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«»11 I« »II«. v^v^vvv^v^so-vtxs2^v^vv^o^2^>L^>txvixso^L<dv^i»» dieser weitgehenden Ansicht nur zum klein- 1 slen Leit beistimmen zu können, gebadet und getrunken müßte ordentlich werden — ent- weder oder. Uebrigens würde vor allem der : Chefarzt da auch sein Wort mitreden. Reunion sollte bald sein, das gehörte mal mit aufs Programm und rechnete in ge wissen Fällen mit unter die Heilfaktoren. Und nun wollte er — jede Minute des Auf schubs wäre wie aus seiner Tasche in die See geworfenes Gold, sofort mit Belling auf das bewußte Terrain — einige tüchtige Arbeiter im Orte kannte er von früheren Versuchen her. Mit charakteristischer Schnelle warf er seinen Staubmantel wieder um, dabei schweiften seine Blicke unwillkürlich nach draußen, wo die Familie von Lieders dicht unter den Fenstern des Hauptgiebels zwischen den Epheuwänden in aller Gemüt lichkeit des Badelebens verharrte. Ihm fiel die große Schlichtheit auf, mit der das reiche Haar der jüngeren Dame geordnet war, wie zusammengekeilt klebte ihr die glatte Masse in Fleckten am Hinterkopf. Nun stand sie auf und kehrte ihm, einen Sonnen schirm ergreifend, der an der Mauer lehnte, das Gesicht zu. Wie bleich, wie unfrisch, welch ein lasches Gebrauchen der schlanken Glieder! So einer tat ganzes, urkräftiges Brunnenwasser not. „Gehören die Leute ins Kurhaus, Nor- gut?" fragte er, den weichen Filzhut tief in die Stirn gedrückt. Mit widerstrebendem Zögern benutzte der Hotelier seine kurzen Beinchen. „Leute, welche? Ach, die da. Das ist ja Stürmers Anämische." „Aha, also Geheimrat. . ." „Geheimer Rechnungsrat a. D. von Lie ders. Berlin. Plnnufer dreißig." „Auf Weiteres, Herr Norgut. Wir sehen nns später noch." „Empfehle mich, Herr General-Direktor: Zhr Diener, Herr Ingenieur. Ertrinken die Herren nur nicht in Thermen. Glück aus den Weg darf man Jägern nicht wünschen." Wcgmeister schluckte eine Erwiderung herunter. Im Vorraum wurden die Beiden gleich verschiedentlich begrüßt und angeredet; sie winkten ab, indem sie baten, ihnen das Ge schäftliche vor dem Geselligen zu gestatten. Draußen räumte das Groß des Publi kums schon das Feld; unmittelbar vor ihnen ging, eine leeres BrunnenglaS tragend, das kranke Mädchen. Ihr Sonnenschirm warf barte Schatten über ihre leblose Haut, sie kam langsam vorwärts, indem sie mehr glitt, Wie elastisch einhcrschritt, so daß die Falten ihres weißen Kleides fast unbeweglich hingen. „Eine wandelnde Statue unterm Sonnen- dach," lachte der lebhafte Ingenieur und guckte ihr durch feine rundgedrehte Papier rolle nach, Wie durch ein Fernrohr. Oder wie die Nymphe des neuen Brunnens." „Der Vergleich hinkt. Wenigstens könnte es dann mit dessen mineralischen Bestand teilen nicht weit her sein. Die Dame sieht kaum lebenssähig aus, gar nicht nach Arsen und Eisen. Wir müssen hier zum Dorf ein. biegen. Hoffentlich trifft ihr Gehilfe mor gen rechtzeitig mit den Pumpenteilen und anderen Utensilien ein. Augenblicklich brauchen wir nur einen Mann mit einem tüchtigen Spaten. Oder wissen Sie was? Der Bademeister wird doch eine Schaufel baben, ich leihe Sie mir und buddle selbst." Die blendende Schönheit eines Julimor. gens