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w«1< I m »ns. 2-vL^vL<>lx»d2<>l>dl>dL<>L<>l>d2-v!>vLe»v-2>v!-^l>dl^v und Champagner, das alles hatte für ihn keinen Reiz; aber wenn er einsam in seinem reich ausgestatteten Gemach sah, wo schwere seidene Behänge die Wände zierten, feines Porzellan und künstliche Bronzefiguren um herstanden und zierliche, weiche Matten den Boden bedeckten, dann dehnte er sich behaglich in den Ruhekissen, die der Mutter kunstgeübte Hand mit bunten Seidenfäden und Gold be stickt hatte, und er versenkte sich mit Vorliebe in das kanonische Liederbuch Shi-king und las mit stets neuem Entzücken die Liebeslyrik vergangener Jahrtausende, oder er sann den poetischen Liedermärchen nach, die Ha-Lon, seine Amme, ihm in Kindertagen so oft er zählt hatte, und von denen ihn stets das eine aus Li-Dan-Nies Zeit am meisten entzückte, das Märchen von dem himmlisch-schönen Mädchen: „Hoch oben im Norden des Reiches wohnte eine Jungfrau, schön wie die taugeküßte Blume Lan auf wiegendem Stengel, mit Wangen sanft und lind wie der Seidenraupe feinster Faden, so schön an Gestalt und Ant litz, wie kein Wesen je noch sah. Und wem es beschicken war, ihr ins Auge zu schauen, der verlor sein Reich, doch er verlor es ohne Leid und Trauer; und «wer sie sah zum zweitenmal, der wurde zum Bettler und wurde es lächelnd, ohne Weh; wer aber ihr Herz gewann, der war reicher als der Kaiser, vor Glück und Seligkeit." Wenn Dung-Ti so sann, vergaß er oft mals die Weite, die sich dehnt zwischen Märchen und Wirklichkeit, und er forschte: Ob es wohl eine Jungfrau geben mag, so schön wie die Märchenfee, die gelebt hat zwischen Wei und Tsching, deren schwebender Schritt dem eilenden Flug des gelben Vogels glich? Dann kam ein Träumen und Sehnen über ihn, und er tauchte den Schreibpinsel in die Tusche und schrieb gar wohlgesetzte Verse voll Glut und Duft nieder, die von der Schöne sprachen des Wundermädchens mit den Pfir sichwangen dem Seidenhaar so glänzend, wie getränkt vom Saft des Himmelskrautes Fi-ny. Die Freunde verlachten den Schwärmer und Träumer, der über Phantasiegebilden das pulsierende Leben vergaß, der die Schönheit übersah, >weil er einem Jdealbilde nachjagte. Am meisten aber lachten die Angestellten der Fabrik, die über den Zählbrettern saßen und wunderbar rechneten und kalkulierten, so daß immer mehr in die eignen Börsen floß und Dung-Tis Einnahmen immer geringer wurden. Ihn berührte das wenig; er durchstreifte das Land und rastete nur. um die Verse niederzuschreibcn, die ihm bei seinen Wande rungen zuflogen. Und nordwärts trieb ihn seine Sehnsucht und sein Verhängnis. Eines Tages führte ihn sein Weg nach Ti-tsia-pu, in das ausgedehnte, langgestreckte Dorf mit dem Riesenbaum, auf dessen rinden losem Wunderstamm sich zierliche Tempelchen erheben, zu denen Treppen bald in seiner tiefen Höhlung, bald auf den äußern Vor sprüngen emporfllhren. Zum höchsten Tempelchen auf der Spitze klomm er empor; er wollte Ausschau halten in das hügelige Land, das im zweiten reichen Flor bunter Blumen Prangte und über das die heiße Sommersonne einen goldenen Strahlen schleier wob. Wie er oben anlangte, wo sich zierlich und schlank unter dem geschweiften Schnabeldach