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Sünde a Blüte, unvorbereitet, die Rechnung nicht geschlossen", wie es in Hamlet heißt. Leider wird in unsrer Unter- haltungMeratur der Selbstmord mitunter, wenn auch nicht gerade verherrlicht, so doch allzusehr als etwa? in gewissen Lebenslagen nahezu Unvermeidliches behandelt Erzählungen, wie die des wackeren, aufrechten Schweizers Ernst Zahn, der nachgerade eine ganze Reihe von „Helden und Heldinnen de« Alltags" vorgeführt hat, die mit nie erlahmender Geduld in widerwärtigsten Verhältnissen, auch in Unehre und Schande aushalten, möchten mehr Nachfolge finden. Dazu möchte der Geschmack der Ge bildeten sich mehr und mehr von Literaturwerken ab wenden, die in der Schilderung von Jammer, Elend und Verwirrung, aus denen schließlich ein AuSwrg nach „Sen sationellem" sich eine Güte tun. Der Verfasser dieser Auslassung, dem trotz seiner hohen Jahre noch ein warm empfindendes Herz für seines Volkes Wohl und Wehe wie für das des GottesreicheS auf Erden im Busen schlägt, kann nur wünschen, daß die im Vorstehenden ausgestreuten Samenkörner der Warnung und Ermahnung auf recht empfänglichen Boden fallen. Gott walts. Die Sache ist wichtig und ernst. Vg Kurze Chronik. Einsturz einer Betonmaner. Wie aus Trier gemeldet wird, wurden durch den Einsturz eine Beton mauer auf den Thysenschen Stahlwerken in Hagendingen 1S Arbeiter verschüttet. Einer wurde getötet, mehrere wurde« lebensgefährlich verletzt. Lie höchste Eisenbahn der Welt. Nach in London eingetroffenen Privatdepeschen ist die höchste Eisenbahn der Welt jetzt vollendet worden, indem die von Chile und Boltvta aus einander entgegenstrebenden Strecken über die Anden sich an der Grenze der beiden Staaten vereinigten. — Die Bahn führt von der chile nischen Hafenstadt Arica über Taena auf die Anden, die sie in 4264 Meter Höhe übersteigt, dann längs deS Rio Maure hinab, überschreitet den Rio Desuguadero und steigt wieder hinauf zur Hauptstadt BoliviaS, La Paz, das in 3618 Meter Höhe liegt. Die ganze Strecke mißt 477 Kilometer. Stratzeubahnzusammenstotz Aus Vincennes wird gemeldet: Am Donnerstag früh vor 9 Uhr find in Fontenay-souS-Bois zwei Straßenbahnen an einer Weiche zusammengestoben, wobei 22 Personen verletzt wurden, davon sechs schwer. Die beiden auf der eingleisigen Straßenbahn von entgegengesetzter Richtung kommenden Wagen fuhren eine kleine Anhöhe hinab. Man nimmt an, daß die Bremse des einen Wagens versagt hat, wodurch unten in einer Einbuchtung der Zusammenstoß erfolgt ist. Eifenbatznkatastrophe i« Nordamerika. Aus Lafayette im Staate Indiana meldet der Draht: Nach einem Bericht find bet einem Eisenbahnunglück auf der Wabash-Eisenbahn in der Nähe von West-L:banon dreißig Passagiere getötet worden. Aunft, Wissenschaft und Literat«?. Wochen-Lpielpla« der Dresdner Theater. Opernhaus: Dienstag Die Walküre, Mittwoch Die lustigen Weiber von Windsor, Donnerstag Der Freischütz, Freitag 6. Sinfontekonzert Serie 8, Sonnabend Louise, Sonntag Siegfried, Montag Hoffmanns Erzählungen. Schauspielhaus: Dienstag und Freitag Der heilige Hain, Mittwoch Zweimal zwei ist fünf, Donnerstag und Sonntag Die Erziehung zur Ehe, Lottchens Geburtstag, Sonnabend Gudrun, Montag Rodert GuiSkard, Der zerbrochene Krug. W Zentral-Theater: Dienstag, Mittwoch, Donners tag und Freitag, Eva, Sonnabend und Sonntag Graf von Luxemburg. Anfang abends 8 Uhr. Außerdem Sonntag Di« moderne Eva. Anfang nachmittags */,4 Uhr. Gin Wort über die Msde. Meid mit Tunika und Dolero Nr. 5624. Aprikotfarbsne Seide, stlbrrgraue Seideufransen und creme Spitzen- stoff ergab das Material zu diesem