lockte Lola von Lieders auf einer Bank außerhalb der engen Billetausgabe am Badehause zu warten, bis man ihre Num mer rief. Das Baden selbst war ein Vergnügen. Jene Hunderttausende von Perlchen, die aus dem Grunde der Kupfcrwanne hastig emporstrebten, leise frottierend den Rücken entlangrollten, oder zusammengeballt sich wie ein Pflaster um die Glieder legten, ent. hielten je ein Atomchen Lebenskraft. Ein leichter Hautreiz blieb zurück und wirkte sich nach innen aus, das träge Blut begann ein bißchen besser zu fließen, wenn auch nicht mit dem rasenden Uebermut der kohlensauren Bläschen selbst. Das wunderbar gleichmäßige Wetter tat auch das seine, um in dem kränkelnden Mäd chen Hoffnung auf Besserwerden — nach verschiedenen Richtungen hin — zu Wecken und zu erhalten. Der wolkenlose Himmel, die mit blühenden Rosen und Lindenblüten geschmückte Welt, und vor allem die Sonne! Sie nahm tagaus, tagein, alles in ihre war. men, schmeichelnden Hände, um ihm Gold kleider überzulegen, die sie am Abend mit rosenroten vertauschte und selbst zur Nacht mit lichten Gewändern in zartweichen Mit telfarben. Es wurde überhaupt kaum dunkel. Dazu fiel reichlicher Tau, der die Millionen Gesichter von Halmen, Blättern und Blumen stets wieder frisch wusch. Eine Zeit wie geschaffen für Lola von Lieders, um Wald und Flur mit ihrem Vater zu genießen. Weit kamen sie nicht, aber es war zum Glück in Hassental überall wunderhübsch. Und die Mama fand „einen Kreis". Leider paßte er — sie blieb nun einmal ein Pechvogel nicht ganz für ihre Ansprüche, denn sie war die einzige Geheimrätin darin, aber auch unter den anderen Damen hatte keine das Unglück gänzlicher Titellosigkeit. Meine liebe Frau Rechtsanwalt, beste Frau Haupt- mann und liebste Frau Oberlehrer, das flog an dem Stammtisch dieser gleichgesinnten Seelen nur so umher, und immer wurde das Adjektiv stark betont. Und sie waren die leibhaftige Chronik des Bades, und sie zankten ungemein über mancherlei. In den Wald gingen sie nie, weil sie die Promenade eleganter fanden. Die meisten kamen ihrer blutarmen Töchter wegen, kleideten sich und sie mit knapper Geschmacklosigkeit und blick- ten auf gewisse andere Elemente, die den Kapitals-Uebermut so weit trieben, „am hellenlichten Morgen schon in weißen Atlas. Stiefeln ruinzurennen," mit etwas, was sie als Mitleid bezeichneten. Ein Unparteiischer hätte es Neid genannt. Lola hatte die Bank für sich allein, wenige der Kurgäste begannen so zeitig mit dem gesundheitlichen Pensum des Tages. Gegen über im Hause des Oberarztes wurden auch erst die Rouleaur hochgezogen. Der Billet- teur gähnte verstohlen, als er hinaustcat und am Barometer neben der Tür klopfte, um die Quecksilbersäule noch um ein weniges höher zu treiben. Er sah aus die wartende junge Dame. „Einen Augenblick noch Geduld, Fräu lein. Eine kleine technische Störung im Pumpwerk liegt vor, sie wird aber sofort wieder beseitigt sein." Sie nickte. Ungeduld kannte sie nicht. Fabrikarbeiter, zumeist Frauen, Wander, ien bedächtig vorüber; nun Uesen Zettelan tleber und Flickschuster die Stufen zum Kur. platz hinauf, ihnen folgte eilenden Fußes Friseur und Friseurin. Mehr Zeit ließen die Musikanten sich, einzelne