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sich das Auge an den netten Häusern, immer mit einer Menge Blumen hinter den blankpolierten Fensterscheiben und mit allerlei Blättergerank an der Mauer empor und zuweilen auf dem Dach. Auch im Innern des Pfarrhauses war es behaglich. Obschon der junge Pastor nicht verheiratet war, sah man doch allem an, daß eine weibliche Hand die Aufsicht führen mußte. Ein niedlicher Tisch stand für zwei gedeckt, und die Dame, die ihn erwartete, ging unruhig zwischen dem Tisch und der Küche hin und her. Sie blickte nervös nach der Uhr, so oft sie hereinkam; sie bangte um ihre Speisen, weil der Zeitpunkt der Heimkehr des Pastors bereits be deutend überschritten war. Sie war in den Dreißigern und sah ausgezeichnet aus; sie war nicht schön — ihre Züge zeigten viele Un regelmäßigkeiten, — aber man konnte die Augen nur mit Mübe von ihr abwenden. Am meisten deshalb, weil sie sn gerade, so prunklos, zierlich und in ihrer Kleidung nett war, mild und hold von Ausdruck und still und bescheiden in ihrem Benehmen. Von Gestalt war sie vielleicht etwas zu grob und zu dünn; aber es lag Reiz in ihren Be wegungen, obschon sie sich etwas nach vorn beugte. Sie war dunkelblond und hatte entzückend graue Augen mit langen Augenwimpern und schön gezeichneten Brauen, eine fehlerfreie Aussprache und eine angenehme Stimme. So war Agnes Lerbaek. Frau Hilmar hatte unter einer Legion von Be- werbwinnen gerade sie ausgewählt, es war unmöglich, sie zu übersehen. Eigentlich war sie in Jütland geboren, weil aber ihre Eltern starben, als sie noch klein war, so wurde sie samt einem paar der eigenen Kinder der Familie in einem seeländischen Pfarrhaus erzogen. Sie wurde gut unterrichtet, kam aber früh hinaus; doch war dies erst ihre dritte Stelle. Endlich kam der Pastor nach Hause; er war auf gehalten worden. Sophus Hilmar war ein schöner Mann, groß, schlank, dunkel. Er glich nach seinem Nutzern viel mehr einem Offizier als einem Pastor. Sophus hatte etwas von einem Stubengelehrten und daher jenen blassen Teint, der oft die Folge davon ist. Er war alles andere als ein Kopfhänger und mochte sich in fröhlicher Gesellschaft gern ein Stünd chen gönnen, wenn er ein junges Mädchen sitzen bleiben sah, weil etwa zu wenig Herren da waren. Er liebte es, dann und wann ein schönes Schauspiel zu sehen und be sonders eine Oper zu hören, und war fest davon überzeugt, daß darin ein grotzer Wert von erzieherischer und bildender Bedeutung lag. In den Augen der Frauen war er un widerstehlich. Er gehörte weder der einen noch der anderen Richtung an, sondern huldigte den Worten: .Wer mich anbetet, soll mich im Geist und in der Wahrheit anbeten/ Wahrheit vor allem! Hilmars Predigten waren klar durchdacht und wurden in untadelhafter Form mit Innigkeit und Wärme oor- getragen. Er gewann nach und nach die Herzen, um so mehr, als seine hinter den Worten stehende Person sicher und stattlich war; er ließ sich nicht hinters Licht führen oder von seiner Überzeugung abwendig machen. Dazu war seine Erfahrung nicht gering; seinen Stand punkt hatte er sich durch jahrelanges Suchen, durch Zweifel und Kämpfe errungen, und niemand, selbst nicht seine Mutter, die er sehr liebte, und mit der er vieles gemeinsam hatte, kannte vollständig die Seelenleiden, die er durchgemacht hatte, um die Lebensquelle zu erreichen, aus der er nun schöpfte, seinen Glauben an und sein Ver trauen auf Christus als Versöhner und Sohn Gottes, Der Zweifel und die Anfechtungen lagen hinter ihm, und das Glück, das er dabei fühlte, war ihm das sicherste Zeichen davon, daß er ein freigemachter Mann war, ohne sich erhoben zu haben. Dazu fühlte er, daß er durch Selbstprüfung und Bekenntnis, seinem geistigen, täglichen Thermometer, vorwärts kam. Mit jedem Tag liebte er seine Tätigkeit mehr. Er schonte sich selber nicht. Jedermann, ob arm oder reich, ob groß oder klein, wußte, wo er zu treffen war, und dabei kam sein freundliches, lebhaftes Wesen ihm ausgezeichnet zu Hilfe. Er war ein Herzenseroberer, und nicht am wenigsten fühlten sich