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Erzgebirgischer Volksfreund : 05.06.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192706057
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19270605
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19270605
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-05
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 05.06.1927
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Das neueste sozialdemokratische »grarprogramm. pgr. Die Agrarkommtssion der Sozialdeinokratischen Par. tot Deutschland» hatte bekanntlich auf Grund der Beschlüsse de» Berliner und Heidelberger Parteitage» den Entwurf zu einem Agrarprooramm ou»H»arbeitet, der Anfang diese» Jahre» der vöffentlichkett übergeben wurde. Aus dem jetzt abgelaufenen Kieler Parteitage wurde dieses neueste Agrarprogramm durch die Referate von Dr. Fritz Baade und Regierungspräsident Krüger- Lüneburg zur Kritik vorgelegt. Erstgenannter, der bekanntlich die sozialdemokratische Partei im Unterausschuß für Landwirt- schäft des Enqueteausschusses vertritt, besitzt nicht nur gut« theoretische Kenntnisse der Agrarfragen, sondern er ist auch als praktischer Landwirt längere Zeit tätig gewesen, während Re- gierungspräsident Krüger heute gemeinsam mit hervorragenden Siedlungsfachleuten auch aus rechtsstehenden Kreisen im Vor. stand der Gesellschaft zur Förderung der inneren Kolonisation wirkt. Mesen beiden Sachverständigen ist es wohl in erster Linie zu verdanken, daß das neue sozialdemokratische Agrar- Programm immer mehr von den ursprünglichen Utopien abge- kommen ist und ein politisch-taktisches Gegenwartsprogramm darstellt. Krüger betonte, daß die Sozialdemokraten bei diesem Pro gramm an die deutschen Verhältnisse anknüpfen und dabei die geschichtlich« Entwicklung >ntt berücksichtigen, ohne welche die heutigen Verhältnisse nicht zu verstehen sind. Geh. Reg.-Rat von Zastrow-Derlin sagt in der „Berliner Börsen-Zeitung", daß dieses Agrarprogramm der Mentalität der Landwirtschaft entgegenzukommen versuche, um sie politisch zu gewinnen, und es stellt mancherlei Forderungen auf, mit denen sich jeder ein verstanden erklären könne, obwohl es sich nicht ganz von der sozialistischen Einstellung freigemacht habe, — eine Auffassung, die nur zu berechtigt ist. Früher lehrte die Sozialdemokratie, daß in der Landwirt, sihaft der Großbetrieb allein die geeignetste Betriebsgrößen- klasse zur besten und vorteillmkteston Erzeugung landwirtschaft licher Produkte wäre, eine Auffassung, von der man heute ab gekommen ist. Man stellt vielmehr fest, daß das Konzentra tionsgesetz, also die Tendenz zum Zusammenschluß zu Groß- betrieben, für die Landwirtschaft keine Geltung habe. Die früher vertretene Auffassung vom Untergang der klein- und msstelbäuerlichen Betriebe hat sich, wie die geschichtliche Ent wicklung gezeigt hat, als unrichtig herausgestellt. Während die Sozialdemokratie also früher die klein- und mittelbäuer- lichen Betriebe zugunsten des Großbetriebes gern aufgelöst hätte, will sie heute alles Bodeneigentum, das eine volkswirt schaftlich zweckmäßige Grenze überschreitet, an das Reich ab getreten wissen gegen eine Entschädigung, die dem Steuerwert der Grundstücke entsprechen soll. Als volkswirtschaftlich zweckmäßige Grenze sieht das Pro gramm im deutschen Osten etwa 750 Hektar an. Diese schema tische Enteignung der über eine bestimmte Größe hinausgehen den Besitzungen verrät recht wenig Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse. Es gibt unter dem landwirtschaftlichen Groß- besttz, der über diese angenommene Größe hinausgeht, eine große Anzahl ganz,hervorragend bewirtschafteter Güter, die nickt nur reiche, über dem Durchschnitt liegende Nahrung«- mitttlerträgnisse abwerfen, sondern die auch hinsichtlich der Anwendung technisch fortgeschrittener Arbeit«- und Absatz. Methoden als mustergültig anzusprechen