eleganten Ball- und Gesellschafts kleid. Rock und Tunika schließen sich eng der Figur an und zeigen, außer den an der Tunika auf der Vorderbah» angesetzte« abgerundete» Fransen, keinen Ausputz. Das knapp anliegende Bolero ist mit breitem Spitzenkragen geschmückt und ebenfalls mit Fransen besetzt. Die gleichen Spitzen dienten zu Unter» ärmeln und Latz. Dieses Modell kann von jeder Dame mit Hilfe eines Favorit schnittes vachgeschneidert werden. Zu beziehen unter Nr. 5624 in 44, 46, 48, 50, 52, 56, 60 Zenti- Meter halber Oberweite, jede Größe für 1.25M!., von der Modenzentrale, Dresden-N. Rätsel-Ecke. Vexierbild. Wo ist der Besuch? Logogriph. Geheimnisvoll verhüllt Es dir dar wahre Bild. Statt Wesen gibt es Schein, Oit schließt es Schönheit ei«, — Doch mancher, wenn es fiel War der Enttäuschung Spiel. Ein Züchen änd're nur: Jetzt setzt man's in die Flur. Beim Wein wird es geehrt Und von der Post begehrt. Telegramm-NLtsel- (Statt der Striche find Vokale, statt der Punkte Kon sonanten zu setzen.) Lösungen in nächster Nummer. Auflösungen -er Rätsel aus voriger Nummer. Zahlrnrätsel: Ast, Nolle, Iller, Saal, Trost, Ostri», Tell, Eis, Last, Else, Sitte. - «rift-t-le». Stammtisch-Scherz: Nachtwächter. Marktbericht. Meißen, am 9. März. Butter, 1 Kilo 3,— bis 3,10 Mk.; Gänse, 1 Pfund - Pfg.; Hase», Stück Mk.: Eier, 1 Stück 8-9 Pfg. Getretdepreise geringe Qualität mittlere Qualität gute Qualität niedrigst, höchst, niedrigst, höchst, niedrigst, höchst. Weizen neuer- - - - 19,90 20,10 Roggen neuer — — — — 18,00 18,30 Gerste — — — — — — Hafer — — 20,40 20,60 20,70 20,90 Meitzner Ferkelmarkt am Sonnabend, den 9 März. ES standen 18 Stück zum Preise von 14-20 Mk. zum Verkauf. , Nssfener pro-ukteudSrse am 8. März 1912. 1000 KZ Mk. bis Mk. Mk.bis Mk. Weizen am -/- - - »cu —/— » Roggen»««-/-- ' 199,-: . 180,— - -,- 85 —- 202,- 8516,80 - 183,— 8014,40 - 17'1S 14,60 , , —/— » » , - —80 —- s Gerste Brau- » - —r -- 70--- - Futter- - O W -- 70-,-- Hafer ne« - -197- - 202,- 50 9,85 - 10,- - all - » — M —50 —. Futtermehl i 100 - 18,75 - —50 9,50 . . ll - 17,75 - —,— 50 9,-. Roggeuklete - - 14,75 - 15,75 50 7,50. 8- Wetzenkleie grob - . 1475 - -,- 50 7,50- - Maiskörner grob * O E 50 . 9,75 Maisschrot - - —; - -,-50-,-. 10,50 Heu, all per 50 Kilo von Mk. - bis Mk. — Heu, ne« - 50 - - , 5,— » » 5,25 Schüttstroh 50 - - » 3,— . . 3,50 Gebundstroh - 50 - - . 2,50 . » 8, Kartoffeln alt - 50 - - « - K - »e« - 50 - » . 3,80 . . 4, 2K» /Nu-, ^44444^ ^skrrsävortrotuna: Arthur fueti8, Wilgüruff i. 8». Der Kurier des Königs. Erzählung aus dem Jahre 1813 von Friedrich Thieme. 28f (Nachdruck verboten.) „Nur in diesem Anzuge dürfen Sie es nicht wagen", gab Gretchen noch zu bedenken. „Franz hat ihn bereits beschrieben, man könnte ihn erkennen." „Aber woher einen anderen nehmen?" Das ganze Haus wurde durchsucht und zwar mit dem Erfolge, daß man den Offizier, wenn auch nicht gerade nach dm Regeln der Kunst, doch für den Bedarf ausreichend neu bekleidete. Daß Kittel und Weste an einigen Stellen abgeschabt und zerrissen waren, paßte vorzüglich für den Zweck des Manövers. „Schwitzen werden Sie freilich nicht", meinte Gretchen mitleidig, „doch decken wir Sie nach Mög lichkeit mit Stroh zu." So verbrachte Felix die Nacht in ruhigem, festem Schlafe. Als die Morgendämmerung anbrach, legte er die für ihn bereit gehaltenen Kleider an, der Schulze band ihm hierauf die Hände auf den Rücken und sperrte ihn, nachdem man ihm noch einen alten Schal umgebunden und einen Hut von entsprechender Beschaffenheit auf den Kopf gedrückt hatte, in einen festen Raum des neben seinem Hause gelegenen Ge