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Sofort wandte Ler Fürst von Poniatowski, von dem die Leute, die ihn jenseits des Ozeans kannten, behaupteten, er hieße eigentlich Georg Markowicz, seine Schritte und ging nach dem Hotel zurück. Dort ließ er sich bei dem bestohlenen Amerikaner melden. Mr. Brown ' empfing ihn mit jener ausgezeichneten Höflichkeit, welche der „freie" Amerikaner altadlichen Familien des Kontinents entgegenbringt. „Ich habe", so begann der Fürst, „nachträglich von jener unliebsamen Diebstahlsgeschichte gehört, welche Sie, mein Herr, betroffen hat. Da ich mich von jeher ein wenig für die Verhrechen und diejenigen, welche sie aus führen, interessiert habe, so war es mir auch in diesem Falle nicht möglich, ganz untätig zu bleiben. Umsomehr, als mir der Zufall half und fick mir gewisse Beobachtungen geradezu aufdrängten, habe ich mich ein wenig in dieser Sache bemüht und bin darauf gleich zu einem Resultat gekommen. . . . Sie kennen vielleicht den Herrn, der mit mir in einer Etage wohnt und sich, wenn ich nicht irre, für einen Detektiv, für ein Mitglied der Pinkerton- Association ausgibt." — „Sie sprechen von Mr. Snofles?" fragte der Amerikaner. „Wie der Herr heißt, weiß ich nicht, mir ist im An fänge nur das rätselhafte Benehmen dieses Mannes aus gefallen, der stets aus seinem Zimmer sitzt und sich mit Gott weiß welchen Dingen beschäftigt. Ich habe nun eines schönen Tages, wohl während dieser Herr irgend eine kleine Besorgung erledigte und dabei, was er sonst nie vergißt, sein Zimmer nicht abschloß, der Versuchung nicht widerstehen können, einen Blick in diesen Raum hineinzutun. Und da sah ich, was mich sehr in Erstaunen setzte, den Anzug liegen, den die Diener unseres Klubs tragen. Ich habe mir darüber meine Gedanken gemacht, habe sodann, da ich mich als Mitbeteiligter dazu berechtigt glaubte, an einem der nächsten Tage die Tür dieses Herrn mit einem Nachschlüssel geöffnet und bei dieser Gelegenheit eine Brieftasche auf dem Tische liegen sehen, welche oben in der Ecke des braunen Lederetuis ein goldenes „L" als Monogramm trug." „Das ist meine Tasche!" rief Mr. Brown. „Und diesen Gauner habe ich selbst mit der Auffindung des Diebes betraut." Der Fürst lächelte. „Vielleicht haben Sie die Güte, mit mir herunterzukommen in das Zimmer dieses Mannes, das wir in Gegenwart des Hoteldirektors durch einen Polizisten öffnen lassen werden." „Aber sofort!" Der Amerikaner sprang auf. „Ich bin doch begierig, wie sich der Mensch benehmen wird, wenn wir ihm gegenübertreten werden.". Die beiden Herren begaben sich in das Vestibül des Hotels, ließen sich den Direktor rufen, und nachdem ein Polizemann herbeigeholt war, ging man daran, die doppelt verschlossene Tür zu öffnen. Das Zimmer war leer. Ein Koffer mit Sachen stand darin, Wäsche und Kleidungs stücke waren hier und da nachlässig umbergestreut und tat sächlich lag die Uniform des Klubdieners auf dem Divan. Der Hoteldirektor, der schnellen Schrittes in das Zimmer hineinging, fand unter einem Stoß von Papieren, den er aufnahm, auch das Portefeuille des Mr. Brown mit dem goldenen Monogramm auf dem Tisch liegen. Er über reichte dem Amerikaner sein Eigentum und dieser nahm es mit der Bemerkung: „^.ll ri§kt, öffnen brauche ich es wohl gar nickt erst." Wie er dies aber dennoch tat, fand er seine Ver mutung, daß die Brieftasche leer sei, vollauf bestätigt. In diesem Moment kam ein Kellner und meldete dem Hoteldirektor, ein Herr wünsche ihn zu sprechen, wobei er ihm eine Karte übergab. Auf dieser stand: „James I. Snofles, Pinkerton-Assocation." Der Direktor zeigte die Karte den beiden andern Herren mit den Worten: „Was sagen Sie dazu?" „Lassen Sie ihn nur heraufkommen", meinte Mr. Brown. Und gleich darauf eilte der Kellner die Treppe hinunter mit der Weisung, den Fremden hinaufzugeleiten. Die drei Herren warteten gespannt auf das Erscheinen dieses merk würdigen Mannes. Aber sie hörten sofort, daß mehrere Leute die Treppe