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234 viele von diesen reisen zu wirklich nützlichemZweck? Nicht für Jedermann ist die Zeit Geld, und auch früher schon fuhren eben die Personen am schnell sten, welche am wenigsten zu versäumen haben. Wie gar manche Reise wird auf der Eisenbahn gemacht, welche in staatswirthschaftlichem, oft in jedem Be tracht ebenso gut unterblieben wäre, wie mancbe blos darum, weil sie ja so wohlfeil ist und so schnell abgemacht werden kann! Wenn aber in neuerer Zeit durch höhere Vervollkommnung der Technik, durch größere Concurrcnz fast alle Erzeugnisse des Gewerbfleisses zu einem so niedrigen (für den Con- sumenten nur erwünschten) Preis herabgcsunken sind, daß ein geringer Aufschlag oder eine geringe Ersparniß über die Möglichkeit des Absatzes ent scheidet, wenn endlich diese Ersparniß nur noch an den Transportkosten zu gewinnen ist,, so begreift man, daß eine auf Waarenverkehr berechnete Eisen bahn über den Wohlstand-cineS ganzen Landstrichs entscheiden kann. Und nicht bloß die werthvollen Früchte des GcwerbflcißeS bedürfen dieser Erleich terung, sondern auch die Erzeugnisse des BodenS, die Mineralien, die Wolle, und selbst unter Um ständen daS Holz und das Getreide. Haben wir doch vor zwei Jahren die Kornpreise in derVrovinz Sachsen doppelt so hoch, wie die in der Provinz Westprcußen erlebt, brennt man doch heute noch in der Gegend von Glogau, am schiffbaren Oderstrom, Englische Steinkohlen, während die reichen Schachte von Waldenburg nur 15 Meilen entfernt liegen; sind doch die Holzpreise in den Städten kaum mehr für den unbemittelten Familienvater zu erschwin gen, indeß die Stämme in den entlegenen Forsten ungenützt verfaulen. Um nun aber hier auszugleichcn, um wirklichen Nvlhstand zu lindern, und um Güter im ausge dehnteren Sinne des Worts auf Eisenbahnen zu fördern, müssen diese nirgends für jene Zwecke be rechnet sein. Personen sind die werthvollste Waare, bei ihnen kommt es namentlich aus die Schnellig keit an, und eine Preiserhöhung von wenigen Gro schen wird niemand abhalten seine Reise aus der Eisenbahn auszuführen. Die Personen wiegen nur halb so viel, wie die Wagen welche sie fortschaf fen, und da es auf Ersparniß von Geld nicht so ge nau ankommt, so würden Hülfslocomotiven selbst noch sehr erhebliche Steigungen überwinden. Die Bahnanlagen der Actiengcsellschaften sind fast im mer auf den Personenverkehr basirt, und die Fort schaffung der Güter bildet dort nur eine erwünschte Nebeneinnahme. Selbst in günstigem Terrain zei gen diese Bahnen dahersehrerheblicheSteigungen; denn um an dem Anlagecapital zu sparen, folgte man der Oberfläche des Bodens, wie er sich in der günstigsten Richtung gab, und vermied die kostspie ligen Auf-und Abträge, welche zurErzielung eines horizontalen Planums selbst in der ebensten Gegend unvermeidlich sind. Zwar mußte, was an Anlage capital erspart wird, später im Betrieb verloren ge hen, wenn man schwere Güterzüge zu fördern be kam, aber eben deshalb förderte man die minder wertbvollen Güter nicht, machte sich an den Perso nen bezahlt und sagte: „die Erzeugnisse des Bo dens eignen sich nicht zum Transport aus der Eisen bahn." Aber so dars der Staal nicht rechnen. Es kommt beim Gütertransport weit weniger auf eine sehr große Schnelligkeit, als auf die äußerste Wohlfeil heit an. Ein halber Silberpfennig per Meile kann darüber entscheiden, ob eine Gattung von Erzeug nissen, welche vielleicht den Reichthum einer Pro vinz ausmacht, dem Eisenbahnverkehr zufällt oder nicht. Nm aber einen wohlfeilen und geregelten Gü tertransport zu organisircn, muß die Bahn die ge- ringst mögliche Steigung und ein doppeltes Geleise haben; denn bei einerSteigung von nur 1 Fußauf 300 Fuß Länge ist bekanntlich fast die doppelte Kraft wie auf der Horizontale, mithin sind doppelte Betriebskosten erforderlich. Ferner gewinnt man (bis zu einer gewissen Gränze) an Kraft, was man an Schnelligkeit nachläßt. Bei ungleichen Ge schwindigkeiten aber, der Güter- und der Personen- zügc, wird man auf längeren Bahnlinien nicht ohne zwei Geleise auskommen, wenn Aufenthalt, Stö rungen und Gefahr vermieden werden sollen. Der Staar wird daher auf seine Bahnen ein größeres Anlagecapital verwenden müssen, um sehr mäßige Frachtpreise stellen zu können. Hier weichen die Interessen von einander ab, und wir dürsten erleben, daß StaalSbahnen, oder solche welche der Staat unterstützt und denen er da her seine Bedingungen stellt, aufmeilenweite Ent fernungen neben Privatbahnen herziehen werden, welche anderen Principicn gehuldigt haben, und sich daher für den Güterverkehr nicht eignen. Dies ist aber