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A«, L Juni. Don der städtischen Poli,et wurde ein Handschuhmacher aus Johanngeorgenstadt «egen Zechprellerei festgenommen. Ane, 4. Juni. Der Former Ernst L o r e n z, Bockauer Straße SS wohnhaft, feiert heute sein 80jährige» Arbeitsjubi- läum bei der Firma Ernst Geßner, Aktiengesellschaft. Au» diesem Anlässe wurde der Jubilar von der Firma und von seinen Arbeitskollegen in der Üblichen Weise begliickwiinscht und beschenkt. Ane, 4. Juni. Am 1. Pfingstseiertag wird, falls di« Witte» rung günstig ist, früh S Uhr auf dem Eaßlerplatz Pfarrer Leß müller eine Pfingst-Morgenfeier halten. Es soll damit den Morgenspa-tergängern und Pfingstwanderern Gelegenheit ge- boten werden, an Pfingsten nicht ohne Lottes Wort zu bleiben. Der Posaunenchor von St. Nicolai wird die allgemeinen Ge sänge begleiten und sonst noch Vorträge bieten. Liederzettel werden ausaegeben. Schneeberg, 4. Juni. In tiefer Trauer wurde die Familie des Oberlehrer St. verseht. Der 28 Jahr« alte Sohn, der als Landwirt eine neue Stelle antveten wollte, setzte seinem Leben in der Nähe von Riesa ein Ziel. Was Len hoffnungsvollen jungen Mann zu diesem Schritt getrieben hat, ist unbekannt. Lößnitz, 4. Juni. Unser Stadtbad ist geöffnet täglich von 8 Uhr früh bis 8 Uhr abends, Sonntag» bis S Uhr abends. Die Eintrittspreise betragen für Erwachsene 10 Psg., Kinder 5 Psg., Dutzendkarten 1 NM bzw. 80 Psg., ZeNenbenuhung 20 Psg. (Benutzungsdauer 1 Stunde). Das Bad ist täglich für beiderlei Geschlecht geöffnet, mit Ausnahme am Montag von 1—4 für Damen, am Mittwoch von 87—8 abends für den Arbeiterschwimmverein, am Donnerstag von 87—8 Uhr abends für den Deutschen Turnverein (Gchwkmmerriege). Kin- der unter 14 Jahren haben Sonnabends um 4 Uhr, die übrigen Tage um 6 Uhr das Bad zu verlassen. Beierfeld, 4. Juni. Der Tätigkeitsbericht der Frei wil- ligen Sanitätskolonne über das Geschäftsjahr 1926- 27 ist ein erfreulicher Beweis uneigennütziger D enste an Ler Allgemeinheit. Allein 973 mal wurde „Erste Hilfe" geleistet, darunter in 15 schweren Fällen. 3 Nachtwachen bet Kranken und 24 Transporte mit dem Krankenwagen wurden ausgeführt sowie 12 Saalwachen bei Dereinsveranstaltungen. und 29 Sportplatzwachen gestellt. Unterhalten werden 6 Unfallmelde, stellen, 28 Hilfsstellen, 1 Entleihdepot und eine Sanitätswache (Geräteraum) im Gemeindeamt. Der Mitgliederbestand der Kolonne hat sich durch den Beitritt von 12 neuausgebildeten Mitgliedern auf 32 aktive und 3 inaktive erhöht, von denen 17 im 20.—40. Lebensjahre und 18 im 40.—60. Lebensjahre stehen. 9 Mitglieder stnd als Pfleger, 21 als Krankenträger, 1 als Hilfsdesinfektor und 4 im Verwaltungs- und Wirtschafte dienst ausgebildet. Ein Wiederholungskursus, sowie ein Lehr gang für neue Mitglieder festigte die Hilfsbereitschaft. 28 mal wurde geübt, 13 mal im Gelände, zweimal mit Ler Feuerwehr, einmal in Aue mit den Kolonnen des Jnspektionsbezirks, und zweimal wurde die Kolonne inspiziert. Ein besonders feier licher Akt war die Verpflichtung der Prüflinge der Lehrabtei- lung am 30. Mai 1926. 