heraufgingen. „Es wird der Kellner sein, der wieder mit herauf kommt", meinte der Direktor leise. Fürst Poniatowski schüttelte den Kops. Er ahnte, daß der- Detektiv sich nicht wieder ohne einen polizeilichen Schutz in seine Nahe wagen würde . . . Und seine Ahnung betrog ihn nicht. . Gleich darauf erschienen im Nahmen der Tur drei Herren. Der Fürst sah sie kommen. Ein undefinierbares Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich heiße Snofles", wandte sich der erste an den Hoteldirektor. Die beiden andern legitimierten sich als Beamte der englischen Polizei. „Ich bin hier, um diesen Mann zu verhaften!" sagte der Pinkertonianer und deutete auf den Fürsten. „Warum wollen Sie denn den Herrn verhaften?" fragte der Hoteldirektor. „Weil er ein Spitzbube ist, der die halbe Welt be stohlen und begaunert hat", sagte Snofles, der hier, wo er englisch reden konnte, viel sicherer auftrat. „Im übrigen habe ich noch eine private Rechnung mit ihm zu be gleichen, er hat mich, Snofles von der Pinkerton-Association, ins Loch gebracht! . . ." „Damit hat der Herr vielleicht gar nicht so Unrecht getan", mischte sich der Millionär ein, und der Hotel direktor setzte, sich an die englischen Polizisten wendend, hinzu: „Dieser Herr", er zeigte auf Snofles, „hält sich seit einiger Zeit hier bei uns auf, das heißt, er bewohnt ein Zimmer der ersten Etage neben den Appartements des Fürsten Poniatowski." Eine leichte Verbeugung zu diesem hin begleitete seine Worte. „Und da ist nun leider ein sehr peinlicher Vorfall passiert. Einer unserer werten Gäste, Mr. Brown", er verbeugte sich vor diesem, „hat das Unglück gehabt, seine wohlgefüllte Brieftasche hier in unserm Hotel einzubüßen. Wir waren damals der Ansicht, daß ein Klubdiener der Täter sei und haben diesen entlassen. Und heute müssen wir uns gestehen, daß wir dem Manne bitter Unrecht getan haben, denn der Diebstahl ist zwar nicht von einem Klubdiener, wohl aber in der Uniform eines solchen aus geführt worden, und diese Uniform finden wir soeben im Zimmer des Herrn Snofles . . . Hier, bitte, überzeugen Sie sich selbst." Der amerikanische Detektiv stutzte, er konnte sich den Zusammenhang der Sache offenbar noch nicht reckt er klären. Aber der Fürst, der sich bis jetzt vollkommen sicher glaubte und den Pinkertonianer scharf beobachtete, sah mit Befremden, wie dieser sein ruhiges, sorgloses Wesen trotz alledem beibehielt. Nun, er wollte ihn schon bald genug festhaben, trotz der beiden englischen Bulldoggen an seiner Seite! Da erstand dem Pinkertonianer eine Hilfe in seinem Landsmann, dem Millionär Brown, der ja mit dem Detektiv noch kurz vorher eine Unterredung gehabt hatte. Wohl hatte Georg Markowicz als Doppelgänger seines Todfeindes, des Detektivs, mit der ihm eigenen, beinahe unglaublichen Verwandlungsfähigkeit sich Snofles Maske täuschend ähnlich zurechtgemacht. Aber der Millionär hatte ein zu scharfes Auge, und gewohnt, ohne weiteres den Eindrücken, welche ihn bewegten, Worte zu leihen, meinte er, es schiene ihm in der Tat so, als sei dieser Herr Snofles, welcher ihnen jetzt gegenüberstände, doch nicht ganz derselbe, der ihm noch vor kurzer Zeit den Besuch in der Diebstahlsaffäre gemacht hatte. „Oh", meinte der Fürst, „das erklärt sich sehr einfach, dieser Mann wäre ja nicht der geniale Gauner, der er in der Tat ist, wenn er nicht verstände, sich sozusagen ohne Bart und Schminke für jeden Tag und für jede Situation ein neues Gesicht zu machen . . . Stimmte denn der Anzug, Mr. Brown? ... Ich sollte doch meinen, ich hätte den Mann in diesem Anzuge auch schon hier im Hotel gesehen?" „Der Anzug ist derselbe", meinte der Millionär, „und was Sie da von der Wandlungsfähigkeit des Gesichtes sagen, scheint mir ganz plausibel. Demnach wäre es wohl das richtigste, wenn wir da kurzen Prozeß machten." Er hob die Hand, welche noch immer das braune Portefeuille hielt, empor und zeigte dieses den englischen Polizeibeamten. „In diesem Portefeuille, Sirs" sagte