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I»:'. Friedrich List. Und die Gesellschaft stürzte aufs Verdeck, ich folgte und kaum in dem vortrefflichen Gasthof zum Rheinischen Hof angelangt, setzte ich mich nieder, um die ganze Un terhaltung so getreu als möglich noch diesen Abend zu Papier zu bringen. Sie wissen das Eisenbahnwesen ist mir entleibet, und Sie wissen auch warum? Doch hab' ich dem Wunsch nicht widerstehen können, Ihnen diese Verhandlung im Rauchkämmerchcn des Dampfboots Kö nigin» mitzutheilen. — Der Ihrige ergebens? Justus Möser der Jüngere, Doctor der uneracten Wissenschaften. Wenn ein begabter und ausgezeichneter Mann seine Zeit und seine Ruhe einer wichtigen Sache opfert, und wenn er sein ganzes Leben daran fetzt, ein Princip zur Geltung zu bringen, dessen Durchführung die National wohlfahrt ihm zu verlangen scheint, so ist nichts natür licher, als daß die, welchen er nutzt und deren Inter essen er zunächst befördert, ihm die gebührende Anerken nung zollen. Sie müssen aber mehr thun: es ist ihre Pflicht, ihm über die kleinen Sorgen des Lebens hinweg zuhelfen, damit er, ungestört von solchen, sich ganz und gar einer großen Sache hingeben kann; sie müssen ihn in dieser materiellen Welt mit Geld unterstützen, ihm ein baares Aequivalent für seine Mühe geben. Das hat namentlich in dem practischen England, von dem wir allerdings viel Gutes lernen können, immer festgestanden. Als Fox aus dem Cabinete zu scheiden genöthigt war, unterzeichneten seine politischen Freunde binnen zweimal vierundzwanzig Stunden die ungeheure Summe von einmalhunderttausend Pfund Sterling. Der Antikorn- gesetz-Verein zahlt denen, die seine Ansichten mündlich und schriftlich verbreiten und zu Gunsten derselben wir ken, beträchtliche Jahrgehalte, und Niemand nimmt An stoß daran. Die Irländer geben ihrem O'Eonnell eine Jahresrente, zu der selbst der Aermste seinen Beitrag liefert. Handelt cs sich doch darum, ihn unabhängig und sorgenfrei zu stellen, damit er sich ganz seinem Va terlande weihen könne. Wenn die „Times" ihn darum einen „dicken Bettler" schelten, so habe» doch andere Blätter, im Einklang mit der öffentlichen Meinung, an erkannt, daß die Irländer Recht haben, für den Mann, der ihre Interessen so gewaltig vertritt, die Jahresrente aufzubringen, und daß der, welcher sie annimmt, darum doch ein „Gentleman" sei. In Deutschland, wo bei dem Mangel an öffentlichem Leben die Zahl der politischen Philister noch eine sehr erkleckliche ist, finden diese Biedermänner bei Franzosen und Engländern dergleichen ganz in der Ordnung; bei uns aber machen sie einem, der eine solche Rente an nähme, wenn sie ihn; angeboten würde, daraus den größ ten Vorwurf. Von anderen Beispielen abgesehen, ha ben wir hier ganz besonders den Fall mit I)r. Frie drich List im Auge. In den bekannte» Brittischcn Depeschen über den Stutt garter Ioll-Congreß, schreibt Graf Westmoreland an Lord Aberdeen, „die Deutschen Fabrikanten scheuten keine Kosten, um die Deutsche Presse für ihre Sache zu ge winnen, und Herr List schreibe im Dienste und im Solde dieser Fabrikanten." Es versteht sich, daß ein Engli scher Staatsmann dagegen nichts einzuwenden hat, denn er legt ja nicht den Maßstab eines Deutschen Philisters an. Der Engländer weiß, daß „umsonst nur der Tod" ist. In Leipzig aber fanden sich einige Leute, die dem genannten Manne daraus ei» Verbrechen machen woll te» und die bei den gewichtigen Gründen eines Gegners, der sie zermalmt, zu Staub zerriebe» und vernichtet hat, sich zuletzt nicht anders helfen konnten, als mit Verdäch tigungen und Unwahrheiten. Herr List, ein Einzelner, der nur auf sich selbst und seine geistige Kraft gestützt ist, hat sich eine so geachtete und hervorragende Stellung zu erringen gewußt, daß es sich wohl verlohnt, auch seine Persönlichkeit näher zu betrachten. Seien wir doch nicht bloß gerecht gegen die Tobten, auch die Lebenden haben Anspruch auf unsere Theilnahmc und Anerkennung. Man spendet hochgestell- ken Beamten, Staatsmännern, Militairs und Künstlern so reiches Lob, daß es wohl angemessen erscheint, einen einfachen und schlichten Baterlandsfreund einmal in den Vordergrund zu stellen, eine» Mann, der sich rastlos be müht, die