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brächte». Vaterlandsliebe bedeutet nicht, alleö gut und schön zu finden, sondern mitzuarbeiten, damit cs besser werde. Auf diesem Boden ist auch die Arbeiterbewegung ent standen, auf deren Fahnen heute leider nicht steht: „Deutsche Arbeiter, kämpft für eure eigene Zukunft und die eures Vaterlandes!" Vor allem müssen sich die Stände noch besser ver stehen lernen. Man achte jeden, der durch ehrliche Arbeit vorwärts kommt. Unsere Politik soll beruhen auf Vater landsliebe, Gerechtigkeit, Christentum und Persönlichketts- entwicklungsglaube. Kämpfen wir auf diesem Boden weiter, so wird das Samenkorn zu einem Baume ged.ihen, unter dem die deutsche und nationale Arbeiterschaft weiterarbeiten kann zur Verwirklichung aller ihrer Ziele und Bestrebungen (Langanhaltender stürmischer Beifall.) Aus Sachsen, Wilsdruff, den 20. März. In einer Einwohnerversammlung in der „Reichskrone" wurde lebhaft über den Zusammenbruch der Dippoldis walde» Vereinsbank debattiert. Der Referent meinte, man habe scheinbar gar keinen festen Untergrund schaffen wollen. Eine Bank, die mit so hohen Wechseln arbeite wie die Vereinsbank, müsse bet der ersten besten Krisis zusammenbrechen. Zu den Geldgebern gehöre leider auch die Stadt. Angenommen, es werde seitens der Stadt alles verloren, wer hafte dann? Wenn die Stadt haften müsse, sei es am besten, die Müllerschule zu verkaufen, die jährliche Zuschüsse fordere. Auf den Müllerschüler kämen 162 Maik Zuschuß. Die bisherige Heimlichtuerei sei nicht mehr angängig. Ein Mitglied des Gläubiger- Ausschusses erklärte, die Vereinsbank hätte sein können, was sie sein sollte, wenn man sich nicht in große Spcku- lattonen einließ. Stadt-, Spar- und Vereinsbankkasse seien in einen Topf geworfen worden. Eine HauptsLuld treffe die Kreishauptmannschaft, die den Bürgermeister als Vereinsbankdirektor zuließ. Dr. Weißbach habe ca. 150000 Mk. hinter dem Rücken des Stadtrats in die Vereinsbank gegeben, er fürchte, die Stadt sei noch höher beteiligt. Gesuche hierüber hätten dem Stadlrat nicht Vorgelegen. Die Schuld treffe allein den Bürgermeister. Ein Stadtverordneter erklärte, an sich habe in der Dar- lehnSsache der Spar- und Vereinsbank der Stadtrat nicht befragt werden brauchen; mündelfichere Papiere könnten ohne diese Befragung belieben werden. Man habe zu wenig Sorgfalt angewendet. Das vorerwähnte Mit glied des Gläubiger-Ausschusses bat den Versammlungs vorsitzenden, vor allem zu Protokoll zu nehmen, daß er- klärt worden sei, die Stadträte hätten nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns walten lassen. Hierdurch sei anerkannt worden, daß die Stadträte regreßpflichtig seien. Die „Weißeritz - Zeitung" habe sich durchaus nicht bewährt, da sie nur beruhigte. Referent nahm Bezug auf Schöppenstedt und Siebenlehn. Nach Siebenlehn komme Dippoldiswalde. Er sei der Meinung, der Direktor der Bank, Dr. Weißbach, sei sich nicht mehr klar gewesen über dos „Soll", sondern nur über das „Haben". Viele wären wohl der Bank als Mitglied nicht beigetreten resp. hätten ihre Ersparnisse dort nicht angelegt, wenn nicht der wohl klingende und vertrauenerweckende Name „Bürgermeister Dr. Weißbach" sowie die den ersten Kreisen angehören den Aufstchteratsmitklieder gewesen wären. Hohr Herren standen an der Spitze, hohe Dividenden wurden gezahlt, das war die Lockspeise, auf welche die Leute hrreinsielen. Wenn der Bürgermeister als Direktor der Bank von deren ungünstigem Stande gewußt habe, sei das Engagiment der Stadt als Betrug auszufassen, und die Sache müßte der Staatsanwaltschaft übergeben werden. Der Konkurs verwalter und der Gläubiger-Ausschuß der Vereinsbank sind noch bei der Arbeit, die verwickelten „Geschäfte" zu klären. Es werden dann Ueberraschungen zutage kommen, dre gar manchem noch unangenehm werden dürften. — DaS Gerücht von der Verhaftung des Sparkassenkassterers Wunderlich beruht nicht auf Wahrheit. Dr. Weißbach hat Dippoldiswalde am Sonnabend verlassen. Am Sonntag nachmittag gegen 3'/, Uhr hat in Meschwitz bei Bautzen der Feldwebel Symmank vom Bautzener Infanterie-Regiment Nr 103 den 46 Jahre alten, aus der Gegend von Hoyerswerda stammenden Ziegeleibesitzer Kraus und darauf sich selbst erschossen. Der Grund zur Tat ist darin zu suchen, daß die Braut Symmanks, die 26 Jahre alte Kontoristin Döring, ihr Verhältnis zu Symmank gelöst hatte und den Ziegelet- besitzer Kraus heiraten wollte. Ein aus das Mädchen abgegebener Schuß ging fehl. Der Schwindler in Forstbeamtenkleidung, der am Sonntag in Geithai»» die 16jährige Tochter des Gen darmen Conrad entführte, während die Eltern ste im Kirchenkonzert glaubten, wurde in Zwickau verhaftet. Das junge Mädchen ist inzwischen zurückzekehrt. Aurze Chronik. Methylalkohwergiftu»gen in Gelsenkirchen? Ende der verganoenen Woche find dort verschiedene Per- sonen nach dem Genuß von selbstbereitetem Schnaps er- krarkt. Bisher find vier Bergleute und zwei Frauen ge storben. Ste kauften das zur Bereitung von Schnaps erforderliche Material in einer Drogerie. Es wird an- genommen, daß Brennspiritus, der mit Methylalkohol denaturiert war, verabfolgt worden ist. Ei« Fischdampfe» vermißt. Der Geestemünder Ftschdampfer „Pollux", der vor 33 Tagen nach Island See ging, gilt als verloren, da er schon vor 14 Tagen hier wieder fällig war. Der Dampfer ist wahrscheinlich in den schweren Stürmen Anfang März gesunken. Seiner Besatzung von 10 Mann scheint es nicht gelungen zu sein, sich nach Island zu retten. Schneefall im Riesevgebirge. Im Riesengebirge liegt der Schnee wieder 30 Zentimeter hoch. Große Unterschlagungen eines Schwindel. bantierS. Aus Paris wird gemeldet: Ein Schwtndel- bankier namens Marmajal ist verhaftet worden. Ec hatte in der Näüe der Komischen Oper zwei Bankinstitute mit volltönenden Namen eröffnet. Man spricht von einer De fraudation von zwei b's drei Millionen Francs. Schweres Automobilnnglück. In einer etwas scharfen Kurve schlug am Sonntag in Marseille ein mit 4 Personen besetztes Automobil um und stürzte einen 50 Meter tiefen Abhang hinab. Ein Mann war sofort tot, eine Frau wurde sterbend nach dem Hospital gebracht. Die beiden anderen Mitfahrer erlitten ebenfalls schwere Verletzungen. Ei« britischer Dampfer gesuuke«. Nach einer Meldung von Lloyds Agentur aus Spezia hat der schwe dische Dampfer „Canadia" berichtet, daß der britische Dampfer „North Briton" auf der Höhe von Cardiff ge sunken sei. Es ist nur ein Mann gerettet worden. Neue Fälle von Methylalkoholvergiftuug. Aus Czernowitz wird der „Neuen Freien Presse* ge meldet, daß in Alt-Suseke drei Ortsbewoaner nach dem Genuß von Schnaps unter Vergiftungserscheinungen ge storben find. Ein vierter ringt mit dem Tode. Man nimmt Vergiftung durch Methylalkohol an. Explosion eines Lokomotivkesiels. In San Antonia (Texas) sind bet der Explosion eines Lokomotiv- keffels in einem Lokomotivschuppen 25 Personen ge tötet und mehrere verletzt worden. Amtlicher Bericht über die am Donnerstag, den 14. März 1912, nachmittags >/z7 Uhr stattgefundeue öffentliche Sitzung des Stadtgemeinderates zu Wilsdruff. Volsitzmder: Der unterzeichnete Bürgermeister. 1. Der Herr Vorsitzende erklärt, daß der Verkauf auf der Freibank völlig ordnungsgemäß erfolgt ist. Man nimmt Kenntvis, wobei es bewevdet 2 Kenntvis nimmt man weiter davon, daß die Akku- mulatorenfavrik Hagen i W. mit der nachträglichen Be zahlung der R-'StfionSgrbühren einverstanden ist. 3. Zur Anschaffung von Vitragen wird Einverständ nis erklärt und die Angelegenheit der Hochbaudeputatio« zur Erledigung übertragen. 