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Der l^o!a-brunnen. Ei» LvimucneiiilNi ll/n A tt g u s! N! II rck. igortsetzuiig.I 2 lles aber wurde überragt von einer massiven, gut erhaltenen Burgruine, die der sonst nur lieblich anmutigen Gegend ein Gepräge von pittoresker Ro mantik verlieh. Die Badegäste, einige Hundert an der ssahl, versicherten denn auch unter einander „wirklich nett, sehr nett," und setzten seuf- zend hinzu: „freilich an den Rigi, oder an die Perle der Perlen, das himmlische St. Moritz, darf man nicht denken. Es blieb hier alles so zurück — Einrichtungen der Bäder und Quartiere. Wenn inan auch zu Hause den cri du sour, die Biedermeierei, initmacht, draußen bekommt sie, zumal so ganz echt, etwas Muffiges." Und dann murrte man, — es war ja unendlich viel -seit dazu — über weitere „ganz unerträg liche" Einzelheiten. Einige, besonders Kühne, wagten auch an das in ewigen Lackschuhen einher- ichreitende gräfliche Beschwerdebuch heran zutreten, und schütteten in feinen reichlich gestärkten Busen allerlei große und kleine Wünsche aus. Der Herr Badedirektor, Graf von Mützelstein, Hauptmann a. D., ftand bei den Tiraden stramm, ließ das Nkvnocle fallen und versprach — innerlich überzeugt, es würde nicht ein Jota geändert werden — in einein Atem den üppig-brünetten, er regten Damen den Himmel und die Welt. Die Musikanten packten eben ein, als der kleine Fägdwagen des Kurhauses am Hinteren Eingang zwei Reifende abfetzte: den am Ort viel besprochenen Berliner General-Direktor und einen Techniker, ein bewegliches, nervöses Herrchen, das für Wegmeisters Lieblingsplan, Bohrversuche nach einer neuen Stahlquerle vorzunehmen, Feuer und Flamme war. Hierum drehte sich auch unterwegs die Unterhaltung, einige ihm schon angekündigte momentane Beschwerden erwähnte der Gründer kaum. Rus einem Seitenkorridor des großen Hotel-Betriebes trat der Qekonom den An kommenden entgegen. „Gut, daß Sie hier sind," rief er im Bierbaß, „weiß der Kuckuck, sowie wir Sie hierhaben, rollt die Karre glatt und die ewigen Nörgeleien hören auf." „Ich setze am Ende die Schulter an der rechten Stelle an, mein lieber Norgut," ent gegnete Wegmeister; er warf seinen Staub- mantel und Hut aus den ersten besten Stuhl im Privatzimmer des Hoteliers. „Jetzt in der Saison heißt es nun mal, dalli, dalli! Die Zeit kommt nur zu schnell wieder, wo Kehraus gemacht wird, Ihnen hier in der Bude, mir drüben in den Bädern. . . . Uebrigens erlauben Sie... „mein Oekonom Herr Norgut, Herr Ingenieur Heinrich Belling, Quellenfinder par excellence. Ich behaupte und bleibe dabei: wir finden auf »reinem Terrain noch 'ne neue Quelle. Ich will 'ne andre — ich will." Ein Aus druck unbeugsamer Entschlossenheit ließ seine Hellen Äugen hart und grausam er- scheinen. „Die Lumperei mit dem alten Nieselchen, das alle Minuten tausend Tropfen hergibt, ist mir über, sag' ich Ihnen. Schwimmen werden wir hier in ihermal-Waper Wie kann denn ein Kur- ml hvchkommen, in dem es bei einigem Besuchtsein sofort an einer Kleinigkeit mangelt, an dem nötigen Badewasser? Wir spüren den Brunnen schon auf, was Hein rich Belling?" Der Ingenieur nickte lachend, während Norgut eigenhändig einen Imbiß auftrug und verdrossen den runden Glatz-Kopf schüttelte. „Sherry, Herr Ingenieur? Zu stark? I nee doch. Selters und Mosel? Auch gut. Stürmer!" Der Begehrte slog heran und dienerte tief vor dein General, wie er den Unter- nehmer praktisch kurz, bei sich taufte. „Seh' ich Sie beim besten Wohlsein, Herr Wegmeister?" fragte er. Ergebenheit in jeder Stirnlocke. „Sie sehen riesig frisch aus, als hätten Sie mindestens sechs Wochen lang hier . . ." „AmaliewQuelle getrunken, wollten Sie wohl sagen, kleiner Schwerenöter," unter brach der andere ihn. „Und sonst — wie geht's, wie steht's mit?" ... er machte die Gebärde des Geldzählens. „Ist leistungs fähiges Publikum da, oder steht die Sache nur faul im Staate Dänemark?" Der Ober wagte eine Grimasse. „In mein Portemouenaie geht's noch rein. Herr Generaldirektor kennen die Sorte. Viel Titel, wenig Mittel. So die anderen, die vvn der Fondsbörse, meine ich, kommen nicht zu uns, die gewöhnten sich nach Mon- Repos und ins neue Sanatorium. Der neueste jetzt hier ist ein Geheimrat a. D., Berlin, mit Gemahlin und Tochter. Wohnt zweiter Güte — Etage mein' ich. Er ist ein tauber, gemütlicher Herr. Die Alte — na — wie die immer sind. Die Tochter hübsches Mädel, schönes Mädel sogar, nur stark anämisch." Arnold Wegmeistecs kräftiger Körper schüttelte sich vor Lachen. Ein Zug von Härte, der sonst