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RinMicke k^incler. Es gibt nichts Köstlicheres in üer Welt Und in sich Glücklicheres, als ein wahrhaft kindliches Kind. Non der frischen Un mittelbarkeit, der Harmlosigkeit und Un bewußtheit des Kindes geht es wie herzerfreuende Jungbrunnenströmung auf die Erwachsenen über. Der Umgang mit dem echten Kinde ist auch für den Erwachsenen eine Quelle reinster Freude. Nur leider bleibt das unverfälschte Glück der Kindlichkeit den Kleinen nicht immer erhalten, teils, weil die falsche Erziehung dahin zielt, teils, weil das Kind in dem Bestreben, erwachsen zu sein, versucht, die Großen zu kopieren. — Solche Früh zucht bringt Verbildung statt Bildung. Kinderbälle z. B., steife, unkindliche Kindergesellschaften mit erlesener Be wirtung stören die Kindlichkeit. Man glaubt, den Kindern damit etwas zu bieten, in Wahrheit raubt man ihnen aber unendlich viel. Der kindlichen Harmlosigkeit, der Einfachheit entreißt man sie gewaltsam und treibt sie der Begehrlichkeit, der Sucht nach sich steigernden Genüssen, der Anmaßung in die Arme. Das häufige Hervortreten üer Kinder vor Erwachsenen, vor denen sie ihr Können produzieren sollen, zer stört die kindliche Unbewußtheit, die innere Bescheidenheit. Man lasse den Kindern ihr einfaches Spiel; das Gebiet der kindlichen Phantasie ist unendlich reich. Die Kinderlust erhöht sich in der Gestaltungs- und Schaffensfreude, die aus den einfachsten Dingen wertvolles Spielmaterial gewinnt. Durch kostbare Geschenke, komplizierte Spielsachen aller Art wird der Sinn übersättigt, statt daß er dankbar und freudefähig bleibt. Kindern, die unberührt in ihrer Kindlich keit dahinleben durften, erstrahlt eine Lebenssonne, die noch bis in die lebten Alterstage hinein erwärmt. s-m-n Zonen , In Marokko geht jeder Hochzeit ein siebentägiges Fest voran, das von un unterbrochener Musik begleitet wird und während dessen die Braut nicht gerade das angenehmste Leben führt. In einer Nacht oarf sie sich gar nicht eigentlich zur Ruhe begeben, sondern muß in ein Leinentuch gehüllt auf dem Boden liegen bleiben, während die Gäste sich nicht stören lassen, immer schwatzen, scherzen und lachen und erst mit Tagesanbruch heimgehen. Der eigentliche Hochzeitstag ist für sie nicht minder anstrengend. Sie wird dann „zur Schau gestellt", d. h. sie muß stundenlang mit geschlossenen Augen auf ihrem Bett sein, während die Nachbarschaft zusammenläuft, ihren Putz bewundert, Glückwünsche stammelt und kleine Geschenke darbringt. Vie vöklickkeit üer I«pLner. Die Japaner sind entschieden die höf lichsten Menschen auf Erden. Ein Maler berichtet in seinem Buche über Japan, daß er von dieser außerordentlichen Höf lichkeit viele Beispiele erlebt habe. Ein Polizist, der sich für die Arbeit des Künstlers interessierte, verwies den Ver kehr nach einem andern Wege, weil der Maler mitten in der Dorfstraße zeichnete. Folgenden Auftritt beobachtete er aber in Tokio: Ein Mann schob einen mit Baumzweigen sehr hoch beladenen Karren vor sich her und dabei streifte ein Ast das Dach des niedrigen Hauses eines Kulis und riß davon ein ziemlich großes Stück ab, was bei den sehr leicht gefügten Dächern in Japan leicht vorkommen kann. Der Hauseigentümer kam erzürnt herausgelaufen und setzte dem Karren führer schimpfend auseinander, welch' großen Schaden er mit der Zerstörung des Daches eines andern angerichtet habe. Der Beschuldigte blieb ruhig mit gekreuzten Armen stehen und hörte die Vorwürfe des Kulis ohne Murren an, erwiderte darauf zunächst aber keine Silbe. Erst als sein Widersacher geendet hatte, wies der Karrenführer schweigend nach der Kopfbedeckung, die sein Gegner in der Hitze abzunehmen vergessen batte. Spfort begriff der Kuli, welcher Belei digung er sich schuldig gemacht habe. Beide Hände fuhren nach dem Kopfe und