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schrecken Uffe». Wäre cs übrigens der Mühe wenh noch weitere Argumente beizubringcn, so dürste es ihm nicht schwer fallen zu beweisen, daß auch Baden durch diese Bahn mehr gewinne als verliere. Nur das wolle er noch dabei bemerken, daß, wenn Frankreich dabei Vor theil habe, Deutschland nicht leer ausgche, sondern min destens ebensoviel gewinne wie Frankreich. Es bleibe ihm jetzt noch übrig das Unternehmen von dem speciell Hessischen Standpunkte aus zu bcurtheilen, einige Worte über den Punkt der Rentabilität zu sagen und die besonder» Ansprüche von Mainz ins Licht zu stellen. Von der fiuanciellen und national-öconomischen Seite betrachtet, konnten die rcchtseitigen Landcstheile Hessens durch die linkseitige Eisenbahn nur gewinnen: einmal indem ein blühendes producten-, gewcrb- und handelsreiches Rheinhessen, weit mehr zu den allgemei nen Lasten zu contribuiren vermöge, als ein armes, trä ges und vernachlässigtes; sodann indem jedwede Trans- portverbefferung am meisten denjenigen Revieren zu gut komme, die sich am nächsten und vielfältigsten berühren. Nun könne darüber kein Zweifel sein, daß der wechsel seitige Verkehr der beiden Landestheile unter sich höchst bedeutend und vielleicht bedeutender sei, als ihr gesumm ter Verkehr mit allen andern Ländern zusammengenom men; es erscheine somit als eine unumstößliche Wahrheit, daß eine linkseitige Bahn, wenn sie mit dec rcchtseitigen durch eine Verbindungslinie — etwa über Oppenheim und Grießheim — vereinigt werde, ein eigenes Groß herzoglich Hessisches Eisenbahnsystem completiren würde, das der Gesammtheit des Landes unermeßliche Vortheile bringen müßte. Ja, auch von dem größern Verkehr müßten in Folge dieser Combination den beiden Landes theilen ungleich größere Vortheile zufallen, als wenn nur eine Bahn den rechtseitigen Landestbeil durchschneide. Was dann, frage er, Darmstadt davon haben werde? Wohl nicht vielmehr als das Vergnügen die Eisenbahn wagen, die zwischen Frankfurt und dem Großherzogthum Baden hin und her gingen, vorbeirasseln zu hören. Wie ganz anders würde sich aber die Sache stellen, wenn eine linkseitige Bahn mit einer Verbindungslinie über Oppenheim hinzu käme? Alsdann würden Reisende die aus dem Elsaß, der Rhcinpfalz und Frankreich nach dem Norden gehen wollten, in Oppenheim abschwenken und auf der Verbindungslinie nach Darmstadt gehen, um dort die Hauptroute nach dem Norden einzuschlagen, und umgekehrt würden alle aus Frankfurt und aus den die sem Platz nördlich, südlich und östlich gelegenen Gegenden und Ländern kommenden Reisenden, um nach der Rhciu- pfalz und Frankreich zu gehen, in Darmstadt abschwen ken und die Verbindungslinie nach Oppenheim nehmen, um dort die Hauptroute einzuschlagen. Dazu komme natürlich noch alles was aus dem linkscitigen Hessen nach dem rcchtseitigen und von da nördlich, südlich oder östlich, und alles was aus dem rechtseiligen Hessen nach dem linkscitigen und von da nördlich, südlich oder west lich gehen wolle. So werde Darmstadt aus einer blo ßen Ein- und Absteigestation ein wichtiger Straßenknote». Die Rentabilität betreffend, so könne darüber hinsicht lich beider Linien so wenig Zweifel obwalten, daß er sich heute anheischig mache die Subskribenten der linkseitigcn Linie zu vermögen, daß sie nicht bloß die Erbauung der linkseitigen Bahn, sondern auch noch die der rechtseitigen nebst der Verbindungsbahn auf ihr Risico nähmen. Ein besseres Argument glaube er nicht führen zu können. Auch sei er überzeugt, daß dabei mehr zu gewinnen als zu verlieren sei. Jede der beiden Linien habe ihren eigenthümlichen und ihren zureichenden Verkehr. Der Staat werde doch in keinem Fall auf Kosten und durch Niederhaltung des linkseitigen Landestheils einen Finanz- gewinn machen wollen? Endlich habe er noch für Mainz insbesondere zu plä- diren. Er glaube Darmstadt nicht zu nahe zu treten, wenn er sage, daß in Beziehung auf industrielle und commer- cielle Wichtigkeit beide Städte nicht mit einander zu ver gleichen seien. Unbestreitbar sei Mainz bei weitem der schönste Stein in der Großherzoglichen Krone. Man möge doch berücksichtigen, was aus diesem Edelstein noch zu machen sei, wcn» er mit Sorgfalt polirt und gefaßt werde. Mainz an dem Thore des Engpasses gelegen, durch den der Rhein, nachdem er von Basel an ein wei tes fruchtbares und dickbevölkertes