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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, D« »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in b« Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 NM., bei Postbestellung 7 zuzüglich Abtrag- , , , -v se . gebühr. Einzelnummern ^Rpfg.AllePostanftalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgeaend Postboten und nnsereAus- ^Sgerund Geschäftsstellen — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter/ Anz^«enpre>»: die »gespaltene Raumzeile MRxfg., die 1 gespaltene geil« der amtlichen Bekanntmachun,« 40Reich», psennia, die g gespaltene Reklamezrile im textlichen Teile 1 Reichamar». NachweisuugrgebLhr 20 Reichapsennige. «m»> Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 SM'LM annahmebis oorm.lOUHr. — - — Für die Nichtigkeit dse durch FernrufübermitteltenAnzeigen Übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn derBetragd«ch Klage eingezogen werden must oder derAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr 122. — 86. Jahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt* Wilsdruff- Dresden Postscheck: Dresden 2840 Freitag, den 27. Mai 1927 Front gegen Rußland. über den jetzt so offenkundig gewordenen Bruch zwi schen Großbritannien und Rußland wird uns aus Poli- tischen Kreisen geschrieben: Der schon lange schwärende weltpolitische Gegensatz zwischen Ost und West ist damit zum Ausbruch gekom men, weil er zum Ausbruch gebracht werden sollte. Ver geblich bemüht sich jetzt der russische Volkskommissar fiir das Auswärtige, Tschitscherin, Frankreich von einem festen antirussischen Zusammenschluß mit England «bzubringen. Daß diese Front geschlossen ist, muß als das Resultat des soeben erst beendigten Besuches der beiden französischen Staatsmänner Doumergue und Briand in London betrachtet werden. Vergeblich scheinen daher die großen Angebote zu bleiben, die Tschi tscherin jetzt in Paris auch hinsichtlich der Regelung der russischen VoAriegsschulden an Frankreich zu machen nicht zögert. Die englische Negierung geht aufs Ganze und demgemäß fehlt es in Paris auch nicht an Stimmen, die auch wegen der Sowjetpropaganda es der französischen r^??End empfehlen, sich dem englischen Vor- So verzweifelt wie jetzt ist die diplo- mati,che Lage der Moskauer Regierung seit jener Zeit nicht gewesen, als die Heere der Entente die Bolschewisten eM'-A Lande bekämpften. Abgekühlt ist das Verbaltnl ' zwischen Italien und Rußland; um nichts besser sind auch die Beziehungen zwischen Moskau und den Randstaaten, nicht zuletzt mit der Kleinen Entente. Daher ist es nicht zuviel gesagt, wenn von einer Einheits- front Europas gegen den Bolschewismus gesprochen wer den kann, wobei nur — Deutschland fehlt. Wir waren der erste Staat, der mit Rußland nach dem Kriege einen Vertrag abgeschlossen hat, und jenem Übereinkommen von Rapallo aus dem Jahre 1922 folgte dann vier Jahre später der Berliner Neutralitäts- Vertrag, bald nachdem IN Locarno die Verträge mit dem Westen abgeschlossen waren. Das; wir nun durch das Keaenübertrctcn der beiden Fronten in eine schwierige Laae qekommcn sind, darüber ist man sich in Berlin voll kommen klar. Ob es uns möglich sein wird, diesem kteaensatz gegenüber die Neutralität zu wahren, ist eine zweite Fraget und schließlich ist es selbstverständlich, daß beim wirklichen Festhalten an einer solchen deutschen Neu tralität zwischen Ost und West unsere Lage bei den Ver handlungen über die Nheinlandräumung oder sonstige Fragen, an denen der Westen interessiert ist, alles andere als erleichtert wird. Das gleiche gilt aber auch für die politische Lage an unserer Ostgrenze. Von den wirt schaftlichen Folgen des Bruches zwischen Ost und West' soll hier noch nicht geredet werden, — aber auch diese »verden