15 Mitgliederversammlungen und drei Vorstandssitzungen dienten der Kameradschaft und den Be langen der Kolonne, die 1232,25 NM für Ausrüstung, Ver bands- und Arzneimittel, Geräteersatz, Kvankenwagenrepora- tur usw. aufwendete. Manches Opfer ist gebracht worden und dafür sei auch an dieser Stelle der Kolonne, insbesondere aber ihrem Vorsitzenden und Kolonnenarzt Dr. med. Knappe und dem Kolonnenführer Fabrikant Emil Seltmann gedankt. Dis Kolonne ist bei ihren finanziellen Opfern auf Zuweisungen an. gewiesen. Wer die Kolonne indirekt unterstützen will, trete dem Zweigverein vom Roten Kreuz bei, dem auch der niedrigste Jahresbeitrag eine Hilfe ist. de» Prinzeß Marienstifts, das Kinderheim Fürstenberg und di« PazirlejugendHerberge Rittersgrün werden einstimmig an genommen. Der Bezirkstag erteilt zur Aufnahme von Darlehen zu« Errichtung «ine» Bezirkrarbettsnachweisgebäudes in Schwarzenberg?owt« zur Errichtung einer Wasch- und Plätt anpott für da» Prinzeß Marienstift und zur Bezuschussung von Vohnung»baut«n au» Aufwertungssteuermitteln seine Zu- Kvmnmg. ginn Schluß kommt«» nochmal» zu einer lebhaften «»»spräche hinsichtlich d«» Darlehns von 280000 RMaus dem NotstanLsstock 1927 zur Errichtung der Siebelungen in Schwarzenbera und Lauter. Amtshauptmann Dr. von Schwartz -W Verzu die nötigen Erklärungen. Die Aufnahme diese» Darlehns wird sHlteßlichmit Stimmenmehrheit genehmigt. Ein Antrag der SPD., Erhöhung der Ort»löhne durch das verficherungsamt der Amtshauptmannschaft betreffend, wird, nachdem die Antragsteller über die Nichtzuständigkeit des Be zirkstage» hinreichend aufgeklärt worden sind, zurückgezogen. Ein Antrag der bürgerlichen Partei, Dezirksumlage betreffend, wird zurückgestellt. * Krastfahrzeugverkehr an Siseubahnübergängen. Das Ministerium d. I. veröffentlicht folgende Verordnung: Unfälle von Kraftfahrzeugen sind wiederholt dadurch verursacht wor- den, daß Lie Führer versucht haben, mit großer Geschwindig- keit über Lie Bahnübergänge hinwegzufahren. Nach der Der- ordnung über den Kraftfahrzeugverkehr vom 5. Dezember 19LV har der Führer «ines Kraftfahrzeuges die Fahrgeschindig- keit so einzurtchten, daß er in Ler Lage bleibt, den Verpflich tungen Genüge zu leisten, die ihm nach den Bestimmungen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen obliegen. Er muß ins besondere dort, wo der Ueberblick über die Fahrbahn behindert oder die Sicherheit des Fahrens durch die Beschaffenheit des Wage» beetnträchtigt ist, so langsam fahren, daß das Fahrzeug auf kürzeste Entfernung zum Stehen gebracht wer- Len kann. Die Polizeibehörden werden angewiesen, an Bahn übergängen hierauf besonders zu achten und zuwiderhandelnde Krastfahrzeugführer zur Bestrafung anzuzeigen. * Der 7. sächsisch« Pioniertag wird am 11. und 12. Juni in Riesa a. d. Elbe abgehalten. Auskunft und Quartier bestellung bei Kamerad H. Beyer in Aue, Reichsstr. 39. * Der Landesverbandstag der Friseure Sachsens findet am 12. Juni ingwickau statt. Aue, 4. Juni. Gestern nachmittag gegen 3 Uhr ist der 12 Jahre alte Sohn des Eisendrehers Paul Groh, in der Bahn- Hofstraße wohnhaft, in der Mulde am Geßnerwehr er trunken. Der Junge badete mit mehreren anderen Knaben in der Mulde. Plötzlich verschwand er im Wasser. Trotz so- fertiger Hilfe konnte er nicht gerettet werden; er war tot, als man ihn aus dem Wasser zog; er war einem Herzschlag erlegen. Aue, 4. Juni. Radfahrerunfälle ereignen sich fast täglich. Das kommt daher, daß es die Nadler an der nötigen Aufmerk samkeit fehlen lassen. Gestern vormittag 8 Uhr stießen an dem Kreuzungspunkt Markt—Wettinerstraße ein Radfahrer und ein Motorradfahrer zusammen. Der Zusammenprall ging noch glimpflich ab, nur der Radler erlitt leichtere Verletzungen. Abends gegen 6 Uhr ereigneten sich auf dem Bahnhofplatz einige leichtere Zusammenstöße. Aue, 4. Juni. Der Geschäftsverkehr bei der Stadtbank (Stadtgirokasse) gestaltete sich im Monat Mai wie folgt: Eingänge 7 414 839,26 RM. in 16142 Posten, Ausgänge 7108 001,86 RM. in 14 893 Posten, zusammen 14522 841,12 Reichsmark in 