Männer von ihm angezogen. Ob dies seinen Grund darin hatte, daß er hauptsächlich von einer Frau erzogen worden war, mag dahingestellt bleibe"- . , > Der Brief seiner Mutter erwartete ihn. Darin lag ein Bild von Iris; er ergriff es sogleich und betrachtete es stutzend. Er behielt es lange in der Hand, als wenn er Zug um Zug den Charakter aus dem schönen Bild herauslesen wollte. Sorgfältig las er den Brief Ler Mutter und nahm wieder das Bild zur Hand. „ „Unleugbar ist sie schön!" sagte er halblaut, und als Fräulein Lerbaek ihm gleichzeitig den Kaffee anöot, sagte er: „Dank, vielen Dank! — Hier sehen Sie ein Bild meiner künftigen Schwägerin!" „Die ist ja schön!" „Gewiß ja, so scheint es. Die schöne Iris! — Eine merkwürdige Blume übrigens, aber sie duftet nicht; Blumen mit Duft sind mir lieber." „Doch, gewitz duftet sie — sogar stark!" „So! übrigens glaube ich mich zu erinnem, daß ihr Duft eher unangenehm ist. Mutter hatte einmal ein grobes Glas mit einigen weißen Blumen stehen, das sie infolge eines unangenehmen Geruchs beiseite stellte! Es waren gewiß Iris, ja, ich erinnere mich jetzt deutlich, daß wir den Namen für das schönste an der Blume hielten; es ist ja der Name einer Göttin." „Die Blume ist prächtig und — apart, sehr apart, und ste hat reizende Farben." „Nun ja, das mag sein! — Meine Lieblingsblume ist nun einmal die bescheidene, wunderbare Maiblume!" sagte er und nahm das Bild wieder in die Hand — — „diese Iris ist unzweifelhaft schön!" sagte er dann, indem er das Bild wieder in den Umschlag steckte. „Sie schließen die Gartenzimmertür; weshalb tun Sie das?" fragte er, vom Brief aufsehend, in den er sich wieder vertieft hatte. „Es beginnt zu regnen; wir bekommen gewiß ein schreckliches Gewitter, es sieht so dunkel aus." „Das will ich nicht hoffen, ich muß wieder aus gehen." — „In diesem Wetter! Es wird gewiß sehr schlimm." „Hilft nichts, ich habe Geschäfte!" antwortete er kurz. Nicht lange nachher hörte ihn Agnes hinausgehen. Gegen Gewohnheit hatte er nichts davon gesagt, wann er zurückkommen würde. Sie hatte bemerkt, daß er es nicht leiden mochte, wenn man sich in seine Angelegen heiten mischte. Was ging es sie auch an, ob er ausging — er konnte ja selber sehen, wie das Wetter war. Und das Gewitter kam. Das Meer brauste auf und peitschte die Wellen gegen die Felsen, so daß der Gischt der Brandungen wie dichter Nebel ins Land hineinflog. Der Regen stürzte in kürzeren oder längeren Pausen herab, dann und wann in dicken Strichen zwischen Himmel und Erde. Es wurde dunkel wie am Abend, nur die schnell aufeinander folgenden Blitze unterbrachen das Dunkel und funkelten zwischen Himmel und Erde, so daß es aussah, als wenn alles in Flammen stünde. Und so oft der Donner dröhnend das Echo zwischen den Felsen weckte, war es, als wenn die Erde in Todesangst bebte, um schließlich in die schäumenden Wellen hinauszustürzen, deren gewaltiges Brausen mit dem Donner darin wetteiferte, wer das andere über- täuben könnte. Einige Augenblicke kam es Agnes vor, als wenn die kleine Insel dem Untergang geweiht wäre, vom Meer umschlossen, wie sie war. Nie hatte sie größere Furcht im Gewitter empfunden, als auf dieser Felseninsel im Meer. Der Pastor kehrte noch immer nicht zurück, was sie um so ängstlicher machte. — Endlich, nach zweistündigem Wüten, legte sich das Gewitter; seit Menschengedenken hatte niemand auf der Insel ein solches Unwetter erlebt. Der Pastor kam noch immer nicht; er mußte zu den zer streuten Höfen draußen in der Gemeinde gegangen sein, wohin der Weg lang und einsam war. Sie öffnete Fenster und Türen, um nach allen Richtungen zu spähen. Als sie im Begriff stand, wieder zu schließen, stürmte die eingeborene Magd händeringend herein und sagte, daß ein Mann dagewesen sei und er zählt habe, der Pastor sei vom Blitz getroffen worden unb es wären mehrere Gehöfte abgebrannt. Agnes sank sprachlos um. o LZ Dutze knabe SSL '2 -2 «r, Es ging nicht so schnell mit der Kirche, wie stch Hermann gedacht hatte. Vor allem herrschte Uneinigkeit über den zu be nützenden Platz. Hermann fand es