sind. E» kann auch nicht behauptet werden, daß die landwirtschaftlich« Arbeit, nehmerschaft bei den landwirtschaftlichen Großbetrieben immer die schlechtest bezahlte und unfreieste ist. Die Bedrängnisse des landwirtschaftlichen Gesindes in den mittel- und groß bäuerlichen Betrieben sind gewiß nicht geringer. In diesen gibt es für die landwirtschaftlichen Arbeiter selten Möglichkeit, Deputatland zu bewirtschaften. Scheinbar recht warm nimmt sich das sozialdemokratische Agrarprogramm der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe an. Während also das Eigentum der Latifundienbesitzer bis zu einer bestimmten Größengrenze herab enteignet weichen soll, soll der mittel- und kleinbäuerliche Besitz irgendwelche Eigentums- beschränkungen nicht erfahren. Es wird vielmehr die tiefe In- teressensolidarität der Arbeiterschaft mit den selbstarbeitenden Bauern betont. Für den Kleinbauernstand fordert das Pro- gramm eine leistungsfähige Kranken-, Invaliden- und Alters versicherung, außerdem andere Versicherungen geaen unvorher gesehene Katastrophen und insbesondere eine Lebensversicke- rung, um die Ueberlastung des bäuerlichen Besitzes mit Besitz, wechsel und Abfindungshypotheken zu verhüten. Mit der For derung der obligatorischen Ausdehnung der Kranken-, In- validen, und Altersversicherung für die bäuerlichen Familen bewegt sich das Programm in der bekannten sozialdemokrati schen Ueberspannung des Gemeinsks'"l^->^nkens und tritt dem System einer allgemeinen Staatsbürgerversicherung näher. Man soll doch nie vergessen, daß man dem selbständigen deut- scheu Bauerntum nicht alles Risiko abnehmen darf und soll, das Risiko, das jeder Mensch trogen muß, der selbständig bleiben will. Hinsichtlich einer gemeinwirtschaftlichen Regelung des Ab satzes der Produktion verlangt dos Programm ein Handels monopol und die gleichzeitige Beseitigung der jetzigen Ge- treidezölle, es will auf diese Weise die ungeheuren Preis- schwankungen mildern und beseitigen. Die Sozialdemokraten scheinen die praktischen Auswirkungen der Getreidezölle, be sonders die durch die Zölle hervoroerusenen Ausgleiche der Preisschwankungen, nicht richtig einschätzen zu können. In der Frage der Zollpolitik rewt ü» wieder zu sehr die sozia listische Sucht der Schematisierung und Gleichmacherei. Bei Beurteil"na des snrmldemokr^".-..-. ^varorogramms muß man natürlich berücksichtigen, Laß sowohl in der Agrar kommission wie auch in der Vorbei selbst Mitglieder vorhan den sind, die die Landwirtschait nur aus der marxistillen Theorie kennen oder ihr gegenüber so klassenieindlich einge stellt sind, daß sie nicht immer eine Brücke zwischen sozialdemo kratischer Arbeitnehmerschaft und Landwirtschaft finden. Immerhin zei"t dieses neueste Agrarprooramm der Sozial demokratischen Partei eine bessere Einsicht in die wirklichen Verhältnisse und praktischen Bedürfnisse der Landwirtschaft als die bisherigen Programme. Neuer Skandal -er Frem-enleglonswerbung. Mainz, 3. Juni. Die französische Besatzungsarmee, hat sich wieder eines schweren Vertrauensbruches schuldig gemacht. Durch die Mainzer Staatsanwaltschaft wurde ein Werbe büro der Fremdenlegion ausgehoben, dessen Mit glieder von der Militärbehörde unterhalten wurden. Die Ver hafteten vier Deutsche hatten in einer französischen Kaserne Unterkunft, Verpflegung und auch geldliche Unterstützung er halten. Nach dem Versailler Vertrag ist es der französischen Militärbehörde bekanntlich im besetzten Gebiet ver boten, sich an der Fremdenlegionswerbung zu beteiligen. Die Mitarbeit an der Werbung wurde bisher immer von den Militärs geleugnet. Der neue Fall ist jedoch wieder ein klarer Beweis dafür, daß die militärischen Stellen, wie es ja längst bekannt ist, die Werbung für die Fremdenlegion mit allen Mitteln unterstützen. Deutschen-Hetze in Gent. Brüssel' 3. Juni. Wie aus Gent gemeldet wird, sind zu der Tagung des internationalen Hygiene-Kongresses