Mißtöne vom Stimmen der Blechinstrumente drangen über die Straße. Der Dirigent schlenderte ge mächlich den Weg herab, in jeder Hand eine Notenrolle , . . Jetzt setzte die Musik ein. Ein anderes Geräusch, das der Arbeit, war, wo Lola saß, unmöglich ganz zu überhören. Das gleichmäßig dumpfe Stampfen, unter brochen von gelegentlichem Pfeifen, verur sachte Herrn Wegmeisters kleine Dampf maschine auf dem neuen Bohrterrain, ein Polterer, der ganz Hassentai erregte und dem Unternehmer zwei lange Petitionen wegen Ruhestörung einbrachte. Sie nötigten ihn, den Maschinenbetrieb auf wenige Stunden zu begrenzen, sonst aber zu der Lautlosigkeit manueller Arbeit zu greifen, freilich, die förderte wenig, zu wenig. Im übrigen konnte den Badegästen der Dampf nur willkommen sein, den Weg meister hinter alles machte. Seine kräftige Faust fegte mit gewaltigem Besen die Lasch, heiten aus dem ganzen Betriebe. Es klappte. Das Essen im Kurhause schmelle einwand frei, allerdings sah man den behäbigen Oekönomen nie mehr mit gesteiftem Kragen, er war beständig aufgelöst. Das leibhaftige Beschwerdebuch jedoch blieb selbst von den anspruchvollsten Damen unbehelligt; es spa zierte auf eleganten Beinen flirtend einher und war vielseitig galant, ohne den hinter- listigen Gedanken: Du mußt ihnen so oder so die Mäulchen stopfen. Es ging tadellos bis auf eines, und daS war leider die Hauptsache: bis auf die ! Baderei. Brunnen zum trinken gabs frei- ! lich, aber sonst zeigten sich die Quellen mit ! ihren Gaben immer zurückhaltender. Der Oberarzt geriet schon in Konflikt mit dem , General-Direktor. Er nahm selbst seinem Beruf zu Liebe Einsicht in Quellenbildung rind Kunde und behauptete geradezu: der Amalienbrunnen litte durch die unausge setzten Buddeleien in nächster Nähe, er wäre bisher nicht intermittierend gewesen. Den jetzigen Mangel verdanke man dem rings- um gelockerten Erdreich, das Durchsickerungen begünstigte. Dem älteren, sehr sicher auf tretenden Manne gegenüber, mußte der Ge neral-Diiektor, sich schon zu hundert Aus flüchten und Versprechungen herablasjen. sein ganzer Zorn aber entlud sich über da? Haupt des kleinen Ingenieurs. Warum fand er nicht sofort etwas? Mit der Zeit — da? war natürlich. Er, Arnold Wegmeister, wollte es aber jetzt gleich, und bisher hakt, er nie Umwege gebraucht zu Zielen. In dem Trotz des Mannes, in der querköpfigen Verbissenheit lag Ansteckung. Belling ar beitete wie ein Pferd und hatte schon ein sol ches Nervenzittern, daß er sich bei seinem Chef eine Gratis-Kur im Sanatorium neben seinen Diäten ausmachte. Der legte ihm lachend die schwere Hand auf die Schulter: „Einverstanden, Heinrich Belling. Habe: wir sie, dann spielt das" keine Rolle." Wegmeister selbst gönnte sich kaum ein. freie Stunde. Ganze Nächte hindurch durch, stöberte er Bücher, die er sich von weither verschrieb. In Frau Geheimrat von Lie ders Kreis schwirrten wunderliche Nachrich ten über die Mittel, durch die er sich wach- hielt. Jedenfalls sanden die meisten Damen, ! daß er mindestens ein Uebermensch wäre, und die wirklich Modernen nannten ihn „eminente Persönlichkeit". „Warten Sie hier eigentlich noch immer, ! ohne ein Bad bekommen zu haben, gnädiges