Nationalwohlfahet zu heben, das Volks-Ver mögen zu steigern, unseren Arbeitern guten Lohn zu ver schaffen, unsere Gewerbe und unsere» Handel zur mög lichsten Blülhe zu bringen, unsere Schifffahrt über alle Meere auszudehncn, und uns von der Brittischcn Han dels- und Gcwerbsübermacht zu cmancipiren. Dieser Mann, wir haben cs schon gesagt, steht ganz in seinen er aber hat sein Vermögen durch Unglücksfällc eingc- büßt. Allein trotz dieser und vieler Widerwärtigkeiten, trotz Undanks und mancher Feindschaften ist er frisch und kräftig wie ein Jüngling. Der Zollverein ist da, die Eisenbahnen sind da, seine Feinde sind auch noch da. Er mag wohl denken wie Hutten: „Biel Feind', viel Ehr'!" was ja zuletzt der Wahlspruch jedes hervorra genden Mannes sein muß. Seit fünf oder sechs Jahren hat cr, und zwar mit fast beispiellosem Erfolge, den Kampf gegen die unpraktischen und veralteten Lheorieen der kosmopolitischen Oeconomie auch in Deutschland er cigenen Schuhen, er hat kein Staatsamt, keine Besol dung oder Pension, auch keinen Orden; und dennoch übt er großen Einfluß und eine Wirksamkeit, die von Monat zu Monat ausgedehnter wird. Was ec ist, das ist cr ganz; wissenschaftlich gebildet, wie ein Deutscher Gelehr ter es sein muß (er war einst Professor der National- Oeconomie in Tübingen), ist er doch kein breiter und langweiliger Doktrinär, der etwa aus seiner Magisterstube öffnet, um dasselbe von dem industriellen und commer- ciellen Uebergewichte des Auslandes zu cmancipiren. Er wird auch hier durch dringen. Zwar auf manchen Ca- thedern und in manchen Canzleien giebt man sich die Miene, den welterfahrcne» Mann, welchen doch Fürst Metternich zu befragen nicht verschmähte, zu ignoriren. Dazu kommen noch jene Gegner, welche sich durch die Ausführung seiner praktischen und nationalen Vorschläge die Welt beurtheilt; nein, das Leben hat ihn gerüttelt, augenblicklich in ihren Jnlcrcffen beeinträchtigt sehen geschüttelt und ausgebildet. Er lebte lange in America, wo man seine Verdienste zu schätzen wußte; cr kennt England, die Niederlande, Frankreich und Deutschland genau, er ist mit dem Welthandel innig vertraut, und legt an die Beurtheilung der industriellen und commcr-' ciellen Verhältnisse nicht die Elle des Krämers, sondern den Maßstab zugleich der Wissenschaft und der geschicht lichen Erfahrung. Er hat Großes gethan. Friedrich List muß als der Urheber des Zollvereins be trachtet werden, wenigstens ist er der eigentliche Vater des großen Gedankens unserer Handelseinheit; cr betrieb die Stiftung eines Deutschen Handclsvereins schon vor einem Vierteljahrhundert in Wien und in Darmstadt. Dann wirkte cr in seiner Heimath Württemberg als Abgeordneter. Später halte er beinahe ein Jahr Fe stungsstrafe zu erstehen. List ging nach Roröamcrica, wo Lafayette ihn den besten Männern des Landes empfahl und wo sein Blick sich erweiterte. Dort wies er die Jrrthümer und nachtheiligc» Folgen der cosmo politischen Oeconomie nach und stellte die Vortheile einer wahrhaften National-Oeconomie ins Licht. Die Amerikaner erkannten bald die Verdienste des rüstigen Mannes; in Philadelphia wurde cr einst in festlichem Zuge eingeholt, die gesetzgebende» Häuser des Staates Pennsplvanien verschmähten nicht, sich von ihm Vor träge über politische Oeconomie hatten zu lassen, und gaben ihren Dank dadurch zu erkennen, daß sie feierlich den Beschluß faßten: „der Americanische Bürger Frie drich List habe sich um sein neues Vaterland verdient gemacht." General Jackson sandte ihn nach Paris, um dort für America Unterhandlungen zu führen. List war es, der zuerst die Americaner auf den ungeheure» und unberechenbaren Stutzen der Eisenbahnen aufmerksam machte und Pläne zur Ausführung entwarf. America hat seinen Rath befolgt. Er war es auch, der vor zwölf Jahren Belgien die Vortheile eines Eisenbahnsp- stems auseinandersetzte; auch in diesem Lande führte Ro gier aus, was List im Jahre 1832 Herrn Gcndcbicn entwickelt hatte, während Frankreich ihn nicht hörte und statt der Eisenbahnen, wie cr vorschlug, hundert Millio nen und mehr in Mauern und Wälle steckte. Ani Deutschen Vaterlande hängt List, obwohl Ameri kanischer Bürger, mit ganzer Seele; cr sehnte sich zurück und ging