das höchste Tempelchen erhob, da blieb er be troffen, wie vor einem Wunder stehen, und sein großes, stieres Auge drückte die ganze Erregung aus, die sein Herz erfüllte: Am kleinen Fensterchen, das nach Norden Ausblick bot, stand sein lebendig gewordenes Märchenbild: die zarte Jungfrau vom Ufer des Tsching und Wei. Wie das Glanzgefieder eines Vogels war ihr seidiges Haar, ihr Auge klar und schimmernd wie die Wellen -des blauen Flusses und ihres Blickes Tiefe so un ergründlich wie das Wogenbett des Tsching. Mit leicht gelb getönten schlanken Fingern hielt sie ein Sträußchen Klettenkraut um spannt, und sah auf Dung-Ti so ernst und still, als ob sie jeden Gedanken kenne, der je durch seine Märchenträume zog. Dann huschte sie an ihm vorbei und glitt wiegend die Stufen hinab. Dung-Ti stand wie festgebannt; doch plötzlich rüttelte ihn der Gedanke auf: Ihr nach! Als er wie ein Träumender Hinab stieg, fand er auf der breiten Stufe zu dem ersten Tempel ein Sträußchen Klettenkraut. Hatte es die Schöne verloren? Er hob es auf, und ihm fiel das alte Lied der Königin Thai-sse aus dem Shi- king ein: Ich pflückte, pflückte Klettenkraut, Noch füllt cs nicht pes Korbes Bord, Da dacht Ich seufzend auch an ihn — Und auf dem Heimweg lvarf ich's fort! Suchend ging er durch die schmalen Gäßchen Ti-tsia-pu's, hier und dort fragte er nach der lieblichen Jungfrau, aber niemand kannte sie, und trotz all seiner ausgeteilten „Kumscha" — Trinkgelder — konnte er nicht mehr erfahren, als daß eine vornehme Familie sich einige Stunden im Dorf aufgehalten hätte, um den wunderbaren Tempelbau zu besichtigen. Dung-Ti wanderte von da an träumerischer denn je durchs Land, und glühender wurden seine Verse, mit denen er seine Erscheinung andichtete. Gar bald er schienen in seiner Vaterstadt seine Lieder im Buchhandel, und er gab ihnen die Widmung: „Der Märchenfee von Ti-tsia-pu, der Spen derin des Klettenkrautes". Als er aber von seiner langen Irrfahrt heimkam, trat ihm der oberste der Ange stellten demütig entgegen, die Hände ehr erbietig an die Stirne gepreßt, und vermeldete, wie die Geschäfte von Tag zu Tag zurück gingen, die Einnahmen kaum die Ausgaben mehr deckten, und der blaue Fluß habe die Ländereien überspült und die Ernte verheert. Nach langem Reden, Besinnen und Rat schlagen entschloß Dung-Ti sich, die Fabrik um einen billigen Preis an einen Komprador zu verkaufen und auch seine Ländereien zu veräußern, und ihm war ganz leicht und froh dabei zu Sinn, denn er hatte ja nie den Plan gefaßt, einst die Fabrik zu leiten. Er legte sein Geld sicher an, und als er sein Vater haus und sein Besitztum verließ, da fiel ihm ein: Wer ihr zum erstenmal ins Auge sieht, der verliert sein Reich! Lächelnd begab er sich von neuem aufs Wandern. In Su-tscheu-fu, dem Paradiese Chinas, wo die schönsten Frauen wohnen, Reichtum, Lustbarkeit und bewegtes Leben flutet, machte Dung-Ti Rast. Hier im chinesischen Venedig, wo die graziösen Gestalten mit den kleinsten und zierlichsten Füßchen sich bewegen und das feinste Chinesisch gesprochen wird, wollte er dichten und schreiben, von den Erfolgen seines ersten Liederbuches getrieben, um glücklich sich ganz dem Dienst der Dichtkunst widmen zu können. Wenn