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Deutschland. Die österreichischen Siaats-Eisenbahnen. Oeffentliche Blätter melden von der am 21. Oktober stattfindenden Eröffnung der ersten Sekzion der österreichischen StaatS-Eisen bahnen. Einige Notizen über diese großartigen Verkehrslinien, welche in dem deutschen Eisen bahn-System eine Hauptrolle zu spielen bestimmt sind, dürsten daher in dem gegenwärtigen Zeit punkt um so mehr willkommen seyn, als hierüber nur selten etwas bekannt wird. Wir werden uns indessen für dicßmal mit einigen allgemeinen An gaben begnügen, indem wir uns Vorbehalten, von Zeit zu Zeit ausführlichere Mittheilungen über die Fortschritte der österreichischen Staats-Eisen bahnen, ihre Bauten und Einrichtungen, ihren Betrieb re. zu liefern. Die gegenwärtig auf Staatskosten in Aus führung begriffenen Bahnlinien in Oesterreich sind: 1) die Eisenbahn von Gloggnitz, dem Ter minus derWien-Gloggnitzer Eisenbahn, bis Triest; 2) die Eisenbahn von Ollmütz, bis wohin von Wien auS die Kaiser-Ferdinands-Nord bahn im Betrieb ist, bis Prag; 3) die Anschlußbahn von Brünn nach Trü- bau, einem Orte an der Ollmütz-Prager Bahnlinie. Für die Eisenbahn von Prag nach Dres den sind die Vorarbeiten im Zuge und großen- theils vollendet. Für die Bahn nach Bayern sollen die Vermessungen mit Nächstem beginnen. Die 34 Meilen lange Ollmütz-Prager Bahn nahet ihrer Vollendung; sie wird im Sommer 1845 in ihrer ganzen Länge eröffnet werden. Die Sekzion der Wien-Triester Bahn, welche gegen wärtig der öffentlichen Benützung übergeben wird, erstreckt sich von Mürzzuschlag, dem Fuße des Sömmering, bis Grätz in Steyermark, und mißt 12'/, Meilen. Mehr als der vierte Theil des WegeS zwischen Wien und dem adriatischen Meer kann also jetzt schon auf Eisenbahnen zu rückgelegt werden, da die Wien-Gloggnitzer Bahn 10 Meilen mißt. Zur Ausführung der Bahn über den 250 Klafter hohen Sömmering zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag ist man noch nicht geschritten, doch steht es nun fest, daß auch in dieser Strecke eineLocomolivbahn ausführbar ist, und dasselbe gilt für die Sekzion von Laibach nach Triest, in welcher die zu überwindenden Schwie rigkeiten noch mächtiger seyn sollen, als in der Linie über den Sömmering. Sonach wird auf der ganzen Eisenbahn von Wien bis Triest der Locomotivbetrieb Statt finden. Man war lange darüber in Zweifel, auf welche Weise die Staats-Eisenbahnen in Oester reich betrieben werden sollen. Zuletzt wurde der Beschluß gefaßt, den Betrieb derjenigen Stre cken, die zunächst vollendet werden, zu verpach ten. Man hatte hiebei besonders den Zweck vor Augen, den Fortbau der Bahnen, ungestört durch den Betrieb und mit Benützung aller dis poniblen Kräfte, bewirken zu können. Für die Bahn in Steyermark wurde mit derWien-Glogg nitzer Eisenbahn-Gesellschaft ein fünfjähriger Pachtvertrag abgeschlossen, dessen Grundzüge in Folgendem bestehen: Der Staal vollendet die Bahn und setzt sie in fahrbaren Stand; er stellt die Wächterhäuser, Stazionsgebäude, überhaupt sämmtliche Betriebs- Gebäude her und richtet dieselben ein; er schafft Lokomotiven und Wagen und sämmtliche andere Betriebsmittel an, alles in der Weise, daß der Staat jeden Augenblick den Betrieb in eigener Regie beginnen könnte. Der Staat bestimmt den Tarif für Perso nen und Güter; er setzt den Fahrplan fest, indem er Zeil und Zahl der Fahrten vorschreibt, wobei aber als Minimum zwei Fahrten täglich in jeder Richtung geschehen müssen. Der Staat führt durch Anstellung besonde rer Beamten eine genaue Kontrole über alles, was auf der Bahn geschieht. Zwei Commiffäre wohnen von seiner Seite den DirekzionSsitzungen bei; er behält sich das Genehmigungsrecht vor bei der Anstellung der wichtigsten Betriebsbe amten. — Die Gesellschaft stellt das gesammte Be triebspersonale an, sorgt für Brennmaterial, Schmiere, Reparaturen, überhaupt für alles, was ein regelmäßiger Bahnbetrieb erfordert. Sie empfängt hiefür n) zur Bestreitung der Transportkosten 6 st. 4 kr. C.M. für jede Meile, welche von