als Consul nach Leipzig, weil cr die Wichtig keit der Lage dieses Ortes erkannte. Dort schlug er ein Sächsisches Eisenbahnsystcm als Grundlage eines allge mein Deutschen vor, und cs gelang ihm, die Leute, welche Anfangs ungläubig horchten und das Ausbringen einer Summe von einer Million für unmöglich hielten, für seinen großen Gedanken zu erwärmen. Das war vor cilf Iahren. Jetzt habe» wir i» Deutschland sechs undzwanzig Eisenbahnen, in einer Länge von -175 Wegstunden, deren Bau 136 Mill, rhcin. Gulden (78 Mell. Thlr.) gekostet hat. Die erste Anregung gab List; er war der Vater auch dieses un endlich frucht reichen Gedankens. Und wäre man dem erfahrenen Manne in Allem gefolgt, wir möch ten wohl jetzt schon viel weiter sein und hätten viele Millionen gespart. List ist nicht reich, vielleicht nicht einmal sehr wohl habend. In America sind auf dem Grund und Bodcn, der ihm gehörte, blühende Städte gegründet worden; würden. Von diesem Standpunkte aus sind die Ber liner, Leipziger und Hanseatischen Au-fälle gegen List aufzufassen. Wir kommen auf die Behauptung des Grafen West moreland zurück. Der Diplomat schrieb, List erhalte Geld von den Fabrikanten, weil er deren Sache verthei- dige. „Leider" — sagt dagegen List in der neuesten Nummer seines ZollvcreinSblatteS — „sehe ich mich ge drungen, dcn Grafen öffentlich zu entrauschen. Ich sage: leider, weil ich es für ein Zeichen dec politischen Bil dung halte, wenn die großen National-Jnrcressen sich zu gemeinsamer Vertheidigung vereinigen, weil ich es also für cinen Beweis der Unmündigkeit halte, wenn sich die Deutschen Industrie-Interessen geduldig abschlachtcn las sen, ohne sich angeregt zu fühlen, der gemeinsamen Ver theidigung diejenigen geringen Opfer zu bringen, die er forderlich sind, um ihren gerechten Ansprüchen öffentliche Geltung zu verschaffen." — Die Vcrtheidiger dec frem den Interessen hatten behauptet, Herr List beziehe drei- tau end Thaler jährlich von dcn Deutschen Fabricanten. „Weit entfernt, diese Angabe als etwas mir oder der Sache Nachtheiliges zu betrachten, freute cs mich, daß man den Deutschen Fabricanten so vicl Gemcingeist zu traute, daß sie ihrem Wortführer die erforderlichen Mit tel verschaffen, ohne eigenen Schaden ihre Sache kräftig zu führen. — Seit dem Jahre 1837 bin ich mit dieser Sache beschäftigt; seit 1830 habe ich sie in Deutschland selbst in Bewegung gebracht. In dieser Zeit habe ich eingenommen: von meinem Buch an Honorar ungefähr 3000 Gulden, von dcn Fabricanten im Zollverein zur Aufbringung des Zollvcreinsblattes 1325, von dcn Böh mischen Fabricanten 360, im Ganzen 3685 Gulden. Dies macht auf die acht Jahre, während welcher dieser Sache meine Zeit fast ausschließlich gewidmet war, jähr lich 585 Gulden 37 Va Kreuzer. Man wird mich nicht der Uebertrcibung beschuldigen, wenn ich sage, daß damit meine Auslagen auf Reise- und Literaturmittcl bei Wei tem nicht gedeckt worden sind." Doch man möge das Weitere in Nr. 39 des Zollvercinsblatles nachlesen. Wir schließen unsere Bemerkungen mit dcn Worten einer Adresse, welche Böhmische GewerbSmänncr im Deccm- ber des vorigen Jahres an Herrn Lii gerichtet haben: „Wenn der Name eines Mannes, der es sich zur Le bensaufgabe gemacht hat, die höchsten Deutschen Inter essen öffentlich vor der gesammtcn gebildeten Welt zu vertreten, der rastlos mit eben so viel Energie und Muth als Klarheit und Richtigkeit der Ideen die Vertheidigung der Deutschen nationalwirthschaftlichen Interessen gegen eine feindliche und gewandte auswärtige Politik auf sich genommen hat, öffentlich verunglimpft wird, dann gc- ziemt es jedem Deutschen Vatcrlandsfrcunde, die Sache dcs Verunglimpften zu der scinigcn zu machen und sein Mitgefühl für ihn auf irgend eine Weist kund zu thun. „Unstreitig erkennt cs jeder unvcrblcndetc Deutsche, daß Sie mit vollem Rechte der Hoch Wächter der Industrie und des Ackerbaues, der Schiff fahrt und dcs Handcls Deutschlands genannt zu werden verdienen. S i e waren cs , der bisher muthvoll das Panicr der Vertheidigung für Deutschlands National wohlfahrt gegen die auswärtige feindliche Tendenz, die selbe zu untergraben, ergriffen; Sie waren cs, der sich, dcs edlen Zweckes wegen Deutschlands nationalöcono-