vier deutsche Delegierte eingetroffen. Die „Liga für Belgiens Ein heit" benutzte dies zu einer neuen Deutschenhetzc. Maueran schläge forderten die Bevölkerung zu Demonstrationen gegen di« deutschen Gäste in Gent auf. Die Bevölkerung jedoch küm merte sich um diese Aufrufe nicht. Zusammentreffen Stresemanns mit Ts^tscherin. Baden-Baden, 3. Juni. Der Reichsminister des Aeußeren Dr. Stresemann ist heute in Baden-Baden eingetroffcn. Er wird hier die Pfingstfeiertage verbringen. Berlin, 3. Juni. Die Besprechung zwischen Stresemann und dem russischen Außenkommissar Tschitscherin, die auf russischen Wunsch während der Durchreise Tschitscherins durch Deutschland stattfinden soll, wird wegen der kurzen Erholungs reise Dr. Stresemanns nach Baden-Baden verlegt werden. Der Außenminister wird Tschitscherin dann bei seiner Rück kehr auf dem von der russischen Botschaft veranstalteten Ban kett nochmals treffen. Die Rheinlaudräumung im Augenblick nicht aktuell! Paris, 3. Juni. In der heutigen Sitzung des Senats ant- wartete Briand auf die Frage, wann der Minister bereit sei, die Interpellation über die Erklärungen Dr. Stresemanns zur Frage der Räumung des linken Rheinufers zu beantworten, er habe seinerzeit gebeten, bis zu seiner Rückkehr von London die Beantwortung vertagen zu dürfen. Jetzt müsse er noch mals um Vertagung ersuchen, .und zwar bis zu seiner Rückkehr von der Völkerbundsratstagung. Uebrigens sei die Diskussion dieses Themas im Augenblick nicht aktuell. Lissabon, 3. Juni. Das aus den Linienschiffen „Schleswig- Holstein", „Elsaß" und „Hessen" und aus dem Kreuzer „Ber- lin" bestehende deutsche Geschwader ist vor der Tajo- mündung eingetroffen und wird morgen Lissabon anlaufen. Di« Uchlisch« «rise. Press«stimm«R- Di« „SSLs. Staatszta." warnt vor einer „Per. Prellung" der Parteien durch Erörterung der Schuldfrage und meint, daß die Uebernohme der Kabinettsumbildung durch den Ministerpräsidenten Heldt schneller zum Ziele führen könne al- langwierige Verhandlungen: „Mit dem ZurÜckztchen der Mi- nister lösen die bürgerlichen Koalitionsparteien ihr Versprechen gegenüber den Deutschnationalen ein, übertragen aber gleich, zeitig die weitere Lösung dem Herm Ministerpräsidenten, und das erscheint uns in der gegebenen Situation das wertvollste. Der Ministerpräsident H eld t ist bei allen Parteien vor dem Verdacht gefeit, eine einseitige Lösung treffen zu wollen. Ist ihm die Regierungsbildung in die Hand gegeben, hat er durch diesen Beschluß die Möglichkeit bekommen, das neue Ministe rium zusammenzustellen und vor den Landtag hinzutreten und die Koalitionsparteien vor die Entscheidung zu stellen, sein Ministerium zu billigen oder ihn zu stürzen, dann darf schon jetzt mit aller Wahrscheinlichkeit gesagt werben, daß das neue Kabinett Heldt die Billigung aller Koalitionsparteien erfahren wird. Zwar steht immer noch die Stellungnahme der Altsozialisten aus. Aber nach Aeußerungen des „Dolksstaats" sowie Berichten aus Partei- Versammlungen dieser Partei darf angenommen werden, daß sie einer Erweiterung der Koalition nicht grundsätzlich ableh nend gegenübersteht, wenn die Arbeiterintereffen dabei aus- reichend gewährt bleiben. Der altsozialistisch« „DoIksstaat" nimmt die Krise in sachlicher Weise unter die kritische Lupe und kommt zu fol- gendem Ergebnis: Jedenfalls sind es weder Sozialdemokraten noch Demokraten gewesen, die es an Verantwortungsgefühl uni politischer Klugheit sehr haben fehlen lassen. Da die alt- sozialistischen Minister seinerzeit nicht einmal von dem Inhalt des Schriftstückes verständigt worden waren, be steht für sie kein Anlaß zum freiwilligen Rück, tritt. Der Ministerpräsident könnte, falls die Parteien sich nicht einigen, die Ministerien neu besetzen und es alsdann darauf ankommen lassen, ob seine Regierung durch den Land, tag gestürzt wird. Uns scheint, man darf die einzige Erleich- terung der augenblicklichen Lage