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S76 sich gehen könne, muß sie ihren Ursprung indcrHer- absetzung der Tarife haben; denn der Zwischen handel wird nicht anders seinen gewohnten Zug ändern, als wenn ein vortheilhafterer Wcg sich ihm darbictet. Bei einer Herabsetzung der Tarife für die Waa- ren, könnte man befürchten, eine Verringerung in der Einnahme zu erfahren; das hat aber nichts zu sagen, gerade das Gegentheil würde stattfinden, — jedoch ist dies keine Frage, welche wir hier weiter zu untersuchenbrauchen; sie wird ihre natürliche Stelle finden, wenn wir die Finanz-Partie der Eisenbahn- Nutzung näher in Betrachtung ziehen; für jetzt wollen wir in dem folgenden Kapitel zu andern Vortheilen übergehen, welche eine Herabsetzung der Tarife Belgien einbringen würde. Drittes Capitel. Wie der Zwischenhandel, der Handel und das öffentliche Wohl zusammen hängen. DerHandel mit demAuslande und derZwischen- handel sind zwei verschiedene Dinge; man wird daher einsehen, daß ein jeder dieser Zweige des Na- tionalwohlstandcs seine eigenen Vertreter haben kann. So z. B. werden die Vertreter des Ausfuhrhan dels mit Recht sagen: Wenn wir die Urstoffe aus unserem Lande gewinnen, sodaß wir diese Producte verarbeiten und sie dann ausführen, so ist es klar, daß wir auf diese Weise einen weit größernGewinn ziehen, als wenn wir unö mit der bloßen Rolle von Spediteuren begnügten. Dies ist eine unbestreit bare Wahrheit, jedoch ist es auch nothwendig, daß! Eure Producte zahlreich genug sind und in hinläng licher Menge verlangt werden, um die Schiffe, wel che zur Abfahrt bereit liegen, damit fast vollständig zu befrachten; nun ist dies aber der Umstand, wel cher nicht stattfindet, und allein vermittelst der Hülfsquellcn, welche unser Land liefert, nicht statt finden kann. Die Folge davon ist dann, daß die Fahrzeuge, welche in unsere Häfen cinlaufen, wenn sie nur ge ringfügige Ladungen finden, mit Ballast abfahren, um in Amsterdam, Hamburg rc. Ladungen einzu nehmen; und daß unser Handel mit dem Auslande darnieder liegt: wir haben nichts zu thun, weil wir Andern nicht genug zu thun bieten können. Wenn ihr aber die Tarife in solchem Maße herab fetztet, daß der Zwischenhandel sich mit Vortheil in unser Land einführen könnte, so würdeAlles ein an deres Aussehen gewinnen: unsere Seehäfen wür den zu ungeheuren Niederlagen werden, sowohl von erotischen Waaren als von nationalen Producten. Die Schiffe, wenn sie vollständige Ladungen für sich vorfänden, würden nicht mehr mit Ballast abfahren und unser auswärtiger Handel würde hundert Ge legenheiten statt einer finden, um an diesen Ladun gen zu vortheilhaften Preisen Theil zu haben. Man sieht also daraus, daß der Handel mit dem Auslande und der Zwischenhandel, obwohl ganz verschiedene Unternehmungen, doch in enger Ver bindung mit einander stehen, daß sie sich gegenseitig unterstützen, und daß ein jeder Anhänger des Aus fuhrhandels alle seine Wünsche für eine solche Maß regel aussprechen, und sie aus allen Kräften zu be fördern suchen muß, deren Zweck es ist, den Zwi schenhandel in Aufschwung zu bringen, weil der er stere hierin seine größte Pflege finden wird. Unter dem Schutze des Zwischenhandels wird er seine Kräfte entwickeln, und mit Hülfe seines Beistandes kann unser Handel mit dem Auslande einen sehr hohen Grad von Blüthe zu erreichen, erwarten. Wenn die Eisenbahnen vollkommene Beschäfti gung hätten, so würde das jetzige Personal, anstatt an einem Ucberfluß von Bediensteten zu leiden, wie es in diesem Augenblick der Fall ist, unzureichend werden, und man würde sich genöthigt sehen, neue Bedienungen zu schaffen, in den Bureau's, bei dem Dienste der Locomotiven, unter den Classen der Handlanger, welche zum Packwesen, und vorzüglich derer, welche zu Ausbesserungen erforderlich sind; denn ein zehnmal mehr beschäftigtes Material würde nothwendiger Weise auch weit öfter erneuert wer den müssen, woraus viel Beschäftigung für unsere Schmiede und andernHandwerker entstehen würde. Alle dieseThätigkeit, welche von dem Ertrage des Zwischenhandels bezahlt wird, ist offenbar eben so viel wcrth, wie die Ausfuhr auf Bestellung, weil diese von dem Gelde der benachbarten Mächte be zahlt wird, obgleich die bestellten Ausfuhrartikel in dem Lande verbraucht werden. Wenn man zugiebt, daß bei einer so beschränkten Beschäftigung, wie sie in jetziger Zeit auf unseren Eisenbahnen stattfindet, das Material in 20 oder 25 Jahren erneuert werden muß, so wird man auch zugestehen, daß bei einem bis zum höchsten Grade der Thätigkeit ausgedehnten Transport, dasselbe nicht länger als die Hälfte oder ein Drittel dieser Zeit aushalten wird. Ebenso würde es mit den Schienen selbst gehen, und