der Abend herabsank, ging er träumend durch die Gassen, aber er sah weder die Läden mit den lockenden Waren, noch die Sänften mit den schönen Frauen; sein Blick eilte in die Weite, wo die Gärten sich ausdehnen und die Palmen empor streben. Und ein Garten war's, der ihn vom ersten Tag an mehr lockte als die andern all. Hinter schlanken Bambusstäben grüßten buntbe streute Wege, das Schnabeldach eines ver goldeten Kioskes glänzte herüber, und der Blumenflor streute. seine Wohlgerüche ver schwenderisch aus. Mandschurenmädchen ordneten die Beete und Wege, Hinbusklaven trugen schützend die Fächer mit Strauß federwedeln über die Herrin gesenkt, die, ein Buch in den Händen, täglich durch die Wege schritt dem Magnolien-umstandenen Kiosk zu. An dieses Gartens Bambusstäbe gelehnt, dichtete Dung-Ti seine schönsten Lieder. Und eines Tages ging es wie ein Wunder durch Dung-Tis träumerische Dichterseele. Die Wege lagen still unter trübem, wolken umschattetem Himmel, die Blumen atmeten schwer wie vor einem Wetter mit Blitz und Donner, und einsam nahte die Herrin auf den bestreuten Wegen. Aus ihren Augen brach es wie Sonnenstrahlen, die schmeichelnd sich um Dung-Tis Sinne spannen, und wie sie ihn erblickte, da ging wie Frührotschein ein Lächeln über ihr Antlitz; ihm aber wurde, als hätte er von der Wunderblume Ho-Huan genossen, von der die Sage spricht: sie banne jedes Leid und bringe Glück und Segen! Wie unbewußt rief er: „Die Märchenfee von Ti-tsia-pu!" Sie aber hob das Buch mit seinen Versen empor und hauchte: „Der Spenderin des Klettenkrautes!" Da besann sich Dung-Ti der Worte: Wer sie sieht zum zweitenmal, der wird zum Bett ler — und ohne langes Besinnen hob er wie ein Bittender und Flehender die Hände und sagte: Entflieh nicht wieder, holde Himmelsblume, Die mir im Herzen blüht, seit ich zuerst sie sah; Du, der die Lieder meiner Sehnsucht gelten, Die mir im Herzen lag, ob sie auch noch so fern! Du Märchenkind, dem ich mein Reich geopfert, Für Las ich nun zum sel'gen Bettler ward, Erfülle süß Lie alte Wundersage: Den Bettler laß ein reicher Kaiser sein! Si-Lang-Deu lächelte: „Kein Fremder seid Ihr mir, Sänger der süßen Lieder. Ich kenn' Euch längst aus Euren Werken schon, die meine ganze Freude find; ich kenn' Euch längst . . . seit ich Euch sah im kleinen Wundertempel, wo ich zu Gott um Segen einst gefleht, damit er mir die Schritte lenk' und segne!" Si-Lang-Deu öffnete das schmale Pfört- chen in der Hecke von Bambusstäben. „Tretet ein, daß ich Euch zu meinem alten Vater sühre. Aus Euern Liedern hat er Euch schon lieb gewonnen!" — — Das alte Wundermärchen hatte sich er füllt: Wer ihre Liebe gewinnt, ist reicher als der Kaiser vor Glück und Seligkeit! In dem reichen Wohngemach des jungen Paares Dung-Ti und Si-Lang-Deu hängt von der Wand auf schwerer Seidendecke in Gold schrift der Spruch mit dem chinesischen Sprich wort herab:: „Das Glück kommt nie doppelt!" Sie haben mit Vorbedacht diesen Spruch .gewählt; sie wissen es ja: ein Glück so groß wie das ihrige, das kann nicht doppelt kommen. Alle Jahre reisen sie nach Ti-tsia- pu. Oben im zierlichen kleinen Tempelchen, das dem Gotteshimmel am nächsten ist, bitten sie, daß ihnen ihr großes Glück erhalten bleibe.