31035 Posten. Es wurden 22 Anträge auf Eröffnung eines Kontos gestellt. Alberoba, 4. Juni. In der Zeit vom 7. bi« 11. Juni findet eine gemeinsame Nachtübung der Freiwilligen und der Pflichtfeuerwehren statt. Die Feueralarm-Sirene wird drei- mal in Tätigkeit gesetzt. Zur Vermeidung von Beunruhigung wird darauf hingewiesen. H Stimmen aus dem Leserkreis. D 2000 RM städtisch« Mittel für di« „freie" BoN-bühne tu Aue. Ob sich di« Volksbühne wirklich darüber freuen kann, ist trotz der schönen Summe in gewissem Sinne Loch recht zwei- felhaft, denn nach den Zeitungsberichten sind diese 2000 RM auf Antrag eines Sozialdemokraten mit den Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten gegen die Stimmen der bürgerlichen Fraktion der Volksbühne -»geschoben worden. Wenn Gelder der Allgemeinheit zum Zwecke dramatischer Kunst verwendet werden, so ist wohl an sich nichts dagegen einzu- wenden, wenn alle Vereinigungen bedacht werden. Daß aber die im Hauchaltplan der Stadt Aue vorgesehenen 2000 RM nur der Volksbühne gegeben werden, und -war gegen den Willen -er gesamten bürgerlichen Fraktion, zeigt, wie „unpar- teiisch" man verfährt und welche Kreise ein Interesse daran haben, die Volksbühne finanziell zu stützen. Freilich kommt dabei Lie Volksbühne in ein Licht, in dem sie nicht gern leuchten möchte. Kann man daraus nicht eine gewisse Verbindung mit Richtung links vermuten? Nach dem Zeitungsbericht äußerte sich auch Bürgermeister Hofmann zu dieser Angelegenheit, indem er u. a. sagte, die Volksbühne biete doch künstlerisch Gutes, sie sei ein Stück Volksgemeinschaft (?) und deshalb müsse di« Gründung einer Ortsgruppe des Deutschen Bühnenvolksbun des stark bedauert werden. Zwei Unternehmungen ließen sich in Aue auch nicht halten. Nun, ob sich der Deutsche Dühnenvolksbund hält, das ist ja Sache seiner An- Hänger, und ob sich die Volksbühne weiter halten kann, darum nurg sich die Volksbühne selbst sorgen. Ich selbst bin vor einigen Tagen auch den: Deutschen Bühnenvolksbund beigetreten. Sein Schrifttum, das ich eifrig studiere, bestärkt mich in meiner Auf fassung, daß man von anderer Seite den Begriff Kunst in einem Sinne auslegt, der starke Bedenken erregen muß. Bühnenstücke, die unser Volk aufs tiefste verletzen, die Geist des volkszer- fressenden Klassenkampfes ausatmen, alles das kann gewiß „künstlerisch" hoch stehen, es fragt sich aber, was man damit erreicht oder erreichen will. Bessere Kunst ist schon solche, die nicht neutral bis zur schlechten Seite ist, sondern Liebewußt auf dem Boden des deutschen Volkstums steht. Oder ist es eins Schande, sein Volkstum zu bekennen? Ich freue mich, im Deutschen Bühnenvolksbund ein Theaterunternehmen gefunden zu haben, das noch bewußt christlich deutsche Theaterkunst bieten will. Solcher Geist tut unserem Volke bitter not. Dieser Geist wird sich aber auch durchsetzen, trotzdem man ihn dadurch bekämpft, daß man grundsatzlose Neutralität fördert. Auch die 2000 NM, die mit aus bürgerlichen Mitteln stammen, zu denen christlich und deutsch gesinnte Steuerzahler beigetragen haben, und die man nun gegen den einmütigen Willen der Bürgerlichen Ler Volksbühne in den leeren Beutel gesteckt hat, werden den Aufstieg Les Deutschen Bühnen volks- bund es nicht hindern können. Aus der letzten Stadtver ordnetensitzung werdey jedenfalls alle bürgerlichen Kreise wieder erkennen können, was not tut. Nun erst recht wollen wir unsere Theaterorganisation, den Deutschen Dühnenvolks bund, stärken. Dahinein gehören alle Bürgerlichen. Ein Theaterfreund. Das ALtsel von Mol-enberg. Von