Thalbcckcn durchströmt, vierzig Stunde» weit sich hindurch wenden müsse, sei von der Natur zum Mittelpunkt und zum Vermittler zwischen dem Nieder- und Oberrhein bestimmt. Es sei das natürliche Binnen-Emporium für die große Masst von Produkten und Fabrikaten die in de» ober» Gaue» erzeugt, wie für die Masse» vo» Colonialwaarcn, die von unten herauf kämen und oben consumirt würden. Gleichwohl habe cs jetzt mit einer Menge von Pygmäen zu kämpfen, die er hier nicht nenne, weil er keine Ani mositäten Hervorrufen, sonder» nur die natürlichen Vor züge seines Platzes bemerklich machen wolle. Bestände dagegen eine Eisenbahn von Köln nach Mainz und von Mainz nach dem Oberrhein, so werde der Stadt Mainz kein anderer Platz die Vorzüge ihrer Position streitig machen können. Eine Eisenbahn aber die in Ca stel münde, fei keine Eisenbahn für Mainz. Auch ge währe die Dampfschifffahrt dieser Stadt nur eine halb seitige Prosperität, indem alle Geschäfte sich lediglich nach der Rheinseite drängten; eine Eisenbahn längs des ganzen linken Rheinufers dagegen, würde auch die süd lichen, westlichen und nördlichen Theile der Stadt bele ben, folglich Gewerbe und Handel, alle Nahrungsgc- fchäfte überhaupt viel gleichmäßiger über die ganze Stadt verbreite», ohne darum der Prosperität der Rheinseite Abbruch zu thun. Dieses seien auch die Gründe, weshalb das Unternehmen so rege Theilnahme bei allen Wohl denkenden in der Stadt und Provinz gefunden, daß 8'/, Mill. Gulden unterzeichnet worden seien, während lange nicht die Hälfte dieser Summe erfordert werde. Es sei dies nichts weniger als eine Actienschwindelei, sondern ein Unternehmen, bei welchem jeder Unterzeichner haupt sächlich das gemeine Wohl der Stadt und Provinz im Auge gehabt habe und das von den meisten Unterzeich nern unterstützt worden wäre, selbst wenn Verlust in Aussicht stünde. Die Subskriptionsliste enthalte nahezu dreizehnhundert Namen, und man habe der Großherzog lichen Regierung eine Abschrift davon überreicht uni da durch unumstößlich zu beweisen, daß nur reiche und wohl habende Einwohner aller Classen subscribirt hätten, all zumal Leute die im Stande feien den ganzen Belauf ihrer Subskription aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Ein solideres Unternehmen könne es kaum geben. Nach allem was er angeführt habe, glaube er sagen zu können, cs wäre unbegreiflich, wenn die höhere Genehmigung die ses Unternehmens noch lange ausbliebe, während es doch im Reich der Möglichkeit liege, daß in Folge eintreten der Fluktuationen und unerwarteter Ereigniße, der Stadt Mainz und der ganzen Rhcinprovinz durch eine solche Verzögerung unabsehbarer und unersetzbarer Schaden zu gehen könnte. Noch habe er, bevor er schließe, ein Beispiel nachzu holen das er früher anzuführen vergessen, woraus un widerleglich bervorgehe in welcher Weise Eisenbahnen am Rhein ein Bedürfniß seien und wie sie rcntiren. Zwischen Köln und Bonn gingen täglich nicht weniger als 68 Dampfböte hin und her, so daß mehr als ge wöhnlicher Muth dazu gehört habe, auf dieser Strecke eine Eisenbahn zu bauen. Was aber sei der Erfolg ge wesen ? Gegenwärtig transportire man auf dieser kurzen Eisenbahnstrccke I8M Menschen täglich, und der An drang der sahrenwollende» sei früher so groß gewesen, daß man sie nicht alle habe fortschaffen können, sondern sich genöthigt gesehen habe — um einen Theil davon von der Eisenbahn ab und auf die Dampfboote zu trei ben — die Fahrtaxen zu erhöhen. Und in einen; sol chen Lande spreche man von Actienschwmdel, wenn man neue Eisenbahnen bauen wolle? Davon lasse sich viel leicht im Nordosten sprechen, aber Ost und West seien himmelweit verschiedene Länder. Am Rhein könne man aus einem einzigen Morgen Weinberg der besten Classe Geld genug erlösen, um an der Oder ein nicht unbe trächtliches Rittergut kaufen zu können. Der Funkelnde schwieg, den Bebänderten stark sirirend, der die ganze Zeit über mit offenem Munde die Bered samkeit und Sachkenntniß des Sprechers «»gestaunt hatte und immer noch anstaunte. Nachdem er sich vo» seinem Staunen etwas erholt hatte, bemerkte er: ihn; als Juristen könne billigerweise Niemand gründliche Kenntniß in der Politik und Nationalökonomie und im Handel zumuthen, da aber gleichwohl in unseren Tage» dergleichen nöthig, wenigstens oberflächliche, um doch in der ordinären Convcrsation cin Wort mitspreche» zu können, so