4. Der Fußboden im Kassen, und Sitzungszimmer soll mit Firniß überstrichen und in Zukunft jedeSmal ge legentlich des Scheuerns mit Fußbodenöl überstrichen werden. 5. Mit der Anlegung des SchmuckplatzeS im Geringe- Lege in der von der Deputation vorgeschlageue» Weise erklärt man sich einverstanden. Gegen die Anlegung d«S geplantes Weges in der Nähe des Gallesche« Gartens stimmten 4 Herren. 6. Von Erwerbung der Mitgliedschaft des GebirgS- Vereins für die Sächsische Schweiz wird abgesehen. 7. Das Bausesuch deS Herrn Heiuitze soll bedingungs los weiiergegeben werde». 8. Die Gesuche der Herren Schippt und Günzel um Befreiung vom Dienste bet der Plichtfeuerwehr werde» ge nehmigt 9. Kenntnis nimmt man s) von der Einladung zur Bezirksversammlusg im landwirtschaftlichen Vrrei» und b) von einer Einladung deS Vereins für Naturkunde zum Besuch der von ihm veranstaltete» Ausstellung „Heimat liches im Bilde". 10. Die Gesamtltefermg des FeuerungSwaterialS für das Elektrizitätswerk auf die Zeit vom 1. April 1912 bis mit 30. März 1913 wird derart verteilt, daß Herr Louis Seidel die Krsselkohle zum Preise von 131,20 M. brzw. 137,05 Mk. und Herr Petzschke die Bockwitzer Briketts zum Preise von 117 Mk. pro 200 Zentner liefert. 11. Die Anfuhre des Kohlenmaterials fürs EleVrt- zitätswerk wird fürs laufende Jahr Herr« Pietzsch uud das Fahren des Sprengwagens Herrn Wiedemann über tragen. Hierauf geheime Sitzusg. Der Bürgermeister. Kahlenberger. Rätsel-Ecke. Bilderrätsel. Merkrätsel. dlaturglieQkadinett, Sckeinwerter, Ltierxelecni,'; Von jedem Wort ist die gleiche Anzahl nedenetn- anderstehender Buchstaben zu merken, derart, daß die ge merkten Gruppen im Zusammenhang einen Singvogil bezeichnen. Lösungen in nächster Nummer- Auflösungen der Rätsel aus voriger Nummer. Vexierbild: Man betrachte das Bild etwas schräg von links oben, dann ist der Freier links am Tischchen, der Popa unter der Tischplatte zu sehen. Worträtsel: Hanswurst. Unrecht Gnt. Kriminalroman von Reinhold Ortmann. 4z (Nachdruck verboten.) Die ermutigende Aufforderung ivar dem trefflichen Herrn Hacker ersichtlich sehr willkommen. „Nu, ich frage Sie um des Himmclswillen, Herr Doktor: woher hat die Frau das Geld genommen, um ein halbes Jahr nach ihres Mannes Tode für schweres Geld eine ganze Villa zu mieten und sie von oben bis unten mit den allrrschönsten Möbeln, Teppichen und so weiter aus zustatten? Unsereins weiß doch, was so was kostet. Von ihren Verwandten hat sie's nicht. Denn sie soll eine bettel arme Volksschullehrerin gewesen sein, als sic ihren Mann heiratete. Und wenn sie's etwa in der Lotterie gewonnen hätte, würde sie wohl schon in ihrem eigenen Interesse kein Geheimnis daraus gemacht haben." „In ihrem eigenen Interesse? — Wieso?" „Aber das ist doch klar. Als man dem sauberen Patron hinter seine Schliche kani und ihn verhaftete, war natürlich die erste Frage, wo er mit dem schrecklich vielen gestohlenen Gelde geblieben sei. Ich habe mir, als die Frau hier einzog und mir die Sommergäste vor der Nase weg schnappte, mit vieler Mühe einen Zeitungsbericht über die Gerichtsverhandlung verschafft. Und darum weiß ich alles ebenso gut, wie wenn ich's miterlebt hätte. Wo er mit dem Gelde geblieben 'sei, wurde er gefragt, weil man bei der Haussuchung nicht mehr als lumpige zweitausend Mark vor- gcfunden hatte, und weil seine Wohnungseinrichtung nicht kostbarer war, als er sie sich von seinem sehr großen Gehalt bequem hatte anschaffen können. Er hätte alles am Spiel tisch und in liederlicher Gesellschaft durchgebracht, erklärte er und blieb dabei bis zum letzten