darin sehen, daß der Minister präsident nickst zum Rücktritt verpflichtet gewesen ist; so ist doch noch eine ordnende Hand am Werke, die verhüten kann, daß unter dem Jubel der radikalen Linken alles zertrampelt wird, was seit 1S2S von politischer Umsicht und Mäßigung ge- schaffen worden ist." Die linkssozialistrsche „DresdnerDolksztg." spinnt ihren gewohnten radikalen Faden mit heftigen Ausfällen gegen die Deutschnationalen und schließt: „Der offene Ausbeuch der Regierungskrise bestätigt, was wir schon so oft sagten. Der gegenwärtige Landtag ist nicht recht arbeitsfähig. Die Schwie- riAeiten der Regierungsbildung in Sachsen kommen daher, daß sich ein Teil der Wähler bei der vorigen Wahl arg ver- griffen hat. Deswegen gibt es nur eine vernünftige Lösung der Regierungskrise: Mit diesem Landtag muß Schluß gemacht werden. Die Aufgabe unserer Ge nossen ist es, schon jetzt Vorbereitungen zu teffen, damit das sächsische Proletariat einen etwaigen Wahlkampf siegreich be stehen kann und das rote Sachsen seinem alten wohlverdienten Namen wieder Ehre macht." Die „Dredn. N. Nachr." betonen, daß unter den von Heldt zu berufenden neuen Männern auch ein Verbindungs mann zu den Deutschnationalen hinüber sein müßte. Wenn der Ministerpräsident gut beraten ist, dann wählt er jetzt einige prominente Männer, die den Ausgaben, die ihrer im Ministe rium warten, auch wirklich gewachsen sind und die das Ver trauen der Allgemeinheit besitzen, und setzt sich dann mit den einzelnen Parteien ins Benehmen. Diese Männer müssen nicht unbedingt Mitglieder der Fraktionen sein. Der Finanz» Minister Dr. Reinhold gehörte zum Beispiel ja auch nicht der demokratischen parlamentarischen Fraktion an. Unter diesen von Heldt berufenen Männern müßte natürlich, wenn sein Kabinett irgendwie Aussicht auf Dauet und Stabilität haben soll, eine auch den Deutschnationalen nahestehende Persönlich keit sein. Die „Leipz. N. Nachr." schreiben: Das zu erwartende Freudengeheul der Linksradikalen wird bald zeigen, wie un klug und gefährlich die Politik jener Unterhändler ist, die am Scheitern der Verhandlungen die Schuld tragen. Nach dem Verlaufe der Dinge ist leider nicht daran zu zweifeln, daß der größte Teil der Schuld bei den deutschnationalen Verhand lungsführern liegt. Ein EuglSuder Präsident der Saarregierrmg. Berlin, 3. Juni. Wie die „Saarbrücker Zeitung" erfährt, wird die durch den Rücktritt Stephens freigewordeue Stelle des Präsidenten der Saarregierung durch den Engländer Sir Ernest Wilton besetzt. Die neue Mode im Kampf mir -er Tradition. Meine Eheliebste will sich einen Bubikopf schneiden lassen — allen Ernstes! D. h. wie sie behauptet, wenn ihr bisher ansehnliches Haar von 1,30 Meter bis auf einzelne noch län- gere Ausnahmen, die sie in ausgekämmtem Zustande der Wissen schaft halber manchmal mißt, wenn dieses Haar beziehentlich ihre zwei ansehnlichen Zöpfe, di« sie geschickt von Ohr zu Ohr zu einem Hinterhauptkissen verschlingt, wenn dies alles weiter Neigung verspüren sollte, den Weg alles Irdischen, nämlich noch mchr als leider bischer auszugehen! Diese Theorie ist mir verständlich und ich erlaube mir gelegentlich eines ihrer halb scherzhaft, halb im Tone der Ueberzeugung in jüngster Zeit, besonders nach dem Kränzchen sich häufenden Hinweise auf da« bevorstehende „frohe" Er eignis zu bemerken, daß ich dann, um entsprechend gerüstet zu erscheinen, mir einen Schnurr- und Vvllbart stehen und au« den abgelegten für mich ja unsterblichen geliebten — einst Mädchenzöpfen! — eine Allongeperücke anfertigen lassen würde! Diese Kehrseite der Medaille ist unerwünscht und be schließt di« moderne Debatte gewöhnlich etwas herb. Doch ge- hort diese Art der Angriffe auf die Festung der alten Mode bzw. Ansicht de« geliebten „Eh-gamel«" bereits der jüngeren Vergangenheit an; denn die Mauern von Jericho — alias Vorurteil gegenüber dem Bubikopf! — find so gut wie ge fallen, seit