habe cr sich um von diesen Dinge» einen Be ¬ griff zu bekommen, dem nationalöconomischen Verein von Grüncwittkcl angeschloffen und auch seine Versammlun gen fleißig besucht. Was er hier im Rauchkammerchen des Dampfbootes Königin über Eisenbahnen und Han del gesagt, seien — er müsse es freimüthig gestehen — lediglich die Ansichten des größten Nationalöconomcn von Grünewinkel, welche er provisorisch als die seinige» adoptirt habe, bis er eigene bekomme. Dabei verschließe er sich jedoch keineswegs besserer Ucberzeugung, und er müsse als ehrlicher Mann gestehen, daß ihm vieles von dem, was Hr. N. so eben gesprochen, als höchst rationell und logisch vorkomme, welches ihn um so mehr in Er staunen setze, als Hr. N., soviel er wisse, nie Logik oder Philosophie gehört habe und noch überdicß cin Banquicr sei, welche Classe von Geschäftsmännern mit wenige» Ausnahmen bekanntlich sich zu den Grundsätzen des Abra ham Smith bekenne. Er könne daher nicht umhin, das ihm von Hrn. N. im Eingang seiner Rede gemachte Compliment zurückzugeben, und ihn; zu sagen, daß er durch ihn in einigen seiner adoptirtcn Ansichten stark er schüttert worden. Doch müsse er sich dagegen verwah ren als ob cr alles was derselbe gesagt nur so in Bausch und Bogen hmnehme. Diesen Morgen habe cr unten in der Cajüte in dcr Mainzer Zeitung einen geistvollen Aufsatz gelesen, der doch Manches in ganz anderm Lichte darstelle. „Hab vorhin den Schlingschlang, wie mein Freund Lrustle wistle in seiner Englischen Weise dergleichen Wi schiwaschi nennt, auch gelesen," fiel der Oberst cin, „aber das ist offenbar nicht vo» dcr Redaktion, deren Kenut- niß und Gesinnungen ich alle Gerechtigkeit widerfahren lasse, sondern von cinem Erzschikkoffanten, der ihr dieses Windei ins Nest zu practicircn gewußt" —fiel der Krie ger cin. „Eben weil mich das Ding so gewurmt, hab' ich die Eisenbahnen nicht aus dem Kopf kriegen können und hier im Rauchstübchen das Thema aufs Tapet ge bracht. Ich bin kein Gelehrter, Herr, ausgenommen daß ich cs liebe meine Rede hier und da mit lateinischen Brocken zu verzieren, die ich gelegentlich in dcr Conver- sation aufgepickt. Was aber an dem Ding ist kann Je der sehen der seinen grade» Verstand hat, ohne politische oder iiationalöconomische oder technische Bücher gelesen oder Logik studirt zu habe». Ja, ich fange an zu mer ken, das Studircn dcr Logik macht manche Leute nur dümmer als sic Gott erschaffen hat. Erwachsene, welche die Gesetze des Denkens studiren, kommen mir vor, wie wenn man mit einem großen Bauernjungen im Gehwä- gelchcn, worin die Kinder laufen lernen, Ucbungcn an- stclltc, um ihm einen sichern und graciösen Gang bcizu- bringe». Lasse mau den Lümmel doch lieber tanzen. Ich meines Orts verlasse mich auf meinen natürlichen Verstand, wie mir ihn Gott gegeben hat, und mit die sen; habe ich auf den ersten Blick gesehen, daß der Ver fasser des Aufsatzes über den Werth einer linkscitigen Eisenbahn für Mainz seine Leser schmählich zum besten hat. Erst stellt er sich als sei er ein enthusiastischer, für das Wohl seiner Vaterstadt glühender Mainzer; dann kommt eine tiefe Spekulation über das Interesse von Mainz, worin er darthut, daß der Rhein von Ba sel komme und nach Köln laufe; daun zeigt cr wie ent setzlich Mainz durch die Taunusbabi; benachtheilt wor den sei, was seine Richtigkeit hat; dann aber — wer kann das Lachen halten? — führt er seine geehrten Landsleute selbst bei dcr Nase herum — um sie noch ärger anzuführcn als je — sucht Ludwigshafen und Darmstadt gegen die linkscitige Bahn aufzuhctzen — be hauptet man müsse eine direkte Bahn von Mainz nach Darmstadt bauen, und auf diesem Weg über Straßburg sei es nicht viel weiter nach Paris, als über Ludwigs hafen und Metz, wohin doch nie eine Eisenbahn ange legt werde — dabei behält cr Steinkohle und Industrie, Stadt und Land, den ganzen inner» Verkehr jenes so reichen Landes ganz und gar in dcr Lasche, als ob sie gar nicht da wären — alles kraft seiner Logik und sei ner gründlichen technischen Kenntniße. Und das, Hr. N. von NN , heiße» Sie einen geistreichen Aufsatz!— Zum Spaß wolle» wir ihn doch lesen — Garyon! die Main zer Zeitung! — Loch Himmel, da ist ja schon die Brücke — auf — zur Bagage! daß wir nicht aus lauter In teresse für das Gemeinwohl unsere Koffer verlieren. Ein andermal das Weitcre über de» Shikoffantcn — gute Nacht meine Herren!