meindehauses ein. Darauf weckte er — alles im Orte lag noch in tiefer Ruhe — den Büttel, ihm die überraschende Mitteilung von der Ergreifung des Mörders zu machen und seine Dienste zum Transport desselben in Anspruch zu nehmen. Bald war ein Leiterwagen instand gesetzt, der Gefangene darauf festgebunden, neben ihm nahmen der alte Müller und der Büttel Platz, während ein anderer schnell berbetgeholter Gemeindeältester auf dem Bocke neben dem Kutscher Platz nahm. Der Pseudomörder, halb unter Stroh vergraben, mit Strohhalmen und Schmutz bedeckt, gewährte einen so abschreckenden Anblick, daß niemand, der ihn sah, geglaubt haben würde, daß ihm die schöne Enkelin des Schulzen noch vorher herzlich zum Abschied die Hand gedrückt und ihm Kaffee und Brot kredenzt habe. Noch war es beinahe finster, wie man aufbrach, dagegen fand man im nächsten Dorfe die Bevölkerung bereits munter, und als sich das Gerücht verbreitete, man bringe den Mörder, entstand wie durch Zauber schlag eine unerhörte Aufregung. Alt und jung lief herbei, man umdrängte den Wagen, fluchte und schimpfte auf den ruchlosen Verbrecher. Die Jugend lief hinter ihm drein und warf mit Steinen und Schneeballen. Der Schulze sah bald ein, daß diese Art des Transports für seinen Schützling fast nicht weniger gefährlich war, als die Überschreitung der Grenze aufs Geratewohl. Schon blutete er aus einer Kopf wunde, das Blut lief dem Gefesselten über das Gesicht, verklebte die Haare und entstellte ihn noch mehr. Felix selbst betrachtete dieses Ereignis als einen glück lichen Umstand, derihnnochunkenntlichermachenwürde. Das nächste Dorf fand man von Franzosen besetzt. Schlau beugte der Schulze jeder Interpellation vor, indeni er sich sofort an die nächsten ihren Weg kreuzenden Soldaten mit der Bitte wandte, der Herr Kommandant möchte ihm ein paar Mann zur Bedeckung mitgeben, das aufgeregte Volk würde sonst den Mörder zerreißen. Neugierig und mit Abscheu betrachteten die Krieger den Gefangenen, bereitwillig geleiteten sie den Büttel zum Kommandanten, welcher ebenso bereitwillig, als er hörte, worum es sich handelte, eine Wache für den Wagen stellte, allerdings mit der Weisung, daß dieselbe die Karawane nur bis zur Grenze begleiten dürfe, da das Betreten öster reichischen Gebiets unter Umständen bedenkliche Folgen nach sich ziehen könne. Der Büttel wandte zwar ein, gerade auf böh mischem Boden sei die Volkswut doppelt groß, doch der französische Hauptmann zuckte die Achseln und meinte, der Friede mit Österreich verbiete es ihm, und er dürfe nicht über die Grenzen seiner Befugnisse hinausgehen. „Außerdem", setzte er lakonisch hinzu, „ist eS ja um den Kerl nicht schade." Eine halbe Stunde später langte man in dem ersten böhmischen Dorfe an, und gleich darauf hielt der Wagen vor der Tür des Gemeindevorstehers. Bevor die zusammenlaufenden Bewohner genau wußten, was eigentlich los sei, befand sich der Ge fangene bereits in der Amtsstube des Vorstehers, welcher die Mitteilung des Schulzen mit befremdetem Kopfschütteln empfing. „Der arme Teufel", brummte er mit einem Blicke auf Felix, „sieht ja schaurig genug aus, aber — der Mörder kann es wohl nicht sein, denn er ist schon eingefangen." Betroffen erwiderte der alte Schulze, der sich nicht verraten durfte, der Mann habe sich ja selbst angezeigt. Vermutlich sei er also der Richtige, denn man könne doch nicht annehmen, daß jemand sich fälschlich einer solchen Tat bezichtige. — Der Ge meindevorsteher kratzte sich hinter Len Ohren. „Die Nachricht ist gestern abend eingetroffen", erklärte er, „allerdings ist ein Irrtum immerhin möglich." (Schluß folgt.) -