für die allgemeine wirtschaftliche Lage Europas recht unerfreuliche sein. So sind wieder einmal tiefschwarze Wolken an dem politischen Himmel Europas emporgestiegen und wir Deutsche, die wir waffenlos sind, können der weiteren Ent wicklung nnr abwartend gegenüberstehen. Tkotz allem, was vorausgcgaugen war, kommt der jetzt vollzogene Bruch zwischen England und Ruß land doch überraschend. Kündigung des Handelsab kommens von 1924 und der Abbruch der diplomatischen Beziehungen waren ja vor ein paar Monaten durch London schon angedroht worden, aber man glaubte doch nicht, daß die damaligen scharfen Noten nun derartig er hebliche Folgen haben würden. Hatte doch Chamber lain ein paar Wochen nach diesen scharfen Noten bei der Genfer Tagung des Völkerbundrates verhältnismäßig ver söhnliche Ausführungen gemacht. Nun wird also künftig hin in England kein russischer Beauftragter oder Agent weilen dürfen, der diplomatische Eigenschaften besitzt und damit dem Zugriff der Polizei entzogen ist. Baldwin, der britische Ministerpräsident, betonte aber in seiner Rede, daß dem gewöhnlichen Handelsverkehr zwischen den beiden Ländern nichts im Wege stünde. Das wird aber nicht von den Engländern allein abhängen! Die sonstigen Ausführungen des englischen Premier ministers stützen sich in der Hauptsache auf die Funde, die im Londoner Gebäude der Arcos gemacht worden sind. Selbst angenommen, daß sich alles so verhält, wie Baldwin behauptet, teilweise aber nicht beweisen kann — das ge heimnisvolle Staatsdokument spielt dabei die Haupt rolle — so ist das alles doch nur eine formale Be gründung anscheinend längst beschlossener Pläne. Eine derartige militärische Spionage, wie sie rufsischerseits in London eingerichtet worden sein soll, hat an und für sich nichts Auffallendes; solche Dinge leistet sich auch jetzt noch jeder Staat, soweit ibm das irgendwie möglich ist. Schließ lich ist es doch auch nicht so etwas Weltbewegendes, wenn von Moskau aus die Londoner Gesandtschaft aufgefordert wird, Nachrichten über China an die Arbeiterpartei und deren Hauptblatt,, den „Dailh Herald", gelangen zu lassen. Selbst wenn die Spionageagenten im Auftrage der Mos kauer Regierung und im engsten Verein mit der Londoner Sowjetgesandtschaft und der russischen Handelsdelegation gearbeitet haben, um sich in den Besitz wichtiger militä rischer Dokumente zu setzen, so wäre auch das stillschweigen dem diplomatischem Brauch gemäß noch längst nicht Ver anlassung zu einem so scharsen Bruch — wenn eben die Absicht zu diesem Bruch nicht aus anderen Gründen ent- wrnnaen wäre. Auch andere Vorwürfe, die Baldwin ver englisch-russische KonMkt Valdwins Regierungserklärung. Englische Besorgnisse. Die Regierungserklärung, die Ministerpräsident Bald win im Englischen Unterhaus über den Beschluß des eng- lischen Kabinetts abgegeben hat, in der er die Gründe für den Bruch mit Rußland darlegte, hat in England eine günstige Presse gesunden. Vor allem die Presse der Kon servativen, denen ja auch Baldwin angehört, stellt sich hinter die Regierung, während die Liberalen zwar etwas zurückhaltender sind, aber immerhin die Haltung des Kabi- netts billigen. Allerdings werden auch besonders in parlamen tarischen Kreisen Londons Stimmen laut, die aus die finanziellen und kommerziellen Folgen eines Bruchs mit Rußland Hinweisen. So betont die „Financial Times", daß der Jahreswert der direkten britischen Aus fuhr nach Rußland einen beträchtlichen Teil des Gesamt umsatzes der englischen Schwerindustrie, insbesondere auf dem Gebiet der Herstellung von Textilmaschinen, darstellt. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen muß, so meint das Blatt, den unwiderruflichen Verlust dieser Ge schäftsbeziehungen mit sich bringen, gerade zu einer Zeit, wo England eine Ausdehnung seiner Auslandsmärkte dringend braucht. Die Aufnahme der englischen Regierungserklärung in Paris ist noch nicht ganz geklärt. Jedensalls sind die Pressekommentare der Pariser Blätter äußerst vorsichtig gehalten. Einstellung sämtlicher Geschäfte mit Rußland. Die von der Sowjetrcgierung oft als Sprachrohr be nutzte Zeitung „Jswestiia" nimmt in einem Artikel Stellung zu den Erklärungen Baldwins im Unterhaus und betont, daß die Sowjetunion in vollkommener Kalt blütigkeit die weitere Entwicklung der Dinge abwarten werde. Der Volkskommissar für den Handel, Mikojan, erklärte, daß sich Baldwin irre, wenn er glaubt, daß nach Auslösung der Sowjethandrlsorganisationen in England deren Funktionen an englische Vermittlerfirmen über gehen werden. Das Handelsksmmissariat wird sämtliche Geschäfte mit England einsteüen. Das Handelskommissariat hat zur Liquidierung bereits früher angeknüpfter Geschäfte allen Sowjetwirt- fchaftsorganisationen in London Weisung erteilt, den bis- her eingegangenen kommerziellen und sinanziellen Ver- pslichtungen in vollem Umfange nachzukommen. Gleich zeitig wurde zur Wahrung der Interessen der Sowjet union ihnen die Weisung erteilt, von allen englischen Firmen, mit denen sie Geschäfte haben, die Erbringung von Garantien zu fordern, daß diese englischen Firmen auch ihre Verpflichtungen gegenüber der Sowjetunion erfüllen werden. Der englisch-russische Konflikt. Rußlands Gegenmaßnahmen. Nachdem über den Abbruch der englisch-russischen Be ziehungen kaum noch ein Zweisel möglich ist, hat man sich in Moskau auf Gegenmaßnahmen vorbereitet. Die Sow jetunion hat, wie der Erlaß an die russischen Handelsver treter in London über die Einstellung der russischen Warenbestellungen in England beweist, wirtschaftliche Gegenmaßnahmen bereits voraeselien. Aus Mikoians machte und die sich auf eine Sowjetpropaganda m Eng land selbst, dann aber auch auf antibritische Wühlarbeit in ganz Amerika beziehen, müssen unter diesem Gesichts- punkt betrachtet werden. Man wollte eine Entscheidung herbeiführen. Zur deutschen Wirtschaftslage. Eine Erklärung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. Der Reichsverband der Deutschen Industrie hat an den Reichswirtschaftsminister einen Bries gerichtet, in dem er ein gangs auf seine Verdienste um die Besserung der deutschen Wirtschaftslage in der letzten Zeit hinweist. Trotz des wirt schaftlichen Aufstiegs könne man aber, so heißt es n. a. in dem Schreiben weiter, mit Besorgnis betrachten, daß die wirt schaftliche Lage Deutschlands in der öffentlichen Meinung und bei amtlichen Stellen stark überschätzt werde. Es gebe noch beinahe eine Million Arbeitslose und die Dawes-Lasten nähmen planmäßig im nächsten Jahre zu. Die öffentlichen Ausgaben jeder Art seien trotz der überbürdung der deutschen Wirtschaft mit Steuern und sozialen Lasten weiter gestiegen In den lebten Monaten seien nahezu in allen Wirtschafts zweigen mit Hilse des Schlichtungsverfahrens weit über die Verteuerung durch die Mietpreiserhöhung hinausgehende Loünerböüunaen durchgesetzt worden. Lohnerhöhung und Ar letztem Presseinterview ergibt sich, daß die Sowjetunion die „Arcos" aufgibt. Politische Maßnahmen, wie etwa Ausweisung englischer Staatsangehöriger, werden nicht getroffen. Dagegen scheint sich eine neue außenpolitische Aktivität Rußlands vorzubereiten, eingeleitet durch Tschi tscherins Besuche bei Briand nnd Poincarö. Wahrschein lich wird die Sowjetunion in den russisch-polnischen Ver handlungen die Initiative ergreifen, während bis jetzt auf beiden Seiten nur akademische Erörterungen gepflogen wurden. An Kriegsgefahr glaubt man nicht. Rußland selbst wird zweifellos jeden Schritt, der zu Verwicklungen- sührt, möglichst vermeiden. England isoliert? Die von England angestrebte europäische