er, „haben sich diverse tausend Pfund befunden. Das Geld ist mir ge stohlen worden. Und die leere Tasche haben wir soeben hier im Zimmer dieses Herrn gefunden, der sich Mr. Snofles nennt." Der eine von den Polizeibeamten sah Snofles an. zuckte die Achseln und wandte sich an den Millionär mit den Worten: „Sie wünschen also, daß wir diesen Mann verhaften? Mr. Brown nulte. „Well, ich beschuldige ihn des Diebstahls. Jetzt richteten fick aller Augen auf den Pinkertomaner, der aber ganz ruhig blieb und sagte: „Einen Augenblick bitte!" Damit wandte er sich zu der halboffenen Tur hin und rief: „Mr. Uemmeister! Mr. Felgentreff!" Und durch die Tür, die ruhig geöffnet wurde, schritten der Hamburger Kriminalkommissar und der Chef der „Prudentia". „Wer ist dieser Herr?" fragte Snofles den deutschen Detektiv. „Das ist nicht so einfach zu sagen", erwiderte dieser, „Fürst Befron Vallabosti, Graf von Latour, Conte Tito di Sufrenno und wahrscheinlich hat er noch ein paar Dutzend solcher Titel neben seinem eigentlichen Namen, der Georg Markowicz heißt. . . ." „Und wer sind Sie?" fragte der eine der beiden eng lischen Policemen die Deutschen. Weinmeister und Felgentreff, die Snofles mit nie er müdender Geduld nach Indien herübergeholt hatte, holten ihre Ausweispapiere hervor, während die übrigen Herren stumm und nicht wissend, was sie von alledem halten sollten, dabeistanden. Indem näherte sich der Vielgesuchte, um den sich drei Erdteile stritten, dem Pinkertonianer, dessen Hand instinktiv nach der Revolvertasche hinfuhr. Doch Georg Markowicz sagle lächelnd: „Lassen Sie ruhig stecken, Verehrtester! Das ist nicht meine Art, mich so aus der Affäre zu ziehen. Im übrigen, meine Herren, dieser Gentleman hat recht, er ist Mr. Snofles und ich bin, wenn Sie so wollen, der Hochstapler Georg Markowicz.... ich habe eine schlechte Karte gezogen und gebe mein Spiel verloren!" Er wandte sich zu den englischen Polizisten, nickte ihnen freundlich zu und sagte: „Diese Herren werden mich begleiten, m?" Wie sie ihn aber fesseln wollten, war er im Hand- umdrehn in Boxerstellung, lag aus und rief: „Ich bitte Sie, mich nicht anzufasfen... ich folge ihnen gutwillig. . auf mein Ehrenwort! . . Indem hörte man draußen auf dem Hotelkorridor eine Helle Frauenstimme, die wie in höchster Angst mehrere- mal rief: . „Georg! . . . Georg! ... Wo bist du, Georg!" Und dann flog sie herein, eine zarte, blonde Frau, die den Hochstapler mit beiden Armen umschlingend, hell auf schluchzte und schrie: „Sie dürfen dir nichts tun! . . . Nein, nein! . . . Niemand! . . Ich lasse dich nicht fort. Ich bleibe bei dir!" Und den Kopf wendend mit dem Aus druck der verzweifeltesten Angst und des Hasses in ihrem Kindergesichtchen, rief sie den Beamten zu: „Wenn Sie ihn verhaften wollen, so stecken Sie mich mit ins Ge fängnis! Ich gehe nicht von seiner Seite! Er gehört mir!" Georg Markowicz sah sich um mit einem so stolzen, triumphierenden Blick, als wollte er sagen: „Wer von euch allen besitzt solchen Schatz wie ich?!" Dann aber beugte er sich zu seinem Weibe nieder, küßte ihr Mund und Augen und sagte mit heiterer Stimme: „Lebe wohl, mein Liebling! Wir scheiden nicht auf ewig! .... Bin ich auch unstet und flüchtig, so finden wir doch einftmals Ruhe und Glück." Damit übergab er sie der treuen Zofe, die ihrer Herrin nachgeeilt war, und schritt, hochaufgerichtet und mit seinem gewohnten Lächeln auf dem schönen Gesicht, zwischen den Beamten zur Tür hinaus, nicht wie ein Gefangener, nein, wie ein Herrscher an der Spitze seiner Getreuen . .. — Ende. — Oie formen äer Oanä. Von Dr. K. Jntorf. (Nackdruck verboten.) Die Handformen lassen, wie die Körperbildung über haupt, in rohen Umrissen die hervorragendsten Eigenschaften und Fähigkeiten des Menschen erkennen. Mit schlanken, feingliedrigen Händen, welche allein durch ihr Aussehen einen ästhetischen Genuß bereiten, dürfen wir getrost die unseren zum Lebensbunde vereinen, falls jene dazu ihre L r-« L o L LS.LT