einem Personentrain, 7 fl. 48 kr. C.M. für jede Meile, welche von einem Gütertrain und 6 fl. 54 kr. C.M. für jede Meile, welche von ei nem gemischten Train zurückgelegt wird; d) einen Betrag von 3000 fl. C.M. per Meile Bahnlänge für die Bahnunterhaltung, und o) einen Betrag von 4500 fl. C.M. für jede Meile der im Be trieb befindlichen Bahnstrecke sür die Kosten der Administrazivn re.; außerdem aber noch Prozente von der Bruttoeinnahme, die sonst ganz dem Slaat zufließt. Nach Ablauf der Kontraklzeit hat die Gesell schaft alles in vollkommen gutem Zustande an den Staat zu übergeben. Man erkennt in diesen Bedingnissen die Ab sicht des Staates, der Verpachtung ungeachtet die vollständigste Kontrole über den Bahnbetrieb zu behalten, und in sofern man sich nicht sogleich zum Selbstbetrieb entschließen wollte, war bieß der einzige Weg, den Zweck ganz zu erreichen, den man bei Uebernahme des Eisenbahnbaues auf Staatskosten vor Augen Halle. Bei der Festsetzung des Tarifs waltete der Grundsatz vor, durch sehr niedrige Fahr- und Frachtpreise den Verkehr möglichst zu beleben, ein Grundsatz, dem weit mehr, als eS bisher gesche hen, gehuldigt werden sollte, den aber auch nur der Staat in weitestem Sinne auszuführen ver mag. Die Tarifsätze für die Grätzer Bahnstrecke sind für Passagiere in den 3 Wagenklassen resp. 18, 11 und 8kr.C.M., für Güter Vs und V» kr. C.M. per Meile. Einige Worte über die Betriebsmittel der österreichischen StaatS-Eisenbahnen mögen diesen Aufsatz schließen. Sowohl bei den Locomoti- ven wie bei den Wagen wird daS amerika nische Prinzip angewendet. Die Locomoliven erhalten nämlich bewegliche Untergestelle, und die Wagen werden fast durchgängig mit acht Rädern (doppelten Untergestellen) versehen. Je nachdem die Locomotiven für leichtere oder schwerere Züge, für geringere oder größere Steigungen berechnet sind, wurden sie von kleinern oder größern Di mensionen bestellt, und man wird Locomotiven von dreiKlassen besitzen, welche auf horizontaler Bahn beziehungsweise 4000, 6000 und 8000 Ctr. Brutto sortzuschaffen im Stande sind. Mit dem Bau dieser Locomotiven sind beschäftigt: W. Norris und Comp. in Philadelphia, die SociStö Cockerill in Lüttich, die Maschinenfabrik der Wien- Gloggnitzer Eisenbahn-Gesellschaft und die Ma schinenfabrik in Wiener-Neustadt. Die achträderigen Personenwagen haben eine äußere Länge von 32, eine Breite von 8 V, und eine Höhe von 7 rngl. Fuß. Die Wagen für die erste und zweite Klasse vereint, so wie jene der zwei ten Klasse, sind für 56 Personen eingerichtet, jene der dritten Klasse für 64 Personen. Bei sämmtli- chen Wagen sind blos Eingänge an den beiden schmalen Seiten, und man gelangt in den Wa gen von den dort angebrachten Plattformen aus, auf welche eiserne Stufen führen. Die Unterge stelle der Personenwagen sind mit Bogenfevern versehen. Auf die Wahl des amerikanischen Sy stems für die Locomotiven und Wagen der StaatS- Eisenbahn glauben wir um so mehr Gewicht le gen zu müssen, als man in Oesterreich mehrere Jahre hindurch Gelegenheit hatte, auf den im Betriebe stehenden Eisenbahnen dieses System mit dem englischen zu vergleichen und Vor- und Nachtheile des einen wie des andern zu prüfen. Im Oktober 1844. —* Belgien. Die belgischen Eisenbahnen im Jahre 1843. Ueber die Resultate des Betriebs der belgi schen Eisenbahnen im Jahre 1843 ist im Februar d. I. den Kammern rin Bericht vorgelegi wor den *), aus welchem wir das Wichtigste auszugs weise mittheilen und mit einigen Bemerkungen begleiten. Wir werden später Gelegenheit neh men, die Ergebnisse der belgischen mit denen der deutschen Eisenbahnen in Parallele zu stellen. Im Durchschnitt für das ganze Jahr 1843 sind 96'/, Lieues (482'/» Kilom.) Eisenbahn im Betrieb gewesen, und es haben während die ser Zeit die Locomotiven 375,434 LieucS ü 5000 Meter zurückgelegt. Die deutsche Meile zu 7407 Meter gerechnet, war die mittlere Bahnlänge 65.2, und der von den Locomotiven zurückgc- *) Situation cko I'exploitalion cke« cbcmins 6« ler ponckant Iannee 1813. Lruxellos 1841.