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274 Seitdem die Eisenbahn-Linien zur Vollendung sich unmittelbar im Verhältniß zu den niedrigem gekommen sind, haben diese drei Gegenden ein glei ches Interesse, die Tarife herabgesetzt zu sehen. Ein sehr glücklicher Umstand ist der, daß eine solche Verminderung der Tarife den respectiven Ab satz der drei Gegenden nicht im Geringsten schmä lern würde. Sie würden alle an der Vermehrung deS Verbrauchs mit Theil nehmen, ohne eine Ver änderung ihrer respectiven Vortheile zu erfahren. In der That, die an der Gränze von Frankreich befindlichen Steinkohlenlager von Mons und Char leroi würden ohne Antheil daran ihre Ausfuhr nach diesem Lande fortsetzen. Was die Versorgung der Hauptstadt anbetrifft, so würde Lüttich im Vergleich zu den anderen Stein kohlen-Gegenden immer in einer untergeordneten Stellung bleiben; denn, wenn wir das Distancen- Verzeichniß zu Rache ziehen, so finden wir um die Hauptstadt zu versorgen die folgenden Entfer nungen : V°n Brüssel n. j AussuM^^ I "ittl. Zahl 13-/4 Lieues. j Von Brüssel nach Lüttich 22-/? Lieues. Was die Abfuhr durch den Hasen von Antwer pen betrifft, so sind die Entfernungen der drei Ge genden so ziemlich dieselben; man findet, daß sie in Wirklichkeit betragen von Antwerpen nach > 25 mittl. Zahl 23 Lieues Antwerpen nach mittl. Zahl2t Lieues Antwerpen nach Lüttich 23 Lieues. Diese Uebereinstimmung würde nicht stattgefun den haben, wenn irgend eine von den Bahnen un terdrückt wäre, denn das Lager, welches die Folgen dieser Unterdrückung empfunven hätte, würde durch eine Herabsetzung des Tarifs haben leiden müssen, und der distributiven Gerechtigkeitdadurcheinschwe- rer Schlag versetzt sein. In der menschlichen Gesellschaft hängt alles eng zusammen: eine Herabsetzung des Tarifs macht die Ausfuhr der Mineral-Producte möglich, und bringt dadurch Leben in die Gewinnung derselben; diese größere Regsamkeit beschäftigt Arbeiter von allen Sorten, Steinbrecher, Bergleute, Auflader, Schmiede w., und verringert umsomehr den Pau perismus, welcher durch die Unthätigkeit erzeugt wird. Noch weit mehr äußert sich eine Rückwirkung auf die Arbeit selbst, denn in's Große gcführteUntcrneh- mungen können wohlfeiler produciren, was wieder den Absatz der Producte und dadurch dcrenHervor- bringung befördert. Man drehet sich also in einem Kreise von Verbesserungen, welche bald zu einer so großen Menge anwachsen, daß sie der Concurrenz der andern Nationen, welche weniger begünstigt sind, oder ihr Beförderungs-System nicht so gut combinirt haben, Trotz bietet. Diese Vermehrung der Consumlion, welche eine Folge der wohlfeilen Preise ist, macht sich nicht bloß bei der Ausfuhr bemerklich, sie findet ebenfalls im Jnlandestatt; dcnndieAusdehnungdesVerbrauchö der schweren und wenig innern Werth habenden Stoffe wird durch die Transportkosten beschränkt, welche einen bedeutenden Theil ihres Preises im Ganzen ausmachen: der Verbrauchkreis erweitert Preisen des Transports. Wünscht man ein Beispiel dafür zu haben? der Kalk, welcher im Süd-Osten von Belgien sehr all gemein ist, ist ein schätzbarer Dünger für den Boden von Flandern und in der Campine; jedes Jahr wird bas Bedürfniß desselben so stark gefühlt, daß, ungeachtet dec bedeutenden Transportkosten, ein zelne Oeconomcn sich Portionen davon kommen lassen, und dabei ihren Voctheil finden, doch aber !nur bis zu einer gewissen Entfernung; denn die Transportkosten beschränken in einem hohen Grade den Gebrauch desselben und der Landbau leidet darunter. Wer sieht hier nicht auf den ersten Blick, daß, wenn auf den Eisenbahnen eine leichte und wenig kostbare Versendung möglich wäre, der Verbrauch des KalkeS in außerordentlichem Maße zunehmen, und dem Landbau einen neuen Aufschwung geben würde. Es ist aber nicht möglich eine große Menge Kalk zu produciren, ohne dabei Kohlen zu gebrauchen, welche ebenfalls verschickt werden müssen; mit dem Eisen zu den Werkzeugen ist eS derselbe Fall; und so werden allmälig durch den wohlfeilen Transport der schweren Stoffe, eine erstaunliche Masse von Producten aus dem Schooße deb Erde zu Tage ge fördert, welche unter derHerrschaft eines hohen Ta rifs darin verborgen geblieben sein würden. Man kann ohne Metapher sagen, daß dcr wohlfeileTrans- port das zu transportirende Gut aus der Erde Her vorschaffr. Nebenbei will ich auch noch bemerken, daß darin eine vollständige Widerlegung jenes Einwurfes liegt, welchen man ost vorbringt: man glaubt, daß der Güter-Transport eine konstante Größe ist, und pflegt den Einwurf in die Worte zu kleiden: „Ihr werdet also die Sachen aus der Erde hervorschaf fen?" Ei ja wohl, könnte man darauf antworten, der wohlfeile Transport würde sic auS der Erde hervorbringen, und, wenn man diese Analyse fort setzen wollte, man würde sie nicht bloß bei jedem Schritte auS der Erde hervorkvmmen, sondern auch I auf ihrer Oberfläche sehen; das Holz, in einer Ge- ! gend im Ueberfluß vorhanden, würde nach einer andern, wo Mangel daran ist, verführt werden; Quadersteine, Marmor und Schiefer, würden öfter anstatt der Backsteine, der Dachziegel und der Stroh- Teckung angewandt werden; Haser und Getraide würden versandt werden, um die Noth einer Pro vinz zu erleichtern, sobald die Marktpreise die Noth wendigkeit anzeigten. Das Bedürfniß des Transports der schweren Stoffe kennt gewissermaßen keine Gränzen, und wenn dieser Transport zu sehr wohlfeilen Preisen geschähe, so könnte man unmöglich vorherbestim men, wo er ein Ende nehmen würde; was man mit Gewißheit behaupten kann, ist das, daß seine Zu nahme ungeheuer sein würde. Wenn man den Sachen auf den Grund sieht, so wird man immer finden, daß die unmittelbare Folge einer Tarifs-Verringerung eine Vermehrung der der arbeitenden Classe zu gebenden Beschäftigung sein wird. Zuweilen wird das erforderliche Geld durch die Ausfuhr herbeigeschafft werden, in an dern Fällen dagegen werden wohlhabende Personen es liefern, denen die Gelegenheit sich darbietet,ihren Comfort durch den wohlfeilen Ankauf solcher Sub ¬ stanzen zu vermehren, woran ein zu hoher Preis sie verhindert haben würde; und oft wird das Geld auch aus den Händen der Landbauer und Gewer betreibenden kommen, welche dann die Mittel dazu finden, diese Stoffe von geringem Werthe, mit Hülfe ihres Fleißes, der den unteren Classen ein gutes Auskommen verschafft, in andere Erzeugnisse umzugestalten. Dieses sind augenscheinliche Folgen des wohlfei len Transportes, welche man in folgenden Worten ausdrücken könnte: der wohlfeile Transport beför dert die Entwickelung des Ackerbaues, erzeugt Ver bindungen mit dem Auslande, und bringt Wohl stand unter die Menschen, während ein zu hoher Tarif der Nation diese Wohlthaten entzieht. Zweites Capitel. Von dem Zwischenhandel. Wenn ein Land in seinen vorzüglichsten Richtun gen ganz und gar von einem Eisenbahnsysteme durch schnitten ist, wie dies in Belgien der Fall ist, so ist es nicht allein nothwendig, daß mandiewahrschein- lichen Wirkungen betrachtet, welche der Waaren- transportauf den Handel, sowohl Binnen-als Aus- suhrhandel, äußern wird, sondern man darf auch die Frage vom Zwischenhandel nicht übersehen. Zwischenhandel findet statt, wenn Waaren durch ein Land geführt werden, um von dem Staate, welcher sie absendet, nach demjenigen, wo ihre Kon sumtion statthaben soll, zu gelangen. Der Zwischenhandel istalso im eigentlichen Sinne kein Handelsgeschäft, denn es kommt dabei kein Kauf und Verkauf vor. Das Land, wo der Zwi schenhandel vor sich geht, nimmt eine Stelle ein, welche der eines Wechselmäklcrs, der das Geschäft zwischen dem Käufer und Verkäufer vermittelt, ganz ähnlich ist, oder vielmehrdereineS Spediteurs, welchem der Verkäufer auf einige Zeit seine Waa ren anvertraut, mit dem Auftrage, sie wohlbehalten an ihre Bestimmung zu schaffen. Mit diesemGeschäft eines simplen Unterhändlers, welches beim ersten Blick so untergeordnet scheint, sind indessen zahlreiche Vortheile verknüpft, wes halb alle Völker mit Sehnsucht danach verlangen. Der Gewinn ist bei jeder einzelnen Unterneh mung nur sehr gering, aber, wie sie sich ohne Unter laß wiederholen, lassen sie auch jedesmal in dem Lande einiges Geld zurück, welches, indem es sich ! anhäuft, am Ende demselben großen Rcichthum bringt, ebenso wie aus einem dünnen Wasserstrahl, der keinen Abfluß hat, am Ende ein großer See werden kann. Diesem Geschäfte, worauf man so eifersüchtig zu sein Pflegt, zu genügen, ist nicht für alle Völker gleich leicht; die Sitten und Gewohnheiten, die be stehenden Verbindungen und Communicationen haben mit Einfluß darauf, — der Umstand aber, von dem das Meiste abhängt, besteht in der geo graphischen Lage des Volkes, welches sich dem Zwi schenhandel ergeben will. In dem Culturzustande, welchen wir erlangt haben, sind in der That die Meere frei, die Fahrzeuge aller Nationen können durch diese große, dem Handel aller Völker offenste hende Straße nach allen Richtungen fahren; und diese Straße ist unstreitig weniger kostbar, als alle andern. Hieraus solgt, daß, jemehr die See die Küste eines Volkes aushöhlt, und sich dem Innern der kinter seinem Gebiete gelegenen Länder nähert,