Augenblick. Geglaubt aber hat's ihm kein Mensch. Dazu war's viel zu viel ge wesen, was er nach seinem eigenen Geständnis um die Ecke gebracht hatte. Selbstverständlich wurde der Frau damals alles weggenommen, was sie besaß, aber es soll bei dem Verkauf kaum genug herausgekommen sein, um die Kosten des Gerichtsverfahrens zu decken. Und nun mit einem Male der^leberfluß! — Merkst du was? Hihi!" „Könnte nicht irgendein Menschenfreund der bedauerns werten Frau zu der Einrichtung der Villa behilflich gewesen sein, Herr Hacker? Sie betreibt das Vermieten doch wohl als einen Broterwerb?" Der Alte blinzelte den Fragenden aus seinen fatalen kleinen Augen verschmitzt an. „Gibt's solche Menschenfreunde, Herr Doktor? — Ich würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie mir die Adressen von einigen Mitteilen könnten. Und was das Vermieten als Broterwerb betrifft — püh! Spiegelfechterei, sage ich — Sand in die Augen! Damit würde sie in fünfzig Jahren nicht soviel verdienen können, um die Kosten der pompösen Einrichtung zu bezahlen. Nicht einmal den kümmerlichsten Lebensunterhalt stir den langen Winter könnte sie davon bestreiten. Und die in der Villa „Waldfrieden" lassen sich nichts abgehen, das können Sie mir glauben. Meine Frau und ich, wir haben ein Auge auf sie, und wir wissen, wie es da zugcht." „Da sehe ich schon das Wirtshausschild und den Brief kasten — Dank für die Begleitung, Herr Privatier Hacker!" Mit einer lässigen Handbewcgung hatte Dr. Runge an die Krenipe seines Hutes gegriffen und war gleichzeitig so rüstig ausgeschritten, daß es dem Alten unmöglich wurde, sich an seiner Seite zu halten. Er antwortete auch nicht, als der würdige Mann hinter ihm her rief: „Wenn Sie Lust haben sollten, sich gelegentlich zu ver ändern, Herr Doktor — niein Haus ist immer zu Ihrer Verfügung." Ein Zucken wie von aufsteigendcm Ekel nur ging bei dieser freundlichen Mitteilung über sein ernstes Gesicht, und als er seine Karten in den Kasten geworfen hatte, wählte er für die Heimkehr einen Weg, auf dem er dem gesprächigen Herrn aus der Nachbarvilla nicht wieder begegnen konnte. Eine andere unvermutete Begegnung aber wurde ihm statt dessen auf diesem Heimwege zuteil. Er war nur noch um ein paar hundert Schritte von dem Hause entfernt, als er auf einer Bank, an der er unmittelbar vorüber mußte, eine schwarz gekleidete Dame von jugendlich anmutiger Er scheinung sitzen sah. Die Sonne war schon unte^egangen, aber in dem stumpfen Blau des Himmels schwammen noch ein paar rosige Wölkchen. Und an ihnen hingen die Blicke der einsam Rastenden so traumverloren, daß sie den Schritt des auf dem grasüberwachsenen Fußpfade Näherkommende», gar nicht vernahm. Vermutlich würde der Doktor mit stummem Gruße vor- beigegangcn sein, wenn nicht ein weißes Taschentuch, das zu den Füßen der jungen Frau mitten auf dem schmalen Wege lag, stillschweigend an seine Höflichkeit appelliert hätte. Er bückte sich, um es mit einem artigen Wort der Be sitzerin zu überreichen. Und sie war so verwirrt, sich plötz lich dem Manne gegenüber zu sehen, vor dem sie noch vor einer Stunde gewarnt worden war, daß ihre Wangen er glühten und daß sie ihren Dank leise und schüchtern heraus brachte wie ein welffremdes junges Mädchen. Die Augen des Arztes aber ruhten auf ihrem, gerade um dieser Be fangenheit willen doppelt reizvollen Gesicht so fest und so eindringlich, daß Frau Margarete Römhild unwillkürlich an das erinnert wurde, was ihr Babette über den Blick des Fremden gesagt hatte. „Ich bitte um Verzeihung — sollte ich vielleicht die Ehre haben, mit Frau Römhild, der Besitzerin der Villa „Waldfrieden" zu sprechen?" „Nicht der Besitzerin. Aber Frau Römhild bin ich aller dings." (Fortsetzung folgt.)