unpassend, daß man nicht in der Richtung Süd-Nord bauen sollte, weil die ovale Form des Platzes geradezu darauf verwies. Davon wollte aber das Komitee nichts hören. Es sollte natürlich Ost-West gebaut weroen; den Altar gegen Osten, so war es alter Brauch. Es war vergebens, daß er ihnen bewies, welche Zierde für die Landschaft die Kirche bilden würde, und wie viel geschützter ihre Lage sein müßte, wenn man ihn gewähren ließe. Dann stritt man sich darum, ob die Kirche rot oder weiß werden sollte. Hier setzte er endlich seinen Willen durch. Sie sollte rot sein mit einem gezackten Giebel und einem ansehnlichen Turm. Weil das Ziegelwerk dicht daneben auf der entgegengesetzten Seite des Waldes lag, so konnte das Material schnell zur Stelle geschafft werden. Dann hatte der Tischler, vom Komitee gepreßt, am Maß der Fenster geknausert, das Hermann angegeben hatte. Der Komiteepräsident war Schulze und Reichstagsmitglied, und er mußte schuldige Rücksicht auf die Stimmen der Gemeinde nehmen, besonders weil die Herbstwahlen vor Ler Tür standen. Nicht um alles auf der Welt durfte er das Budget, das bewilligt und bereits erweitert war, überschreiten. (Fortsetzung folgt.) Oer franrole als Olumenliebkaber. Plauderei von Dr. Schweitzer. (Nachdruck verboten.) Für Blumen hat man in Frankreich immer geschwärmt. Im Mittelalter schon stand die Rose in hohem Ansehen, Und um diese Beliebtheit haben sie auch Kamelien, Chrysanthemen, Azaleen, Orchideen und wie die modernen Wunderblumen alle heißen mögen, nicht zu bringen ver mocht. Die Rose zierte bei feieüichen Gelegenheiten die Tafel; mit Rosen bestreute man den Weg, den die kirch lichen Prozessionen zu nehmen hatten (was hier und da auch heute noch der Fall ist); Rosensträußchen überreichten im Justizzebäude die streitenden Parteien den gestrengen Richtern usw. Trotz alledem war aber die Rosenkultur nur wenig entwickelt. Unter Ludwig XIV. konnte der Hofgärtner nur vierzehn Rosenarten aufweisen, während man jetzt mehr als 6000 kennt. Erne eigentliche, wenn auch nur recht unbedeutende Blumenkultur gibt es über haupt erst seit dem 16. Jahrhundert. Was die oben er-' wälmten exotischen Blumen angeht, so sind sie zum großen Teil erst im vorigen Jahrhundert bei uns bekannt ge worden. Die aus China und aus Japan stammende Kamelie kam erst 1799 nach Frankreich: zum erstenmal er schien sie in den Treibhäusern von La Malmaison, wo Napolons Gattin Josephine sie einführte. Die ersten Chrysanthemen-Sämlinge pflanzte im Jahre 1826 Bernet .ans Toulouse; die neuen Abarten dieser Blume brachte in den letzten Jahren des Zweiten Kaiserreichs Robert Fortune nach Europa; Azaleen kennt man erst seit 1823, und Orchideen wurden erst um 1840 akklimatisiert; die Eng länder und die Belgier waren die ersten, die sie anzubauen versuchten. Kurz, die Entwicklung des Blumenhandels vollzog sich in Paris recht langsam und fast unmerklich; es mag erst um 1830 gewesen sein, als die Auslagen der Blumenhändler die Aufmerksamkeit des Publikums zu er regen begannen. Berühmt war damals vor allem die Blumenhändlerin Prevost im Palais Royal, bei der alle Berühmtheiten jener Zeit ihren Blumenbedarf deckten; einer ihrer besten Kunden war der Dichter.Barbey d'Aurevilly, der sich immer und überall mit einer,Blume im Knopfloch zeigte. Obwohl man schon in jenen Tagen viel Blumen ver kaufte, war die Zahl der Blumenläden doch noch recht klein. Gab es doch kurz vor Ausbruch des deutsch französischen Krieges in ganz Paris nur 40 Blumen händler! Heute gibt es deren etliche Hunderte. Das beweist, daß stch im Blumenhandel eine gigantische Um wälzung vollzogen hat, und das erst seit höchstens vierzig Jahren. Bis dahin hatten die Blumenhändler mehr Geschäfts- als Kunstsinn. Man hatte wohl Geschmack, legte aber auf Schönheit und künstlerische Anordnung in I der Blumenbinderei nur wenig Gewicht. Man vermochte ' wohl Farben wirkungsvoll zusammenzustellen und abzu- stufen, opferte aber sozusagen die Blume selbst. Man er innert sich wohl noch an die mehr oder minder umfang reichen runden Buketts, in welchen die eng aneinander- gepreßten armen Blumen eine kompakte Masse bildeten. Sie waren von einer durchbrochenen Papiermanscheite um geben und gefielen denen, die mit ihnen beglückt wurden, außerordentlich; ihrem Triumph folgte aber gewöhnlich ein schneller Tod, da sie an Drahtfäden befestigt waren und infolgedessen rasch verwelkten. 