unter den verlästerten Bubiköpfen eine ganz ge waltige Anzahl sich nach ihrer Renaiffanz zu ihrem Vorteil un- bestritt«« verändert hat und damit kommt «in gewisses Prinzip in der Erscheinungen Wucht, welche» inbezug auf den Bubi- kq»f lostet: Ej«e» schickt ftch nicht für alle! Wir haben uns unter die Herrschaft der Königin Mode schon manchmal beugen müssen! Was stellte nicht die Mode der Friederizianischen Zeit an ihre Träger für hohe Anforderun gen bzw. der inneren Umstellung. Line Revolution bedeuteten entschieden Zopf und' Reifrock in den Sitten und Gebräuchen der damals von chinesischer Kultur noch unberührten Zeit. Heute verschwindet der Zopf bei unseren Frauen wie bei den Herren in Ehina! Tempora mutantur! Die Wandlung der Zeit vollzieht sich in verschiedenem Tempo und — wie wir uns von der Schnepfentaille des Schnürleibs zum korsettlosen Prinzeßkleid durchgerungen hatten — einer ebenso gegensätzlichen, die Moral kitzelnden Mode! — wie wir uns vom Langrock beider Ge schlechter der Medermeierzeit zum Knierock und Hüstjacket wan delten, von der Kapotte zum Strohhelm, vom Hochzvvf zur Ohrenfchnecke, vom Hartfilz zum Weichhut und Barhaupt, von ber Lang- zur Kniehose, vom Sport- zum Schwimmkostüm, so schmolzen Doll- und Schnurrbart zu Knebelbart, Wiege und Glattrasur, die Perücke zur Glatze, so ist es nicht verwunder lich, daß auch das Frauenhaar von der Wandlung ergriffen wurde und Gesundheit und Bequemlichkeit zu Schrittmachern ber neuen Frauenhaartracht wurden und der Bubikopf das Ziel, ja die Zukunft der Frauenmode ist! Es mag ebenfalls über den Knierock günstig geurteilt wer den oder nicht, an Schönheit hat die Frau entschieden gewon- nen, aber für beide Neuerscheinungen gilt die Einschränkung (und sie bedeutet hier Freude und dort Bitterkeit und Ent täuschung für lange Zeit!). Nicht jeder Kopf, nicht jedes Bein, nicht stde Figur, nicht jedes Haar und jeder Teint vertragen die mue Mode, Vertreterinnen jeder Altersstufe gewinnen oder verlieren mit der neuen Errungenschaft- und da« ent. scheidet letzten Endes alles Für und Wider, den Knierock wie den Bubikopf! Darum ist es ebenso töricht, die neue Mode politisch aus. zumünzen. Gewiß — wir waren anfangs alle befangen und fällten ein vorschnelles Urteil, doch beute, wo die Ueberzeu gung den Boden geebnet hat, gelten entschieden die Grundsätze der Nützlichkeit und Schönheit. Und wie ist man auf das mo ralische Gebiet gekommen? Weil — nun weil die Unmoralischen auch hier wie überall die Ersten find, die — unbekümmert um die öffentliche Meinung den neuen Kurs mitmachen, weil sie eben nichts zu verlieren haben. Noch ist der Widerstand der Befangenen, Voreingenommenen. Unbelehrbaren, Nichtzuüber zeugenden groß und es ist entschieden abwegia. wenn Politik, Partei und Konfession sich mit diesen mo^^chen Abseitern auf eine Plattform stellen, um — dis neue Mode aufzuhalten. Ein vergebliches Beginnen! Was hat Geschmack schließlich mit Gott und Vaterland zu tun? Stecken denn di« Mstrakta in diesen modernen Realitäten? Und die Schur der Nonnen und Mönche, der Gefangenen und Verbrecher — war das eine Haar tracht? Es war ein Kennzeichen (wie die Kutte!), und 'war durch die Kahlheit, was man doch vom Bubikopf im allgemeinen nickt behaupten kann; dann müßte der Kahlschnitt beim Kaiser!. Heer auch geschändet haben und doch waren« nur Gesundheit und Bequemlichkeit, die hier Pate standen. Wer also nicht von allen guten Geistern des Fortschritts verlassen ist, der revidiere schleunigst seine Tradition, freue sich des Kurzhaars und Knierocks (ohne dabei scheu zu werden!), wo beide mit Schönheit und' Anmut sich paaren — aber wer den Regeln der Formen- und Farbenharmonie trotzt und die neue Mode erzwingt, hat den Schaden und braucht also für den Spott nicht zu sorgen. Merke: Eines schickt sich nicht für all«! Wilhelm Pöhler, Aue.
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