Mammi, du zürnst ihm jetzt nicht mehr, nicht wahr? Du weißt, daß ec unschuldig an dem Vorkommnis ist, nicht wahr, liebes Mammichen?" Worauf die Mama scheinbar erstaunt sagte: „Aber Lolo, was heißt denn das? Wie kannst du denn so von Herrn Doktor " weiter aber kam sie nicht. Denn das kleine Fräulein unterbrach sie, indem es mit wilder Fröhlichkeit die Mama umhalste und kategorisch erklärte: „Aber wir lieben uns ja, beste Mama! Ich soll ja seine Frau werden!" Nun ergriff auch Fritz die Gelegenheit? mit der Kleinen Arm in Arm bat nun auch er: „Ja, gnädige Frau, geben Sie uns Ihren Segen! Ich liebe Lolo und erbitte sie von Ihnen zur Frau!" Und da kam der Mama ein Gedanke. Halt, dachte sie, wenn er erst dein.Schwiegersohn ist, dann darf er dich doch nicht wieder verreißen, wenn du einen Roman veröffentlichst! — Das stimmte sie milder, und deshalb sagte sie nun lächelnd: „Die Sache kommt mir ein wenig überraschend, und wenn ich jetzt nicht gleich ja sage, so fage ich doch auch nicht nein — ich werde darüber erst ein wenig nachdenken." Damit gab man sich vorerst zufrieden. Lolo wollte zwar gleich eine feste Zusage haben. Fritz indessen er mahnte sie, die Mama nicht zu bestürmen, denn er war schon beglückt, daß er die gekränkte Dame so weit wieder versöhnt hatte. Also empfahl er sich mit der Bitte, bald wiederkommen zu dürfen, was ihm huldvollst von Ler Mama gestattet wurde. SS LL SS L Z S.-bSA-S'.s t-r- GiL ZHvLL GG Viv L s s « „ -5 s " L § Nun zum Herrn Erweck Als der alte Herr ihn eintreien fah, hielt er ihm lächelnd die Hand entgegen: „Sie Schwerenöter! Warten Sie nur! — Ja! ja! Lolo hat mir gestern bereits alles gestanden! — Sie sind ja ein ganz gefährlicher Mensch! Bändeln, ohne uns zu fragen, mit dem Kind an — ja, das sind doch ganz tolle Sachen!" Mit leicht verlegenem Lächeln entgegnete Fritz: „So ist nun mal die Jugend." Worauf der Alte lachend rief: „Na, ich war auch mal jung, und ich hab's auch nicht viel anders gemacht!" Eine kleine Pause trat ein. Fritz sammelte Mut, um dem alten Herrn jetzt alles zu gestehen. Mit klopfendem Herzen begann er: „Herr Kommerzien rat, ich bin heute gekommen, um Ihnen ein Geständnis zu machen." „Na, na, das sieht ja riesig feierlich aus", lachte der Alte, denn er glaubte, nun würde der Antrag kommen. „Ich habe mir gestern Ihr Vertrauen und Ihre Freundschaft erworben, und ich bin unendlich glücklich darüber — um so peinlicher ist es mir heute aber, nur. eingestehen zu müssen, daß ich ganz unverdient zu dieser Ehre gekommen bin." Erstaunt sah der Alte ihn an. Fritz aber sprach weiter: „Die Kritik gestern war nämlich gar nicht von mir." Nun fiel Papachen vor Erstaunen in seinen Fauteuil. Doch Fritz ließ ihn gar nicht erst zu Worte kommen, sondern legte ihm nun haargenau den ganzen Sach verhalt klar. Als sich Ler alte Herr ein wenig von dem Schreck erholt hatte, fragte er mit leichtem Stirnrunzeln: „Und weshalb haben Sie denn nicht gleich gestern abend Farbe bekannt?" Da antwortete Fritz gewandt: „Verehrter Herr Kommerzienrat, gestern abend war ich vor allen Dingen überglücklich darüber, daß ich mir Ihr Wohlwollen er worben hatte, denn ohne Ihre Zustimmung hätte ich doch nie auf Lolo hoffen dürfen! — Daß ich nun gestern, nach dem mir einmal so ein glücklicher Zufall hold war, nicht den Mut fand, offen Farbe zu bekennen, das werden Sie, lieber Herr Kommerzienrat, gewiß entschuldigen — Liebe macht ja egoistisch — und gestern abend war das Glück, die Hoffnung auf eine liebesschöne Zukunft größer als alles andere in mir! — Und dann darf ich weiter auch mit bestem Gewissen sagen, daß die Kritik, selbst wenn ich sie allein geschrieben Hütte, sicherlich auch nicht milder ausgefallen wäre! — Also, nun züruLn Sie mir des Vsr- steckjpiels von gestern wegen nicht mehr, Herr Kommerzien rat!" — Lächelnd, mit offenem Blick hielt er dem alten Herrn die Hand hin. Und dieser schlug ein, indem er sagte: „Ich kann Ihnen nicht zürnen, denn die Art, wie Sie sprachen, hat mich überzeugt, daß Sie es auch so meinen, wie. Sie es sagten." Einen Augenblick trafen sich ihre Blicke und ruhten ineinander. Dann sagte der Alte: „Ich verzeihe Ihnen, mein lieber, junger Freund — aber nun noch etwas" — (und hier begann er wieder behaglich zu schmunzeln). „Wenn Sie nun wirklich unser Schwiegersohn werden sollten, dann versprechen Sie mir, daß Sie sich nie beeinflussen lassen, deshalb über ein schlechtes Buch meiner Frau eine gute Rezension zu schreiben." „Das verspreche ich Ihnen gern, mein lieber Herr Kommerzienrat!" rief Fritz heiter. „Das ist nämlich Lie einzige Möglichkeit, meine Frau von ihrer Marotte zu befreien; — so, und nun will ich Lolo rufen lassen." Eine Minute später stand das junge Paar in glück seliger Freude vor dem alten Herrn, der den beiden Kindern seinen väterlichen Segen gab. Als dann die Frau Mama erschien, mußte sie natürlich auch ja sagen — und sie tat es auch ganz gern, weil sie wirklich hoffte, in dem jungen Schwiegersohn einen Bundes genossen gefunden zu haben — sie ahnte eben nicht, oie arme, ' cutte D-chterin, was für ein Versprechen ihr Mann dem j.T-xrx VzÄÄLt-" abgenommen hatte!