es würde also eine so häufige Erneuerung, worauf man immer mit Si cherheit rechnen könnte, unseren Schmieden, Bau handwerkern, Wagenfabrikanten re., nicht wenig zu thun geben. Ein Material, das so schnell abgenutzt wird, ge stattet die Einsührung aller Verbesserungen der Wissenschaft, während ein wenig gebrauchtes Ma terial den Fortschritten nicht günstig ist, und in der Zeit worin wir leben, heißt, nicht fortschreiten, eben soviel wie zurückgehen. Eine so bedeutende Thätigkeit wird einen unge heuren Verbrauch von Brennstoffennöthigmachen; was also einen neuen Absatz für unsere Steinkoh lengruben zur Folge haben würde, abgesehen von dem ungeheuren Vortheil, daß sie dann ihre Erzeug- > niste mir geringen Kosten bis an die Gränzen des Landes verführen könnten. Die Vortheile, welche wir so eben ausgezählt ha ben, sind gewiß nicht zu verachten, weit größern Werth hat aber noch das wohlthätige Leben, wel ches dadurch in den Seehandel kommen würde. Man muß nicht vergessen, daß wir beständig in der Voraussetzung eines bedeutendenZwischenhan- dels reden, der durch eine Tarifs-Erniedrigung her vorgebracht wäre, welcheuns einevortheilhafte Con- currenz mit dem Rhein zu unterhalten erlauben würde, und daß von da an Antwerpen zu einem Hafen ersten Ranges wird, wohin eine große Menge Schiffe Waaren, die für Deutschland bestimmt sind, bringen, und dann mit Erzeugnissen aus unjerem und jenem großen Lande befrachtet wieder abfahren. Zuerst macht das Beladen und Abladen der Schiffe re. die Verwendung einer Menge Tagelöh ner oder Handlanger nöthig, welche in diesem Au ¬ genblick im Innern des Landes zerstreut sind, und unter der Stockung des Handels leiden. Wenn erst mehr Leben in die Schifffahrt kommt, so läßt alles vermuthen, daß die Belgischen Fahr zeuge den bedeutendsten Antheil daran bekommen werden, indem die einheimischen Schiffe immer, ohne die am meisten begünstigten Nationen zu rechnen, gewisser Vorrechte genießen. Außerdem bringt auch dieGewohnheit, für andere zu wirken, schnell die Begierde hervor, für sich selbst etwas zu thun; und daher kommt dann die Aus dehnung des einheimischen Handels, welcher leichter von Statten gehen wird, wenn sich Gelegenheiten darbieten, an Schiffsladungen seinen Antheil zu haben, was für eine große Anzahl von Handels leuten immer etwas Leichteres ist, als eine ganze Ladung allein zu bewirken. Mit einem Worte, für eine Nation, welche Zwi schenhandel treibt, ergeben sich tausend Gelegenhei ten und bieten ihr Mittel dar, ihre Thätigkeit zu entwickeln. Und die Thätigkeit ist das wahre Leben des Handels, in ihr liegt der Reichthum, die Macht des Volkes, die Macht, welche weder nach dem Um fange seines Gebietes, noch nach der Volksmenge, sondern nach dem Wohlstände, dem Gedeihen und dem Glück der Bewohner sich richtet. Vier Millio nen Menschen können diese Vortheile ebenso gut und vielleicht noch leichter genießen als vierzig Mil lionen; Alles hängt von der Lage und von der Art sie zu benutzen ab. Nach diesen Betrachtungen wird vie Frage noch wichtiger, das öffentliche Wohl steht vielleicht noch höher als die Finanzfrage; von welcher Bedeutung aber auch die letztere sein mag, und selbst wenn durch Herabsetzung der Transportpreise keine Verbesse rung in den Finanzen bewirkt werden sollte, würde man bei gründlicher Untersuchung der Sache doch vielleicht finden, daß keine Negierung jemals das Geld der Nation hätte besser anlegen können. Wenn man aber, durch Erniedrigung des Waa ren-Tarifs, nicht allein den Ackerbau, die Gewerbe, den Handel, Zwischenhandel und die Abnahme des Pauperismus befördert, sondern auch in financiel- ler Hinsicht den Eisenbahnen dadurch Vortheil bringt, so wird man einsehen, daß eine dringende Noth die Regierung auffordert, sich mit einem Ge genstände zu beschäftigen, der in so vieler Beziehung mit dem öffentlichen Wohl zusammenhängt. Merles Capitel. Praktische Erfahrungen. Beweisgründe, mögen sie auch noch so plausibel sein, geben selten dem Geiste eine so innige Ueber- zeugung, als die Erfolge, welche man der Erfah rung verdankt; diese tragen den Stempel einer Au torität, welche man respectirt, und welche die Kritik entwaffnet. Glücklich ist also der, welcher zur Un terstützung seinerTheorieen sich daraufberufen kann. Wir wollen uns daher bestreben, aus einer Er fahrung Nutzen zu ziehen, welche die Regierung in den letzten Jahren gemacht, und welche eine auffal lende Beziehung zu dem Gegenstände hat, der uns beschäftigt. Ein Gesetz vom 30. Juni 1842 sagt: „Einziger Artikel. Die Regierung ist berechtigt, die Zölle auf den Canälen und Flüssen, welche in die Staats- casse fließen, herunterzusetzcn rc." Der durch dieses Gesetz verliehenen Befugniß ge-