ein Aufwand von Kräften, welcher mir zu beklagen sein wird. (Schluß folgt.) Die Reform des Englischen Eisenbahnwesens. (Anhang.) (Fortsetzung.) Chester und Birkenhead, 15 Meilen. — Die Acte für diese Compagnie kam 1837 heraus. Von Chester ab läuft die Linie über Moston, Sut ton, Greenfield, und Harvey Lane bis zu ihrem Ende bei Birkenhead. Diese Eisenbahn ist für die ActionairSein verderb liches Unternehmen gewesen; zur Zeit ihrer Eröff nung war alle Aussicht vorhanden, daß sie wegen deS dadurch ersparten Umweges nach Liverpool ge winnreich ausfallen würde; die Ursache aber, wa rum das Publikum verhindert ward, mit dieser Ei senbahn zu fahren, und die Speculation daher schei tern mußte, ist von dem Verfasser eines Aufsatzes in der Times sehr gut auseinandergesetzt worden. Er sagt: „Als der Plan zu einer Eisenbahn zwischen Che ster und Birkenhead entworfen ward, hegte man allgemein die günstigste Meinung von dem Gelin gen des Unternehmens. DerVerkehraufderStraße war offenbar groß, dieOrte, die an derselben liegen, nahmen an Volksmenge und Wohlstand zu, und derZusammcnhangderEisenbahnmit Birmingham und dem Süden, vermittelst der Zweigbahn von Chester und Crewe, schien die glänzendsten Aussich ten zu verbürgen. Demzufolge stiegen die Actien lange vorher, ehe die Linie angelegt wurde, bis zu einer Prämie von 8 Pfd., und eine Prämie blieb wenigstens immer eine beträchtliche Zeit über. Un ¬ glücklicherweise tratdie Grand Junction Compagnie dazwischen, und nachdem sie sich der Chester und Crewe Zweigbahn bemächtigt hatte, hat sie den Ver kehr der südlichen Grafschaften, der sonst durch Che ster ging, durch allerlei kleinliche Kunstgriffe unedler Rivalität entscheidend abgeschnitten, selbst auf Un kosten und zum Schaden dcö Publikums, zu dessen Vortheile dem Vorgeben nach diese Eisenbahnen doch ursprünglich angelegt waren. Es ist ein no torisches Faktum, daß seit der Eröffnung der Che ster und Birkenhead Eisenbahn, die Grand Junction Compagnie systematisch gegen das Zusammentreffen der Züge bei Chester vperirt und chicanirt hat. So oft die Chester und Birkenhead Compagnie ihre Zeitbestimmungen abänderte, um mit den Zügen der Grand Junction bei Chester Zusammentreffen zu können, veränderte die letztere sogleich ihre Ab- fahrSstundcn, und nöthigte dadurch die unglückli chen Reisenden, entweder ein Paar Stunden auf den Stationen zu verweilen, und sich alle die mit dem Besteigen neuer Wagen verbundenen Unan nehmlichkeiten gefallen zu lassen, oder sich dazu zu entschließen, den Weg über Liverpool und War rington zu nehmen. Selbst den Mailzügen gestat tet es die Grand Junction Compagnie nicht bis nach Crewe durchzufahren, sondern sie müssen bei Chester anhalten, und die Bagagestücke werden dort über die Heerstraße geschafft, und mit dem Zuge der Grand Junction befördert. Die Folge von aller dieser parteisüchtigen und unwürdigen Rivalität ist die, daß das Publikum dabei empfindliche Nach- thcile erlitten hat, und die Aussichten der Chester und Birkenhead Eisenbahn außerordentlich getrübt worden sind. Ihre Actien sind von 8 Pfd. Prämie bis auf 32 Pfd. Discont heruntergegangen, oder 64 Procent! Dem letzten Halbjahrsbcrichte zufolge haben sich die Umstände der Compagnie wieder etwas verbes sert, die Anzahl der Passagiere, die während des halben Jahres befördert worden sind, hat 127,659 betragen, die Einnahme 16,580 Pfd., und die Aus gabe hat sich gegen das correspondirende halbe Jahr von 1841 auf 1700 Pfd. vermindert. Chester und Crewe, 18 Meilen.— Diese Linie wurde 1837 angcfangen, und 1839 beendigt, und bildet mit der Chester und Birkenhead Bahn die geradeste Straße nach Liverpool; sie wurde des halb von der Grand Junction Compagnie ange kauft, um zu verhüten, daß sich der Verkehr nach dieser Richtung hinwandte. Das Capital, das auf den Bau derselben verwandt wurde, betrug 458,333 Pfd., und die Actien, eine jede 50 Pfd. Die Grand Junction Compagnie machte sich an heischig, den Inhabern der Actien 25 Pfd. Actien von ihrer Compagnie zu geben; und da ihrrespec- tiver Werth auf dem Markte derselbe war, konnte man es im Grunde mehr als eine Amalgamation, denn als einen Verkauf betrachten. Lauf der Eisenbahn. — Von der Grand Junc- tion mit einer leichten Krümmung abbiegend, zieht sich die Linie nach Oak Farm, von dort nach Aston Hall, und über den Chester Canal bei Bunbury Lockö vorbei, indem sie dicht am Canale hingeht, und das Stadtgebiet von Newtown durchschneidet, läuft sie bis Saighton Lane fort, und, durch das Stadtgebiet von Great Boughton hindurchgehend, endet sie bei Brook Street in Chester. Ein sehr schöner Aquäduct führt den Elleömere