das ganze, grob modellierte Gesicht beherrschte, wich momentan. „Da spricht Ler Verkehr mit dem Doktor aus Ihnen, Stürmer. So ein bißchen allseitige Bildung ist zu nett. Und bei dem die Praxis? Rennen die Mädchen ihm noch so nach? Da werden dann, wenn die sich den Magen verdarben, die Mamas gleich mit kuriert. Unsere Tanum hier sind sonst mehr oder weniger unberechenbar, weil alle ein bißchen hysterisch angegangen. Für die Sorte ist seine Zimperlichkeit nicht recht was." „Jedenfalls brachte ich ihn mit den Berliner Herrschaften schon zusammen," meinte Stürmer wichtig,'„wie es sich nun weiter entwickelt . . ." „Hauptkerl! Sie machen mich hier über- slüssig." „Herr Generaldirektor, wie würde ich jemals wagen. . . . Dars ich den Heren nicht nochmals eingießen? Nicht noch ein Kaviar-Brötchen, Herr Direktor? Beluga, sehr zu empfehlen. Käseschnitte, mein Herr. Nein? Fertig. So." Im Nu schichtete er das gebrauchte Porzellan auf seinem Arm hoch und wiegte sich, geschmeidig in jeder Bewegung, zum Zimmer hinaus. „Ein brauchbarer Mensch," sagte Weg meister. „Und nun zu unserm Geschäft, Herr Belling, aber ordentlich." Sein Ingenieur war schon mitten darin. Er breitete einen Terrain-Plan aus, aus dein er noch einige Zirkel-Messungen vor nahm, um sie eilends mit flüchtigen Buch staben in einem Notizbuch zu verzeichnen. „Mit den Vorarbeiten wär' ich so weit, dank meiner gründlichen geologischen Vorbe reitung zu Hause. Wir könnten augen blicklich mal rüber, damit ich meine Fühl- Hörner an Ort und Stelle ausstrecke, wobei mir eben meine Studien zu statten kommen werden." Er sprang lebhaft hoch und drehte sich auf der Suche nach seinem Hut dreimal um die eigne Achse. „Da ist er — etwas verbeult, das schadet nicht. Die Bodenformation und spezielle Quellenlage rung muß ich natürlich lokal eingehend er gründen. Dazu bin ich hier. Aber, da die Verteilung vcn wasserdurchlassendem und wassersperrendem Gestein, das sind die quellenbildenden Faktoren, meine Herren, auf dem Geröllterrain hinter Ihrer Wiese. Herr Wcgmeister, sehr ausgeprägt sein soll, sehe ich gar nicht ein, warum wir dort nichl eine neue ergiebige Ader aufstöbern sollten Die Quellenkanäle liegen voraussichtlich aus dem Niveau der jetzt bestehenden beiden Thermen, es ist also Chance vorhanden, daß unser neuer Brunnen auch mineralisch ist." Der Wirt schmauchte am Tisch sehr ge- mütlich seine Havana. Er wippte den schweren Oberkörper gemütlich hin und her. „Na, na," meinte er, das Kraut noch zwischen den Zähnen, „auf was zu rechnen, was unter der Erde liegt, if! immer gewagt. Aber, es ist Ihr Studium, Herr, Sie müssen's wissen. Nur" — ihm liefen die Adern auf dem kahlen Schädel dick an, er redete sich in Zorn hinein — „warum wird mit der Buddelei nicht gewartet, bis die Saison zu Ende ist? Das kommt noch immer zurecht, die Quelle läuft nicht weg Eile mit Weile. Und wenn dadurch schließ, lich die Amalienquelle immer trockner wird, die drippelt überhaupt kaum noch? Der Wilhelmsbrunnen ist gar nicht mitzurechnen, und sie lassen drüben jetzt schon eine ganze Portion Sllßwasser zu jedem Bad, oder nehmen künstliche Kohlensäure. . . . Und das kommt schließlich unters Publikum und diskreditiert das Bad; und wer leidet? Ich, ich. Sie halten's schon aus . . . ein reicher Mann wie Sie sind." „Was ich bin oder nicht bin, geht Sie gar nichts an," fuhr Wegmeister auf ihn los. „Wir machen Kontrakt — damit basta." Seine wuchtige Faust sauste auf den Tisch nieder. „Und wenn ich die Geschichten mit Versetzen der Bäder höre, dann sage ich: nun erst recht suchen, bis zur Erschöpfung, bis zum . . . Das jetzt Zulaufende sollte auch hinreichen, wenn es nur ordentlich ein gerichtet würde . . . den Schlendrian mag ich nicht. Es kommen hier Menschen her, die gesund werden wollen." Mit kurzem Räuspern entgegnete Norgut. „Ein paar — mag sein. Aber die Uebrigen! Wo sollen denn die Berliner Aerzte mit den reichen Patienten hin? Der Sommer isi lang, und immer die großen Plätze, daS wird den Kunden auch über, bei denen das größte Leiden zu Viel Geld ist. Setzen Sie man wieder 'ne nette Röunion an, und seien Sie selbst recht mitten unter der Damenwelt, der junge Herr Doktor und der Herr Hauptmann verstehn sich ja auch drauf, und Sie solün sehn, wie es hilft; die roten Backen! Unter uns, die ganze Brunnen-Trinkerei ist doch nur Unsinn, und's Badewasser! Geplanscht Wird überall." Er dachte an das gründliche „Taufen" seines letzten Fasses EHRean Margaux und legte sich faul in seinen Stuhl zurück. Der General-Direktor erklärte sehr Ichars,