H. vonBlumenthal. (Nachdruck verboten.) I. Die Schuld. Der Nachmittagszug, Ler um sechs Uhr in Moldenberg eintreffen sollte, hatte sich um reichlich zwei Stunden verspätet. Kurz nach der Abfahrt von Brüssel hatte mit einem Male die Lokomotive versagt, und als sie endlich wieder in Gang ge bracht wurde, bewegte sie sich im Tempo eines Trauermarsches. Glücklicherweise wurden nur wenige Reisende von diesem ver drießlichen Ereignis betroffen. Eine einzige Person, ein acht zehnjähriges Mädchen in Trauer, stieg in Moldenberg aus. Es dunkelte schon, und ihre Augen irrten hilflos über die fremde Umgebung. In ängstlicher Hast fragte sie den Pförtner, der die Hälfte ihrer Fahrkarte abtrennte, nach den Zügen, die in die Stadt zurückführten. Es gäbe nur einen einzigen, der fünf Minuten nach 10 Uhr abginge, belehrte sie Ler Mann. Und - schon wies die Bahnhofsuhr auf halb neun. „Können Sie mir den nächsten Weg zu einem Hause zeigen, das „Villa Bonheur" genannt wird?" fragte sie schnell ,/kin Herr Nicolas Grenier wohnt dort." Der Pförtner belächelte die Ausführlichkeit ihrer Angaben. War doch der weitbekannte Gründer und Spekulant Nicolas Grenier Moldenbergs Berühmtheit und sein mächtiger Wohn sitz aus rotem Backstein, den er auf Lem Gipfel des höchsten Hügels errichtet hatte, ein Markstein für die ganze Umgebung. Selbst noch jetzt, im Dämmerlicht, zeichnete sich der gewaltige Turm, der eine dunkle Masse von Bäumen überragte, klar vom rötlichen Himmel ab. Wenn sie zu Fuß gehen wollen, setzte der Mann er läuternd hinzu, werden sie die Villa in etwa zwanzig Minuten erreichen, doch stehe auch jederzeit jenseits des Bahnhofs eine Droschke bereit. Das Mädchen schüttelte bei Len letzteren Worten den Kopf. „Danke schön, ich geh lieber zu Fuß," erwiderte sie, und in der Tat war ihr nach Lem langen Stillsitzen eine Bewegung erwünscht. Sie schritt rasch aus, teils in ängstlichem Eifer, ihr Ziel zu erreichen, teils aus Furcht vor dem Dunkel der Land straße, die Ler Pförtner ihr als nächsten Weg bezeichnet hatte. Schon nach zehn Minuten, anstatt der zwanzig, war das statt liche ziegelrote Gebäude erreicht und sie gelangte durch die unbeleuchtete Einfahrt tu «tu« bunkla Pavvelallse - —- Hause führte. Je mehr sie sich aber dem Ende der Allee näherte, desto zögernder wurden ihre Schritte. Die brennende Ungeduld war beim unheimlichen Anblick des Gebäudes einer zagen Furchtsamkeit gewichen. Auch hier wie außerhalb des Tores alles dunkel, mit Ausnahme eines einzigen großen Erkerfensters. Doch schien das Licht, das durch die spitzenum säumten Gardinen drang, nur Len unfreundlichen Eindruck des pomphaften Gebäudes hervorzuheben. Ihr fiel schwer aufs Herz, wie außergewöhnlich, ja un- passend, die späte Stunde' für ihren Besuch war, und eine Ahnung sagte ihr, daß in dieser Unzeit von vornherein eine üble Vorbedeutung liege. Reugungslos stand sie ein paar Minuten still und hätte gern ihr Unternehmen auf morgen verschoben. Aber da ihr ganzes Vermögen nur in wenigen Nickelmünzen bestand, so war ein Aufschub unmöglich. Sie mußte unbedingt noch heute Nicolas Grenier sprechen. Mit dem Mut der Verzweiflung stieg sie die Stufen zum Haupteingang empor und zog die Klingel. Nach unerträglich langem Warten öffnete ein ältlicher Diener, von dem in dem Halbdunkel der unbeleuchteten Halle nur das silbergraue Haar und weiße Vorhemd zu erkennen war und der einen ebenso unheimlichen Eindruck auf sie machte, wie das ganze Haus. Ihre Stimme bebte ein wenig, als sie nach Herrn Grenier fragte. Da sie in dem Düster der Halle stanL, waren ihr Ge sicht