Antisowjet front ist augenscheinlich noch recht problematisch, da sogar! Frankreichs Bindung noch nicht feststeht. Ferner lasse« die Besprechungen des italienischen Botschafters und deS österreichischen Gesandten mit Mikojan klar erkennen, daß eine Reihe europäischer Länder keine Neigung spürt, Eng lands Politik zu unterstützen. Auch beweisen die Verhand lungen der Amerikaner in Moskau, daß die Vereinigte« Staaten dem englischen Plane ebenfalls nicht zuneigen. In den maßgebenden Kreisen des Berliner Aus wärtigen Amtes wird ausdrücklich versichert, daß die deutsche Regierung gegenüber dem englisch-russischen Kon flikt strikteste Neutralität beobachten wird. Tschitscherins Pariser Verhandlungen. Die zwei Hauptdelegierten der russischen Delegation an der Weltwirtschaftskonserenz, Ossinski und Sokolni- kow, sind von Genf nach Paris abgereist, wo sie mit Tschi tscherin Zusammentreffen werden, um ihm über den Ver lauf der Weltwirtschaftskonferenz sowie über die gegen wärtige internationale Lage Sowjetrußlands Bericht zu erstatten. Von dort werden sich alle drei nach Berlin be geben. Die Stellungnahme der Englischen Arbeiterpartei. Wie Reuter berichtet, hat eine Sitzung der Fraktion der Arbeiterpartei beschlossen, im Unterhaus kein direktes Mißtrauensvotum gegen die Regierung einzubringen, jedoch gegen den Regierungsantrag zu stimmen. Die Ar beiterpartei wird zum Ausdruck bringen, daß sie die Handlungsweise der Negierung als übereilt verurteilt und Wird verlangen, daß eine gerichtliche Untersuchung der ge- samten Angelegenheit stattfinde, bevor ein Bruch mit Ruß-- land beschlossen werde. Eine Erklärung des Londoner Sowjetgeschäftsträgers. Der Londoner Sowjetgeschäftsträger veröffentlicht eine längere Erklärung, in der allen Anschuldigungen Baldwins widersprochen und behauptet wird, daß die vom Premierminister verlesenen belastenden Dokumente Fäl schungen seien. Außerdem wird erklärt, daß ein Sowjet- angestellter, der bolschewistische Propaganda betrieben haben würde, entlassen worden wäre, sobald man dies entdeckt hätte. Englands allgemeine auswärtige Politik unverändert. Der Amtliche Britische Funkdienst teilt mit: Es wird allgemein als selbstverständlich angenommen, daß der Schritt der englischen Regierung, der ja aus den Ver trauensbruch der offizielle» Vertreter der Sowjetregierung in Großbritannien zurückzuführen ist. eine isolierte Maß nahme darstellt, die ans die allgemeinen Grundzüge der auswärtigen Politik Englands, die nach wie vor sich auf der Erhaltung und dem Ausbau der im Locarnovertrag niedergelegten Grundsätze aufbaut, keinerlei Einfluß haben wird. beitszeitregelung hätten zu den geplanten Tariferhöhungen vei Post und Eisenbahn geführt, wodurch die Lasten der Betriebe Vergrößert und die Kosten des Endproduktes Weiler verteuert würden. Deshalb halte der Reichsverband eine so weitgehend«! Erhöhung der Tarife bei dem derzeitigen Stand der Wirt» schäft für geradezu katastrophal. Preiserhöhungen und neue Lohnforderungen und damit weitere Preiserhöhungen wären die Folgen. Der Reichsverband bittet daher den Reichswirtschafts- Minister, Maßnahmen und Experimente zn verhindern, die di« Rentabilität der Betriebe dauernd ernstlich gefährden, di« Lebenshaltung der breiten Massen der Bevölkerung herab sehen und letzten Endes die Arbeitslosigkeit vergrößern würden. England geht in China vor. Wiedererlangung der Konzessionen? Aus Hankau kam die Nachricht, daß bewaffnet« englische Matrosen in der ehemaligen britischen Konzession im Kiukianggebiet landeten. Der Vertreter des chinesischen Außenministeriums erhob Einspruch, aber die Engländet erklärten, die Landung sei zu militärischen Übungen not» wendig gewesen. In den Kreisen der englischen Kaufleute nimmt man jedoch an, mit der Landung sei der erste