rissen die Mütze herunter. Dann beugte sich der Kuli verwirrt tief nieder und bat dringend um Entschuldigung, daß er vor dem Dianne bedeckten Hauptes ausgetreten sei. Die beiden Männer schieden darauf als die besten Freunde. Einer war unhöflich genug gewesen, sein Haupt nicht zu entblößen, der andere hatte jenem das Hausdach stark beschädigt. Scberenscbnei-len. Von einem Baum oder von einem Pfahl zum andern wird auf einem freien Spielplatz in leicht erreichbarer Höhe eine Leine gezogen, an dis vorher eine Menge kleiner Gegenstände zum Ab schneiden angebunden sind; die Auswahl derselben trifft man je nach den Personen, mit denen das Spiel vorgenommen wird, welches darin besteht, mit ver bundenen Augen, die Schere in der rechten Hand (ohne die linke dabei zu benutzen), von einem bestimmten Punkt aus auf die Leine zuzugehen und etwas abzuschneiden. Wer Glück hat, trifft das gewünschte Stück, welches er vorher scharf ins Auge gefaßt bat, doch werden die meisten vorher die Entfernung falsch abgeschabt haben, und es gewährt einen sehr komischen Anblick, die unglücklichen blinden Opfer mit der Schere vergeblich an einem ganz andern Ort in der Luit berumschnapven zu sehen, als wo die Preise aufgehängt sind. EierroUen. Zu diesem Spiel muß man entweder einen abschüssigen Platz wählen oder durch Ausheben einiger Schaufeln Erde eine abschüssige Ebene von 2 Meter Länge und 25 Zentimeter Tiefe Her stellen. Jeder Mitspieler bekommt ein buntes Ei, möglichst jeder eine andere Farbe. Alle legen ihre Eier in einer Reihe am Anfang der schiefen Ebene an einen Stock, der dieselben verhindert, herunterzurollen. Sodann nimmt man den Stock weg, und die Reihenfolge, in welcher die Eier am Ende des Abhanges ankommen oder liegen bleiben, wird die Reihenfolge der Spielenden. Denn nun nimmt der, dessen Ei zuerst angekommen ist, dasselbe fort, legt es wieder oben auf die schiefe Ebene und zwar so, daß es, seiner Berechnung nach, eines der andern noch untenliegenden treffen muß und läßt es Hinunterrollen. Wir sagen „seiner Berechnung nach", denn das ist eben das Anziehende an dem Spiel, daß die Eier oft ganz anders rollen, als man glaubt, und der Zufall eine große Rolle dabei spielt. Wird eines der unten liegenden Eier getroffen, so muß es der Besitzer entweder mit einem Ei oder einem festgesetzten Geldbetrag, etwa 1 Pfennig, auslosen. Es kommt dann der nächste daran und so fort, bis alle, deren Eier am Anfang gerollt sind, dara^ waren, worauf von neuem die Reihenfolge bestimmt wird. ZuMeöe schichten Intelligenz; eines vunües. Ein Tierforscher erzählt in einem seiner Werke von einem Hunde, der ein Bein gebrochen hatte und von einem Chirurgen in Paris wieder glücklich geheilt wurde. Nach längerer Zeit nahm der Chirurg ein eigentümliches Kratzen an seiner Tür wahr, und war bei deren Öffnung nicht wenig überrascht, den von ihm ge heilten Hund vor sich zu sehen, der einen anderen mit sich brachte, welchem ein ähnliches Malheur passiert war; dabei suchte er dem Chirurgen verständlich zu machen, seinem Kameraden den nämlichen Dienst zu erweisen. Vie Probe ües Malers. Ein Porträtmaler, den man tadelte, daß er diejenigen, die ihm säßen, nicht genau treffe, wollte sich eines Tages ver gewissern, ob dieser Tadel berechtigt sei. Er kündigte daher seinen Kritikern an, worunter sich sogar seine eigenen Kinder befanden, daß er das Porträt eines Mannes vollendet habe, den sie alle recht gut kennen, und daß er diesmal eine täuschende Ähnlichkeit erzielt zu haben glaube; er fügte hinzu, daß er das Porträt habe einrahmen lasten, und daß man es in seinem Atelier sehen könne. Wirklich begab man sich dorthin, prüfte das Gemälde, kritisierte es, und das Vorurteil verleitete zu der Behaup tung, daß der Maler die Züge des Originals nicht richtig erfaßt habe. Da steckte das Original den