L L--r --So « Einwilligung erteilen. Solche psychisch geformten HMiu gestatten einen nie fehltreffenden Rückschluß auf die hohe ideale Gesinnung ihres Besitzers. Leider ist auch hier, wu - stets im Leben, dem Süßen ein Bitteres beigemischt, weichet in unserem Falle in der Teilnahmlosigkeit des Idealisier gegenüber irdischen Verhältnissen besteht. Praktisch sich den Dassinsbedingungen anpaffend, kommen jene Naturen durchs Leben, deren Hand, dem schauselförmigen Typus angehörig, sie deutlich auf den Erwerb materieller Güter hinweist. Es sind unter ihnen Talente und Talentchen, die mit der ihnen zugemesseneu etwas hausbackenen Intelligenz geschickt zu wuchern wissen und sich oftmals in kleinem Kreise eine leitende Stellung erringen. Sie sind in der Liebe beständig aus Gewohn heit, welche ihren als Pflicht erscheint. Ihr Schönheits sinn entzückt sie am Monumentalen, am Massigen: sie hegeisteru sich für die Fülle der Formen. Neben dem schauselförmia-"- Typ treffen wir bei Männern und Frauen, die . .l wirtschaftlichen Leben stehen, die eckige Hand. Sie kennzeichnet ihre Eigentümer als sparsame, ordnungsliebende Charaktere, welche im Hausbalte der Natur das znsammenhaltende und regulierend wirkende Element repräsentieren. Den Faktoren der praktischen Tätigkeit stellen sich die der künstlerischen und philosophischen Lebenserfüllung ent gegen. Die künstlerische Hand ähnelt der psychischen — sind es doch seelische Kräfte, welche den Bildner, Maler, Dichter und Musiker zu seinen Schöpfungen anregen — doch entbehrt sie der ruhigen und reinen Umrisse, welche der Hand des Idealisten eigen. Die erstere Handform läßt den Schluß auf Sensibilität und Empfindsamkeit zu. Ist sie besonders markant ausgebildet, so deutet sie aut unbezähmbare Vergnügungssucht, die leicht in moralische Haltlosigkeit ausartet. — Die Hand des Deukers endlich, mit auffallend knotigen Fingerkuöcheln —. was filr Ordnungsliebe und Ordnungssinn spricht — macht einen knochigen, harten Eindruck. Der Besitzer einer solchen Hand begnügt sich nicht mit Erforschung der Außenseite der Dinge, er strebt in ihren Kern zu dringen und ihr innerstes Wesen und Sein sich und der Welt zu enthüllen. Er spürt der letzten Ursache alles Seienden nach und müht sich, sie mit unumstößlichen Fakten zu beweisen. Bei einer Beurteilung der verschiedenen Handformen ist nicht nur der Gesamteindruck maßgebend, es sind auch symytomische Einzelbeobachtungen anzustellen. Glatte Finger z. B. weisen auf einen leidenschaftlichen Charakter, der seinen sinnlichen Instinkten unterworfen ist. Knotige Fingerglieber verraten weise, abwägende Vorsicht und kluge Berücksichtigung aller Lebenseventualitäten von seiten ihres Eigners. Zu beachten ist auch die natürliche Konsistenz der Hand. Die Besitzer weicher Hände sind im allgemeinen zartfühlender, empfindsamer, aber zumeist auch eigensüchtiger als diejenigen, deren harte Hände zwar weniger Kunstsinn, aber desto festere Treue gegen sich und andere in allen Angelegenheiten verheißen. Besondere Erwähnung fordert der Daumen. Er wird in der Chirosophie als Vertreter des Willens und der Logik angesprochen. Ein kleiner, magerer Daumen ist Anzeichen eines unselbständigen, den divergierendsten Ein flüssen zugänglichen Charakters, der sich am wohlsten be findet, wenn er die Leitung seines Schicksals stärkeren Händen anvertrauen kann. Diese letzteren machen sich uns durch ihren großen, kräftigen Daumen kenntlich, der be deutendes Selbstbewußtsein und treffsicheres Ersoffen der Lebenslage verkündet. Solche Naturen finden die Basis ihrer Entscheidungen in kühlüberlegtm Vernunstschlüsscn Ich hör' ein Vöglein locken, Das wirbt so süß, das wirbt so laut, Beim Duft der Blumenglocken Um die geliebte Braut. Und aus dem blauen Flieder Singt ohne Rast und ohne Ruh' Millionen Liebeslieder Die holde Braut ihm zu. Ich hör' ein leises Klagen, So liebesbang', so seelenvoll — Was mag die Stimme fragen, Die in dem Wind verschou? Adolf Böttger.