und ihre Gestalt weniger sichtbar als die Gestalt des alten Diannes, aber in dem Klang ihrer Stimme lag, trotz aller Verschüchterung, etwas, das Beachtung heischte, und Favre, der Hausmeister, schluckte Lie Abweisung hinunter, die ihm auf den Lippen gelegen hatte. „Herr Grenier ist zwar zu Hause," sagte er zögernd, „aber gerade heute so in Anspruch genommen, daß er nicht gestört sein will. Liegt für gnädige Frau ein besonderer Grund vor, ihn noch heute abend zu sprechen?" „Ein ganz besonderer!" bat sie eindringlich. „Ich bin zu diesem Zweck aus der StaLt gekommen un- kann nicht zurück- kehren, ehe ich Herrn Grenier gesehen habe. Bitte, bitte, fragen Sie, ob Ihr Herr mir nicht wenigstens ein paar Minuten schenken will." Der alte Hausmeister hatte ein weiches Herz. „Nun wohl, ich will ihm sagen, daß Sie hier sind, gnädiae Frau," willigte er ein. „Welchen Namen darf ich ihm nennen?" „Ich möchte Neber keinen Namen angeben," sagte sie nach langem Zaudern, und unschlüssig zuckte der Hausmeister die Achseln. „Dann fürchte ich, daß mein Herr Sie nicht annehmen wird, gnädige Frau. Immerhin aber will ich ihm melden, daß eine junge Dame eigens aus der Stadt gekommen ist, „O bitte, tun Sie das!" unterbrach sie ihn in überströmen der Dankbarkeit. Während ihrer Worte öffnete sich die Tür von Herrn Greniers Arbeitszimmer, dem Raum auf der rech- ten Seite der Halle, in dem sie Licht bemerkt hatte, und Grenier selbst trat heraus. „Was ist los, Favre?" Wer ist hier?" fragte eine knar- rende Stimme in nervösem Ton. Ehe der alte Hausmeister zu Worte gekommen, war das Mädchen an ihm vorbeigeschlüpft, um selbst Rede zu stehen. „Ich bin Elsa Arnold," sagte sie hastig, „die Tochter von Robert Arnold, der Sie einst als seinen nächsten Freund be trachtete. Vergangene Woche schrieb ich Ihnen, erhielt aber bis jetzt keine Antwort und konnte doch nicht länger darauf warten, weil ich nichts, garnichts zu leben habe. Mein letztes Geld gab ich für die Fahrt hierher, denn ich wußte, daß, wenn wir uns sehen und sprechen, Sie meine Forderung anerkennen müssen." Nicolas Grenier, ein großer, fleischiger, glattrasierter Mann zwischen fünfzig und sechzig Jahren, stellte sich breit vor die halbgeöffnete Türe seiner Arbeitsstube, als wolle er den Eingang versperren. „Dann, mein bestes Fräulein Arnold, haben Sie sich ver- gebliche Mühe gemacht," sagte er mit seiner scharfen, harten Stimme, „denn cs ist eine reine Einbildung, wenn Sie be haupten, Ansprüche an mich zu haben. Ich weiß, daß auch Ihr Vater solche Ideen im Kopfe hatte und sogar versuchte, sie vor Gericht zu verfechten. Doch seine Hoffnung schlug fehl und damit endete die Sache, und deshalb habe ich auch nicht für nötig gehalten, Ihren Brief zu beantworten." „Aber ich schrieb Ihnen doch, daß sich der Schuldschein ge- funden hat," unterbrach sie ihn ungläubig. „Sie sagten meinem armen Vater, daß, sobald er dieses Papier vorzeigen könne, Sie ihm die 100 000 Franken bezahlen wollten. Nur weil der Schuldschein damals nicht aufzutreiben war, verlor er den Prozeß- Und nun ist er tot und ich habe das Papier gefunden. Ich habe es hier bei mir. Sie können sich nicht länger weigern, Ihre Schuld zu bezahlen. Wollen Sie mich nicht eintreten lassen, damit ich Ihnen Ihre eigene Handschrift zeigen kann?" Sie hätte gern seine Züge im Licht gesehen, um zu wissen, ob denn gar keine Gerechtigkeit von dem Manne mit dieser mißtönenden Stimme zu erwarten sei, ob all die kühnen Hoff nungen, die sie auf ihren Besuch in Moldenberg gesetzt hatte, vernichtet werden sollten. (Fortsetzung folgte