Kopf aus dem Rahmen und rief: „Sie täuschen sich, meine Herren, ich bin es selbst!" Es war in der Tat ein Freund des Malers, welcher, um für dessen Rechtfertigung einzutreten, sich willig hinter den Rahmen gestellt hatte. Sinen rübroncken Levreis erhabener Gattenliebe gab Louise La- vergner, die Gemahlin des Komman danten von Longwn. Als dieser be schuldigt wu de, die Festung dem Feinde überliefert zu haben, wurde er von dem Revolutionstribunal zum Tode verurteilt. Sogleich beschloß Louise mit ihm zu sterben; sie rief laut: „Es lebe der König! mir müssen einen König haben." Sie wurde ergriffen, verurteilt und hin- gerichtet. Die beiden Gatten starben zu sammen. Zum siopf^esbwchen ,. Lättel. Ist, wie die erste sagt, der Hund, So ist er sicher nicht gesund. Die letzten beiden schmecken gut, Sie haben rotes, süßes Blut. Vom Baume holt sie sich das Kind Und Star und Sperling ost geschwind. Das Ganze eine schwarze Frucht, Die niemand sich zum Esten sucht. Denn sie ist giftig; Krankheitsnot Führt sie herbei, wohl gar den Tod. r. Rattel. Du wünschest, daß dein Leben würde So, wie die erste Silbe sagt; Auch möchtest du die Wurst so sehen, Wenn sie just eben dir behagt. Die zweite hat der Tisch zu Vieren, Sechsfach der Käfer, doppelt du; Der Hund benagt sie, und der Fleischer Gibt sie dem Kunden selten zu. Das Ganze fördert beim Marschieren; Doch ist es auch ein Fabulist, Der lust'ge Schwänke hat gedichtet Und sicher dir bekannt auch ist. (Auflösungen folgen in nächster Nummer.) WMM sm MsdiU unö vmgegencl- Amtsblatt IvstrNonLdskl» 1L Hiq di-o Wnsoespofittzt Aukncholb de« «m«»gmcht>betI'kS Wilsdruff 20 Psg. Heikroukvnder und tabellarischer Latz mit 50 Prozent AuNchlaK. kür die König!. Kmtstzauplmsnnschast Meisten, für das König!. Rmksgericht nnd den Stadtrat zu WrlsdruK sowie für das König!. Forstrentamt ju Tharandt. —— 97 Verantwortlich für Redaktion, Druck und Verlag: Arthur Zschunke in Wilsdruff 191L Hinter den AMWn - Roman aus der Gegenwart von Hans Hyan. 4. Forlsehung.) 6. Kolleginnen. Dasa Koresku war nach ihrem Abgang wie eine Windsbraut an dem verblüfften Theaterpersonal vorbei, durch den kleinen Vorraum, in dem alle die verstaubten Requisiten aus früheren glänzenden Bühnentagen ruhten, zu der Treppe hingestürzt, die durch eine schwere Eisentür gegen den Bühnenraum abgeschlossen war. Jetzt die knarrenden, ausgetretenen Stufen der alten Treppe hinauf, daß der Crepe de chine ihres Kleides hängen blieb und in Fetzen ritz, und wie eine Bombe hinein in die Garderobe! Alle wußten es schon, denn einige Schauspieler stehen immer hinter den Kulissen und beobachten das Auftreten ihrer Kollegen. Daja Koresku stürzte zuerst auf die Garderobiers los. Man glaubte, sie würde sie schlagen. Mit einem Gesicht, dessen Todesblässe unter den roten Schminkflächen und den dicken schwarzen Strichen, die den Glanz des Auges erhöhen sollten, doppelt entsetzlich wirkte, mit einem irren Flackern in den graugrünen Augen schrie sie grell auf: „Sie! . . . Sie! . . . Sie! . . . Sie haben mich zu fest geschnürt, Sie! ... schwindelig bin ich geworden! ..." Sie atmete schwer, als würde sie die Besinnung ver lieren: „Stecken geblieben . . . stecken geblieben! . . ." würgte sie dann hervor, und plötzlich wie eine Schlange zischend und die gekrallten Hände nach der Garderoben frau hinstotzend: „Erwürgen könnt' ich Sie!" Die Garderobiere, eine alte, weißhaarige Frau, schrie laut auf und wäre beinahe umgefallen. Aber jetzt kam die zweite Garderobiere, die zufälligerweise die Nichte der ersten war, hinzu und wollte sie verteidigen. „Was fällt Ihnen denn ein, Fräulein?" rief sie und stellte sich, die Arme in die breiten Hüften stemmend, drohend vor die Schauspielerin hin. Diese aber griff plötzlich mit den Händen in die Luft und sank ohnmächtig zusammen. Nun .sprang die kleine