1877 erst kamen die bedeutenderen Pariser Blumenhändler mit kühnen Neuerungen heraus, indem sie jeder Blume einen individuellen Wert zu geben suchten. Man sah Sträuße auftauchen, die zwar weniger voluminös, dafür aber weit eleganter und zarter waren als in früherer Zeit, Sträuße, welche durch ein paar geschmackvoll arrangierte Rosen alles zur Bewunderung binrissen. Diese neuen Bindemethoden zwangen die Blumenzüchter, die langen Stengel zu respektieren, und als das Publikuin merkte, daß man Blumen jetzt acht Tage und noch länger aufbewahren und frisch erhalten konnte, begann es auch mehr zu kaufen. Der Blumenhandel in Paris nahm nun einen gewaltigen Aufschwung. Von den vielen Hunderten Blumenläden war bereits die Rede. Dazu kommen aber noch Hunderte von Kiosken, fast 2000 kleine Händlerwagen, die täglich mit frischen Blumen durch die Straßen der Hauptstadt fahren, und schier zahllose Kamelots, die sich als fliegende Blumen händler etablieren. Man wird nun wohl neugierig sein zu erfahren, woher all die Schnittblumen, Topsblumen und Blatt pflanzen, die in Paris verkauft werden, kommen mögen. Die Blattpflanzen kommen fast ausschließlich aus Belgien und dem nördlichen Frankreich, wo die Blumeukultur sich in überraschender Weise entwickelt hat. In diesem Teil des Blumenhandels werden nach einer jüngst erschienenen Statistik jährlich rund 7 Millionen Frank umgesetzt. Interessant ist die Tatsache, daß die Sämlinge der Blatt pflanzen den Belgiern und den Nordfranzosen aus dem südlichen Frankreich zugehen. Die nicht aus dem Norden kommenden Blattpflanzen und Topfblumen, die in Paris verkauft werden, figurieren in der Statistik mit 13 Mil lionen Frank. Schnittblumen liefern den Parisern vor allem die fünfhundert Blumenzüchter und Gärtner aus der Umgegend von Paris. Man schätzt den Ertrag dieser Verkäufe auf 15 Millionen Frank. In den ersten Oktober tagen erscheint in den Hallen die sogenannte Nizzablume, die Mitte Mai wieder verschwindet. Während dieser sieben Monate werden in Nizzablumen fast 12 Millionen Frank umgesetzt. Alles in allem beträgt der Umsatz im Pariser Blumenhandel seit mindestens zehn Jahren jährlich mehr als 45 Millionen. Abzuziehen hiervon wären aller dings 15 Millionen, die den Wert der von Paris nach der Provinz oder nach dem Ausland verschickten Blumen darstellen. In Paris kauft alle Welt Blumen. Keine Hausfrau ist so arm, daß sie sich nicht das Vergnügen machte, ihre bescheidene Wohnung mit einem Sträußchen zu schmücken. Die Blumenwagen, die durch die Straßen fahren, kehren am Abend fast alle vollständig leer heim. Man muß ge sehen haben, wie die jungen „Midinettes" einen Veilchen wagen im Sturm nehmen, um sich von der Blumenliebe der Pariserin einen richtigen Begriff zu machen. Viele Grisetten würden lieber ihren Frühstücksetat um zwei Sous kürzen, ehe sie auf das Veilchensträußchen am Mieder verzichteten. Bei dieser Gelegenheit fei erwähnt, daß im Frühling das Veilchen aus der Umgegend von Paris kommt, während es im Winter aus dem Departement Var geschickt wird, mit Ausnahme des sogenannten Parma veilchens, das Toulouse liefert. Zu den besten Kunden der prunkvollen Blumenläden gehören die in Paris weilenden Fremden. An der Spitze stehen hier die Amerikaner, die viel kaufen und nicht zu handeln pflegen. Dann kommen die Russen. Die Engländer handeln lange und kaufen dafür weniger. Was die französische Aristokratie betrifft, so verhält sie sich mit Bezug auf den Blumenschmuck sehr reserviert. Trotzdem gibt es vornehme Häuser, in welchen bei großen Festen der Blumenschmuck der Tafel 6000 Frank und mehr kostet. Die prunkvollste Blumentzekoration leisten sich die Pariser Börsenmakler bei ihrem jährlich statt findenden Bankett... - - — !