Wally Fehr hinzu, ein zierliches Ding von sechzehn Jahren mit einem blonden Puppenkopf und ein Paar merkwürdig großen samtschwarzen Augen. Sie sollte heute Abend ihr erstes Debüt geben, und diese Aufregung war ihr sicherlich nicht förderlich, aber sie zeigte sich der Situation vollkommen gewachsen, packte mit ihren zarten Ärmchen die Hingesunkene und schleppte sie fast ohne Hilfe zu einem Kanapee, dessen verschlissener brauner Lederüberzug, hier und da ein wenig aufgerissen, die Polsterung hervorquellen ließ. Hansi Tücher, die Diseuse, wollte ihr Beistand leisten, aber selbst nervös und hysterisch, hatte sie damit zu tun, ihre eigenen Tränen abzutrocknen, und hinderte mehr als sie half. Frieda Brandt hatte sich auch erhoben, ihr warmes Herz war voll ausrichtigen Mitgefühls mit der Kollegin. Auch daß die Wut der Koresku sich gegen die Garderobiere richtete, konnie sie verstehen. Diese armen Geschöpfe sind nun einmal beim„ Theater das SLichblatt aller bösen (Nachdruck verboten). Launen und Verstimmungen. Aber ein unbestimmter Verdacht, der Zorn der Kpresku könne sich gegen sie selbst, als die bevorzugtere Nebenbuhlerin in der Gunst des Publikums wenden, hatte sie anfänglich abgehalten, sich einzumischen. Jetzt, wo die andere ohnmächtig, mit zuckenden Gliedern und so wirklich mitleidswürdig dalag, konnte Frieda Brandt nichts mehr zurückhalten. Die beiden Garderobenfrauen, gekränkt und vorläufig unversöhnlich, rührten keine Hand, und die kleine Debütantin, die eben Labei gewesen war, sich Perlenschnüre in ihr blondes Lockenhaar flechten zu lasten, wußte auch nicht recht, was anfangen. Da war es Frieda Brandt, die ihrer ohnmächtigen Kollegin Kleid und Mieder öffnete, ihr dis Schläfen mit wohlriechendem Essig rieb und ihr Riechsalz vorhielt, bis Daja Koresku endlich die Augen aufschlug. Ein Strom von Tränen löste die gespannten Nerven, und während Frieda Brandt ihre Hand hielt und, Trostworte flüsternd, die blutleeren Finger streichelte, schüttelte ein wildes Schluchzen den Körper des großen Mädchens. Wally Fehr eilte, sich fertig anzuziehen, und stand schon in dem silbernen Gazekleid, das sie als Mond- elfchen präsentieren sollte, ihres Stichwortes gewärtig. Da steckte Hans Hermann Rahnke nach kurzem An klopfen den Kopf zur Tür hinein, um zu berichten, welch einen Riesenerfolg er mit der Rezitation seiner Fabeln gehabt hätte. Ganz besonders „die Wasserleiche" hätte gefallen. „Ihr wißt doch", sagte er, „Eine Wasserleiche schwimmt den Fluß hinab, Warum sucht die blsiche hier ihr nasses Grab? Warum sie gefunden hier die ewige Ruh, Dieses will ich Euch erzählen, höret zu . . ." Er hatte augenscheinlich die Absicht, sein Gedicht hier noch einmal zu produzieren, als sein Blick auf die Grupps am Sofa fiel. „Nanu", sagte er, „was ist denn der Koresku?" Da, in diesem Augenblick, geschah etwas ganz Un erwartetes. Die Koresku sprang mit einem Satz vom Sofa auf und schrie mit einer Stimme, die in ihrer gellenden Höhe überschnappte: „Was mit ihr ist? An geführt bin ich! Hintergangen! Wenn ich meine Lieder behalten hätte, die ich erst hatte, wär' mir das nie passiert! . . . Jawohl, — das ist mir! Aber natürlich, da wird solange intrigiert und mit dem Baron kokettiert, bis er mir meine guten Sachen wegnimmt und gibt sie der da!" — Sie wies mit ausgestrecktem Arm auf Frieda Brandt hin und sagte: „Und da setzt sich die Heuchlerin noch zu mir und tut, als wollte sie mich beruhigen!" Einem solchen Benehmen, gegenüber fand Frieda- Brandt zuerst gar keine Worte. Und sie wäre vielleicht mit ihrem sanften, nachgiebigen Charakter auch ohne Er widerung an ihren Platz gegangen, wenn nicht die jüngere der beiden Garderobieren, Frau Wunderlich, sich an ihre Seite gestellt und gesagt hätte: „Das lassen Sie sich bieten, Fräulein? . . . Und noch dazu von der da? . .